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Automobil-Report International Mai 2021

Die Automärkte nähern sich nur langsam dem Vor-Corona-Niveau

24.05.2021

| Lesedauer: 3 Minuten
Statistische Wirtschaftsdaten, vor allem Wachstumsraten, sind wegen der Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie mit größter Vorsicht zu betrachten. Das legen Zuwachsraten von teilweise über 1000 Prozent nahe.

Die Corona-bedingten Marktverwerfungen sind für Ökonomen und alle Marktakteure insofern lehrreich, als sie die übliche Fixierung von Medien und Öffentlichkeit auf Zuwachsraten als alleinigen Indikator für gute und/oder schlechte Entwicklungen aus den Angeln heben. Man kann das nicht oft genug sagen: Hohe (oder niedrige) monatliche Zuwachsraten bei zum Beispiel den Neuzulassungen von Kraftfahrzeugen sind irreführend, wenn sie sich auf niedriges (hohes)Vergleichsniveau beziehen. In den meisten europäischen Ländern wird sich daran aufgrund der weiter anhaltenden Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung so schnell nichts ändern.

Die Lage auf den internationalen Automobilmärkten wird also auch im April 2021 von den Auswirkungen der Corona-Pandemie bestimmt (Quelle: VDA, KBA, ACEA):

  • Einerseits nehmen die Neuzulassungen auf allen großen Märkten weiter – und erwartungsgemäß – deutlich zu: In Europa hat sich der Absatz nahezu vervierfacht, in den USA verdoppelt, in China ist der Zuwachs trotz normaler Vorjahresbasis immerhin zweistellig. Der Grund für die Markt-Anomalien sind die massiven Einbrüche der Autonachfrage als Folge der globalen Lockdown- und Eindämmungsmaßnahmen im Frühjahr 2020. Eingedenk der alten Handelsweisheit: Ist das Autohaus erst zu, hat der Autoabsatz Ruh! – Doch die Erholung macht rapide Fortschritte!
  • Andererseits klafft zwischen dem aktuellen Verkaufsvolumen und dem Vorkrisen-Niveau noch immer eine deutliche Lücke. Denn trotz der starken Zulassungs-Zuwächse der vergangenen Monate liegen die großen europäischen Märkte in Summe noch 7 Prozent bzw. 1,5 Millionen Neuwagen unter dem Absatzvolumen im Vergleichszeitraum 2019.

Entwicklung der Einzelmärkte

Die Corona-Erholungsdynamik hat sich optisch inzwischen von China weg nach Europa verlagert. Zuwachsratensieger waren diejenigen Länder, die im Vorjahr einen totalen Lockdown erleiden mussten.

  • Der europäische Markt weist starke Aufwärtstendenzen auf. Hier lagen die Neuzulassungen im April mit 1,0 Millionen um 256 (!) Prozent über Vorjahr. Die fünf größten Märkte zeigten im April folgendes – historisch einmaliges, aber für Generationen künftiger Zeitreihenanalysten grauenvolles – Bild:
  • Frankreich: + 569 Prozent 
  • Spanien: + 1.788 Prozent
  • Italien:  + 3.277 Prozent
  • Vereinigtes Königreich: + 3.177 Prozent
  • Deutschland: + 90 Prozent 

Bis einschließlich April wurden in Europa 4,1 Millionen Neufahrzeuge angemeldet, 23 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Sieger und Verlierer sind in der folgenden Grafik ersichtlich:

  • In den USA lagen der Pkw-Absatz ( Pkw+Light Trucks) mit 1,5 Millionen  doppelt so hoch wie 2020 (+ 111 Prozent; per April: 5,4 Millionen , +29 Prozent)
  • In China hielt das starke Wachstum des Pkw-Marktes an: Im April lag das Zulassungsvolumen mit 1,7 Millionen 11 Prozent über Vorjahr. Nach vier Monaten wurden in China mit 6,7 Millionen Neufahrzeugen 53 Prozent mehr verkauft als in 2020; das entspricht bereits der Hälfte des europäischen Marktes in einem Jahr. 
  • In Japan nahm der Markt mit 288.000 Einheiten um ein Drittel (+32 Prozent ) zu (per April: 1,5 Millionen , + 9 Prozent)
  • In bevölkerungsreichsten Land der Erde, Indien, wurden im April 262.000 Pkw abgesetzt, im Vorjahr wegen totalem Lockdown 0. 
  • In Brasilien: April 663.000 Neuzulassungen, + 13 Prozent geg. Vorjahr)
Internationale Pkw Produktion

Die Aussage vom letzten Bericht hat weiterhin Gültigkeit: 

Lediglich in China kann man, nachdem die Produktions-Verwerfungen des Neujahresfestes vom Februar überstanden sind, bereits wieder von einem Wachstumstrend sprechen. In allen übrigen großen Automobilländern, auch in Deutschland, ist lediglich der Stand vor Ausbruch der Krise wieder erreicht, am deutlichsten in den USA.

Der Nachfrage- und Produktionsausfall während der einjährigen Krisenpause ist also bis dato noch nicht aufgeholt. Der Erholungsprozess geht weiter.

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2 Kommentare

  1. Liebe TE-Redaktion,

    Der Markt von 2019 (der bereits deutlich schwächer war als der von 2016 oder 2010 – das wird oft bewußt ignoriert) steht 2021 ein deutlich reduziertes Angebot gegenüber – nicht nur eine krisenbedingt geringere Nachfrage oder die zeitwesie erzwungene Schließung des Marktes. Das betrifft nicht nur die schwächere Verfügbarkeit von Neuwagen, stark verlängerte Lieferfristen wegen dem Halbleiter-Mangel.

    Es gibt auch ein deutlich reduziertes Modellangebot. Aus politischen wie Kostengründen haben die Hersteller ihre Modellpaletten zusammengestrichen. Weniger nachgefragte Varianten, Modelle und Motorisierungen, die man früher aus Imagegründen (Beispiel: Audi mit dem V8-Diesel, Mercedes SL mit AMG-12Zylindern, usw.) anbot oder weil sie „nice to have“ waren, also dem Selbstwertgefühl des Herstellers und als Ausweis, was er konnte, dienten, sind verschwunden. In Einzelfall mag auch Euro 6d oder die kommenden Euro 7 Norm das Aus bedeutet haben. Doch grundsättzlich dürfte letzteres 2021 noch kaum eine Rolle spielen.

    An Stelle dieser Image-Modelle sind die BEV-elektrischen Fahrzeuge (nicht: die fake-elekiirschen Hybride) getreten. Aus mehreren Gespärchen mit gut vernetzten Leuten aus dem Audi-Vertieb ist mir berichtet worden, daß deren Entwicklung (quasi mit der Brechstange) seit 2018 große Teile der Entwicklungskapazitäten gebunden hat. Auch deswegen stagniert das Angebot an konventionellen Fahrzeugen, werden Modellpflegen verschoben oder eben ganze Typen eingestellt.

    VW hat bis heute die Softwareproblem beim vitalen Volumenmodell Golf 8 nicht im Griff, das gleiche gilt für die anderen Modelle dieser Plattform. Das Angebot an Dieseln wird bewußt unattraktiv gehalten, um verbrauchsensitiven Kunden die „Flucht“ zum Diesel vor dem Benziner zu verbauen (der VW-Konzern will bekanntlich ca. 2026 aus dem Diesel ganz aussteigen) und ihn zum benzingetriebenen Hybrid zu drängen, der sich wiederum nur mit der massiven staatlichen Subventionierung lohnt. Exakt das steht auch hinter der Hetzkampagne gegen die Diesel allgemein. Die Subventionen werden aber nicht ewig gezahlt, schon im kommenden Jahr könnte damit Schluß sein. Dann werden Hybrid- und BEV-Verkäufe wieder einbrechen, es sei denn, man verbaut dem Kunden die Alternative. Aber nur eine Minderheit der Kunden nimmt das Angebot der Elektrischen an, der Rest verschiebt den Kauf. Doch das birgt das Risiko, daß diese Kunden demnächst ganz weg sind, weil die Konkurrenz weiterhin liefern kann.

    Dazu kommt eine aggressive Politik und Propaganda gegen das Auto insgesamt, der die Industrie auch nicht dadurch entgehen kann, daß sie die Narrative des grünlinken Sektor übernimmt oder sich in ihren Webauftritten nur noch an 30jährige globalistische urban-hippe Akademiker richtet.

    Dabei ist diese Zielgruppe ihre volumenschwächste Käuferschicht, denn viele fahren aus ideologischer Überzeugung inzwischen Fahrrad – oder, traditioneller, vor dem 40. Lebensjahr hat ein Normalverdiener in der Regel nicht das Geld für einen Neuwagen. Auf dem Land wird das Haus abbezahlt oder Kinder kosten, da bleibt es beim Gebrauchtwagen. In der Stadt fließt das Geld in hohe Mieten, da bleiben nicht 850 Euro im Monat für die Autorate. Mobile, Heycar, Auto Hero, es gibt viele Plattformen die sich an gebrauchwagensuchende Hipster richten.

    Noch schlimmer aber: In der Generation Y und Z beginnen sich autofeindliche Narrative festzusetzen, die sich später nicht mehr auflösen. Unsereins – ich spreche von meiner Kohorte, den Babyboomern – ist mit dem Auto aufgewachsen. Wir wurden eindeutig nicht mit Lastenrädern zum Kindergarten kutschiert – wir liefen selbst. Und vor allem: Unsere Eltern, unser ganzes gesellschaftliches Umfeld war absolut positiv zum Auto eingestellt. Wer noch eine ADAC-Zeitung von 1980 auf dem Dachboden hat und sie mit der unmittelbar vor der Einstellung dieser Tage vergleicht, glaubt nicht, daß die zeitgenössische überhaupt von einem Autombilclub stammt und nicht von den Grünen. Als Kleinkinder lagen wir in der Gepäckmulde des VW Käfer, während der mit unseren Eltern vorne die Brenner-Paßstraße auf dem Weg an die Adria hochkraxelte, der Shell-Atlas als Navi auf dem Schoß der Mutter. Welcher 5jährige wächst 2021 noch so auf? Unsere Väter fachsimpelten am Grill über Zundkerzenwinkel, auf dem Schulhof ging es als Teenie darum, mit welchen Ritzel man das Mofa von 25 km/h auf 55 bringen konnte. In den Fernsehfilmen fuhren Kommissare mit Autos zum Tatort, sie waren Männer und nicht jungen linke Frauen mit Migrationshintergrund, die Fahrrad fahren. Für mich und alle die ich in meinem Alter kenne, auch die Frauen, ist der Besitz eines Autos auch als Stadtbewohner eine Selbstverständlichkeit. Nicht, weil wir es unbedinbgt bräuchten. Sondern weil es für uns Freiheit bedeutet, Selbstständigkeit und ein bißchen auch die Erinnerung an die Fahrten in der Jugend, Sachen die nie wieder kommen. Genau das bricht gerade weg und in den hochbezahlten Marketing-Abteilungen der Autokonzerne fällt ihnen nichts besseres ein, als darauf zu achten, daß auch drei Transmenschen in der Werbung angesprochen werden oder diese möglichstdivers ist und nur noch afrikanische und asiatische Fotomodelle zeigt? Als mein Vater sich 1977 einen Audi 80 kaufte, schenkte mir der Autohändler einen kleinen 80 in Matchboxgröße. Kurz vor 2000 verschuldete ich mich bis über die Halskrause, um einen neuen A3 zu kaufen. Der kleine 80, hellgrünmetallich im typischen 70er Jahre Stil, er lag als Talisman immer im Handschuhfach und heute steht er in einer Vitrine im Wohnzimmer. SO geht Kundenbindung. Hätte mir der Verkäufer stattdessen besser erzählen sollen, mir ein Rennrad zu kauden, damit in Grönland die Eskimos weiter Iglus bauen können?

    Die Autoindustrie versucht sich mit aller Macht beim woken Zeitgeist unterzuklinken. Doch der verachtet sie nur. Wer also soll 2030 ihre Neuwagen nioch kaufen? 2021 ist nur das Vorgeplänkel.

    • Eine schöne Auflistung des „Untergangs“.
      Hinzufügt sei, dass es gerade die jüngere Generation oftmals in die Städte und in die Szeneviertel zieht. Das Problem des Parkens ist hier nicht selten ein unlösbares Problem. Bereits Anfang der 1990er war es z.B. in München-Schwabing (damals Projektwohnung) ein seltener Glücksfall, einen regulären(!) Parkplatz zu finden.
      Verschärft wird der Umstand auch noch dadurch, dass viele Städte bzw. deren Stadtoberhäupter die „grüne Seele“ verinnerlicht haben und Parkraum durch mehr oder weniger sinnfreie Maßnahmen (z.B. „Chill-Lounges“ in ehemaligen Parkbuchten) vernichten.
      Was ich auch beobachte ist (ich bin seit langer Zeit nahezu zu 100% in Projekten im Automotive-Umfeld tätig), dass die Mitarbeiter der OEMs zum Produkt „Automobil“ nicht selten ein relativ gleichgültiges Verhältnis haben. Ob das Produkt nun „Automobil“, „Kühlschrank“ oder „Fahrrad“ ist, scheint eher nebensächlich (sofern es eine „grüne“ Komponente gibt).

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