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Auch bei den Eidgenossen

Zweimal vom Gleichen

15.02.2019

| Lesedauer: 5 Minuten
Der Niedergang der Medien zeigt in der Schweiz sein hässliches Gesicht. In der Deutschschweiz teilen sich zwei Medienhäuser den Tageszeitungs-Markt.

Was haben der «Tages-Anzeiger», die «SonntagsZeitung», die «Berner Zeitung», die «Basler Zeitung» und sieben weitere Tageszeitungen gemeinsam? Den gleichen Einheitsbrei in den Ressorts Ausland, Inland, Wirtschaft, Kultur und Sport. Der wird von einer sogenannten Zentralredaktion der Tamedia in Zürich hergestellt und dann verteilt. Den einzelnen Blättern bleibt die Lokalberichterstattung. Erschwerend kommt noch hinzu, dass die Auslandberichterstattung weitgehend von der «Süddeutschen Zeitung» übernommen wird, das eigene Korrespondentennetz fiel fast vollständig Sparmassnahmen zum Opfer. Und natürlich werden zudem fleissig die Meldungen der letzten Nachrichtenagentur in der Schweiz, der SDA, gerne übernommen; kostet im Abonnement schliesslich auch nicht die Welt.

Was haben die «Aargauer Zeitung», die «bz Basel», die Luzerner, Zuger, Urner und Thurgauer Zeitung, das «St. Galler Tagblatt» mit 13 weiteren Tageszeitungen gemeinsam? Seit die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) ihre Regionalblätter an die AZ Medien verkauft hat, wird unter der neuen Dachmarke CH Media für alle 20 Tageszeitungen der Inhalt von einer Zentralredaktion in Aarau hergestellt.

Abgesehen vom Lokalen, und unter fleissiger Benutzung der Nachrichtenagentur SDA. Obwohl zu diesem Imperium auch noch diverse Lokal-TV- und –Radiostationen gehören, werden nach der Fusion und der Betriebsaufnahme im Oktober 2018 insgesamt 200 Mitarbeiter gefeuert. Pardon, es wird nach Lösungen für sie gesucht.
CH Media erzielt damit eine Reichweite von über 2 Millionen Lesern, von rund 6 Millionen Deutschschweizern. Bei Tamedia ist es etwas komplexer, weil der Konzern neben Bezahlzeitungen auch noch die auflagen- und leserstärkste Zeitung der Schweiz, das Gratisblatt «20 Minuten», herausgibt und sehr aktiv im Internet ist. Nicht nur mit Online-Ablegern der Newsredaktion, sondern vor allem mit Handelsplattformen, so dass mehr als die Hälfte des Gewinns (Ebitda) bereits digital erwirtschaftet wird.

Daneben gibt es noch als einsamen Leuchtturm die Neue Zürcher Zeitung und den Ringier-Springer-Verlag. Die Bedeutung seiner Boulevard-Zeitung «Blick» für die politische oder gesellschaftliche Meinungsbildung ist aber in den letzten Jahren knapp über die Bedeutungslosigkeit geschrumpft. Und als grösster Newsanbieter bleibt noch SRF, das staatliche TV- und Radioangebot, das als einziges elektronisches Medium die ganze Schweiz bestrahlt. Alle Versuche, innerhalb der Schweiz Privatfernsehen national aufzustellen, sind gescheitert, und Radiolizenzen werden nur lokal vergeben.

Soweit die Medienlandschaft; wo ist das Problem? Dieses Duopol auf dem Tageszeitungsmarkt, wenn man die NZZ ausnimmt, die mit einer Reichweite von knapp 240’000 Lesern eher für die Happy few ist, verursacht drei Probleme. Wenn die Grundaufgabe des Journalismus ist: berichten, einordnen, analysieren, dann wird das genau an zwei Orten für die gesamte Leserschaft gemacht, in den beiden Zentralredaktionen. Damit schnurrt Einordnung und Analyse auf zwei sich zudem ähnliche Redaktionen ein. Während sich bis Ende letzten Jahres die «Basler Zeitung» nicht nur im Lokalteil von den Organen der Tamedia unterschied, ist sie nach ihrer Einverleibung ab Anfang dieses Jahres ebenfalls Abfüllorgan von Zürich.

«Das letzte Wort hat Arthur Rutishauser», der Oberchefredakteur bei Tamedia, teilte mir der Chefredakteur der BaZ kürzlich mit. Womit wir zum zweiten Problem kämen.
Sowohl CH Media wie Tamedia hat einen Oberchefredakteur, sozusagen die letzte Instanz, die allen anderen Chefredakteuren einzelner Blätter übergeordnet ist. Und diese beiden Überchefs administrieren nicht nur, sondern greifen selber gerne und häufig in die Tasten. Mit Berichten oder Kommentaren. Natürlich hat damit ihr Wort innerhalb und ausserhalb der Zentralredaktionen grosses Gewicht. Angesichts der trüben Zukunftsaussichten für Journalisten wird vorauseilender Gehorsam gepflegt. Wenn sich also beispielsweise der Oberchefredaktor von Tamedia und auch der von CH Media gegen den Rahmenvertrag zwischen der EU und der Schweiz aussprechen, dann wäre es ein Wunder, wenn ein todesmutiger Redakteur dieser Ansicht öffentlich wiedersprechen würde.

Das Wort von Mainstreammedien gilt in der Schweiz beunruhigend stark. Alleine durch ihre Markt- und Meinungsmacht bügelt dieses Duopol den fröhlichen Wettstreit der Meinungen, der verschiedenen Ansichten, Analysen, Standpunkte einfach nieder. Und wer ins Fadenkreuz einer der beiden Monopolisten kommt, hat ganz schlechte Karten. Denn normalerweise, bei einer fraktionierteren Tageszeitungs-Landschaft, hat der in einem Organ Kritisierte oder Angeschuldigte oder gar Verleumdete immer die Möglichkeit, in einem Konkurrenzmedium dagegenzuhalten. Aber da Tamedia und CH Media zudem ihre Gärtchen sauber abgesteckt haben und eigentlich nirgends in ernsthafter und direkter Konkurrenz zueinander stehen, macht es für beide keinen Sinn, dem anderen in dessen Garten zu machen.

Wie gefährlich dieser Machtmissbrauch sein kann, lässt sich an zwei Beispielen verdeutlichen. Es gibt einen schweizerisch-angolanischen Geschäftsmann, der bis November 2017 unter dem Radar der Öffentlichkeit und der Medien flog. Bis ihn Tamedia, die sich an der Ausbeutung der ganzen Leaks und Papers beteiligt, aufgrund gestohlener Geschäftsunterlagen bezichtigte, sich skrupellos an Angola zu bereichern, zudem möglicherweise in Steuerhinterziehung und sogar Geldwäsche verwickelt zu sein. Bis heute völlig belegfrei, es ist auch noch keine Anklage erhoben worden, diverse Prozesse wurden vom Geschäftsmann gewonnen. Dennoch: Die Konten seiner Firmen in der Schweiz wurden von der Steuerbehörde präventiv arretiert, er selbst sitzt in einem Höllenknast in Angola.

Oder die Schweizer Raiffeisenbank. Die hatte letztes Jahr zu verkraften, dass ihr ehemaliger Chef für über hundert Tage in U-Haft kam, «ungetreue Geschäftsbesorgung» ist die Anschuldigung. Das gab es in der Schweiz noch nie, entsprechend gross war die Aufregung. Tamedia und CH Media überboten sich, auf die Bank, ihre führenden Organe und die Geschäftsleitung einzuprügeln. Zuerst trat der Präsident des Aufsichtsrats zurück, dann zog sein Stellvertreter die Bewerbung um dieses Amt zurück, dann warf der Geschäftsführer das Handtuch und wollte auf Ende 2018 zurücktreten, wurde aber noch im November durch einen Blattschuss erledigt: ihm wurde eine angebliche Affäre unterstellt, worauf er per sofort abtrat.
Ein weiteres Problem besteht darin, dass sich beide Konzerne liberal geben, Plattformcharakter, auch Platz für andere Meinungen. Die Praxis sieht allerdings ganz anders aus. Zunächst einmal wird ökonomisch argumentiert. Man könne keinen Beitrag eines Freien wie mir nehmen, das sei ein falsches Signal, während bei CH Media 200 Leute entlassen werden und die verbleibenden Redakteure sich um den schrumpfenden Platz prügeln. Und bei Tamedia schiebt nicht nur der Chefredakteur der BaZ die Verantwortung nach oben. Diverse Ressortchefs rollen die Augen nach oben und sagen im Chor: Wir haben kein Budget mehr für Beiträge von aussen. Und ausserdem: Ich persönlich würde deinen Beitrag liebend gerne bringen. Aber ich sehe keine Chance, ihn durchzukriegen, er widerspricht der Mehrheitsmeinung in der Redaktion.

Umso weniger Varietät, umso wuchtiger wird natürlich jede Meinungsäusserung, jeder Kommentar, jede Berichterstattung. Trump, furchtbar, Maduro, ganz furchtbar, Brexit, die Engländer spinnen, Putin ist ein ganz schlimmer Finger, Saudi-Arabien ist doch noch nicht in der Moderne angekommen; das Rentenproblem sollte mal gelöst werden. Es geht dabei gar nicht darum, ob das richtige oder falsche Ansichten sind. Es geht darum, dass es die einzigen Ansichten sind, mit denen 90 Prozent aller Schweizer Tageszeitungsleser gefüttert werden.

Als Packungsbeilage sei erwähnt, dass ich selbst natürlich auch ein Opfer dieser Pressekonzentration bin. Bis Ende letzten Jahres konnte ich ausführlich und völlig frei in der «Basler Zeitung» publizieren. Eine wuchtige Schreibe gegen den Finanzplatz Schweiz und die Unfähigkeit der Bankenlenker gehörte dazu. Der vorherige Chefredakteur akzeptierte das, und steckte Versuche, ihn mit Anwaltsschreiben einzuschüchtern, locker weg; es passierte auch weiter nichts. Aber unter meinen letzten Beitrag über die Riesenschweinerei, in die die Credit Suisse im Zusammenhang mit einem Milliardenkredit an den Pleitestaat Mosambik verwickelt ist, stellte die neue Eigentümerschaft Tamedia flugs eine «Stellungnahme» der Bank, ohne mich vorher darüber zu informieren oder mir Gelegenheit zu Widerworten zu geben.

All das ist bedenklich. Besonders bedenklich in einem Land, das wie kein anderes die Teilnahme der Bevölkerung an Entscheidungen pflegt. Durch Abstimmungen, Initiativen Referenden, zusätzlich zu den Wahlen. Aber wie und wo soll sich da der Stimmbürger eine Meinung bilden? Erschwerend kommt noch hinzu, dass die stimmenstärkste Partei der Schweiz, die SVP, in diesem Duopol nicht gerade wie die AfD in den deutschen Leitmedien behandelt wird, aber man findet auch keinerlei Aussagen, dass irgend eine Idee oder Forderung der SVP sinnvoll, begrüssenswert oder gar richtig sei. Ausserhalb des Wochenmagazins «Die Weltwoche», die aber nur eine verbreitete Auflage von knapp 46’000 Exemplaren hat. Eine Demokratie braucht eine vielfältige Medienlandschaft wie die Luft zum Atmen. Herrscht ein Duopol, wird’s gefährlich, dann fängt die öffentliche Meinungsbildung unter Luftabschluss an zu verfaulen.

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24 Kommentare

  1. Eigentlich traurig, dass ein solch wohlhabendes Land wie die CH sich keinen breiten Journalismus leistet und dann auch noch an das Auslandsnetz der Süddeutschen Zeitung andockt, die widerum auf Kooperation angewiesen sein dürfte, um ihr Auslandsnetz halten zu können. Vermutlich muss sich in ganz Europa die Medienwelt neu aufstellen, der alte Stil wird vom Publikum nicht mehr akzeptiert. Es muss nicht in dCH 6 oder in D 30 große unabhängige Zeitungen geben (gabs wohl auch noch nie nach 1945), aber der Gesetzgeber sollte einen Rahmen schaffen, der Monopolbildungen auch im Nachrichten- und Meinungsmarkt RECHTLICH STRENG verhindert.
    Was mich sehr stört: Dass Nachrichtendienste nicht nur Nachrichten verbreiten, sondern diese sogleich mit Meinungen mischen und als Wohlfühlartikel verkaufen. Diese Unsitte (etwa der dpa) wird merkwürdigerweise nie kritisiert, obwohl ja vielleicht 30% der Artikel Nachrichtenartikel dieser schäbigen Machart sind.

  2. Endlich! Deutschland wird sich des Erfolges rühmen, die Schweiz zu seinem Abziehbild gemacht zu haben. Wir werden gemeinsam zu denkfreien Gattungswesen verkommen.

  3. Das Problem der Tageszeitungen ist sicher ein grundsätzliches, es ist die Konkurrenz des Internet und die Geschäftsmodelle dort, die ihnen das Wasser abgraben.
    Das Problem haben sie alle. Aber: Als ich zu Beginn letzten Jahres alle meine FAZ- Abos, sowohl Papier- als auch online, kündigte, nach mehreren Jahrzehnten, da geschah das, weil die Vertrauenswürdigkeit verlorengegangen war.

    Ich habe es nie verstanden, wie eine Zeitung, die ein solches Image, eine solche Markenstärke aufgebaut hatte, vergleichbar nur mit der des „Spiegels“, sich so selbst ruinieren kann. Sie hätte ein Leuchtturm sein können, ein politisches Korrektiv erster Güte, hatte sie doch Einfluss dort, wo man Einfluss hat!

    Was hat sie gemacht statt dessen? Sie hat eingstimmt in das unsägliche schlagt -den -Trump- Spiel, hat die Grenzöffnung mit bejubelt und Wochen gebraucht, auch nur halbwegs kritische Stimmen dazu zu Gehör zu bringen, hat alle „Einzelfälle“ genauso unter den Tisch gekehrt wie die anderen, im Online- Bereich Leute beschäftigt, die sich wohl eher bei der Frankfurter Rundschau wähnten und stramm linken Blödsinn verbreiten durften, verärgerte Kommentare nicht veröffentlicht und die AfD verteufelt. Schließlich Don Alphonso vom Hof gejagt.

    Wer zur politischen Klasse gehören will, muß gewählt werden. Oder er wird abgewählt. Letzteres habe ich gemacht.

    Klar, die Anzeigenerlöse sind weg. Damit kann man keine guten Leute mehr gut bezahlen. Ohne diese kein gutes Produkt herstellen. Ohne dieses keinen Abonnenten halten. Aber man hätte vielleicht eher eine Chance gehabt, im Hochpreissegment mit starker Marke gute Arbeit zu machen, wenn man die Printkosten komplett gespart hätte und den Versuch gewagt hätte, mit den guten Leuten, die man ja eigentlich mal hatte, online den Interessen der Leser zu dienen. Die haben sich ja nicht plötzlich von bürgerlich-liberal zu LBGT-links-muslimisch gewandelt, sondern haben, wie ich auch, von „ihrer“ Zeitung Orientierung und Beistand erwartet. Eine Stimme hätte sie ihnen geben können, als Vertreterin der „klugen Köpfe“. Sie hat lieber ihre Kunden im Stich gelassen. Das war Verrat!
    Vermutlich ist das Problem einfach der journalistische Nachwuchs. Man kann vom Ochsen kein Kalbfleisch verlangen.

    • Albert, ich kann Ihnen weitgehend folgen, aber: Ich erwarte von „meiner“ Zeitung weder Orientierung noch Beistand, sondern ungefilterte Informationen. Und von mir aus auch Meinungsbeiträge, aber auch als solche gekennzeichnet.

    • Gut, die FAZ ist mit Merkel weiter nach links oder besser gesagt ins Esoterische abgedriftet, und Sie, Herr P., wollten da als Leser als Ex- CDU ler nicht mit, da gibts halt ne Ehescheidung.
      Blanke Parteiwerbung vor Wahlen hat die FAZ aber auch schon vor 20 Jahren gemacht – und da hat Sie es wohl kaum gestört, weil es damals noch ihre poltische Richtung war, oder?
      Die Redaktion einer grossen Zeitung muss primär Geld verdienen und ist entsprechend opportunistisch, so ist eben bürgerliche Denke, man lebt ja nicht von seinen feudalen Gütern und ist deshalb geistig frei. Auch privat gilt: Nur wenige schaffen es, sich geistig frei zu schwimmen, und zwar meist dadurch, dass sie ihre materiellen Ansprüche heftig dezimieren.

  4. Das grundsätzliche Problem ist in der Schweiz das gleiche wie in Deutschland, es hat in erster Linie nicht damit zu tun, daß die meisten jungen und jüngeren Journalisten links oder grünbourgeois sind. Das sind sie, aber linke Journalisten gab es immer.
    Das Grundproblem des modernen Journalismus ist die Kostenloskultur des Internets. Sie hat mit links oder rechts nichts zu tun. Schauen wir uns dazu nur TE an, also ein Medium bewußt abseits der MSM.
    Bereits eine oberflächliche Zugriffsanalyse von TE dürfte zeigen, dass (ich rate jetzt mal, vielleicht hat TE ja Zahlen?) bestenfalls ein Prozent aller Seitenaufrufe auch über die Bezahlfunktion unmittelbar vergolten werden. Die Mehrzahl der Zahlungen dürfte zudem über die periodisch vorgeschaltete Zahlungsbitte erfolgen, und nicht proaktiv. Seit einiger Zeit nervt TE mit Popup-Werbung, die etwas mehr Geld einbringen dürfte als die eher unscheinbare Seitenrandwerbung – also flugs den Popupblocker aktiviert, der TE-Leser hat seine Ruhe und TE keine Einnahme, und sei sie im Centbereich.
    Das hier gesagte läßt sich auf alle Medien herunterbrechen. Die im Beitrag geschilderten Sparmaßnahmen betreffen alle. Ich kenne jemand, der bei der FAZ arbeitet, wo eine Sparrunde die nächste jagt. Aus festangestellten werden prekär-frei auf Stundenbasis bezahlte Redakteure, usw.
    Sind die Verlagshäuser an dieser Entwicklung Schuld? Was ich als Außenstehender sagen kann, ist, daß es im Grunde bisher kein Verlag geschafft hat, ein für die Digitalwelt profitables Geschäftsmodell zu entwickeln. Auch TE fehlt nach Aussagen, die Roland Tichy vor einiger Zeit machte, die Ertragskraft, um nennenswert zu expandieren, die Seite ganz anders aufzustellen, mehr Tagesaktualität zu bekommen. Bei den klassischen Tageszeitungen dagegen geht es stets bergab.
    Wer also ist schuld? Wen gilt es anzuklagen? Aus meiner Sicht ist es ganz klar. UNS. Uns, die Leser, die Konsumenten. Wir folgten dem Lockruf des Umsonst! Umsonst! Als ich studierte, kostete grundsätzlich jeder Medienkonsum Geld. Niemand wäre auf die Idee gekommen, eine Tageszeitung für umsonst zu erwarten. Für die FAZ mußte ich, so ich mich recht entsinne, in den 80ern 2 DM bezahlen. Es gab auch ein Studentenabo, das mir mein Vater sponsorte. Ohne dies hätte es keine Zeitung gegeben, mit der ich in der Cafeteria der Uni Intellektualität hätte vortäuschen können, wo es mir nur um Frauen ging, aber ich hätte auch nicht der kluge Kopf dahinter sein können. Gelernt habe ich aus dem Wirtschaftsteil mindestens soviel wie aus den Seminaren meiner Profs. Als ich mit dem Studium fertig war, habe ich es gekündigt. Nicht weil mir die FAZ zu links oder zu wirtschaftsliberal war, das war in den 90ern, lange bevor sie den Marsch nach links antrat. Ich war einfach zu geizig. Lieber ging ich ab und zu in ein Cafe um die Ecke, wo sie mit Lesezirkel-Holzbügel zur Lektüre aushing. Der Vorläufer von faz.net auf meinem Laptop.

    Das fatale an Umsonstigkeit ist ja nicht nur die fehlende Einnahme für den Erzeuger. Es entwertet auch sein Produkt. Etwas, was nichts kostet, ist nichts wert, es wird verschwendet oder mißachtet. Beim Internet ist es den Telekommunikationskonzernen auf geniale Weise gelungen, sämtliche Zahlungsbereitschaft des Publikums auf ihre Endgeräte und Leitungsmedien zu konzentrieren. Wir geben 1500 Euro für ein iPhone oder noch 600 für einen Laptop aus, wir sind bereit, der Telekom im Monat 40 oder 60 Euro für eine Allnetflat zu zahlen und ketten uns dafür sogar zwei Jahre an sie. Dafür bekommen wir ein lahmes Mobilnetz mit zahllosen Funklöchern und DSL mit de facto in der Regel kaum als 2 bis 3 Mbit. Wer in vielen Großstädten abends Netflix gucken will, weiß ein Lied davon zu singen, wann die Filme ruckeln, und wann nicht.
    Aber über diese technischen Ausgaben hinaus wollen wir dann alle nichts mehr zahlen. Auch die nicht, die mit 6000 netto im Monat nach Hause gehen.
    Daten erachten wie als flüssig, als unsichtbar, unkörperlich – nichts, wofür wir bereit sind zu zahlen. Die gute alte Tageszeitung hatte ja mit ihrem oft abfärbenden Papier noch eine Haptik, sie repräsentierte eine Art Warenwert, dem wir einen unbestreitbaren Herstellungsaufwand und Kosten zuzumessen bereit waren. Das, was die App oder Webseite uns eröffnet, das erachten wir für ohne materiellen Wert. Und das ist nicht nur bei redaktionell erstellten Seiten so.

    Die Medienbranche zahlt einen bitteren und hohen Preis dafür, daß sie den Wert ihrer Produkte auf null gesetzt hat. Nun muß sie auch zusehen, wie sie damit klarkommt. Es wird schwer sein, die Konsumenten wieder so zu erziehen, daß sie eine Leistung mit einer Gegenleistung verknüpfen. Teilweise gelingt dies, wenn den Kunden ein Mehrwert nachgewiesen werden kann. Netflix oder Amazon Prime gibt es nicht umsonst, auch wenn das Abo die tatsächlichen Kosten je Aufruf verschleiert. Aber: Die Leute zahlen dafür. RTL und Pro7 könnten ähnliche Geschäftsmodelle nicht durchdrücken, solange sie ihre Produkte umsonst anbieten. Gegen den Werbeblock hilft längst, die Sendung per Zeitverzug zehn Minuten nachlaufen zu lassen. Netflix kann seine Einnahmen nicht deswegen generieren, weil es so gut ist, sondern – weil es nie mit dem Umsonst angefangen hat. Netflix kostet Geld, jeder akzeptiert das. Keine Sorge: Für Bohlens Haifischgrinsen, Heidis Models, den Trödler mit dem Raren oder Jauchs Millionärsfragen würden wir auch zahlen – wenn wir es von Anfang an hätten tun müssen.

    Die Millenials haben andere Ansprüche an Medien als wir alten, aber – ohne Moos nichts los gilt auch für sie. Die Medienbranche muß Antworten darauf finden, wie sie für ihr Produkt wieder mehr Wertigkeit, und – zwangsläufig! – mehr Knappheit schafft. Eine umsonst aufrufbare Webseite ist aber nicht „knapp“ – sie wird verschwendet und ist so wertlos wie schale Luft.

    Der Umstieg wird für alle hart. Gelingt er aber nicht, haben wir in 10 Jahren nur noch maschinelle von Autobots und KI erstellte Medien ohne menschliche Autoren. Und was dann an Kontrolle und Manipulation erst möglich wird, weiß nur die Phantasie allein.

    • Sehr anregender Beitrag. Danke.
      Was Angebote wie TE betrifft, so habe ich schon oft überlegt wieviel ich zahlen würde, z.B. für ein Onlineabo, wenn ich die nervige und z.T. wirklich blöde und Recourcen fressende Popup-Werbung loswerden könnte. Ich sag einfach mal so in Blaue hinein, 5 Euro/Monat würde ich für eine relativ werbe- und popupfreie TE gerne bezahlen.Was ich aber überhaupt nicht mag ist Zwang. Also etwa in dieser Art; – wenn Sie diesen Beitrag lesen möchten, dann melden Sie sich an, bezahlen sie oder schalten Sie Ihren Werbeblocker aus. Es kommt in letzter Zeit häufiger vor das man bei der Verfolgung von Links auf eine Bezahlschranke stößt. Bei mir ist an dieser Stelle dann Schluß.
      Meiner Meinung nach muss auch unterschieden werden zwischen reiner Unterhaltung, Pro 7 RTL etc. und Information.
      Aber, und da bin ich wieder völlig bei Ihnen Herr Hellerberger, mittlerweile ist durch die Konzentration der Medienhäuser eine derart starke Macht- und Meinungskonzentration eingetreten dass man sich eine sachlich fundierte meinungsfreie Information regelrecht herbeisehnt. Denn auch das ist ein Fakt. Durch das Internet und den freien Zugang zu allen erdenklichen Informationsquellen, bin ich / sind wir kritischer geworden.
      Es ist am Ende nur logisch das man für gute Informationen, wenn man diese denn erkennen kann, auch bezahlen muss. Das führt aber unweigerlich dahin dass im Umkehrschluss diejenigen, die es sich nicht leisten können, wieder die „Dummen“ sein werden.

    • wir sollten entscheiden dürfen,
      ob wir GEZ oder für Tichy bezahlen.
      oder Zahlung von GEZ-Verbrauch über Decoder.

      • Herr Rose, gut, aber die Probleme der Tagespresse und des Journalismus bestünden auch dann, wenn der ÖRR gebührenfrei wäre. (Links wäre er auch dann, denn seine Linkslastigkeit hat andere Gründe) Mangelnde Rentabilität aber ist auch ein Phänomen „rechter“ Medien. Sonst wäre Dushan Wegner schon längst Chefredakteur einer Tageszeitung mit 100 festangestellten Redakteuren, die das linksliberale Berliner Establishment so fürchten würde wie die CDU früher den „Spiegel“. Stattdessen ist er freischaffender Einzelautor, der mit seiner eigenen Seite nicht überleben kann.

      • Meine Tageszeitung beziehe ich im Abo
        auf Papier, mit zusammengebissenen Zähnen,
        wg.
        Todesanzeigen,
        Ortsnachrichten,
        Kreuzworträtsel,
        Wetterbericht.
        und weil meineLiebste und ich
        gerne Papier* in den Händen haben
        wollen und die Hefte austauschen.
        da hilft keine online-Zeitung.
        kein gleichzeitiges Lesen möglich?
        da muss ich direkt mal nachfragen.
        *gilt auch für Bücher!

    • Ihr Beitrag in allen Ehren. Sie haben einen wichtigen Aspekt der Problematik dargestellt. Dennoch ist mir nicht klar, wieso alle Medien nur noch einen Einheitsbrei aus Regierungsmeinung nachbeten und gegenteilige Ansichten grundsätzlich als populistisch (= nazistisch. faschistisch) bekämpfen. Aus finanziellen Gründen wohl nicht. Und dass ich dafür nur unter Zwang zahle (Monopol) ist auch klar.

      • Adorfer, richtig, ich haben den Aspekt, warum die MSM allesamt links oder linksliberal sind, nicht beleuchtet, das wäre zu lang geworden. Es beginnt jedoch immer beim Geld.

    • Rita, gewisse Leitplanken der digitalen Wirtschaft, in der anonyme Barzahlung derzeit unmöglich ist (es sei denn, man zahlte mit Bitcoin o.ä.) können wir oder die Medien derzeit nicht übergehen, es sei denn, wir verzichteten auf Digital. Dann müßte Don Alphonso seine Kolumne eben allsamstäglich in der „Welt“ veröffentlichen (tut er das nicht ohnehin?) und Sie kaufen die „Welt“ bar an Ihrem Kiosk (und unterstützen so noch gleich einen Einwanderer, der dann keine Sozialhilfe beziehen muß), niemand weiß, daß Sie den Mann vom Tegernsee lesen, und nebenbei haben Sie noch die neusten Nachrichten über Meghan auf der „Aus aller Welt“ Seite.
      Wenn Sie das aber auf Ihren Smartphone lesen wollen, müssen Sie sich auch auf diese Welt einlassen. Mag sein, daß das nicht immer so sein wird, derzeit, das beschrieben Sie ja in Ihrer Darstellung, ist es schwierig oder unmöglich, ohne Verfolgbarkeit im Internet Seiten aufzurufen, egal ob umsonst oder bezahlt.

  5. Ich(als Deutscher) hatte bazonline sogar für 1-2 Jahre als Startpage bei der täglichen Nachrichtendurchsicht eingestellt. Leider gab es dann dort eine „Nachrichtenwende“ . Dann ging es los mit Trump, Klimawandel, Trump, Klimawandel….

    • Seitdem dort seit Monaten nur noch Trump karrikiert wird, wars’s das mit der baz-online für mich, weil es alles über die politische Ausrichtung der Seite sagt. Das einzige lesenswerte Schweizer Blatt ist die Weltwoche, den Rest kann man knicken. Von wegen Westfernsehen.

  6. Bedingt durch die Mehrsprachigkeit der Schweiz sind viele Schweizer sehr wohl dazu in der Lage sich Informationen auch aus ihren Nachbarstaaten zu holen. Seien es alternative Medien oder Einheitsbrei in Deutschland, österreichische Medien, die aus Frankreich oder auch aus Italien oder sogar Belgien.

    Zudem sind die Schweizer ein kluges Völkchen, trotz hoher Berge, tiefer Täler, vieler Seen und einiger Gletscher haben sie es schon immer geschafft für eine gute Kommunikation miteinander zu sorgen. Ich denke, die schaffen das sogar ganz ohne Tageszeitung sich eine eigene Meinung zu bilden.

    • Nun ja, ich arbeite dort seit über zehn Jahren. Die unterscheiden sich von den Deutschen bezüglich der politischen Amnesie praktisch nicht mehr, außer wenn es in der Gemeinde direkt um’s Geld geht.

      • Dann wollen sie es halt auch nicht anders und bekommen genau das was sie brauchen und wollen.

  7. Die insgesamt eher positive Hervorhebung der NZZ erstaunt mich etwas. Habe letzten Herbst nach 41 Jahren das Abonnement nicht mehr erneuert. Die Auslandberichterstattung war nicht mehr erträglich. Wenn e.g. die Italienkorrespondentin jeden ihrer Berichte systematisch mit „schmückende“ Beiwörtern wie ‚Populisten‘, ‚fremdenfeindlich‘, ‚rechts‘, ‚rechtsextrem‘ ideologisch aufpeppt, wenn einfach nachgeplaudert wird, was in der Linkspostille ‚Repubblica‘ zwei Tage früher auf italienisch zu lesen war, dann hat das mit „Qualitätsjournalismus auf höchstem Niveau“ (ein Ausdruck, der jede Jahresrechnung ebenso regelmässig wie der nicht näher begründete 10-15% Aufschlag begleitet) nichts mehr zu tun. Auch bei anderen Auslandskommentaren (z.B. AU/HU/CZ) war die konstant linke Schlagseite nicht zu überlesen. – Im Übrigen hat der Merkel-kritische Ansatz bei der D-Berichterstattung klar pekuniäre Hintergründe: man versucht, deutsche Leser damit zu werben (entsprechendes Statement des Chefredaktors in einem WW-Interview). – Eine Zeitung, die nur mehr der Schatten ihrer selbst ist.

    • Sie haben recht. Das ist mir auch unangenehm aufgefallen. Es gibt nur fremdenfeindliche und EU-feindliche Rechtspopulisten. Linkspopulisten und linke Antisemiten kommen überhaupt nicht vor.

    • Sie haben Recht: Ich kenne die NZZ aus der Zeit vor 20 Jahren als Printausgabe, und da war sie knochentrocken nüchtern und sachtlich, Meinungsartikel waren noch extra gestellt, mittlerweise sind Nachricht und Meinung in SPIEGEL- Manier zumindest online längst gemischt.
      Es ist auffällig, dass es auf Deutsch keine einzige NÜCHTERNE und präzise NACHRICHTENZEITUNG gibt. Alles ist zur Unterhaltung geworden, es wird getratscht und gekatscht wie auf dem Dorf. Gibt es nur noch Klatschweiber?

  8. Das Problem ist wohl nicht lösbar. Wenn der Teufelskreis aus Gleichschaltung und Leserschwund erst einmal zugeschlagen hat, gibt es nur noch den Rutsch nach unten. Ich selbst habe vor einigen Monaten aufgehört, die BaZ zu lesen. Lange Zeit war sie noch recht lesbar, aber jetzt bietet sie nur noch das gegenderte Einerlei wie viele andere. Aber, wer Info sucht, der findet sie auch. Daher noch mal mein Dank an Medien wie Tichys, die die Fahne hochhalten.

  9. Dieser Beitrag ist so hoch brisant, dass in Facebook sofort nach erscheinen einschränkt! So läuft es in der Politik!
    Warum können die Politiker die Bevölkerung so an der Nase herumführen?

    Das ist eigentlich ganz einfach, die Bürger können wählen, was Sie wollen, die Parteien finden Dank des zurechtgelegten Wahlsystems immer einen Weg um weiter machen zu können.

    Die Konstellation in Deutschland ist doch so, wir haben die „GUTEN“ CDU/CSU, SPD, DIE GRÜNEN und die FDP den Einheitsbrei und die zwei Aussätzigen Die Linke und die AFD plus X Kleinparteien.

    Das Wahlverhalten in Deutschland ist nun einmal so die angeblich „Guten“ werden immer eine Mehrheit zusammenbringen und können auch die Wähler ungestraft täuschen und ihnen Versprechungen machen die nicht eingehalten werden, weil notfalls dann immer mindestens einer ausschert und den Anderen blockiert.

    So wird also von den Werkstattgesprächen nichts umgesetzt das blockieren Die Grünen und …. Die SPD Debattencampvorschläge werden von CDU und …. geblockt.

    Der politisch mündige Bürger durchschaut es, der politisch unmündige Bürger erkennt diese Scheingefechte nicht und bringt der einen oder anderen Partei ein paar Prozentpunkte mehr Wählerstimmen ein.

    MIT WAHLEN VERÄNDERN SIE, ALSO NUR DIE GEMENGEN LAGE, VERBESSERUNGEN FÜR DIE BEVÖLKERUNG BRINGT DAS NICHT!

    Solange sich an dieser Konstellation also nichts ändert, sind am Ende immer die Bürgerinnen und Bürger „DIE DUMMEN“!

    Die Medien tun alles dazu um diesen Zustand aufrecht zu erhalten!

    Wenn wir das ändern wollen, muss das Parteien – Diktat zurückgedrängt und die Herrschaft des Volks durch mehr Mitbestimmung der Bevölkerung durchgesetzt werden.
    WARUM GIBT ES NOCH KEINE MITBESTIMMUNG DER BÜRGER AUF BUNDESEBENE OBWOHL DIESE FAST VON ALLEN PARTEIEN IN DEN WAHLPROGRAMMEN VERSPROCHEN WURDEN?

    • Die „Linke“ in der Berichterstattung der MSM als „Aussätzige“? Wo haben Sie das denn her?

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