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Leben während des ewigen Tanzverbots

„Single-Shopping“: Wenn im Lockdown ein Supermarkt zum Kennenlernpunkt wird

21.02.2021

| Lesedauer: 4 Minuten
Ein Supermarkt in Bayern bietet ein Dating-Programm für alle Einkäufer an. Die Idee ist gar nicht mal so absurd, bedenkt man, in was für Zeiten wir leben.

Seit einem Jahr sind die Tanzclubs nun schon zu. Auch Bars, Restaurants und Cafés sind seit Ewigkeiten im Lockdown. Seit Beginn der Corona-Krise will uns die Regierung schlicht verbieten, neue Bekanntschaften zu machen. Wer während Corona Single ist, muss da wahrlich kreativ, ja geradezu zum Dissidenten werden. Schließlich ist man laut Michael Müller schon Mörder, wenn man zum Weihnachts-Shoppen geht. Nicht auszumalen, was er von Leuten hält, die sich ganz absichtlich treffen, um infektiösen Speichel auszutauschen!

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Tichys Einblick 03-2021: Es reicht.
Vielen braven Alleinlebenden ist das wahrscheinlich zu heikel. Ich habe schon mehrmals im Radio gehört, dass Tierheime seit Corona einen wahren Ansturm auf Hunde erleben. Man will sich gar nicht ausmalen, was manche Leute aus Einsamkeit im letzten Jahr für innige Beziehungen zu ihren Haustieren entwickelt haben. Doch nicht jeder gibt sich mit einem lebendigen Kuscheltier zufrieden. Die meisten jungen Leute flirten jetzt vermutlich digital – frei nach Frau Merkels Motto: „Wir alle müssen Wege finden, um Zuneigung […] zu zeigen: Skypen, Telefonate, Mails und vielleicht mal wieder Briefe schreiben.“ Dating-Apps wie Tinder haben einen enormen Zulauf im letzten Jahr gehabt. Das Prinzip: die App zeigt einem Fotos von angemeldeten Singles aus der Umgebung an. Mit einer Fingerbewegung kann man angeben, ob der/diejenige einem gefällt – und ist der/die andere ebenso interessiert, kann gechattet werden. Wer möchte, trifft sich dann zu einem „Tinder-Date“ – nicht selten kommt es aber spätestens dann zu bösen Überraschungen. Plötzlich steht da eine ganz andere Person, als man erwartet hatte. Ist ja auch klar: Wer würde schon in sein Dating-Profil schreiben „ich bin schüchtern, langweilig und habe Mundgeruch“? Wenn man Pech hat, steht man da mit einem Mann oder einer Frau, den/die man im Club nicht einmal in Erwägung gezogen hätte. 

Das Kennenlernen in der Realität ist da besser. Aber wo soll man sich noch kennenlernen, wenn sich unsere selbsternannten Erzieher Mutti Merkel und Papi Söder mit Ausgangssperren und Kontaktbeschränkungen alle Mühe geben, uns Hausarrest zu verdonnern? Nun, ein paar Möglichkeiten gibt es da ja schon noch: auf der Straße, beim Einkaufen, an der Tankstelle, beim Spazieren in Parks, in der Schlange bei Take-away-Ständen, in der Buchhandlung, am Flughafen, in Bus und Bahn, im Warteraum beim Arzt oder beim Bürgeramt, bei Gottesdiensten, beim Bäcker, in der Drogerie … Mit etwas Glück zieht auch ein neuer Nachbar ins Haus oder man lernt, wenn man auf sowas steht, jemanden auf einer Demo kennen.

„Na, also“, denkt jetzt wahrscheinlich der ein oder andere TE-Leser Ü60, „hab dich nicht so, Kleene. Gibt doch noch genug Orte“. Na, ham se ja recht. Aber ich glaube wir jungen Leute sind einfach nicht besonders geübt im Flirten bei Tageslicht. Ist mir jedenfalls bisher noch nicht so oft passiert, dass ich von einem Mann, der nicht Türke oder Araber war, an der Tankstelle angemacht wurde. Und wenn doch, fand ich’s ganz schön schwierig ihn mir ohne FFP2-Maske vorzustellen. Außerdem: lächeln Sie mal mit einem chirurgischen Mundschutz – ist alles tricky. 

Ja, ich weiß schon, was jetzt wieder kommt. Ich sollte lieber mal wieder ein dickes Buch lesen, mich meinem Studium widmen, eine politische Partei gründen … Ja, und danach? Ich weiß ja nicht, wofür Sie so arbeiten, aber ich ackere mich seit Jahren in einem Medizinstudium ab und arbeite nebenbei, damit ich heute und in Zukunft ein schönes Leben haben kann. Und dazu gehört auch ausgehen, Freunde treffen, in den Urlaub fahren – eben all das, was einem jetzt seit einem Jahr systematisch mies gemacht wird.  

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Ich war also recht neidisch, als ich gelesen habe, dass in Bayern alle Flirt-Willigen nun einen neuen Ort zum Kennenlernen in Lockdown-Zeiten haben. Ein Supermarktbesitzer aus der Stadt Volkach in Unterfranken hatte die geniale Idee, in seinem Edeka „Single-Shopping“ zu veranstalten. Jeden Freitag zwischen 18 und 20 Uhr können Kunden am Eingang ein Papierherz mit einer Nummer mitnehmen, sich an die Kleidung pinnen und damit ihr Interesse bekunden. Wer zwischen Gurken und Tomaten dann jemanden sieht, der einem gefällt, kann an der Kasse entweder die Nummer ausrufen lassen oder eine Karte mit einer Nachricht und der Handynummer hinterlassen. Ich weiß, das klingt jetzt ein bisschen so wie altbackenes Flirten aus der Vorkriegszeit, wo im Lokal jeder ein Telefon mit einer Nummer auf dem Tisch hatte und man die Herzdame so direkt anklingeln konnte. Aber ich sag mal so: wirklich anders als manche Mottopartys in Tanzclubs auf Malle ist das auch nicht. Meine Freundinnen und ich waren da auch schon mal in einem Laden, wo man sich am Eingang, je nach Beziehungsstatus, entweder einen roten, einen gelben oder einen grünen Kreis auf die Brust kleben sollte. War natürlich ein Gag – wer da rot genommen hat, war ja schön blöd. 

Die Edeka-Kunden, die sich in der Presse als Single-Shopper „geoutet“ und fotografieren lassen haben, sahen jedenfalls alle recht vergnügt aus. Tina und Mona sind im Studentenalter und haben sich frisiert und geschminkt. Leider verdecken ihre riesigen FFP2-Masken den Großteil ihres Gesichts – aber das muss man vielleicht wie eine Art Maskenball sehen. Daniel Cronau, Mitarbeiter bei Edeka und selbst Single-Shopper, guckt neugierig in die Kamera. Er wird nun bestimmt keine Corona-Depressionen mehr haben, wenn jeden Freitagabend die Bude voller junger Frauen ist. 

Derweil in Berlin hat mich ein junger Mann zugeparkt – als ich ihn verärgert anspreche, lässt er sich grinsend alle Zeit der Welt, um zum Wagen zurück zu gehen. Es gibt sie noch, die Kreativen … Denn Gefühle, Frau Merkel, können Sie uns nicht verbieten!

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15 Kommentare

  1. Funktioniert dieser ganze Dating Kram überhaupt? Ich bin in sozialen Beziehungen sehr schlecht. Single Parties haben bei mir nicht funktioniert, und wenn mir eine Frau auf einer Dating Seite schreibt, sollte ich vorsichtig sein. Tinder ist da keine Ausnahme. Die ganzen Einrichtungen sind doch nur Resterampe für Ladenhüter wie mich.

  2. Ich dachte, es wäre sowieso verboten, dass nicht-islamische Männer Frauen angucken, wegen sexueller Belästigung und so?
    Da lob ich mir die Moslems, statt den Männern das Gucken zu verbieten, verbieten sie den Frauen angeguckt zu werden. Das ist Fortschritt!

  3. Da kommt schon beim lesen wieder ein wenig Lebensfreude auf!
    Wie immer gut geschrieben und mit einer schönen Portion Humor, danke Frau Fußer!

  4. Ach, herrlich! Was ein schöner und spritziger Artikel und was eine nette Idee. Heutzutage muss man kreativ werden, wenn man was Erleben möchte, es bleibt einem ja quasi nichts anderes übrig.. Aber und da hast du völlig recht, eins kann uns keiner nehmen und das ist die pure Lust am Leben!

  5. Schön, diese subversive bayerische Kreativität. Unter normalen Umständen bin ich kein Freund von ‚offiziellen‘ Dating Veranstaltungen, aber in einer Zeit in der ich die meiste Zeit vor diesen fiesen kleinen Zoom Bildchen im Homeoffice zubringe, freut man sich ja schon über einen Blick, einen Augenkontakt beim Spaziergehen – und um so schöner zu sehen, dass es Menschen mit Ideen gibt, die sich das Fühlen nicht kaputt machen lassen wollen – ich kann übrigens neben der Tankstelle noch Waschstraßen empfehlen…

  6. Alles ganz amüsant, nette Idee. Aber:
    Schon mal daran gedacht, dass es gerade die jungen Leute sind, die alles einfach so hinnehmen und sich knechten (und vereinsamen) lassen? Wo bleibt denn da euer Kampfgeist? Abtrainiert und abgeschliffen im Laufe der Generationen?
    Früher waren genau die jungen Studenten für Widerstand gegen die Staatsgewalt und wider die Einmischung in das private Leben berühmt/berüchtigt. Wenn nicht ihr, wer vorrangig dann sollte dem normalen Leben wieder zum Recht verhelfen?

  7. Super Beitrag. Man muss wirklich kreativ werden.

  8. Herrlich diese Idee vom Single-Shopping. Wäre kein Corona, fände ich sie wahrscheinlich komplett bescheuert bzw. etwas peinlich, aber unter diesen Umständen muss man einfach kreativ werden! Da würde ich auch mal reinschauen, schon allein aus Neugier.

    Ich finde Ihre Texte immer sehr erfrischend Frau Fußer. Den Leuten die Ihnen sagen, sie sollen mal lieber schön studieren und den Duden auswendig lernen, kann man doch nur sagen: schonmal was von Lebensfreude gehört?

  9. Es ist schön zu sehen, dass Sie sich nicht unterkriegen lassen, liebe Frau Fußer und der Corona-Depression frech die Stirn bieten. Vielen jungen Menschen in Ihrer Generation gelingt das nicht mehr, sie ziehen sich immer mehr zurück und vereinsamen. Wenn die Einschränkungen nach oder Osterzeit immer noch nicht aufhören, ist es spätestens an der Zeit, ebenso kreativ zu werden wie besagter Supermarktbesitzer. Ich hätte da schon ein paar Ideen…

  10. Vorab: bin selber 25, also gerade nach deutschen Standards „jung.“ Diese Datingsucht und unsägliche Hook-up Kultur sind doch auch Symptome dieser dekadenten Konsumgesellschaft. Wer will denn noch Familie und Dynastie aufbauen? Geht immer nur darum „im Moment Spaß zu haben“ oder „sich selbst zu realisieren.“ Und sowieso, „Karriere“ hat immer Vorrang, kann man sich doch damit so schön diese Fake-Unabhängigkeit erarbeiten: indem man sich auf nichts und niemanden festlegt, kann man sich einreden man sei frei, obwohl man so ziemlich von allem anderen abhängig ist, und einem die Insulation und Synergien die eine starke Familie bieten verwehrt bleiben. Und welcher vernünftige Mensch mit soliden Werten und Loyalität will denn schon einen Partner, der andauernd nur darauf aus ist zu fressen, feiern und f*cken? Und am besten zwischen dem 12. und 22. Lebensjahr schon locker von 100+ Leuten durchgenommen wurde, oft besoffen nachm „Feiern“ oder speziell zum F*cken verabredet? Währenddessen vereinsamen die Leute immer mehr, auch prä-Covid, und Familie wird immer weiter entwertet. Da muss man sich nicht über den Anstieg von Staatshörigkeit und Flucht in geisteskranke Aktivisten-Gruppierungen wundern.

    • Vorab, ich bin mehr als doppelt so alt, nach „woken“ Standards
      „alter weisser Mann“. Respekt für diese treffliche Beschreibung
      der eigenen Generation, es scheint auch noch vernünftige junge
      Menschen zu geben, die ihre geistige Pubertät im dafür von der
      Natur vorgesehenen Zeitraum abgeschlossen haben, und nicht
      erst mit 38 oder so.. Daumen hoch.

  11. Das müsste ich mal den Besitzern des EDEKA-Ladens bei uns im Ort vorschlagen. Ich kenne die Leute ganz gut. Auch wenn am Ende nichts dabei herauskommt, würde es bestimmt die Stimmung im Laden verbessern. Früher haben sich viele Leute beim Einkauf unterhalten. Heute rennt man möglichst schnell durch einen Laden voller stummer Gestalten mit Kaffeefilter im Gesicht. Neulich hätte ich beinahe meine Nachbarin nicht erkannt. Aber die ist sowieso verheiratet. Schade. Bussi❤️.

  12. Ein richtig schöner Text, der uns allen zeigt, wie man als Privatperson, Supermarktbesitzer, etc. dem Corona-Wahnsinn etwas entgegensetzen kann! Verrückt, dass der „zivile Ungehorsam“ heutzutage von Konservativen propagiert wird – das sollte den braven, maskentragenden Linken zu denken geben … Also ich wünsche der Autorin weiterhin viel Spaß beim Tanken.

  13. Polizei löst illegale Partys auf… (u.a. Kindergeburtstage). So lernen die Kinder wenigstens früh und fürs Leben, was es mit der Polizei auf sich hat.

  14. Schöne Frühlingstage im Februar ….Biker, Spaziergänger, Radfahrer unterwegs.

    Ausflugslokale könnten gute Geschäfte machen. Aber die Weisheit der Regierung hindert sie daran.

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