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Es geht um die Kultur, nicht die Nation

60 Jahre Élysée-Vertrag: Deutschland braucht Frankreich und Frankreich braucht Deutschland

22.01.2023

| Lesedauer: 5 Minuten
Wir verlieren Frankreich, weil wir uns selbst verloren haben. Sicher gibt es noch Leute, die wissen, was dieses Volk, was unsere Kultur ist, in der Regierung sitzen sie jedoch nicht.

So nahe und dabei doch so verschieden, könnte man die komplizierte Nachbarschaftsgeschichte zwischen Frankreich und Deutschland umschreiben. Obwohl sowohl Frankreich als auch Deutschland aus dem zerfallenden Frankenreich hervorgingen, machte sich doch die unterschiedliche Prägung durch die römische Kultur in Gallien oder die vergleichsweise sehr viel geringeren lateinischen Einflüsse in Germanien grundsätzlich bemerkbar, aber auch der sich herausbildende Hang zum Föderalismus in Deutschland und zum Zentralismus in Frankreich trennt. Sehr lang ist die Geschichte der kulturellen Verbundenheit und des Austausches, aber eben auch die der Konkurrenz und von dem, was beide Völker einander antaten.

Es muss dies im Einzelnen nicht erinnert oder aufs Neue bewertet werden. Erinnert werden muss – und heute mehr denn je -, dass vor 60 Jahren ein neues Kapitel in den deutsch-französischen Beziehungen aufgeschlagen wurde, als am 22. Januar 1963 im Élysée-Palast in Paris Frankreichs Präsident Charles de Gaulle und Bundeskanzler Konrad Adenauer den deutsch-französischen Élysée-Vertrag unterzeichneten. Nach den Gräueln des Zweiten Weltkriegs, der deutschen Besetzung Frankreichs und deutscher Kriegsverbrechen in Frankreich war das alles andere als selbstverständlich. Doch auch von deutscher Seite ließ sich so manches an Schuld benennen, was Frankreich mit Blick auf Deutschland auf sich geladen hat.

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Deshalb stellte der Élysée-Vertrag einen ermutigenden Schritt zu einem neuen, zu einem guten nachbarschaftlichen Verhältnis dar. Charles de Gaulle, der die großartige, von der Brüsseler Bürokratie verratene und von den deutschen Grünen abgelehnte Vision vom Europa der Vaterländer formulierte, lud 1958 Konrad Adenauer als öffentliche Geste der Versöhnung in sein privates Landhaus ein. Damit sollte ein neues Kapitel, das Kapitel der kulturellen, der wirtschaftlichen und der politischen Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Frankreich aufgeschlagen werden. In der Versöhnungsmesse in der geschichtsträchtigen Kathedrale von Reims, die auch als der Krönungsort französischer Könige galt, wurde am 8. Juli 1962 der Grundstein für die deutsch-französische Freundschaft gelegt.

Im Élysée-Vertrag vereinbarten Frankreich und Deutschland zum Zwecke der Konsultationen, regelmäßige Treffen auf allen politischen Ebenen durchzuführen, außerdem verpflichteten sich die Regierungen beider Länder, sich in den Fragen der Außen-, Europa-, Verteidigungs-, Erziehungs- und Jugendpolitik abzustimmen. Konkretes Ergebnis des Treffens war auch die Bildung des Deutsch-Französischen Jugendwerks. Fortan bildete die deutsch-französische Zusammenarbeit den Motor für Europa, konsolidierte aber auch die europäischen Beziehungen. Die Zusammenarbeit intensivierte sich durch den partnerschaftlichen Umgang zwischen Valéry Giscard d’Estaing und Helmut Schmidt. Seine Vollendung, wenn man so will, fand der Élysée-Vertrag in der (und ich gehe sehr zurückhaltend mit dem Attribut um) historischen Handreichung zwischen Bundeskanzler Helmut Kohl und Frankreichs Staatspräsident Francois Mitterrand am 22. September 1984 auf dem Schlachtfeld von Verdun als Symbol der Versöhnung und im Gedenken der Toten beider Weltkriege. Ulrich Wickert, damals der Leiter des ARD-Studios in Paris, zu einer Zeit, als die ARD noch unparteiisch, noch wirklich öffentlich rechtlich war und sich um Objektivität bemühte, erinnert sich an die Zeremonie: „Und in die Stille hinein ertönt der langgezogene Ton der Trompete. Wer jetzt hier steht, den bedrückt allein das Wissen um den Wahnsinn der Menschen, die sich hier gemordet haben. Meist junge Männer um die zwanzig … Später fragte ich François Mitterrand, wer von beiden die symbolische Geste initiiert habe. Mitterrand antwortete, er habe plötzlich das Bedürfnis gespürt, aus seiner Vereinsamung herauszutreten und mit einer Geste Helmut Kohl zu erreichen. Da habe er seine Hand ausgestreckt, und Kohl habe sie ergriffen. Helmut Kohl hat mir dies später bestätigt. Der deutsche Kanzler war erleichtert über die Geste Mitterrands.“

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Nun, sechzig Jahre nach Unterzeichnung des Élysée-Vertrages, über vierzig Jahre nach dem Handschlag von Verdun steht es um die deutsch-französische Freundschaft nicht zum besten. Die vom Élysée-Vertrag vorgesehenen Regierungskonsultationen wurden als deutliches Signal der Verärgerung von französischer Seite abgesagt. Man muss nicht mit allem, was Macron will, einverstanden sein, denn der französische Präsident vertritt – und das ist vollkommen richtig – zuallererst französische Interessen, er verfolgt keine werte-, sondern eine interessengeleitete Außenpolitik, übrigens als Außenpolitik und nicht als Weltinnenpolitik, aber man kann ihm widersprechen, man kann nach gemeinsamen Wegen suchen, aber ihn mit vielen wohlklingenden Phrasen ins Leere laufen zu lassen, gehört sich einfach nicht. Die deutsche Politik ist – außer wenn es gegen die Interessen der deutschen Bürger geht – wortreich und tatenarm.

Dass sich die deutsch-französische Zusammenarbeit in einem so schlechten Zustand befindet, hat vor allem mit Politikern zu tun, die das Geschenk der Freundschaft nicht mehr zu schätzen wissen. Geschichte ist für sie keine Dimension des Erkennens und des Handelns mehr, weder historisch, noch biographisch besitzen sie geschärfte Sinne für die Notwendigkeit dieser Freundschaft – und für ihr enormes Potential auch für Deutschland. Es gibt Freundschaften, die sind einfach da, die sind sich selbst genug, und es gibt Freundschaften, die sind eben nicht selbstverständlich, an denen muss man arbeiten, unentwegt. Die deutsch-französische Freundschaft ist von letzter Art. Berlin und Paris lassen es notorisch an Fleiß vermissen, diese wichtige Arbeit kontinuierlich zu leisten.

Im beeindruckenden Interview mit der WELT sagte vor kurzem der ehemalige Berater Macrons, der Deutschland-Spezialist Sylvain Fort: „Die deutsche Kultur ist den Franzosen fremd geworden. Es gibt beispielsweise in Paris keine einzige deutsche Buchhandlung mehr. Die jungen Leute fahren nicht mehr für Sprachkurse nach Deutschland, sie haben keine Briefpartner mehr.“ Aber den Deutschen ist auch die französische Kultur, übrigens auch die deutschen Kultur fremd geworden.
In dem berühmten Gespräch in Front Populaire erzählte Michel Houellebecq, wie seine Zuneigung zu Deutschland durch eine Sprachreise geweckt wurde. Sylvain Fort beklagte: „Heute ist eine enge persönliche, intellektuelle Beziehung zwischen einflussreichen Persönlichkeiten in Deutschland und Frankreich die Ausnahme.“ Er erinnerte daran, dass die Deutschklassen in Frankreich „lange als die Klassen der guten und besten Schüler galten.“

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Wertvoll an Sylvain Forts Beschreibung ist vor allem, dass er den tieferen Grund für die Entfremdung beschreibt, die kultureller Natur, die Symptom der Autoimmunerkrankung unserer Kultur ist. „Deutsch“, sagt Sylvain Fort, „ist, wie auch Griechisch und Latein, aus Angst vor Elitenbildung nach und nach aus dem französischen Schulsystem verdrängt worden.“ Es geht also nicht um die Nation, sondern es geht um die Kultur. Der Niedergang wurde unter Präsident Hollande eingeleitet, der die bilingualen Klassen abschaffte. Ähnliche Tendenzen kann man in Deutschland an bewusster und gewollter Bildungszerstörung beobachten: „Der Sprachunterricht ist durch Zivilisationskunde ersetzt worden. Man interessiert sich nur noch für den obersten kulturellen Lack der Antike, aber vermeidet die Zumutung grammatikalischer Strenge. Das trifft auch auf die deutsche Grammatik zu, die eine gewisse intellektuelle Disziplin voraussetzt. Genau das missfällt den verantwortlichen Entscheidungsträgern. Indem sie diese Exzellenz-Optionen abgeschafft haben, ist es ihnen gelungen, elitäre Pools in den Schulen zu unterbinden. Jüngstes Opfer dieser Politik in Frankreich ist die Mathematik. Wir haben es mit einem sagenhaften Misstrauen gegenüber allen Fächern zu tun, die intellektuelle Sorgfalt und Anstrengung erfordern und die man objektiv beurteilen kann. Die Grammatik ist etwas Objektives. Da kann man nicht schummeln. Ein Satz ist entweder richtig oder falsch. So wird Stein für Stein der alte Exzellenzanspruch abgebaut.“ Chapeau, besser kann man es nicht beschreiben. Was wir erleben, ist die Abschaffung der Wirklichkeit durch die Ideologie, der Exaktheit der Sprache und des Denkens durch Geschwätz, durch Infantilisierung, durch die totalitären Muster des Wokismus.

Auf die deutsch-französischen Beziehungen bezogen heißt das, nicht bewusstes Missverstehen ist der Grund für die Entfremdung. Wir verstehen einander nicht mehr, weil wir unsere Kultur nicht mehr verstehen, unsere gemeinsame europäische Kultur als Konzert der Kulturen, weil wir unsere eigenen Kulturen nicht mehr verstehen – und wir verstehen sie nicht mehr, weil wir ihrer überdrüssig geworden, wie der Esel, der auf Glatteis geht, uns den Anstrengungen der Kultur nicht mehr unterziehen wollen, es doch leichter ist, alles, was groß ist in unserer Geschichte, als rassistisch usw. zu diffamieren, leichter, als es zu verstehen. Wie sollte es auch verstanden werden, wenn es in den Schulen nicht mehr gelehrt wird?

Die Verächter der „Kultur des alten weißen Mannes“ sind unfähig zu begreifen, dass sie selbst keine Kultur hervorgebracht haben und auch nicht befähigt sind, eine hervorzubringen. Sicher, kulturelle Bande als Taue der Freundschaft gehen zu einem nicht geringen Teil von Intellektuellen aus, aber es gibt ja kaum noch Intellektuelle, dafür umso mehr Beauftragte für Wokismus, ausgebildet in Kurzlehrgängen auf den Klippschulen der Ideologien.

Deutschland ist überhaupt nicht in der Lage, auf Frankreich zu antworten, weil Deutschland im Moment keine Regierung hat, sondern nur ein regelmäßiges Treffen von etwas seltsam anmutenden Ministern, die irgendwie ihre Projekt durchzubringen suchen. Die Fortschrittskoalition erreicht lediglich bei der grünen Auflösung des Landes Fortschritte. Sie ist vollkommen mit sich selbst beschäftigt, einer für alle und alle gegen einen, könnte man spotten, und mit den Zumutungen, die von außen an sie herangetragen werden. Da sie weder Fisch noch Fleisch, weder Frau noch Mann, weder heiß noch kalt ist, stellt sie außenpolitisch, und eben auch für Frankreich, einen einzigen Ausfall dar. Man weiß nicht, woran man mit ihr ist.

Wir verlieren Frankreich, weil wir uns selbst verloren haben. Sicher gibt es noch Leute, die wissen, was dieses Volk, was unsere Kultur ist, in der Regierung sitzen sie jedoch nicht.

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12 Kommentare

  1. …wenn Sie von der Schuld Deutschlands gegenueber Frankreich schreiben, Her Mai
    …dann bitte ich darum, dass auch die Frankreichs gegenueber saemtlichen
    -Deutschen Regionen-, vom Zerfall des Frankenreichs des Karls d. G. bis in die Neuzeit an Mord, Todschlag, Zerstoerung und physischer wie politischer Gewalt angetan hat
    …und muss man nicht nur an Louis 14 und seiner Politik (Strassburg, das Elsass), an die Greuel der Horden der franzoesischen Revolutionaere in der Pfalz (Heidelberg etc.) die Diktatur des immer noch als“Heiliger der Grande Nation“ verehrte Napoleon l oder den Einfluss von Clemenceau bei dem Versailler Vertrag von 1918-19 oder an Mitterand mit seinem Widerstand gegen die Widervereinigung (nur unter der Bedingung des EURO als Gegenleistung) oder an den erklaerten Deutschenhasser unserer Zeit, der Kopf der kommunistischen Partei Frankreichs ist, denken
    …dann weiß jeder der etwas Geschichtskenntnis besitzt, dass wir Deutsche uns keine „Asche aufs Haupt streuen“ muessen

  2. Nach mehr als 1500 Jahren spielt die Fränkische Gemeinsamkeiten von damals keine Rolle mehr, denn insbesondere war das Reich Karls der Großen, der noch Deutsch sprach und schrieb die letzte Gemeisamkeit der romano-gallischen-germanischen Völker, die unter anderem durch den Einbruch slawischer Völker im Osten, zusätzlichzertört wurde.
    Seit dem Austritt der französischen Krone aus dem „Heiligen römischen Reich“, weil deren damaliger König nicht zum Kaiser erwählt wurde, hat die französische Krone sukzessive, sich Lothringen, Burgund, Niederländisch Burgung, u.a. durch Eroberung zu eigen gemacht.
    Wiederholte Einfälle jenseits des Rheins bis ins 18.Jhd.
    Ohne Klärung dieser Geschichte wird es keine gemeinsame Zukunft Europas geben. Ein Eingeständnis Frankreichs dazu ist m.E. unumgänglich.
    Vor allem der Verzicht Frankreichs auf eine Hegemonie in Europa.

  3. Um den Elysse-Vetrag ging es gar nicht bei diesem Treffen, er war nur der Vorwand um einen beabsichtigten Richtungswechsel in der stragischen Politik Frankreichs und Deutschlands zu verkünden.
    „Ramstein 2023“ war dazu ein historischer Meilenstein. Nicht mehr und nicht weniger als: „Die Neugründung Europas als geopolitischen Faktor“
    Frankreich ist schon seit Jahrzehnten aus den militärischen Strukturen der NATO ausgestiegen und hofft nun von den USA enttäuschte Deutschland mit sich zu ziehen.
    Deutschland sieht sich nach „Ramstein“ von den USA verlassen.
    „Wir verlieren Frankreich, weil wir uns selbst verloren haben. Sicher gibt es noch Leute, die wissen, was dieses Volk, was unsere Kultur ist, in der Regierung sitzen sie jedoch nicht.“
    Vortreffliche Feststellung, allerdings …
    Wir verlieren Frankreich ? Hatten wir es denn je wirklich auf unserer Seite?
    Oder war es eher so, dass Frankreich, Deutschland als „nützlichen Idioten“ in seiner Europa Hegämonie-Politik ansah?
    Frankreich hat es nie bedauert ein souveränes Deutschland zu verlieren.
    Die Abschaffung der DM war so ein Vorgang, mit dem Frankreich die damalige deutsche finanzielle Suprematie brechen wollte.
    Die Gründung der EU war ein weiterer Schritt Frankreichs, Deutschland in französischen Interessen einzufangen und an seinen Eigeninteressen zu hindern.

  4. Abseits meines Kommentars zum Artikel „60 Jahre Elysée-Vertrag – Unterschiedlicher könnte die Bewertung nicht sein“, in dem ich an die faktische Auslöschung der deutschen Sprache und Kultur im Elsass durch französische Regierungen auch und insbesondere nach der vertraglichen Aussöhnung von 1963 erinnere, stimme ich den Kommentaren hier zu, die den Begriff „Freundschaft“ mit Bezug auf die deutsch-französische Zusammenarbeit für falsch und verfehlt halten. Deutsch-französisches Paar oder Tandem wäre wohl passender.
    Fehl am Platz zumal m.M.n. durch Frankreich insbesondere industriepolitisch in den vergangenen 20 Jahren sehr viel Porzellan zerschlagen wurde, was bis heute nachwirkt. Stichworte wie Hoechst/Aventis/Sanofi, Airbus, Deutsche Börse/Euronext, Alstom/Bombardier/Siemens, Opel/Stellantis seien hier nur stellvertretend genannt.
    In allen Fällen hat die französische Seite die deutsche Seite hinterlistig über´s Ohr gehauen und den deutschen Part(ner) übernommen (Hoechst, Adtranz/Bombardier, Opel). Der deutsche Traditionskonzern Hoechst („Apotheke der Welt“) wurde dann faktisch (in Deutschland) aufgelöst und der deutsche Traditionskonzern Opel ist heute – trotz aller mit Ansage leeren Versprechungen von franz. Seite – nur noch ein Schatten seiner selbst. Die Franzosen haben Opel zu einer Markenhülle ausgesaugt.
    Hingegen wurden/werden dt.-franz. Fusionen bei denen der deutsche Teil der stärkere gewesen wäre mit steter Zielstrebigkeit, langem Atem und mit Händen und Füßen durch die französische Regierung verhindert. Siehe Deutsche Börse/Euronext oder Siemens/Alstom. Airbus ist aus deutscher Sicht ebenfalls ein industriepolitisches Desaster – „Stellenschaffung“/“Arbeitsplatzaufbau“ hin oder her – zumal heute de facto ein französisch-europäischer Konzern mit Hauptsitz in Frankreich und heute überwiegend französisch dominiertem Management. Allenfalls beim Eurofighter (Airbus Defence) dürfen die Deutschen in den Zweigstellen/Fertigungsstätten Manching und Ottobrunn noch mitreden. Sehr jovial. Es leben die deutsch-französische „Freundschaft“.
    Wobei sich auch auch das mit dem Eurofighter ja auch bald erledigt hat, da die französische Dassault – wer sonst – die industrielle und technologische Führung beim Eurofighter-Nachfolger FCAS übernimmt.
    Zum Ausgleich dürfen die Deutschen dann wohl beim MGAS (Main Ground Combat System) die Leitung übernehmen. Kein Problem aus französischer Sicht: Erstens sind die Deutschen im Panzerbau ohnehin (noch) weltweit führend und so erhält Frankreich mit dem MCAS deutsches Technologie-Know-how und zweitens dürfte die industrielle Wertschöpfung und hochtechnologische Komplexität beim MGAS um ein vielfaches niedriger liegen im Vergleich zum FCAS. Wieder einmal industriepolitisch: Punkt für Frankreich.
    Damit aber noch nicht genug: Zum weiteren Dank dürfen die Deutschen für immer mehr EU-Schulden (unterschiedlichster Bezeichnung von „ESM“ bis „Wiederaufbaufonds“) haften, die Frankreich und seine Club-Med-Komparsen (das sind die echten Freunde Frankreichs) gegen bzw. von Deutschland fordern und dann überwiegend sich selbst gönnen.
    Und ja, es gibt die Zeitzeugen, die den Wert der deutsch-französischen Beziehungen aus historischen und biographischen Gründen kennen. Einer von ihnen ist Alfred Grosser, der in der nächsten Woche, am 1. Februar, seinen 98. Geburtstag feiert.
    Hier ein Interview von 2015 in dem Alfred Grosser auch auf die (politisch gelenkte) Erinnerungskultur beider Nationen eingeht:
    https://www.bpb.de/themen/europa/frankreich/205386/interview-mit-alfred-grosser/
    https://www.dw.com/de/alfred-grosser-vers%C3%B6hner-der-lauten-t%C3%B6ne/a-18223949

  5. Die Deutschen entfremden sich ebenso von ihrer eigenen Kultur wie auch die Franzosen. Viele junge Leute in Frankreich verstehen längst nichts mehr vom Essen und vom
    Wein, sie ernähren sich ebenso minimalistisch und vegan wie ihre deutschen Altersgenossen, turnen in Australien und Neuseeland herum, bevor sie ihr eigenes Land besuchen und lernen nur noch Englisch, Deutsch interessiert sie nicht. Ebensowenig, wie sich deutsche Jugendliche für Frankreich interessieren und auch viel lieber nach Neuseeland fliegen als nach Paris oder Lyon. Lediglich der grüne Klima-Krempel ist in Frankreich bei der Jugend noch nicht so durchgedrungen, weil das Schulsystem immer noch autoritär und zentralistisch organisiert ist und linke Schwätzer als Lehrer eine verschwindend geringe Minderheit sind. Aber auch das wird sich ändern. Belkacem hat sich unter Präsident Hollande nicht getraut, an die heilige Kuh des französischen Elitesystems (Prépa, Concours, Grande École) dranzugehen und hat als Bauernopfer die Deutschklassen abgeschafft. Aufgeschrien hat niemand in Frankreich. Also hatte Deutsch in den Schulen auch keinen Wert an sich, sondern wurde nur als Vehikel benutzt, um in die besseren Klassen zu kommen. Bei der Emtfremdung von der Kultur im eigenen Land können sich die Jugendlichen beider Länder getrost die Hand geben.

  6. Sehr geehrter Herr Mai,
    Deutschland hat kein Benehmen und erfüllt damit die Vorurteile der Franzosen. Zu welchem Nachbarn benimmt sich D adäquat ? Welchen Eindruck hinterlässt eine Kriminelle wie UvdL in Frankreich, der EU, Europa ? Nur gekaufte Claqueure spenden Applaus für diese charakterlose Clique.
    Brüssel gehört umzäunt, dann ist es eine Freiluft- JVA. Gleich neben der Freiluft- Anstalt namens D.
    Die Zauberlehrlinge in der Politik, bewusst platziert als Handlanger der Diebe, zerstören gerade alles, was Jahrhunderte und Persönlichkeiten aufgebaut haben.
    Gute Nacht !

  7. Im Grunde leidet die Beziehung zwischen Frankreich und Deutschland vor allem durch die Uneinigkeit darüber, welchen Weg man am besten zur Zerstörung der eigenen Kultur gehen sollte. So sind sie gemeinsam noch dümmer als alleine.

  8. Seien wir ehrlich, die „deutsch-französische“ Freundschaft war ein gut gemeintes politisches Konstrukt, das seinen beiden Protaganisten, Adenauer und de Gaulle, wohl wirklich am Herzen lag und nach der konfliktreichen Geschichte durchaus seinen Sinn hatte. Aber die Fremdheit wurde nie wirklich überwunden. Englisch und die anglophone Welt wirkten und wirken für die meisten Deutschen nunmal anziehender. Englisch ist die Weltsprache schlechthin und fast die gesamte populäre Kultur und technischen Neuerungen, die den Alltag prägen, kommen aus der anglophonen Welt. Mitterand reichte Kohl zwar die Hand, ließ sich aber seine Zustimmung zur (eigentlich unerwünschten) deutschen Wiedervereinigung durch die verfrühte Einführung des Euro abkaufen. Wäre Macron an einer Reintensivierung der Beziehungen auf Ebene der beiden Völker gegangen, hätte er sich darum bemüht, die unter Hollande eingeführten Änderungen wieder aufzuheben. Im übrigen meint Macron stets „Frankreich“, wenn er „Europa“ sagt, für die deutsche Politik der Jetztzeit hingegen ist Deutschland nur noch das Schlachtfeld ihrer woken Ideologie, innen- wie außenpolitisch. Vielleicht hat es sogar Vorteile, wenn die Schwächung dieses „Tandems“ auch die immer marodere EU und ihre autoritäre Einflußnahme auf die Nationalstaaten in die Schranke weist.

  9. Die Franzosen brauchen uns als Zahlmeister für französische Interessen – von Mali bis Rentensystem. Was tuen die Franzosen umgekehrt für uns?

    Für eine Partnerschaft, die den Namen verdient, muss das Verhältnis von Geben und Nehmen komplett neu justiert werden.

    So, wie es bisher läuft, sind gute Zäune für gute Nachbarschaft eindeutig vorzuziehen!

  10. Die Überschrift erinnert mich an den legendären Satz von Rainer Barzel: „Frankreich ist und bleibt unser Nachbar. Doch dasselbe gilt auch umgekehrt.“

  11. Wir werden noch viel mehr verlieren, als Frankreich.
    Pistorius: „Deutschland ist die größte Volkswirtschaft in Europa, deswegen sollte es auch unser Ziel sein, die stärkste und am besten ausgestattete Armee in der EU zu haben…“

  12. Es stimmt schon, das gegenseitige Interesse zwischen Frankreich und Deutschland hat abgenommen. Aber das Verhältnis hat sich auch objektiv verändert. Die Beziehung zu Frankreich hat sich gewissermaßen umgedreht, Frankreich ist nicht mehr der dominierende Partner, der Deutschland internationale Legitimation verschafft. Und auch wirtschaftlich ist der gegenseitige Handel weniger bedeutend. Waren Frankreich und Deutschland früher einander die wichtigsten Handelspartner, so steht Frankreich bei den Exporten nun an dritter, bei den Importen an sechster Stelle.
    Mit der Wiedervereinigung und der EU-Erweiterung hat sich der demographische und gegraphische Schwerpunkt der Gemeinschaft verschoben. Mit den geplanten bzw. versprochenen EU-Erweiterungen um die Balkanländer und die Ukraine wird Frankreich noch mehr an die Peripherie Europas rücken, dank Brexit liegen nur Spanien, Portugal und Irland noch weiter westlich.
    Die kulturelle Ausstrahlung Frankreich ist heute nur noch ein Schatten ihrer selbst, denkt man an die 1960er Jahre zurück. Heute hätte man Mühe, fragte man in einer deutschen Fussgängerzone nach einem aktuell populären Autor, einer Schauspielerin oder einem Musiker. Ein Fußballer wäre vielleicht noch drin.
    Und auch die hiesige Berichterstattung über Frankreich kennt nurmehr die Themen Niedergang, Aufruhr und Terror und ist nicht gerade geeignet, Interesse oder gar Faszination für Land und Sprache zu wecken. Da kommt das Spanische, grammatikalisch ähnlich schwer zu erlernen wie Französisch, mit seinem Sonne-Versprechen gerade recht.
    Etwas weniger deutsch-französisches Pathos ist nicht verkehrt. Das soll nun aber nicht heißen, dass man die deutsch-französische Beziehung mutwillig verschlechtern darf. Sie braucht Pflege, Interesse, gegenseitigen Kenntnis und Achtung. Sie ist und bleibt aber ein Elitenprojekt.
    elvetico

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