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Rette sich wer kann!

Wo aber Gefahr ist – 20 Variationen über ein Thema von Hölderlin

05.06.2021

| Lesedauer: 2 Minuten
Ein schöner Satz hat noch nie jemanden gerettet. In Coronazeiten passt der Spruch in jeden Glückskeks. Das macht ihn nicht besser, aber er animiert wenigstens zum Nachdenken. Thema mit Variationen.

Am 7. Juni ist Friedrich Hölderlins Todestag (*1770). Zu den beliebtesten Zitaten zählt die Gedichtzeile: „Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch.“ Ein schöner Satz hat noch nie jemanden gerettet. In Coronazeiten passt der Spruch in jeden Glückskeks. Das macht ihn nicht besser, aber er animiert wenigstens zum Nachdenken. Thema mit Variationen.

THEMA

Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch.

I. VARIATION

Wo aber Gefahr ist, rechnet man mit dem Rettenden. Rheinischer Volksmund: Et hätt noch emmer joot jejange.

II. VARIATION

Für den Fall, dass es nicht joot jeet, versichern wir den Schaden und lockern die Schuldenbremse. Dann jeet et erst recht nit joot.

III. VARIATION

Gerettet werden wir nur auf eigene Gefahr. Für die Folgen der Rettung kommen wir selbst auf.

IV. VARIATION

Der Preis der Rettung: Der Feuerwehrhauptmann nennt ihn Wasserschaden, der General Kollateralschaden, der Richter Verhältnismäßigkeit, der Politiker alternativlos.

V. VARIATION

Dem Rettenden sind wir rettungslos ausgeliefert. Vor ihm rettet uns niemand.

VI.VARIATION

Hallo, ihr Retter! Seid ihr noch zu retten!

VII. VARIATION

Hätten wir nur gewusst, wovor wir gerettet werden sollten!

VIII. VARIATION

Glaubt noch immer jemand, die Retter hätten nur unsere Rettung im Sinn?

IX. VARIATION

Die Retter retten vor allem sich selbst. Nicht einmal das gelingt ihnen.

X. VARIATION

Die zu Rettenden werden nicht gefragt, ob sie gerettet werden wollen. Dafür werden sie voll verantwortlich gemacht, doch nicht für voll genommen.

XI. VARIATION

Man sagt, der Mensch bessere sich nur in Gefahr. Wäre die Behauptung richtig, wäre die Gefahr das eigentlich Rettende.

XII. VARIATION

Besser wäre, wir versprächen uns von der Rettung keine Besserung.

XIII. VARIATION

Bleiben Sie gesund! Ein Wunsch wird zum Befehl.

XIV. VARIATION

Zweites Gebot: Stecken Sie bloß niemanden mit ihren Zweifeln an!

XV. VARIATION

Nicht alle Geretteten haben ihre Rettung überlebt.

XVI. VARIATION

AHA – das Einverständnis der Rettenden. Aha! Wir haben verstanden.

XVII. VARIATION

Solange wir gerettet werden, machen wir keine Anstalten. Wir halten uns nur geschlossen in einer auf.

XVIII. VARIATION

„Neue Normalität“ – ein neuer Begriff für das Gerettete – also für den Untergang.

XIX. VARIATION

Wenn wir an Rettung durch den Staat hoffen, müssten wir auch auf Rettung vor diesem Staat hoffen.

XX. VARIATION

Rette sich wer kann!

THEMA

Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch.


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30 Kommentare

  1. Wo aber Angst ist, schwindet die Vernunft auch.

  2. Die Verlängerung des „Ausnahmezustandes“ ist – wegen des endgültigen Fortfalles aller Vorraussetzungen für dessen rechtswidrige Einführung – de facto absolut unbegründet & ebenso rechtswidrig !!! Was maßen sich diese Politclowns überhaupt an ??? Wer ist hier der Souverän ??? Wer dessen Diener ???
    Und auf welcher Rechtsgrundlage handeln sie überhaupt ??? Die FGO, FDGO & das Grundgesetz können es nicht sein, da hier unveräußerliche Staatsbürgerrechte festgeschrieben wurden, die kontinuiertlich von einer machtbesessenen Nomenklatura der Blockparteien vorsätzlich mißachtet & eingeschränkt werden !!!
    Um mich einem Vorredner anzuschließen … Es gibt leider nicht genug Laternenpfähle …
    Ich würde ein Kunstobjekt freier Künstler vor dem Reichstag favorisieren …
    Für jeden Abgeordneten der Blockparteien einen Galgen aufstellen, um diese an ihre eigentlichen Aufgaben (Schaden vom deutschen Volke abzuwenden … statt diesem kontinuierlich weitere Schäden zuzufügen) zu erinnern !!!

  3. Sorry Herr Herles,
    wollte ihren Stimmungs-Rettungs-Versuch nicht torpedieren.
    Es „überkam“ mich halt … 😉

  4. Was mir dazu einfällt???
    Nix außer dem Faust-Monolog.
    Ergänzt – am Ende – um: 

    Es kommt der Schüler dumme Schar
    und erklärt mir breit und Jahr für Jahr,
    dass mit Magie o h n e jeden Schweiß 
    zu lösen ist der ganze Sch… … ich weiß … 
    •••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••

  5. Angesichts der Vorbereitung einer Verlängerung des Ausnahmezustands um drei Monate, sind sich die Schließer einig, das wir aus Sicherheitsgründen, die nur sie kennen, wegeschlossen werden können, wenn die Stimmzettel gewisser Parteien zu eng beieinander liegen im September. Wegen Ansteckungsgefahr.
    Diese Illuminati um das Kanzleramt herum leuchten so stark, dass sie außer der eigenen Projektion nichts mehr sehen, weil sie verblendet sind vom eigenen Licht.
    Das wird erst wieder besser wenn die Betreffenden von außen angestrahlt werden.
    Hatten wir schon zwei Mal.

  6. Kleine Anmerkung am Rande: weil ich mich freute, am gleichen Datum wie Friedrich Hölderlin Geburtstag zu haben, suchte ich nach mehr Informationen zu ihm und fand, dass der 7.6.1770 nicht sein Geburtstag-, sondern sein Todestag war.

  7. Johann Christian Friedrich Hölderlin einer der großen deutschen Lyriker. Ein Gigant fürwahr. Er setzte sich und Heidelberg mit dem Gedicht Heidelberg ein Denkmal, welches alles steinerne Heidelbergs überdauern wird. Es ist gleichzeitig Ausdruck einer Heimatliebe, welche ich als junger Gymnasiast zum ersten Mal in meinem Leben in diesem Gedicht in berührender Weise vermittelt bekam, mich mein Leben lang begleitete und leider in diesem Land inzwischen überwiegend verloren ging. Diejenigen, welche sie sich bewahrten werden verschmäht und verunglimpt. Und führende Politker linker Parteien brüsten sich mit ihrem Unverständnis und Ablehnung.
    Heidelberg
    Lange lieb‘ ich dich schon, möchte dich, mir zur Lust,  Mutter nennen, und dir schenken ein kunstlos Lied,  Du, der Vaterlandsstädte Ländlichschönste, so viel ich sah.
    Wie der Vogel des Walds über die Gipfel fliegt, Schwingt sich über den Strom, wo er vorbei dir glänzt, Leicht und kräftig die Brücke, Die von Wagen und Menschen tönt.
    Wie von Göttern gesandt, fesselt‘ ein Zauber einst Auf die Brücke mich an, da ich vorüber ging, Und herein in die Berge Mir die reizende Ferne schien,
    Und der Jüngling, der Strom, fort in die Ebne zog, Traurigfroh, wie das Herz, wenn es, sich selbst zu schön, Liebend unterzugehen, In die Fluten der Zeit sich wirft.
    Quellen hattest du ihm, hattest dem Flüchtigen  Kühle Schatten geschenkt, und die Gestade sahn  All‘ ihm nach, und es bebte  Aus den Wellen ihr lieblich Bild.
    Aber schwer in das Tal hing die gigantische, Schicksalskundige Burg nieder bis auf den Grund, Von den Wettern zerrissen;  Doch die ewige Sonne goß
    Ihr verjüngendes Licht über das alternde Riesenbild, und umher grünte lebendiger Efeu; freundliche Wälder Rauschten über die Burg herab.
    Sträuche blühten herab, bis wo im heitern Tal, An den Hügel gelehnt, oder dem Ufer hold, Deine fröhlichen Gassen Unter duftenden Gärten ruhn.

  8. Die Weisheiten in Bezug auf Deutschland und dessen aktueller ‚Staatsmacht‘ lassen mich die XIX. Variation favorisieren. Doch politisch gerettet wird in der Regel aus Eigeninteressen – da sehe ich aktuell keinen Staat, der das Land/Volk und dessen monetäre Schuldverpflichtungen retten wollte. Beute von unterschiedlichen Interessengruppen wird ja bereits seit einiger Zeit gemacht, und am Tag Y verlassen die Ratten das sinkende Schiff.

  9. Wo das kommerziell rettende etabliert ist, wird die rechtfertigende, benötigte Gefahr herbeigeredet oder konstruiert. Man könnte auch sagen: „Wir schaffen für jede Lösung das dazu erforderliche Problem“! oder auch „Hat man einen Impfstoff, braucht man auch die passende Pandemie dazu“.

  10. Die vermeintlich zu Rettenden wollen gar nicht gerettet werden, jedenfalls nicht von denen, die vorgeben retten zu wollen, und dabei mit anderen Kräften, die auch vorgeben retten zu wollen ihr hinterhältiges Spiel treiben um die zu Rettenden, in die Abhängigkeiten retten zu wollen.

    Besonders schön ist:
    X. VARIATIONDie zu Rettenden werden nicht gefragt, ob sie gerettet werden wollen. Dafür werden sie voll verantwortlich gemacht, doch nicht für voll genommen.

  11. Das ganze Dasein ist eine unendliche Abfolge von Rettungen vor nicht enden wollenden Gefahren oder eine unendliche Abfolge von Gefahren mit nicht enden wollenden Rettungen. Denn jeder ist zu jedem Zeitpunkt gleichzeitig gefährdet, gerettet, gefährdend und rettend, woraus sich die Frage ergibt wer uns vor all dem retten soll.

  12. „Der zwangsweise – gegen seinen Willen – angeblich zu rettende sieht dem Untergang des selbsternannten Retters genüßlich zu…“!

  13. Wer rettet die Rettenden? Ich werde einige Variationen übernehmen, weil sie so kurz und doch umfassend sind. Danke Herr Herles.

  14. Wieder sehr schön und aus dem Herzen, schönes Wochenende

  15. Diese sog. Pandemie hat eine zentrale Erkenntnis gebracht: Es gibt keine Rettung! Außer man rettet sich selber!

    1. Der Staat ist ein amorphes Gebilde widerstreitender Interessen mit dem Hang zum Autoritären, wenn er nicht weiter weiß.
    2. Die Wissenschaft besteht aus noch nicht widerlegten Hypothesen, die jedoch als die Wahrheit verkauft werden.
    3. Die Krise zeigt aus wievielen Neurotikern, Angstbessesenen, Analfixierten, Denunzianten, Obrigkeitshöhrigen und Ignoranten die Gesellschaft besteht.
    4. Im Kapitalismus beginnt vieles als Vision, wird dann zum Geschäft und endet mit Korruption.
    5. Die Massenmedien sind das wofür man sie hält: Willige Büttel der Staatsraison.
    6. Die eleganteste Lösung ein Volk in Schach zu halten, ist den Debattenraum radikal zu verengen, darin jedoch eine muntere Debatte über Petitessen zu führen.
    7. Die Zahl der Widerständigen und Selbstdenker ist noch erstaunlich hoch, wenn man bedenkt wie lange die Gehirnwäsche schon dauert.
    8. Haben Demokraten erst einmal am Autoritarismus geleckt, ist es schwer sie wieder davon abzubringen.
    9. Auf das Volk ist kein Verlass. Es folgt jeder Schalmei, die einigermaßen gut klingt.
    10. Es gibt keine Rettung. Außer man rettet sich selber.
  16. Corona als rettender Anker für den untergehenden Mythos der guten Regentin.

  17. Eine geistreiche Ausführung. Besonders schön finde ich „Dem Rettenden sind wir rettungslos ausgeliefert. Vor ihm rettet uns niemand.“ sowie „Bleiben Sie gesund! Ein Wunsch wird zum Befehl.“ Danke sehr für diese Gedanken!

  18. „Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch“.
    Dieses Zitat von Hölderlin ist in der Tat mein ständiger Wegbegleiter , seit Jahrzehnten, immer, wenn es mal negative Dinge zu „verarbeiten “ gilt..
    Aber wenn ich heute auf mein geliebtes Heimatland und ein Großteil ihrer
    Einwohner schaue, stehen mir trotzdem die „Tränen in den Augen“
    Da ist kein Trost in Sicht.
    Es ist nicht mehr soooo lebenswert hier, aber es wird immer meine Heimat sein.
    Ein gebeugtes, erniedrigtes und manipuliertes, belogenes Volk.
    Und das Rettende?

  19. . . . und wer das alles glaubt wird selig.
    Aber die Hoffnung stirbt zuletzt.

    50 Jahre Ehe heute.
    Et hat alles jut jegange.
    Das soll für ein Leben reichen.
    Danke. Was will man mehr!

    • … und das, obwohl in der Lebensgefährtin/ dem Lebensgefährten auch das Wort Gefahr steckt. Gratulation.

  20. Das Dilemma der classe politique und ihrer Untaten kurz und gut in Textform.
    Quintessenz : VARIATION XX. Rette sich wer kann!
    Priorität : stark zunehmend….

  21. Welch weise und kluge Worte. Doch würde man heute auf der Strasse eine Umfrage machen:“ Wissen Sie, wer Hölderlin war?“ Dann schätze ich, 50% wissen es nicht. 40% halten ihn für einen Schlagersänger oder sonst was. Der Rest von 10% dürften ältere gebildete Menschen sein, die ihn noch aus der Schulzeit kennen.
    Deutschland, das Land der Dichter, Denker und Philosophen? Das dürfte längst vorbei sein.

    • Da verschätzen Sie sich sicher. Die 50% vielleicht sogar 60% mögen unter den Älteren vorhanden sein, unter der Jugend können Sie mit praktisch 0 rechnen. Sind dann am Ende wahrscheinlich insg. nur 10% im ehemaligen Land der Dichter, Denker und Erfinder.

    • @ Felicitas21
      Unter den 90%, die Hölderlin nicht kennen, werden sich viele finden, denen das Gendersternchen bei Hölderlin fehlt…

  22. „Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch“. Gefahr springt in unsrem Land förmlich in die Augen, Herr Herles. Gefahrenherde von historischem Ausmaß! Das Rettende kann ich leider nicht erkennen.

  23. XXI.
    Es rettet uns kein höh’res Wesen,
    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun
    Uns aus dem Elend zu erlösen
    können wir nur selber tun!
    Leeres Wort: des Armen Rechte,
    Leeres Wort: des Reichen Pflicht!
    Unmündig nennt man uns und Knechte,
    duldet die Schmach nun länger nicht!

    • Ich weiß nicht woher das stammt aber ich übernehme das gerne in meine Sammlung Kluge Sprüche.

      • Zweite Strophe der „Internationale“.
        Beim „Volk der ersten Strophe“ nicht so bekannt. 🙂

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