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Teil 1

Achtung, gefährlicher Professor – Der Ausgeschlossene

25.04.2025

| Lesedauer: 12 Minuten
Deutschlands Politiker und Medien sorgen sich um die akademische Freiheit – aber in den USA, nicht vor ihrer Haustür. Hierzulande kann wissenschaftliche Freiheit sehr abrupt enden, wenn Hochschullehrer legale, aber unwillkommene Ansichten vertreten. Eine Sonderrolle spielt dabei der Verfassungsschutz. TE dokumentiert drei Fälle

„Entscheidung nach der US-Wahl: Historiker Snyder und Faschismusforscher Stanley verlassen die USA“, titelte der Spiegel vor Kurzem. Die Zeit meldete fast wortgleich den Weggang von drei Professoren aus Yale und kommentierte: „Grund sei, dass die Trump-Regierung die Freiheit bedrohe“. Der Deutschlandfunk sieht ein umfassendes Unglück über den Vereinigten Staaten heraufziehen: „Ein Angriff auf die Wissenschaftsfreiheit – und die Grundfesten der US-Demokratie.“

Erst vor diesem Hintergrund gewinnt die folgende Recherche ihr Gewicht: TE fragt nach dem Zustand der akademischen Freiheit in Deutschland, und zwar anhand von drei Fallstudien. Dreimal geht es um die staatliche Maßregelung von Professoren wegen ihrer Meinungsäußerung, wohlgemerkt noch nicht einmal im Hörsaal, sondern außerhalb. Keinem der Vorgänge widmeten Spiegel, Zeit, ARD und ähnliche Medien bisher eine kritische Betrachtung. Im Gegenteil: Bei der Mobilmachung gegen einen unter Druck gesetzten Professor spielt der akademische Ableger Zeit Campus sogar eine prominente Rolle.

Bevor es um diese sehr handfesten Angriffe auf die Wissenschaftsfreiheit unmittelbar vor der Haustür deutscher Qualitätsmedien gehen soll, verdient die Mediengeschichte von der dreifachen Flucht US-amerikanischer Hochschulschullehrer vor Trump eine nähere Betrachtung. An ihr stimmt nämlich – was auf fast alle US-Berichte dieser Medien zutrifft – noch nicht einmal die Hälfte.

Der auf die Geschichte Osteuropas spezialisierte Historiker Timothy Snyder und seine Frau Marci Shore, ebenfalls Historiker, entschieden sich, wie Shore der Akademikerplattform Inside Higher Ed im Gespräch mitteilte, aus privaten Gründen, von Yale an die Munk School of Global Affairs and Public Policy zu wechseln. Ein entsprechendes Angebot der Munk School, so Shore, habe es schon seit zwei Jahren gegeben. Snyders Sprecher teilte „Higher Education“ mit, die Entscheidung zum Wechsel sei wegen „schwieriger Familienangelegenheiten“ gefallen (“difficult family matters“), außerdem schon vor der Präsidentschaftswahl und er habe „nicht den Wunsch, die USA zu verlassen“. Dazu passt auch, dass er sich von Yale nur beurlauben ließ, aber nicht aus der Universität ausschied.

VOLKSBEGRIFF UND MENSCHENWüRDE
Der Fall Martin Wagener: Wie der Verfassungsschutz einen Professor loswerden will
Irgendwelche Einschränkungen in ihrer Arbeit seit Trumps Amtsübernahme erwähnten weder Snyder noch Shore, auch nicht der Philosoph Jason Stanley, den es ebenfalls von Yale an die kanadische Munk School zieht. Seine Begründung, die er gegenüber dem Guardian gab, liest sich allerdings hochinteressant: „Als ich gesehen habe, wie die Columbia University vollständig kapituliert hat“, so Stanley, „und wenn ich das Vokabular gesehen habe, also‚ wir arbeiten im Hintergrund, weil wir nicht getroffen werden wollen – die ganze Denkweise setzt voraus, dass einige Universitäten getroffen werden, und man will nicht dazugehören, das ist eine Verliererstrategie.“ Dieses auf den ersten Blick ziemlich wirre Statement erschließt sich nur aus dem Zusammenhang. Trumps Regierung hatte eine Zahlung von Bundesmitteln an die Columbia von 400 Millionen Dollar mit dem Verweis auf die antisemitischen Ausschreitungen zurückgehalten, die sich dort auf dem Campus nach dem 7. Oktober 2023 abgespielt hatten, und von der Hochschule konkrete Maßnahmen gegen die Einschüchterung jüdischer Studenten verlangt. Dieser Forderung kam die Universitätsleitung jetzt nach, niedergelegt in einem vierseitigen Schreiben.

Außerdem räumte sie ein, sie habe in der Vergangenheit darin versagt, ihre Studenten und Lehrkräfte ausreichend “von antisemitischer Gewalt und Belästigung“ zu schützen. Darin, dass sich die Columbia nicht ganz freiwillig, sondern unter finanziellem Druck dazu bequemt, sieht Stanley nun die für ihn unerträgliche „vollständige Kapitulation“, die seiner Meinung nach auch anderen Bildungseinrichtungen droht. Auf dieses nicht ganz unwichtige Detail verzichten die gleichen deutschen Medien, die bei Snyder und Shore den privaten Hintergrund ihres Hochschulwechsels weglassen, damit die drei Professoren sich in den Deutungsrahmen ‘Trump verjagt Wissenschaftler‘ quetschen lassen. An deutschen Hochschulen droht linksislamistischen Truppen jedenfalls keine Beschneidung ihrer Freiheit, Gebäude zu besetzen und andere Studenten zu terrorisieren.

In diesen und anderen Fällen hieß und heißt es von den meisten Politikern und Medienvertretern, die Freiheit von Lehre und Forschung stelle nun einmal ein hohes Gut dar, in das der Staat nicht eingreifen dürfe.

Dass er sehr wohl eingreift, zeigt die folgende Dokumentation. So viel vorab: Kein einziger der verdächtigten und gemaßregelten Hochschullehrer, um die es geht, zeigte irgendeine Nähe zu extremistischen Ideen, tolerierte oder verharmloste Gewalt oder vernachlässigt seine Lehrpflichten. Sie vertreten nur Ansichten, mit denen sie sich zwar völlig im Spektrum der Meinungsfreiheit bewegen, aber gegen ungeschriebene politische Festlegungen verstoßen. In zwei der drei Fälle spielte eine Behörde eine Schlüsselrolle, die im Wissenschaftsbetrieb höchstens als Forschungsgegenstand auftauchen sollte: der Inlandsgeheimdienst.

Der Ausgeschlossene

GEHEIMDIENSTE
Verfassungsschutz gegen Wissenschaftsfreiheit? Der Fall Martin Wagener
Für den Politikwissenschaftler Martin Wagener bedeutet das vorläufig ein Ende seiner Tätigkeit, obwohl ihn niemand von seiner Professur an der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung entfernte, und obwohl es bisher keine rechtskräftige Disziplinarmaßnahme gegen ihn gibt. Und zwar, weil er ein Buch verfasste. In „Kulturkampf um das Volk. Der Verfassungsschutz und die nationale Identität der Deutschen“, erschienen 2021, befasst sich der Wissenschaftler mit der Frage: Auf welche Weise verändert sich das Land, wenn durch eine forcierte Einwanderung vor allem aus islamischen Ländern immer mehr Menschen in der Bundesrepublik leben, die ihre Identität aus anderen Quellen als aus einer persönlichen Bindung an deutsche Kultur und Geschichte beziehen? Nationale Identität, so seine Argumentation, beschränke sich nicht auf die Staatsbürgerschaft; sie entwickle sich in einem langen historischen Prozess, und sie könnte unter bestimmten Umständen auch wieder zerfallen.

Die zentrale These von „Kulturkampf um das Volk“ lautet, mit Angela Merkel als Kanzlerin habe die Umwandlung der deutschen Kulturnation in eine multikulturelle Willensnation begonnen – und das gegen den Mehrheitswillen der angestammten Bürger. Zum zweiten kritisiert Wagener die Auslegung des Volksbegriffs durch den Verfassungsschutz. Der Inlandsgeheimdienst, argumentiert der Politikwissenschaftler, sehe schon in jedem, der „Volk“ in Zusammenhang mit einer historisch hergeleiteten, also gewachsenen Kultur stellt, einen Verfassungsfeind. Für beides finden sich Belege, auch ganz unabhängig von Wageners Buch. Auf dem Landesparteitag der CDU Mecklenburg-Vorpommern im Februar 2017 etwa sagte Merkel den Schlüsselsatz: „Das Volk ist jeder, der in diesem Lande lebt.“ Genau das bestimmt schon das Grundgesetz in Artikel 116 anders – und zwar bis heute. Abgesehen von der Definition des Staatsvolks durch die Staatsangehörigkeit ignorieren auch die wenigsten im realen Leben, dass es Unterschiede zwischen alteingesessenen Bürgern und neu dazugekommenen gibt. Wenn die Antidiskriminierungsbeauftragte der Bundesregierung Ferda Ataman von ‘Kartoffeln‘ sprach, meinte sie nicht sich, obwohl sie auch den deutschen Pass besitzt, sondern, um einen anderen Ausdruck zu bemühen, ‘Biodeutsche‘.

Von dem gleichen Teil der Gesellschaft, zu dem sie sich selbst nicht zählen, sprechen auch viele Türken und Araber mit deutscher Staatsbürgerschaft, wenn sie die Wendung Almans benutzen. Dass der Besitz der Staatsbürgerschaft für Zuwanderer kulturelle Bindung bedeuten kann, aber eben nicht muss, zeigte das Beispiel einer eingebürgerten türkischen Frau, die Bundeskanzler Olaf Scholz im Wahlkampf besuchte: Sie sprach und verstand trotz jahrzehntelangem Aufenthalt in Almanya praktisch kein Wort Deutsch.

Genau dieser Problemstellung widmet sich Wagener: Was bedeutet es, wenn immer mehr Menschen in diesem Land leben, die sich nicht als Almans betrachten, und es auch nicht werden wollen? Weder verlangt der Autor, dass Migranten die deutsche Kultur adaptieren müssen, noch fordert er in irgendeiner Weise die Schlechterstellung von Eingewanderten mit deutschem Pass gegenüber Alteingesessenen. Sondern er befasst sich mit der Veränderung des Landes durch die Migration, aber auch durch eine Gesellschaftspolitik, wie Merkel sie prägte.

Nach Ansicht des Bundesamtes für Verfassungsschutz erfüllt der Professor schon damit die Kriterien des Extremismus. Wagener lehrt an einer besonderen Einrichtung – am Fachbereich Nachrichtendienste der erwähnten Hochschule. Seine Seminare hielt er in einem Backsteinbau auf dem Gelände des Bundesnachrichtendienstes in Berlin. Die Beschäftigung des Professors mit widersprüchlichen und politisierten Positionen des Verfassungsschutzes brachte die führenden Beamten dort offenbar so auf, dass sie Wagener in einem Gutachten, um das es gleich genauer gehen soll, Verfassungsfeindlichkeit bescheinigten. Daraufhin entzog ihm der BND die Sicherheitsfreigabe. Er dürfte also theoretisch immer noch anderswo lehren und behält seinen Professorentitel. Nur das Gebäude, in dem seine Lehrveranstaltungen stattfinden, darf er nicht mehr betreten. Außerdem eröffnete der Bundesnachrichtendienst ein Disziplinarverfahren gegen ihn. Nach Informationen von TE gibt es keine weiteren Vorwürfe gegen ihn. Damit dürfte er der erste Professor in der Bundesrepublik sein, der seit über nun dreieinhalb Jahre einem faktischen Unterrichtsverbot ausgesetzt ist und einer möglichen disziplinarrechtlichen Strafe entgegensieht – wegen einer Publikation, die gegen keinerlei Gesetz verstößt. Schon gar nicht gegen die Verfassung.

Der Staat geht übrigens nicht nur gegen Wagener selbst vor: Auf Anregung von Kulturstaatsministerin Claudia Roth soll der Lau-Verlag*, in dem „Kulturkampf um das Volk“ erschien, einen während der Corona-Zeit gewährten Druckkostenzuschuss von 7500 Euro zurückzahlen. Diese Art Beihilfe erhielten damals praktisch alle Verlage, die einen entsprechenden Antrag stellten. Nach Informationen von TE gibt es bisher eine Rückforderung nur gegenüber Wageners Verlag.

Wie kann überhaupt jemand zu der Konstruktion kommen, einen Wissenschaftler wegen eines Buchs als Sicherheitsrisiko einzustufen? Dazu muss man sich in das Gutachten des Inlandsgeheimdienstes vertiefen, der sich hier nicht zum ersten Mal zur Beurteilungsbehörde über richtiges und falsches Meinen macht.

Im Juni 2023 schickte das Bundesamt für Verfassungsschutz auf Anforderung ein „fachliches Gutachten“ zu Wageners Buch an Nancy Faesers Innenministerium, dem die Hochschule untersteht; für den Professor ist das Bundeskanzleramt zuständig. Hintergrund der Vorlage des Gutachtens war eine Anfrage Claudia Roths. „Eine umfangreiche Begutachtung der Publikation ‘Kulturkampf um das Volk – Der Verfassungsschutz und die nationale Identität der Deutschen‘ von Herrn Wagener“, heißt es dort, „hat ergeben, dass aufgrund der Publikation tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung bei Herrn Wagener vorliegen. Diese resultieren aus einem ethnisch-abstammungsmäßigen Volksbegriff, der im Widerspruch zu Art. 1 Abs. 1 GG steht.“

Das Verfassungsschutzpapier wirft nicht nur wegen der darin enthaltenen Anmaßung ein trübes Licht auf den Dienst, sondern auch durch die Qualität seiner Argumentation. Denn bei Artikel 1 Grundgesetz handelt es sich wie bei den anderen Grundrechten um Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat. Ein einzelner Bürger kann gar nicht dagegen verstoßen. Auch als Professor nicht. Zweitens verwendet der Staat den „ethisch-abstammungsmäßigen Volksbegriff“, der nach Meinung der Kölner Behörden jeden schon durch bloße Benutzung ins Extremistenlager bringt, in etlichen Fällen selbst. Etwa, wenn sie den Gemeinschaften der Russland- und Rumäniendeutschen Gelder für die Pflege der deutschen Kultur zur Verfügung stellt und Russlanddeutschen die Übersiedlung in die Bundesrepublik anbietet. Bei ihnen handelt es sich schließlich nicht um deutsche Staatsbürger, aber um ethnische Deutsche. Es gibt sogar eine Bundesbeauftragte „für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten” namens Natalie Pawlik – angesiedelt im Hause Faeser.

Auch das 1989 gegründete Bundesinstitut für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa konnte es ohne einen ethnischen Volksbegriff gar nicht geben, der übrigens auch gar nicht im Gegensatz zum deutschen Staatsbürgerschaftsrecht steht. Denn sie beziehen sich auf jeweils unterschiedliche Bedeutungsfelder. Genau darum geht es ja gerade in Wageners Studie. Zwar taufte Kulturstaatsministerin Claudia Roth das Institut im September 2023 eilig in „Bundesinstitut für Kultur und Geschichte des östlichen Europa“ um, wohl deshalb, weil sie mitbekam, dass auch in der Verfassungsschutzbegründung für die extremistischen Bestrebungen der AfD der Vorwurf eine zentrale Rolle spielt, die Partei verwende einen „ethnischen Volksbegriff“. Nach dieser Herleitung müsste der Dienst auch annehmen, dass sich Roth und das Institut bis mindestens 2023 verfassungsfeindlich betätigten, seine oberste Vorgesetzte sogar bis heute.

NETZWERK WISSENSCHAFTSFREIHEIT
Wissenschaftler unterstützen Verfassungsschutz-Kritiker Wagener
Wie begründet der VS-Buchbegutachter nun überhaupt seinen Vorwurf der Verfassungsfeindlichkeit über die bloße Behauptung hinaus, jeder, der schon von der Existenz eines ethnischen Volksbegriffs ausgeht, verstoße damit gegen das Grundgesetz? Hier wird es ernsthaft abenteuerlich. „Weiterhin vertritt Herr Wagener“, notiert der Geheimdienstler, „in seinem Buch die These einer stetig abnehmenden Teilmenge des deutschen Volkes in Relation zum neuen multikulturellen deutschen Staatsvolk sowie einer Umformung der deutschen Kulturnation zur Willensnation. Damit weisen seine Ausführungen in dem Werk Parallelen zum in der Neuen Rechten weit verbreiteten Narrativ des ’Großen Austausches’ auf, wonach die europäischen Völker in ihrer ethnischen und kulturellen Zusammensetzung aufgelöst und durch außereuropäische Einwanderer und Einwandererinnen ersetzt werden.“ Dass sich die Relation zwischen autochthonen Deutschen und außereuropäischen Zugewanderten und damit auch die ethnische und kulturelle Zusammensetzung verändert, und das seit 2015 beschleunigt, bestreitet auch der Beamte sinnvollerweise nicht. Von einem „großen Austausch“ schreibt Wagener wiederum nichts, er stützt seine Überlegungen schlicht auf die Faktenbasis einer demografischen Veränderung, die jeder beim Statistischen Bundesamt nachlesen kann. Der Handgriff des Schriftprüfers besteht also darin, zu sagen, das Offensichtliche und Unbestrittene, was der Politikwissenschaftler beschreibe, weise eine „Parallele“ zu einem Begriff auf, den die „Neue Rechte“ benutze.

Der Professor und Autor erhebt auch nirgends die Forderung, eingebürgerte Zuwanderer rechtlich schlechter zu stellen. Da dieser Gedanke in dem Buch also nicht vorkommt, notiert der Bewerter, Wagener erkläre Zugewanderte „letztlich“ zu „Menschen zweiter Klasse“. „Parallele“, „letztlich“: Auf dieser Spur kommen die Beschuldiger nicht nur hier, sondern auch in anderen Disziplinierungsverfahren zu ihrer Anklageschrift, die das Urteil schon enthält. Eine Anmerkung zur weiteren Kolorierung des Vorgangs: Irgendeine auch noch so vage Definition von „Neue Rechte“ liefert unser Bundesschrifttumseinschätzer an keiner Stelle. Als Belege genügen ihm sechs kontextlose (und völlig extremismusfreie) Zitate aus dem Buch. Wagener legt außerdem Wert auf die Feststellung, dass sein Volksbegriff kulturell, aber nicht biologisch begründet ist.

Dazu kommt noch eine Pointe: Exakt das, was Wagener in seinem angeblich verfassungsfeindlichen Werk skizziert, beschreibt auch die Integrationsforscherin Naika Foroutan mit Lehrstuhl an der Humboldt-Universität durch ihren Begriff von der „postmigrantischen Gesellschaft“. Der bedeutet nicht etwa, dass die Migration nach Deutschland endet, sondern den Übergang in eine neotribale Gesellschaft, in der die Deutschen mit deutschen Vorfahren nur noch eine Gruppe unter vielen anderen bilden. In einem Interview mit dem Stern über ihr Buch „Es wäre einmal deutsch“ erklärte Foroutan 2023:

„In einer Gesellschaft, in der jede dritte Familie Migrationsbezüge aufweist und jedes vierte Kind einen Migrationshintergrund hat, wird deutsche Ahnenschaft als Bezugskategorie immer schwammiger […]. Wir brauchen hier ein postmigrantisches Narrativ, das die binäre Festschreibung in Migranten und Einheimischen aufbricht und dahinter das gemeinsame, vielfältige Ganze beschreibt, das in Teilen bereits da ist und sich weiterentwickelt. Ganz abgesehen davon, dass bis 2036 möglicherweise schon fast die Hälfte der Bevölkerung in Deutschland selbst migrantische Biografien haben wird – zumindest bei den jungen Menschen. Die deutsche Kerngesellschaft verändert sich also.“

In ihre Rede flicht Foroutan auch noch die Formel von der „white fragility“ ein, die Abwertungsformel für alle, die Veränderungen dieser Art womöglich nicht rückhaltlos begrüßen. Inhaltlich deckt sich das sehr weitgehend mit der Analyse Wageners. Beide Bücher unterscheiden sich im Wesentlichen dadurch, dass Wagener diese Vorgänge nicht für unausweichlich hält und in ihrem unveränderten Fortgang auch keine gesellschaftliche Verbesserung erkennt. Für die Migrationswissenschaftlerin, die genauso wie er zwischen der „deutschen Kerngesellschaft“ und den anderen unterscheidet, erfüllt sich dagegen in der von ihr befürworteten Transformation des alten Deutschlands in einen neuen Staat ein historischer Determinismus.

Es kommt also für das Verdikt der Verfassungsfeindlichkeit für die Verfahrenslenker im Innenministerium, im Nachrichtendienst und der Hochschule selbst gar nicht auf den Inhalt an, den ein Wissenschaftler vertritt – sondern einzig und allein auf das jeweilige Vorzeichen. Wer wie Foroutan die Umformung der Gesellschaft begrüßt, erhält Einladungen zu Podiumsdiskussionen und für seine Projekte Fördergelder des Bundesforschungsministeriums. Wer das Gleiche skeptisch beurteilt, darf seinen Hörsaal nicht mehr betreten, muss um seine Professur fürchten und sich obendrein wegen eines halsbrecherisch herbeigebogenen Verstoßes gegen Artikel 1 Grundgesetz zum Sicherheitsrisiko stempeln lassen. So, als müsste man sich um die Unversehrtheit der Studenten sorgen, sollte Wagener jemals wieder zurück ans Lehrpult dürfen.

Um auf Wink von Claudia Roth den Druckkostenzuschuss zurückfordern zu können, gab der Börsenverein des Deutschen Buchhandels – denn er durfte das Geld damals verteilen – ein 38-seitiges Gutachten bei Staatsrechtler Alexander Thiele in Auftrag, Prorektor der BSP Business and Law School Berlin. Und der beherrscht das Business der Gutachtertätigkeit, wie man gleich sieht, mit außerordentlicher Geschmeidigkeit. Schon um des Charakterbildes willen lassen sich ein paar kurze Zitate nicht vermeiden. Zum Beginn seiner Ausführungen schreibt er ganz richtig: „Auch und gerade die Instrumente der wehrhaften Demokratie setzen daher nicht bereits bei jeder verfassungsfeindlichen Forderung oder Aussage an, sondern verlangen jeweils weitere Voraussetzungen, namentlich eine ‘ernsthafte Gefahr‘ (Art. 18 GG) beziehungsweise ein ‘ernsthaftes und planvolles Vorgehen‘ und eine ‘Potenzialität‘ (Art. 21 Abs. 2 GG).“ Nur führt er dann nirgends aus, in welcher Weise von Wagener beziehungsweise seinem Buch irgendeine ernsthafte Gefahr ausginge. Es gibt schließlich auch keine. Der Professor geht auch gegen nichts vor, weder ernsthaft noch planvoll, schließlich bekleidet er kein politisches Amt. Er ist auch keine Partei. Genau darauf, nämlich auf ein Parteiverbot, beziehen sich Thieles Zitate. In einer juristischen Beurteilung eines Sachbuchs haben sie nichts verloren. Dann folgt die Bemerkung: „Jede Form rechtlicher Unterscheidung zwischen ‘Kulturdeutschen‘ und ‘sonstigen Deutschen‘ ist mit dem Grundgesetz daher nicht vereinbar.“ Auch die nimmt der Autor des inkriminierten Buchs an keiner Stelle vor. Folglich: wieder keinerlei Belegzitat. Um die Gutachtenseiten zu füllen, reitet Thiele noch eine Weile auf einem Gerichtsverfahren gegen die rechtsextreme Partei „Die Heimat“ herum, in dem es um den Zugang dieser Truppe zu öffentlichen Geldern ging.

Dort setzte sich das Gericht nach den Vorgaben von Artikel 21 damit auseinander, ob eine Partei das Ziel verfolgt, wesentliche Teile des Grundgesetzes zu beseitigen. Wie schon oben erwähnt: Nichts von dem, was der Gutachter heranschleppt, passt auch nur formal zu Wagener und dessen Veröffentlichung. Der Gedanke scheint irgendwann auch dem Juristen zu kommen, jedenfalls nimmt er folgende Ausfahrt: Irgendwie kommt es gar nicht auf den Inhalt des Buches an, sondern darauf, was andere Leute – beispielsweise er selbst – hineinlesen. Wo argumentative Finsternis herrscht, gehören alle ins Visier genommenen Verdächtigen irgendwie zum Graubereich. Die Thesen des Politikwissenschaftlers, heißt es daher, „können sich diesem Graubereich insofern auch dann wenigstens partiell annähern, wenn sie eine ausdrückliche und insbesondere rechtliche Differenzierung zwischen kulturellen und sonstigen Deutschen nicht vornehmen oder sogar explizit ablehnen, sofern sich aufgrund der Lektüre eine dahinterliegende andere ‘eigentliche‘ Ansicht nachgerade aufdrängt. […] Insoweit wird sich der Autor oder die Autorin ab einem bestimmten Zeitpunkt auch nicht mehr darauf berufen können, dass einzelne Aussagen und Passagen für sich genommen jeweils einer verfassungsfreundlichen Interpretation zugänglich wären, wenn und weil sich die zwischen den Zeilen hervortretende verfassungsfeindliche Ansicht aufgrund dieses kontextbezogenen Gesamteindrucks dann nicht mehr glaubhaft leugnen lässt. Wann diese Schwelle überschritten ist, wird man oftmals aber erneut nicht punktgenau angeben können.“

Dahinterliegende Absichten, zwischen den Zeilen, Graubereich – so geht die juristische Spökenkiekerei als parajuristische Auftragsarbeit. „Eindeutig und explizit rassistische und menschenfeindliche Aussagen finden sich kaum“, konzediert Thiele generös. Sie finden sich genau genommen überhaupt nicht. Jedenfalls kann er wieder einmal kein Zitat punktgenau angeben. Sein Fazit am Ende der 38 Seiten lautet: „Die Publikation bleibt rechtlich zulässig, die Förderung kann gleichwohl rückgängig gemacht werden.“ Auf tatsächlich nicht ganz unerhebliche juristische Probleme geht der bestellte Gutachter gar nicht erst ein. Beispielsweise darauf, dass in einer Zusammenfassung der Bedingungen für Roths Corona-Verlagshilfen zwar alles Mögliche vorkam, unter anderem ein Abschnitt zur ökologisch nachhaltigen Buchherstellung – aber kein Wort zu irgendwelchen inhaltlichen Vorgaben. Und natürlich reichte der Lau-Verlag zu dem geplanten Buch von Wagener auch die verlangte Projektbeschreibung ein, an der beim Börsenverein niemand Anstoß nahm. Wie auch? Schließlich wusste damals ja noch niemand von der Gefährlichkeit des Hochschullehrers.

Natürlich wissen auch jetzt alle Beteiligten, dass von Martin Wagener nicht die geringste Gefahr für das Gemeinwesen, die Hochschule und die Studenten ausgeht. Bei den verantwortlichen Personen handelt es sich um Auftragserfüller, teils auch um schlichte Geister, aber nicht um Dummköpfe im technischen Sinn. Und selbstverständlich geht es auch nicht um das Fördergeld. Die Kosten für das Gutachten und das kommende Gerichtsverfahren – denn der Lau-Verlag sieht sich im Recht – dürfte den in Rede stehenden Betrag von 7500 Euro locker überschreiten. Es geht darum, ein Exempel zu statuieren. Sollte am Ende ein Gericht bestätigen, dass schon die Verwendung eines ethnisch-kulturellen Volksbegriffs einen Wissenschaftler zum Verfassungsfeind macht, dann wandeln in Zukunft viele Historiker auf allerdünnstem Eis, von Ethnologen gar nicht zu reden. Damit erschöpft sich der chilling effect dieser modernen Inquisition aber noch nicht.

Wageners Verlag nahm nur in der Sonderlage während Corona den Druckkostenzuschuss an, ansonsten kommt er ohne öffentliches Geld aus. Im universitären Bereich geht dagegen nichts ohne staatliche oder institutionelle Fördermittel. Wenn es in Zukunft gar nicht mehr darauf ankommt, dass ein Projekt schon genehmigt wurde, sondern nur darauf, ob ein Wissenschaftler ex post in Verdacht gerät, dann sollte sich besser jeder zur Vermeidung von Geldrückforderungen nur noch in einem höchstens schulterbreiten Meinungskorridor bewegen, dessen genaue Bedingungen außerdem der täglichen Neuaushandlung unterliegen. Im Graubereich und zwischen den Zeilen lässt sich so ziemlich überall alles hineinlesen. Irgendein williger Gutachtenlieferant findet sich dafür immer. Ganz nebenbei: Fürchten die Inquisitoren der Gegenwart gar nicht, dass ihr Instrumentarium irgendwann Leuten einer anderen politischen Richtung in die Hände fallen könnte? Mit der Methode ‘schreibt er/sie zwar gar nicht so, aber der Graubereich liegt schon irgendwie an der Grenze zum Extremismus‘ ließen sich ruckzuck ganze Fakultäten von linken Wissenschaftlern leer räumen.


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27 Kommentare

  1. Hi, hi, hi da hat die Nancy dem Dobrindt noch schnell ein Ei ins Nest gelegt. Die SPD beginnt noch vor der Kanzlerwahl selbigen incl. seiner CDU/CSU und deren Wähler, am Nasenring durch die Manege zu ziehen. Habt’s nicht anders verdient 😁

  2. Der ethnisch-kulturelle Volksbegriff ist seit jeher die Grundlage einer wissenschaftlichen Disziplin: der Ethnologie.
    Soll die gleich mit abgeschafft werden?
    Oder werden ihre Ergebnisse als nicht-existent erklärt – so wie es bei der Biologie in Bezug auf die Kategorie „Geschlecht“ bereits vorexerziert wurde?
    Der „halsbrecherisch herbeigebogene Verstoß“ gegen Artikel 1 Grundgesetz ist lächerlich. Nur der Staat, nicht aber einzelne Bürger, kann gegen die Menschenwürde und andere Abwehrrechte des Grundgesetzes verstoßen.

  3. A. Wendts Beschreibung und Analyse des Falles des „gefaehrlichen Professors“ ist herausragend ! Was sich zudem „zwischen den Zeilen“ und aus den „Graubereichen“ erkennen laesst , ist , dass sich die Schlingen immer enger um die Haelse ziehen , auch um die jener Trittbrettfahrer und Zeitgeistsurfer , die sich zur Zeit noch mehr oder weniger widerwillig dem Diktat unterwerfen und aus schierem Opportunismus das geforderte liefern , um anderen irgendwie einen Strick zu drehen , egal wie hanebuechen und aus den Fingern gesogen , wie ehrenruehrig und hintertrieben die Argumente auch immer sein moegen . Die Grenze wird bald ueberschritten sein , da es auch den noch so willigen „Experten“ und „Sachverstaendigen“ an den Kragen geht , da einzig noch Ueberzeugte akzeptiert werden . Moeglicherweise wird dann dem einen oder anderen unter ihnen ein leiser Anflug von Reue kommen hinsichtlich der Boshaftigkeit , mit deren Hilfe sie anderen Menschen wider besseren Wissens das Leben schwer gemacht haben .

  4. Wieder ein Beispiel für „Doublethink“.
    Europa beschwört die Freiheit der Wissenschaft, schränkt diese aber an allen Stellen ein.
    Wir werden es noch erleben, dass die regierenden linken Antisemiten das Judentum mit der Begründung, dass es „völkisch“ sei, verbieten.
    Weitere Beispiele staatlicher (inkl. staatsfinanzierter Medien) Einschränkungen der Wissenschaften erleben wir bei den Themen Corona, Klima, Gender, Islamismus.
    Überall wird von außen mittels Förderungen (gewähren/entziehen), öffentliche diffamierung, Aufnahme/Ausschluss in/aus Gremien u. Verbänden, Publikation/Nicht-Publikation etc. in den wissenschaftlichen Diskurs eingegriffen bzw. gezielt gefiltert, was davon an die Öffentlichkeit treten darf.
    Wir sind tief in den kollektivistischen Totalitarismus abgedriftet!
    Das merkt man auch daran, wie beliebt und positiv konnotiert das „Kollektiv“ heute wieder ist.
    Laut F. A. v. Hajek ist das Kollektiv das konstituierende Merkmal aller Varianten des Totalitarismus.

  5. Ich bin Naturwissenschaftler (m/w/d im böserschelmerischen Sinne) und hatte ursprünglich den Wunsch, auch in der Forschung arbeiten zu können. Mangelnder Ehrgeiz, eine zu große Naivität und ein ausgesprochenes Desinteresse von potenziellen Kollegen haben mir diesen Weg verbaut. C’est la vie.

    Zur damaligen Zeit konnte ich noch das „gute deutsche Diplom“ machen, an einer damals (aus meiner Sicht) noch altehrwürdigen deutschen Universität. Es folgte, weil mir als „Voraussetzung“ für eine wie auch immer geartete akademische Karriere „verkauft“, ein Auslandsstudium um diese ach-so-wichtigen zwei Buchstaben vor meinen Namen basteln zu können, in einem (damals noch als Vorbild in vielerlei Hinsicht gepriesenen) Land in Übersee. Welches schon damals, vor 10 bis 15 Jahren, deutlich „woker“ unterwegs war als D-Land.

    Zwar empfinde ich auch heute noch eine gewisse „Glücklichkeit“, durch sowohl das deutsche als auch das anglosächische Uni-System gekommen zu sein, bevor es ganz kippte; diesen Kippunkt (hui, buh, alte Rechtschreibung!) verorte ich, in mehr als einer Hinsicht, um 2014/15, kurz, nachdem ich mit allem fertig geworden war.

    Geholfen hat es mir alles nichts, und ein schlechtes Timing in der Lebensplanung kann ich niemanden ankreiden außer mir selber. Allerdings…wenn ich mir die Entwicklung in den letzten zehn Jahren anschaue, empfinde ich mehr und mehr ein Gefühl der Erleichterung, es nicht in die Forschung, in ein akademisches Leben geschafft zu haben. Mein Interesse an den entsprechenden Themen habe ich weiterhin, und vielleicht kann ich es mir so sogar besser erhalten als in diesem lebenszeitverzehrenden Kampf gegen den Zeitgeist und die unkollegialen Halsabschneidereien an einer Universität.

    Die Frage bleibt aber…wenn diese Zeitepoche vorbei sein wird, wenn alles in Trümmern liegt, physisch, geistig und gesellschaftlich…wird es noch genügend Leute mit genügend Wissen, Verstand und Geduld geben, um einen Neuanfang zu schaffen?

  6. Ein sehr wertvoller Artikel über diesen offenkundigen Mißstand der tendenziösen Doppelstandards. In unserem Land ist dieser Zustand seitens der Staatspresse, wie immer, im Schweigen verhüllt. Herr Professor Wagener hat die Aufmerksamkeit verdient. Und im Gegensatz dazu die Märchengeschichten von vor Trump fliehenden Super-Professoren aus den USA. Einfach gestrickt und lächerlich.

  7. Das ist wie im Mittelalter. Mit einer freiheitlichen Gesellschaft hat das nichts zu tun. In der Unis der DDR wachten auch die örtliche Parteileitung und die Stasi über die richtige Meinung.

  8. Mensch, die BRD hat ja doch einigeSachen aus der DDR übernommen. Nicht die sinnvollen natürlich, aber dafür haben sie gut beim Ministerium abgekupfert. Vorwärts immer, rückwärts nimmer!

  9. „Multikulturelle Willensnation“- wat hammwer jelacht! Weshalb unsere Neubürger ganz wild darauf sind, sie mit der Waffe in der Hand zu verteidigen, wenn sie mal keine Clankriege führen. Is ganz schön blöd, die Sache mit der Realität. Und Big Brother Merzel einfach so mal den Taurus wegnimmt. Aber gut, dann schickt halt Truppen, ja genau die, die sowieso nicht mehr lesen und schreiben können. Werden die Flugbahn von Granaten schneller einschätzen lernen, als sie G-e-n-d-e-r M-a-i-n-s-t-r-e-a-m buchstabieren können.
    Es ist nicht schlecht, wenn wenigstens Kinder und Enkel noch andere Pässe besitzen.

    „Ich lege hier für den Fall meines Todes das Bekenntnis ab, dass ich die deutsche Nation wegen ihrer überschwänglichen Dummheit verachte und mich schäme, ihr anzugehören.“

    Arthur Schopenhauer

  10. Gut recherchiert. Interessiert die Mehrheit nicht. Wichtig ist, wer deutscher Meister ist und dass noch Bier im Keller ist.

  11. Was soll denn das sein, eine „Willensnation“? Das gibt es doch gar nicht! Die USA sind auch keine Willensnation. Die Amerikaner sind ein Volk. Es besteht aus Stämmen, die sich regional organisieren, wie Kalifornier, New Yorker, Mid Westerner, Southerner, Texaner etc., aber diese Stämme sprechen dieselbe Sprache, heiraten untereinander und wachsen in derselben Kultur auf, die über die Schule und die Medien vermittelt wird. Wer behauptet, dass es kein ethnisches amerikanisches Volk gibt, hat noch nie in den USA gelebt. Ein Volk zu sein heißt ja nicht, dass alle gleich aussehen oder gleich denken und fühlen. Ein Volk zu sein heißt: Man spricht dieselbe Sprache, hat dieselben Umgangsformen, teilt dieselben Lebenserfahrungen und heiratet untereinander. Richtig ist, dass noch viel innerhalb einer „Rasse“ geheiratet wird: Schwarze heiraten Schwarze, Juden Juden, Latinos Latinos, Asiaten Asiaten. Aber das sind oft Ehen innerhalb einer sozialen Klasse oder eines sozialen Milieus. Von der Mittelschicht aufwärts wird interracial geheiratet – wenn das Geld und die Ausbildung stimmt.
    Trump schmeißt die illegalen Chicanos aus drei Gründen raus: Erstens, weil sie ein wirtschaftliches Problem darstellen, zweitens, weil sie ein kriminelles Problem darstellen und drittens, weil sie dadurch, dass sie in Kalifornien, das mal zu Mexiko gehört hat, bald die Hälfte der Bevölkerung stellen, keinen hohen Anpassungsdruck haben. Es ist ja ein Unding, dass behördliche Dokumente in Englisch und Spanisch formuliert werden müssen, dass das niedrige Bildungsniveau der Chicanos das Niveau der Grund- und weiterführenden Schulen nach unten drückt und dass die Chicanos sich als eigenes Volk außerhalb der „Weißen“ sehen, als „La Raza“. Schlimm genug, dass die orthodoxen Juden, die radikalen Schwarzen und Teile der Asiaten dasselbe tun. Dennoch ist die Verschmelzungstendenz in den USA größer als die Tendenz, Völker innerhalb des Volks zu bilden.

    • „Wer behauptet, dass es kein ethnisches amerikanisches Volk gibt, hat noch nie in den USA gelebt

      hat dieselben Umgangsformen, teilt dieselben Lebenserfahrungen und heiratet untereinander.“
      Demnach hat J.D.Vance nie in den USA gelebt. Denn der beschreibt in „Hillbilly Elegie“ das irgendwie ganz anders.
      Und das die Umgangsformen und Lebenserfahrungen eines New Yorkers größere Gemeinsamkeiten mit denjenigen aus Austin oder Seatle aufweisen, scheint mir zumindest fraglich.

      • Geheiratet wird immer bevorzugt in der eigenen sozialen Klasse. Und natürlich gibt es auch in den USA den Unterschied zwischen Stadt und Land und zwischen Akademiker und Handwerker. Allerdings heiraten Deutschstämmige in Deutschland sehr selten Partner, die aus der Türkei, dem Nahen Osten oder Afrika stammen. Der Grund dafür ist nicht die Klassenzugehörigkeit, sondern die Kulturzugehörigkeit. Nur eine gemeinsame Kultur ermöglicht die Heirat. Nur Heiraten ermöglicht eine gemeinsame Kultur. Heiraten die Leute lange genug untereinander, fangen sie an, ähnlich auszusehen. Das ist dann, neben der Sitte und der Sprache, das dritte Kriterium, nach dem Menschen spontan die Volkszugehörigkeit beurteilen.

  12. Merkel immer noch auf freiem Fuß . . .

  13. Die USA können eine Willensnation sein weil die USA eine Weltmacht sind. Einem erfolgreichen Team schließt sich jeder gerne an. Deutschland und auch meine Heimat Österreich sind dagegen geradezu die Personifikationen der Niederlage. Geistig totalkolonisiert, ökonomisch am absteigenden Ast ist es höchst unwahrscheinlich, dass sich auch nur eine Minderheit unserer Migranten emotional einer solchen Verlierertruppe anschließt. Ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, dass die MitarbeiterInnen des Inlandsgeheimdienstes tatsächlich an das glauben, was sie vertreten. Es muss sich also letztendes um einen Verein von Opportunisten, also um das, was man gewöhnlich als die politische Mitte bezeichnet, handeln.

  14. Danke für diesen detaillierten und verständigen Beitrag. Hier offenbaren sich derart viele skandalöse – und auch justitiable – Vorgänge, dass man allein zum Sortieren einen eigenen Aktenordner braucht. Die Zustände im „Neuen Deutschland“ sind völlig unhaltbar und bedürfen baldmöglichst einer Sezession.

  15. Es gibt mittlerweile eine Regel, welche gleichermaßen auf jene Print-, TV- und Online-Medien zutrifft, die sich ihre Berichterstattung durch finanzielle Alimentierung abkaufen ließen:
    Verkehrt man die Überschriften in ihr Gegenteil, steht man der Wirklichkeit näher als dem Original.

  16. Der Verfassungsschutz orientiert sich scheinbar an einem Satz von Heinrich Himmler auf dem Deutschen Juristentag. Er sagte, ob unserem Handeln irgendein Gesetz im Weg steht, ist mir völlig gleichgültig. Von der anwesenden Creme der deutschen Juristen erhielt er für diesen Satz rauschenden Beifall.

  17. Grandios recherchiert. Ich habe jetzt aber Nacken, weil ich aus dem fassungslosen Kopfschütteln nicht mehr herausgekommen bin.

  18. Wieder einmal ein kompetent recherchierter Artikel von Herrn Wendt, welcher das die freie Meinungsäußerung gefährdende Gebaren unseres Bürgertums penibel seziert! Ich freue mich schon auf die folgenden Teile.

  19. So viele nutzlose Worte über nutzlose Leute in nutzlosen Fakultäten! Macht diese ganzen Schwurbelfächer zu und belaßt ausschließlich Naturwissenschaft, Ingenieurwesen und Medizin in den Universitäten. Warum soll ich als Steuerzahler dieses geistige Onanieren solcher trüber Tassen bezahlen? Und zum Schluß: Privatisieren der Anstalten, sollen sie von ihren Patenten und der sonstigen Forschung leben, gern mit ernsthafter Projektfinanzierung auch aus der Industrie. Wenn sie das nicht können, auch kein Problem: ab in die Insolvenz. Und der Rest der „Forschenden“: Ab in die Produktion, wir haben doch Arbeitskräftemangel im Handwerk und an den Fließbändern.

    • Es handelt sich zwar um Schwurber, aber nutzlos im Sinne der herrschenden Eliten sind sie keineswegs.

    • Wir haben keinen Kennedy, keinen Churchill, keinen Strauß, keinen Schmidt, keinen Trump. Das Leben hat mich bescheiden gemacht, aber – Merz, Klingbeil? . . .

      • Kennedy war ein ekliger Sozialist und auch sonst nicht ganz ohne, man denke an seine Affäre mit der Monroe, Churchill war ganz klar ein Kriegsverbrecher, Strauß der einzige Verteidigungsminister weltwelt, der von Lockhead wegen der F104 nicht bestochen wurde (oder den man nicht ertappt hat, weil der schlauer war als alle anderen), der Schmidt hat Hanns-Martin Schleyer eiskalt verraten, nachdem er die Terroristen vorher wegen eines Politikers hat laufen lassen (der Lump ist mein persönlicher Haßkandidat) — das waren alles keine Lichtgestalten, jeder von denen hatte so oder so Dreck am Stecken. Wie man Trump einzuordnen hat, wird sich NACH seiner Amtsperiode zeigen.
        Merz gehört wie sämtliche CDU-Spitzenpolitiker wegen Landesverrat hinter Gitter, Klingbeil ist nur ein kleiner Luftballon, der von der CDSU aus Machtgier aufgeblasen wird. So wie der ganze Rest der unseredemokratischen Bande.

      • Richtig! Churchill war zudem, militärisch gesehen, ein Totalversager. Jeder Vorfall, den er vor 1940 zu verantworten hatte und/ oder beteiligt war, endete in einer Katastrophe.
        Danach hatte er nur Glück durch das Versagen Hitlers und dem ersehnten Kriegseintritt der USA.

    • Ich komme selbst aus der MINT-Fraktion, stimme aber ihren Ansichten nicht zu. Sind denn allen Ernstes Geschichte, Psychologie und andere in Ihrer Auflistung fehlende Fächer „Schwurbelfächer“? „Universitas“ ohne eine erhebliche Diversität der Fachrichtungen schafft die Bildung radikal ab und fördert noch mehr das Fachidiotentum. Ausbildung und Bildung sind zwei paar Schuhe. Herrn Wendts exzellenten Artikel habe ich gänzlich anders wahrgenommen. Es geht darum, dass ohne jegliche Legitimation durch das Grundgesetz die Wissenschaftsfreiheit und der dafür grundlegende kontroverse Diskurs mittels behördlicher Maßnahmen unterdrückt wird. Das war im NationalSOZIALISMUS genauso, weil die damaligen Machthaber ebenso wie die heutigen dem Bildungsprekariat entstammten und einer substantiellen Diskussion niemals gewachsen waren und auch heute sind. Woher auch, wenn der ganze Lebenslauf nur aus Agitation, Propaganda und plumper Hetze besteht?

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