Unter dem Eindruck der Wahlen in Frankreich finden sich hier auf Tichys Einlick kurz hintereinander zwei Beiträge der Kolumnisten Hugo Müller-Vogg und Tomas Spahn sowie des Autors Marcel Zhu. Sie schreiben über den Zustand der westlichen Demokratien und das auf ganz verschiedenen Ebenen: auf diesen Ebenen kommentieren nicht wenige Leser. Hier zwei längere Leserkommentare zu „HMV“.
Zu den anderen beiden Beiträgen folgen ebenfalls ausgewählte Leserkommentare. Mit allen drei zusammen und ihrem Echo befasst sich demnächst Fritz Goergen.
Hugo Müller Vogg:
„Die Demokratie ist – ungeachtet ihrer nationalen Ausprägungen – reformfähiger, als ihre Kritiker behaupten. Zweifellos bilden Parteien Machtkartelle, die nur schwer aufzubrechen sind. Doch wenn die etablierten Formationen zu lange die Anliegen eines Teils der Bevölkerung nicht aufgreifen, dann brechen sich neue politische Kräfte Bahn.“
„Politik ist ein Handwerk. Zu seiner Ausübung bedarf es gewisser Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten.“
Ein Leserkommentar weist auf den politisch-kulturell bedeutsamen Unterschied hin, den das Englische zwischen politics und policy macht, eine Differenzierung, die dem deutschen Einheitswort Politik abgeht. Politics können die von Müller-Vogg als gute Handwerker gelobten deutschen Politiker, sagt der Leser. Das Handwerk, das sie beherrschen, ist, von ihrer Partei aufgestellt zu werden. Policy können sie nicht, wie man an ihrer fehlenden oder fehl gehenden Politik in der Sache erkennt, die sie widerspruchslos und antiparlamentarisch der durch niemanden kontrollierten Politik einer nahezu direkt regierenden Kanzlerin überlassen.
Das greift Leser „Dozoern“ auf:
„Das führt natürlich unmittelbar zu der Frage, ob autoritäre Systeme den demokratischen grundsätzlich überlegen sind. Insbesondere dann, wenn Demokratie bloss ein Wort ist, in Wirklichkeit jedoch Parteien herrschen, die die Auswahl der Elite steuern und zwar nicht nach Effizienz-Kriterien, sondern wie im Artikel beschrieben, nach ziemlich undurchsichtigen. Dann haben nämlich nicht die Besten die Chance das Land zu regieren, sondern die Trickreichsten. Dann haben wir keine Demokratie mehr sondern eine Plutokratie, eine Herrschaft des Kapitals und der Parteien. Das Kapital kauft sich die Parteien und beherrscht die Medien und dadurch das Volk. Schon Aristoteles hat ja gesehen, dass demokratische Systeme dazu tendieren, sich in Oligarchien, die Herrschaft der Wenigen, zu verwandeln, weil die Intelligenz und das Kapital anders seine Interessen nicht schützen kann. Aber die heutigen Massendemokratien sind auch noch extrem ineffizient, weil sie es nicht mehr schaffen ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Freiheit, Gleichheit, Sicherheit und Wohlstand zu schaffen.
Ergebnis ist der Wohlfahrtsstaat, der Nannystaat und der Versorgungsstaat in dem alles geregelt wird und der die Dynamik und Selbstverantwortung stranguliert. Diese Probleme der aktuellen westlichen Massendemokratien sieht man deutlicher von aussen als von innen. Natürlich haben auch autoritäre Systeme ihre Tücken. Wahrscheinlich kommt es in beiden nur darauf an, grobe Fehler zu vermeiden. Grundsätzlich punktet ein autoritäres System wohl eher bei Sicherheit und Effizienz, während ein demokratisches eher für Freiheit und Gleichheit steht. Das Duell ist offen im Punkt Wohlstand, wenn es autoritären Systemen gelingt, Marktelemente ins System zu integrieren. Je stärker der allgemeine Wohlstand steigt, desto mehr Freiheit kann dann gegeben werden. Das ist wohl der Weg den die beiden Systeme Russland und China aktuell gehen. Es scheint so, dass sie damit in Zukunft erfolgreicher sein werden, als der alte Westen. Deshalb wohl auch die agressiven Töne gegenüber beiden. Aber eins ist klar: Das Volk herrscht nirgends, weder im Westen nich im Osten. Die Frage ist also nur, wie wird die Elite bestimmt und das System effizient gehalten.“
„Harry James mit Armbrust“ kommentiert:
„Politik mag alles mögliche sein, aber ganz sicher kein Handwerk. Die Verwaltung ist ein Handwerk (im weitesten Sinne), die kann man erlernen. Sich an vorgegebenen Regeln zu halten und innerhalb dieses Regelwerks, in seinem speziellen Gebiet, Entscheidungen zu treffen, ja, das ist erlernbar.
„Das Volk herrscht nirgends, weder im Westen nicht im Osten.“
Aber es darf wählen gehen, das Volk; dann bringt es den Parteien immerhin Bimbes. Allerdings soll es dann gefälligst richtig wählen, sprich sich zwischen einer der sogenannten Volksparteien entscheiden oder siehe Uk, nicht sich für das Undenkbare entscheiden.
„Das führt natürlich unmittelbar zu der Frage, ob autoritäre Systeme den demokratischen grundsätzlich überlegen sind.“
Wo liegt denn grundsätzlich der Unterschied?
Energiewende: “ … ich bin zu der Erkenntnis gelangt … “ Das Parlament wurde nicht befragt.
Eurorettung: “ … alternativlos …“ Das Parlament hat mit Bauchschmerzen und unter Fraktionszwang zustimmen müssen.
„Grenzöffnung“: Es wurde kein Parlament befragt, die GröKaZ hat entschieden.
Grenzschließung: Wurde nichts daraus, weil niemand die Verantwortung übernehmen wollte.
Wo liegt denn nun der Unterschied zwischen der Merkelkratie und den „Autoritären“? Bei elementaren Dingen vermag ich keinen Unterschied erkennen.
„Dann haben nämlich nicht die Besten die Chance das Land zu regieren, sondern die Trickreichsten.“
Sorry, aber die Besten gehen im Normalfall ohnehin nicht in die Politik, die gehen Geld verdienen und Gestalten!
„Unser Problem ist das Parteiensystem. Es kann doch nur jemand gewählt werden, der in einer Partei ist. Es kommt doch nur jemand in den Bundestag/ -rat, der in einer Partei ist. Genau das müsste beendet werden. Lt. Grundgesetz darf sich jeder zur Wahl stellen. Das wurde, meines Wissens nach, ausgehebelt, man muss mind. soundsoviele Unterschriften beibringen, um selbst als Partei überhaupt für die Bundestagswahl zugelassen zu werden. Wie soll das eine Einzelperson schaffen?“
Otto Schily: “ Das Parlament ist mal voller und mal leerer, aber immer voller Lehrer.“
Anständige Menschen, die auf ehrliche Art und Weise ihren Lebensunterhalt bestreiten, haben doch auch gar keine Zeit dazu oder besseres damit zu tun.
Wenn man auf der Suche ist nach dem „ganz großen Bild“ erkennt man,
dass zwischen all den durchaus nicht falschen Erklärungsversuchen hier
Platons Erklärungsversuch mindestens durchschimmert. – Der Staatenzyclus. –
Der Ort in diesem Zyclus an dem wir uns nach dieser Betrachtungsweise befinden ist auch schnell bestimmt: Der vom Staat Wohltaten fordernde Pöbel hat – qua Demokratie – die Macht übernommen indem er nicht die Besten sondern die geschicktesten und damit spendabelsten Umverteilungsfreunde nach oben hiefte und dort (zunächst) zementiert. –
Eine andere – zuminindest Analogie zu heute, wenn man das „ganz große Bild“ sucht – ist die Machtergreifung Cäsars: Der in die „weite Welt“ nach Gallien zog, dort seine Auswärts-Schlachten nur scheinbar(!) siegreich schlug während sich in Rom andere Machtaspiranten gegenseitig bekriegten und erst zurück kam (sich rufen ließ) als sich in Rom das Chaos ausbreitete und „Volk“ den „Retter“ suchte. –
Die Meinung von “ Dozoern “ ist sehr bemerkenswert und völlig richtig .
Sie legt den jammervollen Zustand unseres Staates offen .
Genau davor haben “ unsere Regierenden “ natürlich Angst .
Deren ständiges Gequatsche von Demokratie , freiheitlich demokratischer
Grundordnung und was ihnen sonst noch an Wortgeklingel einfällt ,
dient nur dazu , die Bevölkerung einzulullen und ruhigzustellen .
Die Frage ist , wie lange noch .
Eine an sich tolle Idee eines Staatswesens wird durch die Machenschaften ,
Absprachen und Korruption einiger weniger kaputt gemacht .
So war es aber schon immer mit den “ guten Dingen “ .
Ja, die interessante Frage ist doch: Wie muss ein politisches System gestaltet sein, das Partizipation der Vielen und Durchlässigkeit bei der Elitenbildung mit Effizienz, also maximalen Ergebnissen, kombiniert. Nach der bürgerlichen Revolution (und zwei Weltkriegen) war da die Standardantwort: Demokratie.
Was aber, wenn in einer Post-Demokratie immer dieselben herrschen? Was wenn die Durchlässigkeit nach ganz oben zwar gegeben ist, aber nur innerhalb des herrschenden Systems. Wenn also „das System“ keinesfalls in Frage gestellt werden darf. Wenn es also Kreise gibt, die immer herrschen, egal wer regiert. Was man heuzutage mit „deep state“ bezeichnet, also die Herrschaft von Rüstungs- und Grossindustrie, Elitehochschulen, Medienmogulen und einigen Milliardären.
Was wenn diese „Inzucht“ dazu führt, dass politische Entscheidungen immer am Satus Quo orientiert werden und die Dynamik des Systems lahm legen? Dann haben wir die Krise der westlichen Demokratien, aus der diese nur sehr schwer herausfinden. Die Lösung, die jetzt versucht wird heisst: Restauration und Repression durch die Parteien der Mitte. Sie muss aber heissen: Reformation – oder Revolution.
Man sollte nicht andere Formen als Demokratie „autoritär“, suggerierend „böse“ darstellen. Ein Unternehmen ist auch nicht demokratisch, aber niemand verdammt es als böse. Unternehmen zeigen eigentlich, wie es auch anders geht. Jeder darf in der Regel mitreden, aber nicht über gewichtige Dinge wie die Unternehmensführung entscheiden. Entscheidungsgewalt geht hier über Kompetenz, nicht über das voraussetzungs- und oft auch vernunftlose Einwerfen eines Wahlzettels. Nicht unähnlich haben früher auch zB monarchische Staaten wie Preußen funktioniert. Im Gegensatz zu dem Zerrbild in den Köpfen heutiger Leute waren diese (stabilen) Staaten nicht willkürliche Schreckensherrschaften eines Einzelnen. Damals war sehr wohl Fairness und gutes Regieren ein Maßstab, der Bürger kein rechtloses und stimmloses Subjekt.
Ein kleiner Hinweis:
„Das Parlament ist mal voller und mal leerer……“
Als Vater dieses Zitates gilt ein Otto Graf Lambsdorf, FDP.
Post- Demokratische Systeme, in denen die Massen über die Medien subtil gelenkt werden, wie im „Merkelismus“, und post-autoritäre Systeme wie „Putins Russland“, sind in der Tat nur noch schwer zu unterscheiden. Insbesondere, da post-autoritäre Systeme immer weniger auf Zwang setzen und ebenfalls immer mehr auf subtile Beeinflussung der Massen. Was, wenn zwar der Führer in den post-autoritären Systemen weniger austauschbar ist, in den post-demokratischen Systemen jedoch immer die gleichen Mitte-Links-Rechts-Parteien herrschen? Dann kommen erstere zwar am Anfang noch nicht ohne physischen Zwang aus, letzere jedoch auch nicht ohne psychischen Zwang wie Gruppendruck, Verleumdung Andersdenkender, Ausgrenzung extremer Parteien, etc. Und ganz wichtig: Die Moral des Staates ist das Recht. Was wenn post-demokratische Systeme das Recht brechen, um Gegener zu diffamieren, Ideen zu torpedieren und das System zu retten? Worin liegt dann der Unterschied? Dass man in dem einen schneller als im anderen in der Psychiatrie landet?
Und, kann evtl. ein post-autoritäres System wie China, das mit Marktelementen arbeitet, das erfolgreichere System zur Entwicklung einer Volkswirtschaft und Gesellschaft sein? Zum Beispiel in Afrika.
Das alles sind wichtige Fragen, denen sich natürlich Soziologen und Politologen stellen, die jedoch in den Massenmedien nicht diskutiert werden. Warum nicht? Weil die westlichen Eliten keine Antworten darauf haben. Sie sind zu sehr damit beschäftigt, ihr System zu retten. Wobei sie leider nicht wissen, welche Elemente gut oder schlecht sind. Im Grunde geht es auch nicht um das System, sondern schlicht um die Pfründe. – Demokratie ist nur ein Wort.
Ich gebe Ihnen recht, das Volk ist an solchen Eröterungen nicht interessiert. Erstens weil es keine Zeit hat. Zweitens, weil die Schul- als auch die Universitätsausbildung im neoliberalen Staat nicht mehr auf Bildung und den mündigen Staatsbürger ausgelegt ist, sondern nur noch auf den funktionalen Einsatz als Rädchen im Wirtschaftsgetriebe. Auch in Staatsbürgerkunde wird nicht zum Kritischen Denken erzogen, sondern zum Wiedergeben angelernter Sachverhalte, die von Oben vorgegeben sind. Ob je der Ausbruch gelingt aus diesem ewigen Kreislauf der Unmündigkeit und des Ausgenutzt werdens der Masse durch die Wenigen, ist zu bezweifeln. Es gibt eigentlich keinen Hoffnungsschimmer, weder in „autoritären“ noch in „demokratischen“ Systemen. Weil der Mensch ist wie er ist.
Zumindest was Schulen und Universitäten und deren Leistungsbereitschaft darstellt, kann man heute schon sehen, dass Europa niemal eine Chance hat, den zivilisatorischen Zustand zu halten.
Ja, damit dürften Sie richtig liegen. Große Teile der Bevölkerung will sich keine Gedanken über Politik machen. Sie zahlen Steuern, gehen wählen, oder auch nicht und erwarten, dass Politiker die Politik machen.
Der eigene Alltag bietet genug Probleme und Problemchen, die zu bewerkstelligen sind. Da will und kann man sich nicht auch noch mit der „großen“ Politik befassen.
Ich denke, dass dieses Verhalten sehr verständlich ist.
Einerseits hätte man zwar gerne die „Freiheit“, nur wieviel Freiheit, und an welchen Stellen, da sind die Vorstellungen nun mal sehr verschieden.
Freiheit bedeutet immer auch die Verantwortung für seine Entscheidungen zu übernehmen. Das ist unbequem.
Die große Masse wird wohl immer relativ unpolitisch sein.