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Der Marktausblick

Die Augen bleiben auf China – Zinshoffnungen keimen – die IAA wird eröffnet

von Redaktion

04.09.2023

| Lesedauer: 5 Minuten
Galt China in den vergangenen zehn Jahren als Wachstumslokomotive der Weltwirtschaft, schauen Ökonomen und Börsianer nun besorgt ins Reich der Mitte, vor allem der Immobilienmarkt macht Sorgen. Zum Wochenausklang verdrängten die Anleger in New York allerdings die Gefahren, die aus China drohen.

Es ist erstaunlich, wie schnell sich das Blatt wenden kann: Galt China in den vergangenen zehn Jahren als Wachstumslokomotive der Weltwirtschaft, schauen Ökonomen und Börsianer nun mit Sorgen ins Reich der Mitte. Insbesondere der Immobilienmarkt macht Sorgen. In der vergangenen Woche stand der Entwickler Country Garden im Mittelpunkt dieser Sorgen. Bislang hatte man den Eindruck gehabt, dass es sich bei dem Unternehmen um einen der wenigen chinesischen Bauentwickler handelte, die trotz der sich zuspitzender Krise auf soliden Beinen stehen. Nun lesen sich die jüngsten Nachrichten wie ein Hilfeschrei: „Die Liquidität des Konzerns steht unter noch nie da gewesenem Druck“, teilte die Firma am Mittwoch mit. Man sei überrascht von „Dauer und Ausdehnung des Abwärtstrends“. Bei einer weiteren Verschlechterung der Situation werde man eventuell nicht mehr allen Zahlungsverpflichtungen nachkommen können.

Die chinesische Immobilienwirtschaft tut sich seit drei Jahren schwer. Während des ersten Lockdowns, im Sommer 2020, erhöhte die Regierung in Peking die Anforderungen für die Vergabe neuer Kredite, um die Luft aus dem damals noch überhitzten Markt zu nehmen. Damit löste sie einen Dominoeffekt aus, dessen Folgen bis heute nachwirken. Börsianer erinnern sich: Als erstes kam der mit über 330 Milliarden Dollar verschuldete Evergrande-Konzern zu straucheln, der die Kurse von Unternehmen auch anderer Branchen und in anderen Regionen der Welt unter Druck setzte. Nun droht mit der Schieflage von Country Garden dasselbe Ungemach. Allein im Halbjahr musste Country Garden einen Verlust von umgerechnet mehr als 6,5 Milliarden Euro hinnehmen. Bis Ende 2022 ist der Schuldenberg bereits auf rund 190 Milliarden Dollar gestiegen.

Als Notmaßnahme kündigte die Unternehmensleitung nun an, an der Hongkonger Börse Aktien auszugeben, um mit den Erlösen einen Teil der Kredite zurückzuführen. Wer diese Aktien kauft und ob genug Geld eingesammelt werden kann, um eine Umschuldung erfolgreich umzusetzen, steht derzeit noch in den Sternen. Dass sich die Lage auf absehbare Zeit entspannen wird, scheint unwahrscheinlich. Der Verkauf neuer Immobilien ging im Juli nochmals um über 34 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zurück, meldete das chinesische Statistikamt. Wenn man sich vor Augen führt, dass sich damals noch weite Teile des Landes im Corona-Lockdown befanden, verheißen diese Zahlen nichts Gutes.

Die Hoffnung der Marktteilnehmer, die Regierung könnte den notleidenden Unternehmen beispringen, hat sich bislang auch nicht erfüllt. Nur punktuell gibt es staatliche Maßnahmen, um die Krise zu entschärfen: Diese Woche etwa haben die südchinesischen Städte Guangzhou und Shenzhen den Zugang zu niedrigen Hypothekenzinsen für Erstkäufer von Eigenheimen erleichtert.

In der Volksrepublik gehört der Baugrund allein dem Staat. Sowohl Unternehmen als auch Bürger können allerdings der Erbpacht vergleichbare, zeitlich begrenzte Nutzungsrechte erwerben. Das staatliche Monopol hat den Lokalregierungen seit der Jahrtausendwende ein scheinbar unbegrenztes Füllhorn beschert: Wann immer sie neues Geld brauchten, konnten sie weitere Nutzungsrechte von Baugrund verkaufen. Gleichzeitig hat der Staat stets versucht, das Angebot künstlich gering zu halten, um die Preise hoch zu halten.

Der Staat verantwortet somit höchstselbst die Immobilienblase – um jeweils seine kurzfristigen Finanzprobleme zu lösen. Die „Neue Zürcher Zeitung“ zitiert in diesem Zusammenhang den Ökonomen Xu Chenggang von der Stanford-Universität, der den Wert sämtlicher Immobilien in China höher schätzt als den Wert der Liegenschaften in den USA und der EU zusammen – einem Wirtschaftsraum also, der doppelt so leistungsstark ist wie der chinesische. Eine Rosskur scheint unausweichlich. Ökonomisch steht dabei viel auf dem Spiel: Aus dem Bausektor resultiert knapp ein Drittel der chinesischen Wirtschaftsleistung.

Zum Wochenausklang verdrängten die Anleger in New York allerdings die Gefahren, die aus China drohen. Anzeichen für eine Abkühlung des US-Arbeitsmarktes untermauerten am Freitag die Hoffnungen auf eine Zinspause der Fed, so dass die New Yorker Börsen wieder etwas Schwung aufnahmen. Der Dow Jones Industrial legte um 0,3 Prozent auf 34.835 Punkte zu. Damit machte der Leitindex den Rücksetzer vom Vortag großteils wett. Für den am Donnerstag ebenfalls schwächelnden marktbreiten S&P 500 ging es um 0,2 Prozent auf 4.515 Punkte hoch. Der als besonders zinssensibel geltende technologielastige Nasdaq 100 sank hingegen um 0,2 Prozent auf 15.479 Zähler. Gleichwohl ist er unter den drei Indizes seit Jahresbeginn mit Abstand am besten gelaufen. Allein für die zu Ende gehende Woche steht ein Plus von 3,5 Prozent zu Buche.

Auf Unternehmensseite rückte Dell mit Quartalszahlen und einem Kurssprung von 24 Prozent in den Blick. Der Umsatz des PC-Herstellers sank weniger stark als befürchtet, was Hoffnungen auf eine Trendwende im zuletzt tristen PC-Markt nährte.

Bei der Sportbekleidungskette Lululemon, die ebenfalls ihren Zwischenbericht vorlegte, konnten sich die Anleger dank angehobener Jahresziele über einen Kursgewinn von 4,2 Prozent freuen.

Broadcom-Aktien büßten hingegen 5,4 Prozent ein. Der Hersteller von Elektronikchips für Konzerne wie Apple enttäuschte mit dem Geschäftsausblick für das laufende Quartel. Analysten sahen Schwächen in den Prognosen für das Netzwerk- und Breitbandgeschäft, während der Ausblick in Summe von Anwendungen rund um das Thema Künstliche Intelligenz profitiert habe.

Um 3,6 Prozent bergab ging es für Dow-Schlusslicht Walgreens Boots Alliance, nachdem die Drogeriekette den Rücktritt der Chefin Rosalind Brewer mitgeteilt hatte. Zudem rechnet der Konzern damit, dass der Gewinn je Aktie im laufenden Geschäftsjahr am unteren Ende der Zielspanne liegen wird.

Die Papiere des Elektroautobauers Tesla sackten um 4,2 Prozent ab. Der Konzern senkte in China die Preise für einige seiner Modelle um teils fast ein Fünftel und setzt damit die Konkurrenz, vor allem die aus Europa, weiter unter Druck.

Vorher war es am ersten Handelstag im September am deutschen Aktienmarkt abwärts gegangen. Nach dem mit Spannung erwarteten Arbeitsmarktbericht aus den Vereinigten Staaten stiegen die Renditen zehnjähriger US-Staatsanleihen kräftig. Der Dax legte im Gegenzug den Rückwärtsgang ein und verlor 0,7 Prozent auf 15.840 Punkte. Gebremst wurde der Index vor allem von den Kursverlusten der Automobilaktien. Die Preissenkungen, die Tesla für Modelle im Wachstumsmarkt China angekündigt hatte, setzt die Konkurrenz aus Europa unter Druck, ebenfalls die Preise zu senken. Aktien von Mercedes, BMW und Porsche AG verloren zwischen 2,5 und 3,6 Prozent.

Trotz der Verluste am Freitag konnte der Dax ein Wochenplus von 1,3 Prozent einfahren. Der MDax der mittelgroßen Titel schloss praktisch unverändert bei 27.813 Zählern.

Auf der Gewinnerseite sorgte eine Kaufempfehlung von JPMorgan für die Beiersdorf an der Dax-Spitze für ein Kursplus von 1,1 Prozent.

Die Aurubis-Aktie sackte dagegen um 6,1 Prozent ab. Der Kupferkonzern strich seine Jahresprognose, weil er davon ausgeht, erneut Opfer von Metalldiebstahl geworden zu sein. Das Ausmaß des Schadens könne noch nicht sicher festgestellt werden, hieß es. Auch Salzgitter, die knapp 30 Prozent an Aurubis halten, wurden davon zeitweise belastet. Steigende Preise im Stahlsektor glichen dies aber im Tagesverlauf mehr als aus. Die Aktien legten zu Handelsschluss als einer der besten SDax um ein Prozent zu. Die Fielmann-Aktien gewannen an der Indexspitze 8,7 Prozent. Die Optikerkette rechnet nach dem Abschluss der Übernahme des US-Konkurrenten SVS Vision im laufenden Jahr mit mehr Umsatz.

Der Euro profitierte nur vorübergehend vom US-Arbeitsmarktbericht und wurde zuletzt mit 1,0790 US-Dollar gehandelt. Im Rentenhandel fiel die Umlaufrendite von 2,53 Prozent am Vortag auf 2,50 Prozent.

Auch in der neuen Woche dürften der chinesische Immobilienmarkt, die Zinserwartungen und die Renditen an den Anleihemärkten über das Wohl und Weh an den Aktienbörsen entscheiden. Die Renditen gingen jüngst etwas zurück, die Verzinsung zehnjähriger US-Staatsanleihen sank von in der Spitze 4,37 Prozent auf nahe vier Prozent. Das stützte die Aktienkurse.

„Für die Finanzmärkte stehen in der neuen Woche wenige Daten und nur indirekte Hinweise zum wichtigen Überthema Inflationsentwicklung an“, schreibt die Commerzbank in ihrem Ausblick. In Deutschland seien dies die Juli-Daten zu Auftragseingängen und Produktion am Mittwoch. Sie sollten zeigen, dass die deutsche Industrie zunehmend unter der weltweiten massiven geldpolitischen Wende leidet. Hier dürfte die schwache Nachfrage mehr und mehr auf die Produktion durchschlagen und die Auftragseingänge nach zwei guten Monaten wieder schrumpfen.

Mit der 70. Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA), die am Dienstag in München eröffnet wird, dürfte zudem erneut die Autobranche in den Fokus rücken. „Die einstige Vorzeigebranche Deutschlands hat zu kämpfen“, stellt die Commerzbank fest. Gewaltige Auftragspolster seien mittlerweile aufgezehrt, die Auftragslage werde schlechter. Das spiegele sich auch an den Börsen wider. So sei zwar der europäische Autosektor seit Jahresbeginn deutlich gestiegen; im internationalen Vergleich führen deutsche und europäische Automobilaktien aber hinterher.

Am Dienstag überprüft die Deutsche Börse die Zusammensetzung der Aktienindizes. Im Dax und MDax als den beiden wichtigsten deutschen Börsenbarometern dürfte sich aber nichts ändern.
Der Auftakt der neuen Börsenwoche sollte grundsätzlich recht geräuschlos verlaufen. In den USA wird wegen des Feiertags „Labor Day“ am Montag nicht gehandelt.

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1 Kommentar

  1. Strategische Fehler jeglicher Art, machen sich grundsätzlich bemerkbar, mal früher, mal später, denn alles Falsche zeigt irgendwann seine Auswirkungen und auch die Chinesen werden Lehrgeld zahlen müssen, sobald sie die Oberkante des Wachstums erreicht haben, wo man derzeit davon ausgehen kann.

    Wer will denn aus unserer Sicht in den massenhaften chinesischen Wohnsilos wohnen, eng und teuer zusammengepfercht, denn das private Eigenheim mit Vorgarten nach unserem Maßstab gibt es dort nicht und ist allenfalls für Vermögende gedacht, währen der Rest in diesen unzumutbaren Unterkünften eingepfercht ist, was wir ja teilweise in früheren Jahren auch schon hatten und dann die Leute die Flucht angetreten haben um sich nach Jahren des Grauens neu zu orientieren.

    Allerdings muß man die Mentalität der Chinesen noch mit einbeziehen, denn die kennen nur die Enge und das dichte Zusammenleben und auf dem Land ist die totale Armut noch zu Hause, während die städtischen Bewohner mittlerweile am Erfolg partizipieren und das nennen sie nun chinesischen Mittelstand, der aber keineswegs vergleichbar ist mit unseren Verhältnissen, weil der Freiraum fehlt und alles streng limitiert ist, was es bei uns in dieser Form „noch nicht“ gibt, aber angedacht ist, durch grün-rote Ideen, die uns nach deren Muster auch beglücken sollen, zusammen mit den lieben Gästen, in trauter Gemeinsamkeit, des neuen Hochhauses, wo man dann nur noch unten die Tür absprerren muß um keinen mehr heraus zu lassen, so geschehen während der Corona-Zeit in China.

    Was die Autoindustrie und generell die Produktion in Deutschland anbelangt, so befinden wir uns ebenfalls auf dem absteigenden Ast, denn im Gegensatz zu früher galt noch die freie Marktwirtschaft und hat über Nachfrage bei interessanten Produkten alles geregelt und heute haben wir eine staatlich verordnete Zwangsiwirtschaft, wo das Produkt vorgegeben wird, was am Ende keiner will aus unterschiedlichen Gründen und das erzeugt eine Abwärtsspirale, auch im Zusammenhang der Tatsache, daß manches mittlerweile unbezahlbar wird und nur noch das tägliche Essen einigermaßen finanzierbar ist, wobei es vielen schon an die Gräten geht und das ist Sozialismus pur, wo der Mangel an erster Stelle steht und das Produkt unbezahlbar wird und damit alles den Bach runter geht.

    Wer diese Entwicklung als Bürger zuläßt, kann doch nicht mehr alle Tassen im Schrank haben, denn ihre Idiologien können sie für sich behalten und auswandern und alles gleich mitnehmen, denn immer wenn Sozialisten sich daran machen etwas zu verbessern, kam am Ende schreckliches dabei heraus und wer dem nicht Einhalt gebietet, wird das persönlich nicht unbeschadet überstehen und da kann man schon bei den nächsten Wahlen anfangen es zu korrigieren, ansonsten wird es böse enden und sie glauben es erst, wenn alles weg ist und wir das Armenhaus Europas sind.

    Europa hat noch garnicht bemerkt, wie es langsam aber sicher zwischen den Blöcken zerrieben wird und wenn man sich überlegt, daß die Abendländer einst die ganze Welt beherrscht haben, dann wurde diese Rolle geschickt von ihren Ablegern in den USA übernommen und die versuchen nun mit allen Mitteln ihren Einfluß auf der Welt zu erhalten, denn sonst sitzen sie am Ende allein auf ihrer großen Insel, abgeschnitten vom Treiben der südlichen und östlichen Welt, die auch noch eine praktische Landverbindung haben um alles ankarren zu können, während wir entweder im Abseits stehen oder deren Bedinungen entgegen kommen, damit wir auch noch etwas vom großen Kuchen abbekommen.

    Der Ukraine-Krieg wird derzeit einfach im Interesse der USA zu hoch gesteckt und ist nur ein ärgerliches Hindernis, was aber nichts am Zusammenschluß über BRICS ändert und damit fängt dann die eigentliche Dominanz an, die man verhindern will, aber nicht mehr aufzuhalten ist.

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