Der Vorgang ist in der Verfassungsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland einzigartig. Auch fast fünf Monate nach einer Bundestagswahl, in der die beiden Parteien der großen Koalition eindeutige Verlierer waren, gibt es immer noch keine Regierung. Die geschäftsführenden Minister – allen voran Herr Gabriel – tun indessen so, als ob ihre Tätigkeit auch weiterhin den Anspruch demokratischer Legitimation erheben kann. Indessen ist das Gezerre um Posten nicht nur ein Grund für die Politikerverdrossenheit der Bürger, sondern auch ein Anlass, über die Funktionalität des parlamentarischen Regierungssystems nachzudenken.
Denn die hart verhandelten Ergebnisse des sogenannten Koalitionsvertrages werden nun einer Instanz zur Zustimmung unterworfen, die das Grundgesetz bei der Regierungsbildung gar nicht vorsieht. Die ca. 460.000 Mitglieder der SPD haben nämlich die Befugnis, über das Wohl und Wehe einer Fortsetzung der großen Koalition zu entscheiden. Zwar hat das Grundgesetz in Art. 21 die Parteien als intermediäre Instanzen installiert, wenn auch unter Vorbehalten. Gleichwohl ändert dies nichts an dem Grundsatz, dass der Bundeskanzler vom Bundestag aus seiner Mitte gewählt wird. Weder Parteitagen, noch Urabstimmungen sollen nach dem Willen des Grundgesetzes darüber entscheiden, ob und wie eine Regierungsbildung mit einer Kanzlermehrheit zustande kommt.
Währenddessen sind die von der Verfassung vorgesehenen Entscheidungsträger – die Abgeordneten – damit beschäftigt, sich in den einzelnen Ausschüssen zu sortieren. Im Übrigen dürfen sie abwarten, was die Mitglieder ihrer Parteien, besonders die Mitglieder der SPD über das Schicksal der Regierungsbildung beschließen. Damit sind wir vom imperativen Mandat nicht mehr weit entfernt. Währenddessen sieht Art. 38 GG eindeutig vor, dass alle Abgeordneten des Bundestages Vertreter des gesamten deutschen Volkes und nur ihrem Gewissen verpflichtet sind und daher auf Abstimmungen innerhalb ihrer Parteien keine Rücksicht nehmen dürfen. Die Entscheidung über die Regierungsbildung und die Verpflichtung, an einer Regierungsbildung teilzunehmen, obliegt daher ausschließlich den Mitgliedern der Fraktion.
Erstaunlich ist an diesem Vorgang insbesondere die Bereitschaft der Abgeordneten, zuvorderst der Fraktion der SPD, aus ihren eigentlichen Funktionen abzudanken. Nur sie haben das Recht – aber auch die Pflicht -, sich an der Regierungsbildung durch Wahl des Bundeskanzlers zu beteiligen. Entscheidungen ihrer Parteimitglieder sind für die Dezisionskriterien der Abgeordneten unerheblich. Die parlamentarische Demokratie bringt sich durch diese Unsitten des Parteienstaates um ihre eigene Existenzbedingung. Die Diskussion über die Vermeidung dieser Gefahrenlage für die Demokratie ist damit eröffnet. Hoffentlich sehen die Vertreter im Bundestag mittlerweile ein, dass nur das Mehrheitswahlrecht aus dieser Bredouille hilft.
In der aktuellen Ausgabe der NJW (Neue Juristische Wochenschrift) 9/2018 befasst sich Prof. Dr. Christoph Degenhart (Prof. für Staats- und Verfassungsrecht sowie Medienrecht an der Uni Leipzig) mit der Frage der Koalitionsbildung vor dem Hintergrund der Mitgliederbefragung. Für ihn macht es einen Unterschied, „ob eine Partei die Koalitionsgespräche mit Blick auf die Gesamtheit ihrer Wähler führt, die den Auftrag zur Regierungsbildung geben, oder mit Blick auf die engere Gruppe der Parteimitglieder“. Anders ausgedrückt: Kann man Koalitionsgespräche im Auftrag der Wähler führen, wenn der Wähler einem eine Regierungsfähigkeit abspricht und man nur die eigentlich gar nicht vom Wähler gewollten/gewählten Mitglieder befragt? Ich verstehe das als Umgehung des Wählerwillens.
Die machen eben was sie wollen nach Instanziierung ihrer Posten und Pöstchen. Selbstoptimierung ist angesagt. Und natürlich Lobbybefriedigung. Hilft bei Parteispenden und zusammen mit dem Vitamin B bei der Findung von hochdotierten Anschlussverwendungen. Das kriegste nicht mehr weg mit Wahlen. Resultiert ja nur im Austausch von Personen. Systemänderungen (grundlegend, nicht nur im Wahlrecht) wären dringend notwendig. Die dringendste wäre eine Begrenzung der Amtszeiten, insbesondere max. 2 Legislaturperioden für den Kanzler/die Kanzlerin. USA kann nicht immer als Vorbild dienen, aber in diesem Aspekt heißt es klar ZuL (Zuschauen und Lernen), die Gründungsväter der amerikanischen Verfassung wußten was sie hier festlegen und warum sie das machen (müssen).
Auf einem kleinen Bauernhof aufgewachsen denke in diesem Kontext immer an prall gefüllte Futtertröge und fressende, quiekende, grunzende Schweine. Sorry, diese Metapher ist halt in mir „drin“. Versuchen Sie mal fressende Schweine vom Trog zu vertreiben. Viel Erfolg dabei.
Verhältnis- oder Mehrheitswahlrecht spielt keine Rolle, da die Politiker sich eh nicht an Regeln und Gesetze halten, wenn sie ihren Machtambitionen im Wege stehen.
Warum sollte sich in Deutschland irgendjemand an irgendwelche Gesetze halten, wenn die alte und noch geschäftsführende Regierung insbesondere seit der “ Flüchtlingskrise“ Gesetze und Vorschriften ad libitum auslegt bzw. ignoriert. Diese Regeln werden doch nur hervorgeholt, wenn man die gewaltigen Folgen der kopflosen Migrationspolitik auf bestimmte kleinere Mitgliedsländer abwälzen will.
Die Mitglieder der SPD stimmen einzig und allein darüber ab, ob der Vorstand der SPD diesen Koalitionsvertrag mit der Union eingehen soll, oder nicht. Ob, und welche Auswirkungen diese Abstimmung auf eine Regierungsbildung hat, liegt einzig und allein daran, wie die Abgeordneten des Bundestages ihr Mandat empfinden und erkennen. Die Abgeordneten müssen sich weder an das Ergebnis der Abstimmung, noch später an die Regeln des Vertrags halten. Die Abgeordneten dürfen und sollen nach Art 38 GG frei abstimmen. Wenn die Abgeordneten das nicht tun, dann sollten sie dafür vom Wähler abgestraft werden. Das ist leider nur bei 299 möglich, da nur 299 Direktmandate vorhanden sind. Besser wäre es, wenn es nur Direktmandate gäbe, so könnte der Wähler dann Abgeordnete, die sich nur nach Parteiinteressen richten, schlicht nicht wiederwählen.
Herr Kerber, Ihre Schelte gegenüber den SPD Abgeordneten ist richtig und falsch zugleich. Sie zitieren richtigerweise Art. 38 GG. In der praktischen Anwendung spielt Art. 38 GG aber keine Rolle. Er kommt nur zum Tragen, wenn es der politischen Führung in die Hände spielt. Wie anders ist es zu erklären, dass beispielsweise bei der Ehe für alle die Kanzlerin die Abstimmung „frei“ gegeben hat.
Andererseits, wirken nach Art. 21 die Parteien bei der politischen Willensbildung des Volkes mit. Das heißt, dass die politische Willensbildung beim Volk liegt, die Parteien „nur“ Mitwirkende sind. Parteijuristen sehen das natürlich anders, und die Parteien verhalten sich dem entsprechend.
Die Prozesse „Koalitionsverhandlung“ und „Sondierung“, die von den Parteien installiert worden sind, kommen im GG nicht vor.
Wenn nun die SPD beschließt, Ihre Mitglieder (Teil des Volkes) in die politische Willensbildung der Parteiführung einzubeziehen, dann ist der Prozess „Wahl des Bundeskanzlers“ nach Art. 63 gar nicht davon berührt. Wenn die Parteiführung der SPD aus führungsstarken und verantwortungsvollen Personen bestünde, würde sie die Mitglieder nicht befragen. Wenn dann die vom Vorstand getroffene Entscheidung negative Folgen hätte, könnte sich der Vorstand nicht mehr herausreden. Deswegen Basisdemokratie…
Ihrer Kritik am Verhalten des Parlaments schließe ich mich vorbehaltlos an. Das Wahlvolk spielt eigentlich bei der politischen Willensbildung schon lange nicht mehr die ihm zugedachte Rolle. Ganz konsequent dankt nun auch das Parlament ab, aber ohne auf stattliche Alimentation zu verzichten.
Die Bundeskanzlerin hat in der Vergangenheit am Parlament vorbei „durchregiert“ und keine Verfassungsinstanz hat sich daran gestört. Von der sogenannten 4. Gewalt ganz zu schweigen. Das ist nun jetzt einmal so…
In Zukunft einfach nicht mehr SPD, Union, Grüne und Linke wählen. Der Wähler hat es zum Schluss immer in der Hand!
Ihr Hinweis auf Artikel 38 GG setzt voraus das Politiker ein Gewissen haben. Bei ca. 87% der MdB bezweifle ich das stark.
Mehrheitswahlrecht? Nein danke. Wohin das führt sieht man in UK und den USA. Einen mMn sehr interessanten Kompromiss könnte das „Single Transferable Vote“ System (Übertragbare Einzelstimmgebung) darstellen, das in z. B. Australien und Irland Anwendung findet.
Nachteil insgesamt? Das Auszählen dauert länger.
Nachteile für Parteien und Politiker? Der Wähler erstellt eine geordnete Präferenzliste der Kandidaten aus seinem Wahlkreis, es zählt wieder mehr der einzelne Politiker und dessen Positionen. Die Bedeutung der Parteien wird ein wenig transformiert.
Vorteil insgesamt: mehr Einfluss der Wähler; Stimmen gehen nicht verloren, wenn z. B. der Wunschkandidat nicht gewinnt; faire Abbildung und gute Repräsentation des Wählerwillens.
Hört sich erst einmal kompliziert an, doch gerade das komisch anmutende, erste Video erläutert es sehr gut. Die weiteren Links dienen der Ergänzung.
Die Wikipediaartikel alleine machen es mMn nicht allzu leicht sich es konkret vorzustellen, deshalb obiger Hinweis auf gerade das erste Video.
Anschauen und staunen.
Politics in the Animal Kingdom: Single Transferable Vote
>> https://www.youtube.com/watch?v=l8XOZJkozfI
What is STV? Single Transferable Vote Explained
>> https://www.youtube.com/watch?v=bLH_w5kHJpA
Extra: STV Election Walkthrough
>> https://www.youtube.com/watch?v=Ac9070OIMUg
Wikipedia (Englisch)
>> https://en.wikipedia.org/wiki/Single_transferable_vote
Wikipedia (Deutsch)
>> https://de.wikipedia.org/wiki/Übertragbare_Einzelstimmgebung
“ Wohin das führt sieht man in UK und den USA. “
Ja, das führt zu den beiden stabilsten Demokratien, die die Welt je gesehen hat. Grauenvoll, nicht?
Ich hätte überhaupt kein Problem damit, wenn jeder Abgeordnete in seinen Wahlkreis bzw. bei Listen-Abgeordneten ggf. deren Herkunftwahlkreis (wenn diese nirgends antraten) hineinhorchen würde und das Votum des Wahlkreises umsetzen würde. Das wäre durchaus mit dem GG vereinbar. Aber so?
So weit, so richtig. Aber ein Mandatsträger ist nicht einfach dem ganzen Volk verantwortlich, sondern vor allem denen, die ihn mandatiert haben. Das nennt man repäsentativ, wir haben eine repräsentative Demokratie. Muss der Mandatsräger Kompromisse machen zwischen dem, was ihm seine Wähler aufgetragen haben und dem, was andere Erfordernisse verlangen, muss er sein Gewissen befragen, wie weit er gehen kann. Geht er zu weit, sollte er sein Mandat bei der nächsten Wahl verlieren. Wie Popper schon sagte, eine politische Wahl ist vor allem ein Zeugnis des Auftraggebers für geleistete Arbeit. Was Parteitage bzw. Parteiabstimmungen ergeben ist dagegen nicht mehr als eine unverbindliche Handlungsempfehlung, insbsondere für die Inhaber von Direktmandaten. Deshalb interessiert sich auch das BVerfG nicht dafür.
Nichts gegen Ihren Beitrag, Herr Kerber, im Gegenteil, aber: „die ‚Funktionalität‘ des parlamentarischen Regierungssystems“ und „die ‚Dezisionskriterien‘ der Abgeordneten? (Ersteres, ein Wort aus der Computerwelt, kommt gerade schwer in Mode, fällt mir auf; letzteres ist mir bisher nicht begegnet.)
Wozu, frage ich mich bei derlei Windsprache immer, wozu?
Ich ärgere mich auch über den Punkt und wollte dem örtlichen direkt gewählten SPD- Abgeordneten anschreiben und fragen ob er sich an das Abstimmungsergebnis gebunden fühle. Dies damit ich bei der nächsten Wahl weiß wem seine primäre Loyalität gilt. Das Problem ist nur und so sieht es vermutlich auch das BVG, es ist ja nicht bewiesen das sich der Abgeordnete nach dem Votum richtet. Vielleicht ist es ja seine persönliche Entscheidung. Gilt übrigens auch für cdu/cdu Abgeordnete. Da hier ja ein Parteitag entscheidet. Interessant wird es wenn Abgeordnete abweichen und Konsequenzen zu spüren bekämen. Dann sollte nochmals geklagt werden. Was jedoch m.E. überhaupt nicht verständlich ist, warum es bisher keine Wahl zum Bundeskanzler gab. Muss das nicht innerhalb von 30 Tagen erfolgen? Auf jeden Fall werde ich bei der nächsten Wahl die Durektkandidaten in Leserbriefen oder Zeitungsanzeigen fragen wem ihre Loyalität gilt dem Wähler oder der Partei. Hier verlange ich eine Aussage des Kandidaten vor der Wahl
Heinrich Heine würde sein Land nicht mehr finden
„Deutschland hat ewigen Bestand,
Es ist ein kerngesundes Land!
Mit seinen Eichen, seinen Linden
Werd ich es immer wiederfinden.“
war einmal
In einer Bundestagsdebatte vom 3. September 2013 sang die damalige SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles einen Teil des folgenden Liedes als Protest gegen eine Vorrede der großen Kanzlerin (Knopp).
2 x 3 macht 4
Widdewiddewitt
und Drei macht Neune !!
Ich mach‘ mir die Welt
Widdewidde wie sie mir gefällt ….
Hey – Pippi Langstrumpf
trallari trallahey tralla hoppsasa
Hey – Pippi Langstrumpf,
die macht, was ihr gefällt…..
welche historische Weitsicht
warum also Groko?
Die nächsten Rechtsbrüche der Groko
Leider teilt das Bundesverfassungsgericht diesen Standpunkt nicht. Eine Instanz, deren Entscheidungen manchen Bürger inzwischen in Staunen versetzt.
„Die Diskussion über die Vermeidung dieser Gefahrenlage für die Demokratie ist damit eröffnet.“ Es gibt keine Gefahrenlage für die Demokratie. Das würde nämlich voraussetzen, dass dieser Staat noch eine Demokratie ist.
Mehrheitswahlrecht wird immer von Leuten gefordert, die ein 2-Parteiensystem ad calendas graecas perpetuieren wollen, so in den USA, wo neue Parteien keine Chance haben oder anderswo. Ich halte das für keine gute Lösung.
Ein Mehrheitswahlrecht befördert Demokratie, weniger den Stillstand.
Es verlagert das Streiten unterschiedlicher Standpunkte wieder aus
dem Parlament zurück in die Parteien links wie rechts.
Der beste Weg, um „‚Weimarer Verhältnisse“
des Stillstands im Parlament zu verhindern.
Die USA, auch England sind die besten Beispiele,
diese Länder sind ja deshalb politisch stabil, handlungsfähig.
Übrigens…..
Die Einführung des Mehrheitswahlrechts hierzulande war zwischen
SPD und CDU in der 1.GroKo in den 60ern im Koalitionsvertrag
vereinbart. Leider scherte die SPD damals aus.
Schon damals stand die SPD für die Kultivierung von Problemen.
Meine Meinung.
Von beiden Wahlrechten ist das Verhältnis-/Proporz-Wahlrecht eindeutig das schlechtere. Es verhindert, dass sich die Parlamentarier den Bürgern verpflichtet fühlen, die sie gewählt haben, sondern nur ihrer Partei. Es führt dazu, dass aus einer Genscher/ Schmidt- Regierung eine Genscher/Kohl-Regierung wird, ohne, dass das Volk gefragt wird, wie geschehen. Die mit dem VHWR verbundene Listenwahl, die eine geheime Vorwahl ist, führt dazu, dass sie einen missliebigeen Politiker niemals weg bekommen können. Wählen Sie Herrn Trittin mal ab. Und zum Schluss macht das Mehrheitswahlrecht die Verantwortlichkeiten sehr klar. Hat nämlich ein Politiker grobe politische Fehler gemacht, wird er bei der nächsten Wahl mit Sicherheit abgewählt. Und in seiner Partei setzt ein Revierement ein, die verbrauchte Politiker hinweg fegt und auch innerhalb der Partei für einen Neuanfang sorgt.
Die Medaille hat zwei Seiten.
Einerseits werden im Mehrheitswahlrecht mit zwei Parteien die Stimmen der politisch auseinanderstrebenden Wähler gebündelt und zielgerichtet eingesetzt, andererseits, wie oben schon gesagt, erhalten neue Parteien in einer sich wandelnden Gesellschaft keine Chance.
Der deutschen Demokratie wäre meines Erachtens schon gut geholfen, wenn der Fraktionszwang verboten und alle Abstimmungen im Bundestag geheim erfolgten. Dann entfiele der auf den Abgeordneten lastende Druck aus Regierung, Partei und Lobbyisten und sie könnten verfassungsgemäß frei nach ihrem Gewissen entscheiden.
„(…), dass alle Abgeordneten des Bundestages Vertreter des gesamten deutschen Volkes und nur ihrem Gewissen verpflichtet sind und daher auf Abstimmungen innerhalb ihrer Parteien keine Rücksicht nehmen dürfen. Die Entscheidung (…) obliegt daher ausschließlich den Mitgliedern der Fraktion.“
Das Problem liegt genau da zwischen Theorie und Praxis, denn in der Praxis treffen die Fraktionsmitglieder ihre Entscheidung auch nicht frei nach ihrem Gewissen, sondern durch den ‚Fraktionszwang‘ und damit letztlich auch wieder nur nach dem Gusto der Partei- und Fraktionsspitze. Und wenn die Fraktionsmitglieder schon nicht frei in ihrer Entscheidung sind, dann wäre es die gesamte Partei auch nicht (vor allem an der Basis), würde man sich in der Koalitionsfrage streng am GG halten. Das ist ein Systemversagen.
Der Irrsinn ist doch, dass auch Nichtdeutsche SPD-Mitglieder sein können und sind! Erdogan oder wer auch immer hätte im Januar seine Partei auffordern können, in die SPD einzutreten und der Putsch wäre perfekt. Ein Irrenhaus ist dieses Land.
Da Abgeordnete, von wenigen Ausnahmen abgesehen, kein Gewissen haben, und offensichtlich alle möglichen Interessen, aber bestimmt nicht die Interessen des deutschen Volkes vertreten, bleibt nur, das alle Parlamentarische Entscheidungen, durch einfachen Mehrheitsbeschlusses des Volkes bestätigt werden muss um Rechtswirksam zu werden.
Ist das Verhalten der Gewählten nicht auch dem
Verhalten der Wähler geschuldet?
Die Einführung eines Mehrheitswahlrechts ist
in einem 7-Parteien-Parlament chancenlos geworden.
Es ist der Wähler gefordert, durch Fokussierung
der Stimmen auf die beiden stärksten Parteien
Handlungsfähigkeit zu erzwingen.
Verantwortung fängt beim Wähler an.
Das ist richtig, denn „alle Macht geht vom Volke aus“. Die „Parteien wirken bei der Willensbildung (lediglich) mit“. Ob „die“ Wähler ihrer Verantwortung gerecht werden, steht auf einem anderen Blatt. Dass Wahl-
oder Abstimmungsergebnisse auch nicht selten recht zufällig sind, ist nie auszuschließen, ein eklatantes , fatales Beispiel ist das Ja zum Brexit. Da hat eine Zufallsmehrheit „gewonnen“, weil vor allem die jüngeren Briten schlichtwegs nicht zur Wahl gingen – aus Desinteresse, Gleichgültigkeit etc. – und so das Ergebnis von älteren bestimmt wurde – zum Nachteil der Jungen, die das nun ausbaden müssen.
Insofern ist die Vokabel „Verantwortung“ auch im Kant’schen Sinne eher Theorie. Kant wäre: „Wähle stets so, als ob deine Entscheidung/Stimme allein entscheidend wäre“ – in einer Demokratie ist das zwar prinzipiell möglich, aber Mehrheit ist Mehrheit. Trotzdem gilt: Selbst denken. Und informieren, das ist eine Holschuld.
Die Abgeordneten haben nicht nur kein „Gewisen“, sie haben in der Regel auch KEINE AHNUNG: https://www.youtube.com/watch?v=iLLfUIm4sWs
Es besteht eine gravierende Verfassungslücke, die keine Partei, im Interesse der Parteienherrschaft, beseitigen will. Es scheint, dass auch akademische Verfassungsrechtler, von wenigen pensionierten Juristen abgesehen, auch lieber schweigen, weil sie es sich nicht mit den wirklich Mächtigen, den Parteiführungen, verderben wollen.
Wir brauchen eine Verfassungänderung, die den konstituierten Bundestag verpflichtet, innerhalb von 30 (60?) Tagen nach Konstituierung des neugewählten Bundestages einen Bundeskanzler (generisches Maskulinum) zu wählen, andernfalls muss der Bundespräsident den Bundestag auflösen und Neuwahlen innerhalb von 90 Tagen ausschreiben. Regierung und Parlament bleiben dann kommissarisch im Amt. Man könnte das dann noch versüssen: Listenabgeordnete dürfen nicht mehr kandidieren. Der Phantasie für weitere Sanktionen für die leistungsverweigernden, aber gewählten und bezahlten Volksvertreter sind keine Grenzen gesetzt. Es sollte quietschen in den Parteien und in den Fraktionen.
Das Mehrheitswahlrecht würde die Verhältnisse nur noch mehr zementieren und auch Basisabstimmungen nicht ausschließen. Dafür gibt es deutliche Indizien! Schließlich haben wir ein Parlament, wo (fast) die Hälfte direkt gewählte Abgeordnete sind. Der Fraktionsdisziplin hat das keinen Abbruch getan.
Merhheitswahlrecht bedeutete aber auch, dass nur zwei Parteien die realistische Aussicht auf eine nennenswerte Zahl von Parlamentssitzen haben. Umso mehr könnten sie machen, was sie wollen, ohne neue Konkurrenz ersthaft fürchten zu müssen.
Die Direktkandidaten der Parteien sind entweder über die Parteiliste abgesichert oder kandidieren in ohnehin „sicheren“ Wahlkreisen. Daher brauchen Sie den Wähler im Wahlkreis nicht zu
fürchten. Die Wähler wissen ihrerseits, dass sie einen Kandidaten nicht abstrafen können und verhalten sich entsprechend desinteressiert bei der Wahl. Für die Parteien wiederum sind nur die Zweitstimmen relevant. Direktkandidaten hingegen nur Kosmetik.
Wir haben ein personalisiertes Verhältniswahlrecht.
Ein Mehrheitswahlsystem funktioniert ganz anders und setzt vor allem ganz andere
Anreize.
Es muss natürlich abgeschafft werden, dass Direkt-Kandidaten auch noch auf der Landesliste abgesichert sind. Auch bei sog. sicheren Wahlkreisen, für Direktkandidaten, kann die Mehrheit kippen, wenn es einem Konkurrenten gelingt, die Wahlbeteiligung zu seinen Gunsten zu erhöhen.
@Bernhard K. Kopp. Welche Wirkung kann man sich überhaupt von „seinem“ unabhängigen Wahlkreiskandidaten verprechen, wenn derselbige nur eine einzige Stimme unter 600 (oder dann nur noch 300?) Mandatsträgern hat?
Vorhersehbare Politik, wenn überhaupt, bekommt man nur, wenn man ein Programm wählen kann. Dafür kann ein einzelner Abgeordneter aber gar nicht stehen. Das geht nur, wenn sich viele Abgeordnete einig sind. Und dafür braucht es nolens volens dann doch wieder … die Partei – vor der Wahl wie nach der Wahl. Wie soll denn das sonst inhaltlich funktionieren??
Halte ich nicht für logisch begründet (@Michael Sander). „Andere Anreize“ ist ein hübscher Satz, den man leicht hinschreiben kann. Es leuchtet aber nicht ein, warum bei im Prinzip denselben Regeln und derselben Kungelwirtschaft bei der Direkt-Kandidatenaufstellung plötzlich andere Anreize entstehen sollen. Wie soll der eine Kandidat der Wunschpartei abgestraft werden, wenn es nur die Alternativen der anderen Parteien gibt, die man nicht haben will?
Von Vorwahlen zur Aufstellung/Auswahl der Direktkandidaten jeder Partei durch Wähler war ja nicht die Rede. Und es wäre auch ein Zirkus wie in den USA vorherzusehen, lediglich mit dem Unterschied, dass er auf kleinster Ebene stattfindet, die bestenfalls ein kleineres Grüppchen von Wählern interessiert.
Wir brauchen endlich eine echte Gewaltenteilung. Direktwahl des Kanzlers, der nicht Mitglied des Parlaments sein darf, ebenso wie die Minister. Darüber hinaus Abschaffung des Bundespräsidenten.
Dass Kanzler und Minister gleichzeitig ein Bundestagsmandat haben, habe ich nie verstanden. In der Theorie soll das Parlament ja die Regierung kontrollieren. Im jetzigen System sind sie Teil der Kontrollinstanz; ziemlich widersprüchlich.
Was hat eine Verpflichtung (wie hier bei den Abgeordneten) für eine Bedeutung, wenn Pflichtverleztungen keine negative Konsequenzen für die Betroffenen haben? Das ist wie mit der angeblichen Verantwortung von Kanzlerin, Minister, Landräte, Oberbürgermeister, Behördenleiter, …. die ja auch nie wirklich für verantwortungsloses Handeln persönlich zur Verantwortung herangezogen werden.
Verpflichtung und Verantwortung sind für Politiker nur leere Sprechblasen.
„Es muss demokratisch aussehen, aber wir müssen alles in der Hand behalten.“
So Walter Ulbricht, der den Parteien der GroKo als de facto Einheitspartei von Grokostan wohl als Vorbild näher stehen dürfte, als Brandt, Adenauer, Erhard, oder Schmidt.
Wir dürfen keinesfalls den Fehler machen, der heutigen Führungsriege der Merkelpartei, der SPD, den Grünen – der Linkspartei ohnedies nicht – auch nur den kleinsten Wertebezug zur Bonner Demokratie zu unterstellen.
Der beste Beweis ist doch, welches politische Mileu seit Jahren gezielt in Berlin, in der Nähe der Macht, um sie herum, als Schutzwall angesiedelt wird. Dem System gefärliche Demonstrationen, wie damals in Leipzig sind durch diesen Schachzug ausgeschlossen. Vor der Ausschaltung des Demonstrationsrechts, auch vor der Zerschlagung von kritischen Demonstrationen durch den Straßenmob schreckt man nicht zurück.
Das Trauma des Falls der DDR sitzt tief in der Psyche vieler heutiger Politiker in Berlin, derlei „Konterrevolutionen“ wird man nie mehr zulassen. Schon eine Gruppe friedlich(!) demonstrierender Frauen(!) offenbart, dass die Nerven blank liegen, dass man zu allem entschlossen ist.
Die traurige Erkenntnis verfestigt sich: In Deutschland werden wir unsere vollen Rechte, den Rechtsstaat und die Freiheit nicht wieder erlangen, wenn wir erst in der Position der geprügelten Minderheit sind, fällt der Vorhang.
Ich sehe das Problem nicht: mE handelt es sich hier um eine Meinungsumfrage unter SPD-Mitgliedern. Kein Abgeordneter ist da an irgendwas gebunden.
Korrekt: Sie _wären_ nicht daran gebunden, wenn sie ein Rückgrat besäßen (finde den Fehler… ), aber die vielen schönen Pöstchen, die eine Regierung so zu verteilen hat… Nur 44 aufrechte Demokraten wären in den drei Fraktionen nötig, um das Prjekt „Groko“ zu beenden!
In der SPD sind auch Nichtdeutsche, die kein Wahlrecht in Deutschland haben und Kinder ab 14 können auch Mitglied werden und hier abstimmen, die auch nicht wahlberechtigt sind. Das Land ist ein Tollhaus.
Sorry,
nicht das Land, die SPD ist ein Tollhaus.
Und die CDU. Und die CSU. Und die Grünen. Und die Linken. Und…
Gut, dass der Autor daran erinnert, dass die vom Volk gewählten Vertreter, die Abgeordneten, laut GG das gesamte deutsche Volk zu vertreten haben und nur ihrem Gewissen verpflichtet sind und folgerichtig nur diese Personen dazu bevollmächtigt sind, über eine Regierungsbildung zu bestimmen. Warum wird nicht derart gehandelt?
Weil die Abgeordneten nichts davon haben. Zumindest nicht das, was sie gerne hätten.
Wen interessiert schon das Grundgesetz in den heutigen Zeiten? Sind wir nicht längst wieder bei Louis XIV angekommen?
Sollte sich in den nächsten Wochen noch jemand ans GG erinnern, dann droht die Fortsetzung der Hängepartie. Das ganze Verfahren wird dann von interessierter Seite zum BVerfG getragen. Die BILD-Hundegeschichte war schon mal eine gute Vorbereitung dazu.
Ludwig Nr. 14 von Frankreich hat selbstherrlich regiert, die Finanzen ruiniert (was seinen Urururenkel gleichen Namens mit der Nummer 16 den Kopf gekostet hat) und ist mehr oder weniger regelmässig bei seinen Nachbarn (also uns) mit größeren französischen Reisegruppen eingefallen, um die dortige Bauwirtschaft mittels Abfackeln anzukurbeln. Geld hat er aber nie mitgebracht, immer nur mitgenommen. Insofern bestehen leichte Unterschiede. 🙂
Nun, unsere Kanzlerin fällt nicht in die Nachbarländer ein, um Geld mitzunehmen. Aber ihre Art der Regierung ist doch wohl nicht weniger selbstherrlich als die des Louis Quatorze selig!
Yiannis Varoufakis nannte den Euro „Versailles, nur ohne Krieg“. Was Macron zusammen mit der SPD plant, geht in die gleiche Richtung: Deutsches Steuergeld in der EU verteilen.
Das sehe ich ganz und gar nicht ein, auch wenn ich zugeben muss, dass der Vorgang des Mitgliederentscheides evtl. nicht ganz verfassungskonform ist.
Darüber gleich das Wahlsystem abzuschaffen, statt eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes dazu abzuwarten, ob irgendwelcher Auflagen oder Präzisierungen….Un-fug oder anders, es passt nicht.
Warum geht man immer wie selbstverständlich davon aus, dass bei den Wahlen noch alles mit rechten Dingen zugeht?
Warum sollten sich Personen, die in diesem Ausmaß und über einen so langen Zeitraum das Recht beugen und brechen, um ihre „Agenda“ durchzuziehen, durch Papierzettel (auch wenn es sich um ein paar Millionen handelt) aufhalten lassen, gerade dann, wenn es um die absolute Macht geht?
Ist das vielleicht der wahre Grund für die Tatsache, dass das Votum der Wähler für die Abgeordneten im Parteienstaat nicht zählt?
Es fängt doch schon damit an, dass wir seit 2012 kein gültiges Wahlgesetz haben: Das BVerG hat nämlich 2012 entschieden, dass es maximal 15 „Überhangmandate“ geben darf. Ziehen Sie einfach von 709 die 598 regulären Sitze ab…
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2012/07/fs20120725_2bvf000311.html
Können Abgeordnete dem verpflichtet sein, was vielleicht gar nicht vorhanden ist?