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Der Staat Freiheitsgarant oder Gegner?

Wie Libertarismus und Zivilgesellschaft den Staat in die Zange nehmen

15.06.2017

| Lesedauer: 6 Minuten
Die FDP etablierte sich als eigentliche Kraft des aufgeklärten Bürgertums. Nun spielt der Zeitgeist bei den Libertären: Der Staat im Zangengriff von linken und konservativen Autoritären, die seinen liberalen Charakter demontieren - und libertären Staatsabsschaffern.

Wer regelmäßig Kontakt mit sich als liberal und freiheitlich empfindenden Persönlichkeiten hat – oder auch in den Leitmedien unserer Republik oder in sozialen Netzwerken wie Facebook Artikel ebensolcher verfolgt – dem konnte nicht verborgen bleiben, wie sich in der Sprache der liberalen Bürger unserer Republik ein ungewöhnlicher Wandel vollzog.

Über Jahrzehnte – nein, schon Jahrhunderte – galt es für den Freiheitlichen als Selbstverständlichkeit, sich selbst als „liberal“ zu verstehen. Der freiheitliche Freigeist, so wie er sich einst im Badischen artikulierte und zu einem Träger der bürgerlichen Revolution von 1848 wurde, war „der Liberale“. Nach unterschiedlichen, mal eher sozialen, mal eher konservativen und mal eher nationalen „liberalen“ Parteien während Erster Demokratie und Weimarer Republik formierte sich aus diesen Liberalen mit der Gründung der Bundesrepublik Kapitulation Deutschlands eine politische Partei mit dem Namen „Freie Demokratische Partei“ – wobei die scheinbare Tautologie des „frei“ im Sinne eines staatspolitischen Bekenntnisses mit dem „demokratisch“ als Ausdeutung der politischen Freiheitlichkeit eine deutliche Abgrenzung von den libertären Philosophien jener Zeit dokumentierte. Wir werden darauf zurückkommen.

Die Liberalen der Nachkriegszeit

Die FDP stellte sich in eine große Tradition. Denker wie Immanuel Kant und John Locke hatten liberales Denken als das Primat der Vernunft und der individuellen Unabhängigkeit über obrigkeitsstaatliche Gängelung gestellt. Liberal war die konsequente Umsetzung dessen, was die europäische Aufklärung erst ermöglicht hatte: Die Überwindung kollektivistischer wie gottgegebener Philosophien durch den selbstbestimmten Bürger. Und eigentlich – so hätte man meinen sollen – hätte eine liberale Partei nach der Katastrophe der nationalsozialistischen Diktatur eine Partei sein müssen, die eine breite Mehrheit der geschundenen, aber scheinbar doch aufgeklärten deutschen Bevölkerung hätte ansprechen müssen.

Jedoch – die demokratischen Wahlen der Bundesrepublik der Nachkriegszeit zeichneten ein anderes Bild. Es dominierte die damals noch vom rheinischen Katholizismus geprägte Union ebenso wie die in den kollektivistischen Vorstellungen des Sozialismus verharrende SPD. Die FDP, die sich in ihrem Personal in den Anfangsjahren noch von dem einen oder anderen Personalrestbestand mit brauner Vergangenheit vertreten sah, etablierte sich – ganz liberal – zwischen diesen Protagonisten traditioneller Denkschulen als eigentliche Kraft des aufgeklärten Bürgertums.

Lange Jahre fest an die kleinbürgerliche Union gebunden, fand sie in den sechziger Jahren den Weg zur sich von der reinen sozialistischen Lehre behutsam lösenden SPD. Um diese Bereitschaft zur freien und unabhängigen Entscheidung zwischen den ewigen Blöcken der immer noch jungen Republik gegenüber dem Wähler zu dokumentieren, wurde das Kürzel „F.D.P.“ in den achtziger Jahren mit dem feststehenden Zusatz „Die Liberalen“ verknüpft. Die Freien Demokraten dokumentierten so ihren eigenen Anspruch nach Außen scheinbar unwiderruflich als liberal – und wurden in ihrer Mitgliederstruktur zu einer Partei, in der Rechtsliberale, die sich in aller Regel als „Wirtschaftsliberale“ interpretierten, mit „Linksliberalen“, die sich eher wie der freiheitliche Flügel der ursprünglich kollektivistischen SPD präsentierten, um die Meinungshoheit rangen. Der nationalliberale Flügel – noch in den fünfziger Jahren bestimmendes Element der FDP – war zwischenzeitlich in den Fährnissen der bundesdeutschen Geschichte entschwunden.

Liberal als Synonym für Unverbindlichkeit

Gleichzeitig aber leiteten “die Liberalen” mit ihrer Okkupation des Begriffs “liberal” bei zunehmender Differenzierung zwischen Wirtschafts- und Linksliberalen eine Entwicklung ein, bei der dieser traditionsreiche Begriff zunehmend mehr seinen ursprünglichen Inhalt verlor. Denn liberal wurde zu einem Synonym für Unverbindlichkeit.

Es konnte ebenso liberal sein, mit einer sich autokratisch gebärdenden Adenauer-Union zu kooperieren wie mit den sich trotz aller Demokratisierung aus kommunistischer Tradition speisenden Sozialdemokraten um Herbert Wehner und Willy Brandt zusammenzuarbeiten. Die Liberalen brachten dabei nach dem traditionellen Vertreter Theodor Heuß mit einem Walter Scheel, der zwar nicht auf dem hohen Ross, dafür jedoch auf einem gelben Wagen sitzend seinen Führungsanspruch in die Welt sang, und Hans-Dietrich Genscher, dem mit den Ohren, der maßgeblich an der Neuordnung Europas im Zuge der Vereinigung von Bundes- und Deutschdemokratischer Republik beteiligt war, bedeutende Politiker hervor.

Vom Liberalismus zum Libertarismus

Unmerklich, aber fast unvermeidlich, verlor der Begriff liberal durch die parteipolitische Einvernahme seinen von Locke, Kant und anderen Denkern gespeisten, freiheitlichen Ansatz eines selbstbewussten, in Gegnerschaft zur Obrigkeit stehenden Bürgertums. Und ebenso unmerklich wurde nicht nur in den Medien, sondern selbst in den Reihen der FDP der verschwimmende Begriff des Liberalen durch einen anderen, scheinbar neuen Begriff ersetzt. Es galt spätestens nach der Regierungsübernahme des als Spaßpolitiker überzeichneten Guido Westerwelle zunehmend als freiheitlich, sich nicht mehr als liberal, sondern als libertär zu bezeichnen – in der irrigen Annahme, die von den sich mehr und mehr als Interessenvertretung kleiner Sponsorgruppen aus der Wirtschaft präsentierenden Freien Demokraten verinterpretierten Liberalität durch einen dem ursprünglichen Gedanken des Liberalismus unabhängig von einer als Klientelpartei wahrgenommenen politischen Gruppierung deutlich eher gerecht werdenden Libertarismus ersetzen zu können.

Wer als liberaler Denker fortan seinen freiheitlichen Ansatz in Wort und Schrift zu dokumentieren gedachte, ersetzte den traditionsreichen Begriff “liberal” durch “libertär”. Libertarismus wurde zum neuen Liberalismus – nicht nur in internen Diskussionen, sondern auch in den Leitmedien der Republik.

Die Illiberalität des Libertarismus

Dieser Wandel ist jedoch nicht ohne Brisanz. Denn der europäische Libertarismus ist im seinem Ursprung deutlich weniger liberal als der Liberalismus. In den Denkschulen des neunzehnten und frühen zwanzigsten Jahrhunderts bis hinein in die Gegenwart steht libertär für eine Ausprägung der Anarchie. Anerkennt der Liberalismus die Notwendigkeit des Staates als Konstrukt der gesellschaftlichen Organisation in dem Maße an, wie dieser die Freiheit auf Selbstbestimmung des Individuums garantiert – womit er uneingeschränkt in der Tradition der bürgerlichen Revolution von 1848 steht – so stellt der Libertarismus in seiner ursprünglichen Definition die Notwendigkeit des Staates an sich in Frage. Libertarismus strebt nach Überwindung staatlicher Ordnung durch die Einsicht in die Vernunft des Individuums bei gleichzeitig uneingeschränkter Verfügungsgewalt des Einzelnen über das individuelle Eigentum.

Im positiven Sinne des anarchistischen Revolutionärs Bakunin ist Libertarismus das gewaltfreie Zusammenleben aller Individuen in einem überstaatlichen System, das – weil es von der Vernunft eines jeden Einzelnen getragen wird – auf Instrumentarien staatlicher Ordnung verzichten kann. Die Grenzen der Freiheit des Einzelnen definieren sich in der Freiheit des Anderen – was allerdings die vernunftbedingte Bereitschaft aller beteiligten Individuen voraussetzt, diese Einschränkung der eigenen Freiheit zugunsten der Freiheit anderer als selbstverständlich zu akzeptieren. Es ist unnötig darauf zu verweisen, dass dieses Idealbild einer Gesellschaft aus nicht nur vernunftbegabten, sondern auch vernünftig handelnden Wesen weit von jedweder Realisierungschance entfernt ist.

Im negativen Sinne organisiert der Libertarismus durch seinen uneingeschränkten Anspruch der Selbstverfügung über das Eigentum beim Fortfall der Bereitschaft, im Sinne des anderen “vernünftig” zu handeln, eben genau jene Exzesse der Selbstbereicherung zu Lasten Dritter, mit denen sich das System politisch-wirtschaftlicher Verknüpfung von Staat und Schuldenfinanzierung in den vergangenen Jahren bis an den Rand der Selbstzerstörung gefahren hat.

Libertarismus und Zivilgesellschaft

Libertarismus fehlt, wenn man ihn aus liberaler Sicht betrachtet, nicht nur die soziale Selbstverpflichtung, sondern letztlich auch die gesellschaftliche Bodenhaftung. Wenn gleichwohl der Begriff des “libertären” den Begriff des “liberalen” zunehmend mehr zu ersetzen sucht, dokumentiert dieses im Sinne der Weiterentwicklung der Gesellschaft eine zunehmende Abwendung vom Staat und seinen Institutionen, die allein für sich in einem Gemeinwesen schon problematisch ist und dessen langfristige Folgen nicht absehbar sind. Flankiert wird diese Entwicklung durch ein höchst aktuelles Modewort: Der „Zivilgesellschaft“. Auch dieser Begriff zielt darauf ab, eine Trennung zwischen „dem Staat“ als bürgerfremdes Organisationskonstrukt und dem Bürger als von diesem Konstrukt autoritär gelenkten Individuum zu konstruieren, die in eklatantem Widerspruch steht zum demokratischen Staat als administrative Selbstorganisation der Gemeinschaft der Bürger.

Beide Begriffe – der Libertarismus wie die Zivilgesellschaft – können insofern zweierlei Intentionen folgen:

  • Entweder sind sie Folge einer zunehmenden Entfremdung zwischen den gewählten Institutionen und ihren Wählern, oder
  • Sie werden gezielt platziert, um durch die dadurch dokumentierte Trennung von Bürger und Administration die demokratisch organisierte Gesellschaft zu unterhöhlen und am Ende durch eine revolutionäre Übernahme der Administrationsebene durch „den Bürger“ die Verfasste Demokratie durch eine anarchische abzulösen.

In beiden Fällen dokumentieren sie jedoch die Situation eines zunehmend schwächeren Staates, dessen Institutionen ihre natürliche Verankerung im Bewusstsein des Bürgers verloren geht. „Der Staat“ wird vom Bürger nicht mehr als integraler und integrierender Bestandteil einer Gemeinschaft von Gleichen (im Sinne politischer Teilhabe) begriffen, sondern als Gegner wider die eigenen Interessen. Ein Gemeinwesen, das den bürgerlichen Liberalismus durch den anarchischen Libertarismus ersetzt, wird so in seiner Ablehnung des Staates ebenso anfällig für autoritäre Heilsversprechen wie ein Gemeinwesen, welches über die Definition einer „Zivilgesellschaft“ als Antagonist der staatlichen Institutionen zwischen autoritärer Führung und autoritär Geführten unterscheidet.

Der Wandel der Sprache dokumentiert den politischen Niedergang

Der schleichende Vorstoß der Sprache mit beiden Begriffen ist insofern Symptom für eine Feststellung, die bereits Hannah Arendt getroffen hat: „Alle politischen Institutionen sind Manifestationen und Materialisationen der Macht; sie erstarren und verfallen, sobald die lebendige Macht des Volkes nicht mehr hinter ihnen steht und sie stützt.“

Für die Bundesrepublik Deutschland ist insofern allein schon durch den Wandel der Sprache die Erstarrung von politischen Prozessen, die zunehmende Entfremdung zwischen Politiker und Bürger, aus denen im Sinne autoritärer Strukturen Herrscher und Beherrschter werden, selbst dann zu konstatieren, wenn eine entsprechende, öffentliche Debatte drüber nicht geführt wird oder nicht geführt werden darf. Dabei wäre es höchste Zeit, dass insbesondere die etablierte Politik den sich über den Wandel der Sprache aufzeigenden Konflikt der Entfremdung realisiert und zur Gemeinsamkeit von Bürger und Politiker mit mehr als hohlen Phrasen zurückkehrt.

Faktisch jedoch erleben wir das genaue Gegenteil: Die etablierte Politik verhält sich zunehmend mehr, als wenn sie in einer anderen Galaxie lebte. Nicht nur die kontinuierliche Abschaffung der Bürgerfreiheiten insbesondere durch den Bundesminister der Zensur – jüngst nun auch das erbärmliche Schauspiel des Kollektivverdachts gegen die eigenen Untergebenen eines in jeder Hinsicht überforderten weiblichen Bundesministers der Verteidigung, sind unübersehbare Dokumente der tatsächlichen Wesensferne von Bürger und Politiker und damit der Zerrüttung der Grundpfeiler des demokratischen Staats.

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57 Kommentare

  1. Friedrich August von Hayek hatte sozialphilosophisch schon vor 40 Jahren, eindringlich vor diesen Entwicklungen gewarnt und wurde dafür als Neoliberaler Wirtschaftsfunktionär diffamiert. Dabei ist die Neoklassische Theorie welche schon 1928 in die Weltwirtschaftskrise geführt hatte, als heutige universitäre Lehrmeinung der Mainstreamökonomie das eigentliche Problem.

    1944 erschien Hayeks „The Road to Serfdom“ (dt. Der Weg zur Knechtschaft) in England. In diesem Werk legte er dar, dass der Nationalsozialismus in Deutschland und der Faschismus in Italien nicht – wie sozialistische Intellektuelle behaupteten – Formen der kapitalistischen Reaktion seien, sondern „Weiterentwicklungen des Sozialismus“. Ziel des Buches war es laut Hayek, die damals gegen den Liberalismus tendierende Mehrheitsmeinung umzukehren und sie für die Gefahren des Sozialismus zu sensibilisieren. Hayeks Hauptargument ist, dass alle Arten von Sozialismus, Kollektivismus und Planwirtschaft zwangsläufig in Widerspruch zu liberalen Individualrechten und rechtsstaatlichen Prinzipien geraten. Die Gewaltherrschaft in den totalitären Staaten – damals neben Deutschland und Italien vor allem die Sowjetunion – sei also nicht Folge von besonderer Bosheit der entsprechenden Völker, sondern die Umsetzung der sozialistischen Lehre einer geplanten Wirtschaft. Diese führe notwendig zu Unterdrückung, selbst wenn dies nicht die ursprüngliche Absicht der Sozialisten war.

    „Politische Freiheit im Sinne von Demokratie, ‚innere‘ Freiheit, Freiheit im Sinne des Fehlens von Hindernissen für die Verwirklichung unserer Wünsche oder gar ‚Freiheit von‘ Furcht und Mangel haben wenig mit individueller Freiheit zu tun und stehen oft in Konflikt mit ihr … Die Freiheit, um die es sich hier handelt, die allein als allgemeines Prinzip der Politik dienen kann und die auch das ursprüngliche Ziel aller freiheitlichen Bewegungen war, besteht ausschließlich in der Abwesenheit von willkürlichem Zwang“ -Hayek

    Hayek empfand ausgesprochene Sympathie für die Leistungen von Ludwig Erhard bei der „Wiederherstellung einer freien Gesellschaft in Deutschland“, lehnte aber den Begriff „Soziale Marktwirtschaft“ ab, auch wenn es – wie er es ausdrückte – einigen seiner Freunde gelungen sei, dank dieses Wortgebrauchs die Art von liberaler Gesellschaftsordnung, für die er eintrete, weiteren Kreisen schmackhaft zu machen. Hayek war aber keineswegs auf der Linie der Vordenker der Sozialen Marktwirtschaft wie Eucken oder Müller-Armack und in offenem Streit mit Röpke und Rüstow. Die weitere Entwicklung in Deutschland ab Mitte der 1960er-Jahre hielt Hayek für zu interventionistisch und warnte anlässlich der deutschen Ausgabe des Wegs zur Knechtschaft von 1971 vor sozialistischen Tendenzen in der deutschen Wirtschaftspolitik.

    „Wir verdanken den Amerikanern eine große Bereicherung der Sprache durch den bezeichnenden Ausdruck weasel-word. So wie das kleine Raubtier, das auch wir Wiesel nennen, angeblich aus einem Ei allen Inhalt heraussaugen kann, ohne daß man dies nachher der leeren Schale anmerkt, so sind die Wiesel-Wörter jene, die, wenn man sie einem Wort hinzufügt, dieses Wort jedes Inhalts und jeder Bedeutung berauben. Ich glaube, das Wiesel-Wort par excellence ist das Wort sozial. Was es eigentlich heißt, weiß niemand. Wahr ist nur, daß eine soziale Marktwirtschaft keine Marktwirtschaft, ein sozialer Rechtsstaat kein Rechtsstaat, ein soziales Gewissen kein Gewissen, soziale Gerechtigkeit keine Gerechtigkeit – und ich fürchte auch, soziale Demokratie keine Demokratie ist.“ -Hayek

    Hayeks Die Verfassung der Freiheit (1960).
    Eine freie Gesellschaft setzt also für Hayek die Dominanz einer Ordnung der ersten Art und abstrakter Regeln voraus. Er befürwortet demnach eine starke Einschränkung und präzise Definition staatlicher Handlungsmöglichkeiten durch die Verfassung, um die Rechte des Individuums zu schützen. Als wichtigste Begrenzung der staatlichen Zwangsausübung betrachtet er, dass diese nur nach allgemeinen Regeln erfolgt, nie jedoch willkürlich. Das Problem sei nicht, wer über wen herrsche, sondern wie viel Herrschaft die Herrschenden überhaupt ausüben dürfen. Reine Demokratie ohne Beschränkungen staatlichen Handelns lehnt er ab, weil diese ebenfalls zu Unterdrückung tendiere („totalitäre Demokratie“). Hayek schloss sich der Meinung der liberalen Klassiker Adam Smith und John Locke an, wonach wirtschaftliche Ordnung das unangestrebte Resultat menschlichen Handelns ist (Prinzip der „unsichtbaren Hand“). Insbesondere weil es unmöglich sei, alles relevante Wissen über die Fähigkeiten und Bedürfnisse der Individuen zu zentralisieren, sei Zentralverwaltungswirtschaft nicht durchführbar, das heißt, die planende Stelle könne niemals über alle Informationen verfügen, die für eine vernünftige Planung benötigt werden. Den „Sozialingenieuren“, die eine Gesellschaft auf dem Reißbrett planen wollen, warf er die Anmaßung von Wissen (pretence of knowledge) vor. So sollte 1974 auch seine Rede zum Empfang des Preises für Wirtschaftswissenschaften heißen. Zum 20-jährigen Bestehen des „Institute of Economic Affairs“ schrieb Hayek 1977: „Ich bin stets davon überzeugt gewesen, dass wir, so wir unsere wirtschaftliche und politische Freiheit behalten wollen, unsere Bemühungen auf die Bekehrung der Intellektuellen in ihrer Eigenschaft als Meinungsmacher richten müssen.“

    ,,Die heute praktizierte Form der Demokratie ist zunehmend ein Synonym für den Prozess des Stimmenkaufs und für das Schmieren und Belohnen von unlauteren Sonderinteressen, ein Auktionssystem, in dem alle paar Jahre die Macht der Gesetzgebung denen anvertraut wird, die ihren Gefolgsleuten die größten Sondervorteile versprechen, ein durch das Erpressungs- und Korruptionssystem der Politik hervorgebrachtes System mit einer einzigen allmächtigen Versammlung, mit dem Wortfetisch Demokratie belegt.“ – „Die Anschauungen der Mehrheit und die zeitgenössische Demokratie“, in ORDO – Jahrbuch für die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft, Band 15/16(1962/63)
    https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_August_von_Hayek

    Wie es heute scheint, wird Hayek mit so ziemlich allem recht behalten. Aber nicht nur die FDP ist meilenweit vom Politikphilosophischen Liberalismus entfernt, sondern genau so die CDU von der „Sozialen Gerechtigkeit“ als regulatives Prinzip zur Sozialen Frage anhand der Katholischen Soziallehre und Kurt Schumacher würde sich im Grabe umdrehen, wenn er den heutigen zustand der Sozialdemokratie sehen könnte. Laut Aristoteles handelt es sich bei einer solchen Politik um Oligarchie. Aber auch die folgenden Zitate umschreiben die deutsche Parteienpolitik recht zutreffend.

    „Vom Wahnsinn gab Goethe die einfache Definition, daß er darin bestehe, wenn man von der wahren Beschaffenheit der Gegenstände und Verhältnisse, mit denen man es zu tun habe, weder Kenntnis habe noch nehmen wolle, diese Beschaffenheit hartnäckig ignoriere.“ – Goethes Unterhaltungen mit dem Kanzler Friedrich von Müller

    „Partei ist der Wahnsinn der Vielen zum Vorteil von Wenigen.“ – Alexander Pope

    „Wahnsinn schafft kein Recht.“ – Jean-Jacques Rousseau, Du Contrat Social

    mfg

  2. Du hast in deiner Auflistung auf jedenfall, Friedrich August von Hayek als einer der wichtigsten Vertreter des Liberalismus im 20. Jahrhundert vergessen. Sozialpholosophisch ganz großes Kino.

    1944 erschien Hayeks „The Road to Serfdom“ (dt. Der Weg zur Knechtschaft) in England. In diesem Werk legte er dar, dass der Nationalsozialismus in Deutschland und der Faschismus in Italien nicht – wie sozialistische Intellektuelle behaupteten – Formen der kapitalistischen Reaktion seien, sondern „Weiterentwicklungen des Sozialismus“. Ziel des Buches war es laut Hayek, die damals gegen den Liberalismus tendierende Mehrheitsmeinung umzukehren und sie für die Gefahren des Sozialismus zu sensibilisieren. Hayeks Hauptargument ist, dass alle Arten von Sozialismus, Kollektivismus und Planwirtschaft zwangsläufig in Widerspruch zu liberalen Individualrechten und rechtsstaatlichen Prinzipien geraten. Die Gewaltherrschaft in den totalitären Staaten – damals neben Deutschland und Italien vor allem die Sowjetunion – sei also nicht Folge von besonderer Bosheit der entsprechenden Völker, sondern die Umsetzung der sozialistischen Lehre einer geplanten Wirtschaft. Diese führe notwendig zu Unterdrückung, selbst wenn dies nicht die ursprüngliche Absicht der Sozialisten war.

    „Politische Freiheit im Sinne von Demokratie, ‚innere‘ Freiheit, Freiheit im Sinne des Fehlens von Hindernissen für die Verwirklichung unserer Wünsche oder gar ‚Freiheit von‘ Furcht und Mangel haben wenig mit individueller Freiheit zu tun und stehen oft in Konflikt mit ihr … Die Freiheit, um die es sich hier handelt, die allein als allgemeines Prinzip der Politik dienen kann und die auch das ursprüngliche Ziel aller freiheitlichen Bewegungen war, besteht ausschließlich in der Abwesenheit von willkürlichem Zwang“ -Hayek

    Hayek empfand ausgesprochene Sympathie für die Leistungen von Ludwig Erhard bei der „Wiederherstellung einer freien Gesellschaft in Deutschland“, lehnte aber den Begriff „Soziale Marktwirtschaft“ ab, auch wenn es – wie er es ausdrückte – einigen seiner Freunde gelungen sei, dank dieses Wortgebrauchs die Art von liberaler Gesellschaftsordnung, für die er eintrete, weiteren Kreisen schmackhaft zu machen. Hayek war aber keineswegs auf der Linie der Vordenker der Sozialen Marktwirtschaft wie Eucken oder Müller-Armack und in offenem Streit mit Röpke und Rüstow. Die weitere Entwicklung in Deutschland ab Mitte der 1960er-Jahre hielt Hayek für zu interventionistisch und warnte anlässlich der deutschen Ausgabe des Wegs zur Knechtschaft von 1971 vor sozialistischen Tendenzen in der deutschen Wirtschaftspolitik.

    „Wir verdanken den Amerikanern eine große Bereicherung der Sprache durch den bezeichnenden Ausdruck weasel-word. So wie das kleine Raubtier, das auch wir Wiesel nennen, angeblich aus einem Ei allen Inhalt heraussaugen kann, ohne daß man dies nachher der leeren Schale anmerkt, so sind die Wiesel-Wörter jene, die, wenn man sie einem Wort hinzufügt, dieses Wort jedes Inhalts und jeder Bedeutung berauben. Ich glaube, das Wiesel-Wort par excellence ist das Wort sozial. Was es eigentlich heißt, weiß niemand. Wahr ist nur, daß eine soziale Marktwirtschaft keine Marktwirtschaft, ein sozialer Rechtsstaat kein Rechtsstaat, ein soziales Gewissen kein Gewissen, soziale Gerechtigkeit keine Gerechtigkeit – und ich fürchte auch, soziale Demokratie keine Demokratie ist.“ -Hayek

    Hayeks Die Verfassung der Freiheit (1960).
    Eine freie Gesellschaft setzt also für Hayek die Dominanz einer Ordnung der ersten Art und abstrakter Regeln voraus. Er befürwortet demnach eine starke Einschränkung und präzise Definition staatlicher Handlungsmöglichkeiten durch die Verfassung, um die Rechte des Individuums zu schützen. Als wichtigste Begrenzung der staatlichen Zwangsausübung betrachtet er, dass diese nur nach allgemeinen Regeln erfolgt, nie jedoch willkürlich. Das Problem sei nicht, wer über wen herrsche, sondern wie viel Herrschaft die Herrschenden überhaupt ausüben dürfen. Reine Demokratie ohne Beschränkungen staatlichen Handelns lehnt er ab, weil diese ebenfalls zu Unterdrückung tendiere („totalitäre Demokratie“). Hayek schloss sich der Meinung der liberalen Klassiker Adam Smith und John Locke an, wonach wirtschaftliche Ordnung das unangestrebte Resultat menschlichen Handelns ist (Prinzip der „unsichtbaren Hand“). Insbesondere weil es unmöglich sei, alles relevante Wissen über die Fähigkeiten und Bedürfnisse der Individuen zu zentralisieren, sei Zentralverwaltungswirtschaft nicht durchführbar, das heißt, die planende Stelle könne niemals über alle Informationen verfügen, die für eine vernünftige Planung benötigt werden. Den „Sozialingenieuren“, die eine Gesellschaft auf dem Reißbrett planen wollen, warf er die Anmaßung von Wissen (pretence of knowledge) vor. So sollte 1974 auch seine Rede zum Empfang des Preises für Wirtschaftswissenschaften heißen. Zum 20-jährigen Bestehen des „Institute of Economic Affairs“ schrieb Hayek 1977: „Ich bin stets davon überzeugt gewesen, dass wir, so wir unsere wirtschaftliche und politische Freiheit behalten wollen, unsere Bemühungen auf die Bekehrung der Intellektuellen in ihrer Eigenschaft als Meinungsmacher richten müssen.“

    ,,Die heute praktizierte Form der Demokratie ist zunehmend ein Synonym für den Prozess des Stimmenkaufs und für das Schmieren und Belohnen von unlauteren Sonderinteressen, ein Auktionssystem, in dem alle paar Jahre die Macht der Gesetzgebung denen anvertraut wird, die ihren Gefolgsleuten die größten Sondervorteile versprechen, ein durch das Erpressungs- und Korruptionssystem der Politik hervorgebrachtes System mit einer einzigen allmächtigen Versammlung, mit dem Wortfetisch Demokratie belegt.“ – „Die Anschauungen der Mehrheit und die zeitgenössische Demokratie“, in ORDO – Jahrbuch für die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft, Band 15/16(1962/63)
    https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_August_von_Hayek

    Wie es heute scheint, hat Hayek mit so ziemlich allem recht gehabt. Zum Glück wird es nicht mehr allzu lange dauern, bis sich die Politk wirtschaftspolitisch schlussendlich selber überwirft. Liquiditätsfalle seit 2009, absinken der Kaufkraft in 2016, Umsatzeinbrüche im Einzelhandel 2017…. die korrekte Bezeichnung dafür lautet: Deflationsspirale. Die folgenden Zitate scheinen die aktuelle Politik doch recht treffend zu umschreiben.

    „Vom Wahnsinn gab Goethe die einfache Definition, daß er darin bestehe, wenn man von der wahren Beschaffenheit der Gegenstände und Verhältnisse, mit denen man es zu tun habe, weder Kenntnis habe noch nehmen wolle, diese Beschaffenheit hartnäckig ignoriere.“ – Goethes Unterhaltungen mit dem Kanzler Friedrich von Müller

    „Partei ist der Wahnsinn der Vielen zum Vorteil von Wenigen.“ – Alexander Pope, Vermischte Gedanken

    „Wahnsinn schafft kein Recht.“ – Jean-Jacques Rousseau, Du Contrat Social

    mfg

    • Hayek war sicherlich ein großartiger Liberaler und war ein Schüler von Mises. Die Verfassung der Freiheit und Entnationlisierung des Geldes habe ich gelesen. (Mises liest sich besser, er war auch eine Klasse besser)

      Es ging um die Aufzählung von Libertären. Bei den großen Liberalen gehört Ludwig von Mises an die erste Stelle, das unangefochten!

      • Mir ging es ja eher darum, das sich die heutige Politische Realität halt dahingehend entwickelt hat, wovor Hayek sozialphilosophisch eindringlich gewarnt hatte. Bezüglich der Nationalökonomie favorisiere ich ganz klar John Maynard Keynes. Zum Beispiel lässt sich die vermeintliche Eurokrise, ganz einfach anhand der von Keynes definierten „Liquiditätsfalle“ spezifizieren.
        https://de.wikipedia.org/wiki/Liquidit%C3%A4tsfalle

        Das Problem ist nämlich nicht die Geldpolitische ausrichtung der EZB Währungspolitik, sondern das die EU Finanzminister einfach keine Geldpolitik im eigentlichen Sinne betreiben. Anstatt das Zentralbankensystem so zu nutzen wie es eigentlich gedacht ist, nämlich Staatsanleihen mit aktuell 0% Verzinsung gegen Liquide Geldmittel für eine Expansive Fiskałpolitik einzutauschen, beschließen die EU Finanzminister lieber eine gesamtwirtschaftlich Paradoxe Staatsausgaben-sparpolitik und bezeichnen diese strikt restriktive (Nachfragesenkend) Fiskalpolitische Doktrin, dann auch noch als Europäischen Fiskalpakt. Siehe:
        https://de.wikipedia.org/wiki/Europ%C3%A4ischer_Fiskalpakt

        Fullstory zum geschichtlichen Hintergrund der „Monetaristischen Gegenrevolution“ zum Keynesianismus, bis zur heutigen Volkswirtschaftlichen Situation.
        http://www.keynes-gesellschaft.de/wp/monetaristische-gegenrevolution/monetaristische-gegenrevolution/

        mfg

  3. Kompliment, Herr Spahn, Sie haben Ursache, Folge und Zusammenhänge sehr gut dargelegt. Das für alle Bürger grundlegend Sinnvolle muss erhalten
    werden. Nur auf Augenhöhe ist stabiles Gemeinschaftliches möglich.

  4. Mir liegt noch ein anderer Aspekt am Herzen: Ich kriege Pickel, wenn sich der Politikerdarsteller und Fiffiträger Lindner heute als Garant für Sicherheit und Ordnung aufplustert. Ausgerechnet diese Partei hat über Jahrzehnte jede konsequente Sicherheitspolitik verhindert. Ich nenne nur die Namen Leutheuser- Schnarrenberger, Baum und Hirsch.

  5. Verschwörungstheorien haben sich das ein oder andere Mal als wahr herausgestellt. Leider weiss man erst im nachhinein, welche…
    „Ich kauf mir einen Alu-u-hut,
    der steht mir so gut,
    der steht mir so gut“ (sing)

  6. Fipsi Philipp hatte zwar schöne Haare, aber politisch wesentliches bewirkt außer für die privaten Krankenkassen hat er nicht. Die Steuerreform 2008 war sinnvoll und gut gemeint, aber halbwegs schlecht durchgeführt. Ansonsten gab es da keine Lichtblicke. Klientelpolitik wie bei den anderen Parteien auch.

  7. Stimmt. Hunde wäscht man mit Hundeshampoo, Schafe werden geschoren und das Finanzamt erleichtert den Steuerzahler um Geld, damit dieser sich über dessen Verwendung keine unmittelbaren Gedanken mehr machen muss. Ein verbrieftes Recht „Der Bürger darf sich einfach mit zur Entscheidung an den Tisch setzen ohne einmal den A**** bewegt zu haben“ gibt es nicht.
    Herr Gauck hat trefflich gesagt, wie er sich den Steuerzahler vorstellt. Genügsam, schweigend und kräftig Steuern zahlend. Und wenn man ihn fragen würde, was er sich noch wünscht persönlich, dann würde er mit hoher Wahrscheinlichkeit sagen „demütig, reuig, schuld-komplex-beladen, mitläuferisch, hörig, willig, betend“.

  8. Gesteuerte Sprache, um über durch Sprache verändertes Bewußtsein, das „Sein“ zu verändern ist zwar nicht marxistisch, denn nach dem klassischen historischen Materialismus bestimmt das Sein das Bewußtsein, gleichwohl ist dieses sprachsteuernde Mittel ein beliebtes Instrument der politischen Linken zu einer „innovativen“ neurologischen Ausrichtung der mit Sprache beschäftgten Hirnregionen.

  9. Der Begriff „liberal“ im Sinne von „Freiheit in Grenzen“ wurde durch Kommunisten im Laufe der letzten Jahrzehnte in „Freiheit ohne Grenzen“ umgedeutet. Letzteres ist ein sinnfreies Gedankenkonstrukt, was man auch als Willkür oder Missbrauch von Freiheit bezeichnen kann.

    Vertreter fordern Multikulturalismus (offene Grenzen), Appeasement-Politik (Verzicht auf grenzsetzende Außenpolitik), eine defensive Polizei und Justiz (Zurückhaltung grenzsetzender Innenpolitik), Inklusion (grenzenlose Teilhabe), Nachgiebigkeit in der Erziehung (Erziehung ohne Grenzen), Gendermainstreaming (Aufhebung der Grenzen zwischen Mann und Frau). Es ist Pseudoliberalität mit dem Ziel der Zerstörung der klassisch liberalen Gesellschaft.

    Heute laufen Kommunisten im pseudoliberalen Gewand durch die Republik und können sich unterstützt durch pseudoliberale Medien liberale Demokraten nennen. Sie bekleiden mittlerweile Regierungsämter und unterhöhlen permanent diese Institutionen.

    Die Masse der klassisch Liberalen erweisen sich als nützliche Idioten, weil sie das Gebaren der Pseudoliberalen nicht durchschauen und brav ihre Metzger wählen.

    Diese Entwicklung ist nicht auf Deutschland beschränkt, sondern erfasst den gesamten Westen.

  10. Schande über mein Haupt. Das Wort „libertinär“ war mir bis jetzt kein Begriff. Ist das die Mischung aus libertär und ordinär? Würde Sinn ergeben. 🙂

  11. Der wahre Liberale sucht mit den Mitteln, die ihm zu Gebote stehen, so viel Gutes zu bewirken, als er nur immer kann; aber er hütet sich, die oft unvermeidlichen Mängel sogleich mit Feuer und Schwert vertilgen zu wollen. Er ist bemüht, durch ein kluges Fortschreiten die öffentlichen Gebrechen nach und nach zu verdrängen, ohne durch gewaltsame Maßregeln zugleich ebenso viel Gutes mit zu verderben. Er begnügt sich in dieser stets unvollkommenen Welt so lange mit dem Guten, bis ihn, das Bessere zu erreichen, Zeit und Umstände begünstigen. – Goethe
    Und:
    Der Glaube, dass keine Regierung eine Willkürherrschaft sein kann, wenn sie nur Produkt des demokratischen Wahlverfahrens ist, ist ganz unbegründet und die darin liegende Gegenüberstellung vollkommen falsch: nicht der Ursprung, sondern die Begrenzung der Regierungsgewalt bewahrt sie vor Willkür. – Hayek

  12. Sehr geehrter Herr Spahn, danke für Ihren wie gewöhnlich analytisch scharfen und gut beobachteten Artikel. Ich hätte mich, wenn Sie mir den Hinweis gestatten, mit der Lektüre leichter getan, wenn Sie auf Bandwurmsätze wie

    „Es galt spätestens nach der Regierungsübernahme des als Spaßpolitiker
    überzeichneten Guido Westerwelle zunehmend als freiheitlich, sich nicht
    mehr als liberal, sondern als libertär zu bezeichnen – in der irrigen
    Annahme, die von den sich mehr und mehr als Interessenvertretung kleiner
    Sponsorgruppen aus der Wirtschaft präsentierenden Freien Demokraten
    verinterpretierten Liberalität durch einen dem ursprünglichen Gedanken
    des Liberalismus unabhängig von einer als Klientelpartei wahrgenommenen
    politischen Gruppierung deutlich eher gerecht werdenden Libertarismus
    ersetzen zu können.“

    verzichtet hätten. Es liest und versteht sich dann einfach leichter. Aber das soll dem Wert Ihres Artikels keinen Abbruch tun.

    Was die Herkunft unserer Parteien angeht, so habe ich als jemand, der die überwiegende Zeit nach Ende des zweiten Weltkriegs selber miterlebt hat, eine etwas andere Sichtweise.

    Meiner Meinung nach hat sich der Nationalsozialismus nach dessen Ende wieder in Strömungen aufgeteilt. Die eine Strömung war die (national) konservative, genannt CDU und die andere war die SPD, die es aufgrund ihrer sich auf dem Sozialismus gründenden Prägung sehr viel schwerer hatte, sich glaubhaft vom Nationalsozialismus, ebenfalls eine Spielart des Sozialismus , abzugrenzen.

    Es gelang ihr mit dem Trick, den Nationalsozialismus per se als „rechts“ zu etikettieren und damit für sich selber eine unbefleckte Weste zu reklamieren. Diese wurde noch dadurch glaubhaft gemacht, dass viele Sozialisten in der NS-Zeit in KZs saßen. Damit wurde eine angeblich demokratisch motivierte Gegnerschaft simuliert, die aber letzlich nur eine politische Konkurrenz wie z.B. der Trotzkismus, der Leninismus und der Stalinismus darstellt, die sich in ihren politischen Mitteln, auch der Gewaltanwendung, wenig nachstanden. Insofern war sogar die DDR, zumindest was die Methoden der Staatsführung anging, ein Stück Nazi-Deutschland.

    Auch heute sehen wir, dass die SPD allzu bereit ist, wiederum undemokratische sozialistische Methoden anzuwenden, um Macht zu erlangen und zu erhalten. Der mit Steuergeldern alimentierte, in seiner Gewalt geleugnete aber heimlich gebilligte „Kampf gegen Rechts“, der nichts als ein Popanz ist, und die bedenkenlose aber sehr wohl durchtrieben gedachte Beschränkung der Meinungsfreiheit durch ein angeblich notwendiges Gesetz gegen die juristisch undefinierten Begriffe Hate Speech und Fake News mit absurd hohen Sanktionen zeigen eines deutlich:

    wie demokratisch diese Leute wirklich sind. Dazu kommt ein SPD-Bundespräsident, der im Stile des Sonnenkönigs über alle Regeln hinweg seinen Hofstaat ernennt, und ein SPD-Kanzlerkandidat, dessen grösstes Anliegen Soziale Gerechtigkeit ist, die er für sich selber trefflich durch Einsacken von Sitzungsgeldern für Events, an denen er gar nicht teilgenommen hat, herstellt.
    Darüber hinaus noch das besinnungslose Engagement für Migranten und alles Prekariat dieser Welt zulasten von uns Deutschen.

    All dies wird trefflich transportiert und als alternativlose Meinung in die Köpfe hineingehämmert, dank einer erheblichen Beteiuligung der SPD an den deutschen Presseorganen und ihrem Einfluß bei den ÖR Medien.

    Gerade deshalb ist besonders die SPD dahinterher, die Freiheit im Netz zu bekämpfen, weil sie Verlust der Indoktrination und der Meinungskontrolle bedeutet, sowie die Aufdeckung ihrer politischen Lügen!

    Die SPD entwickelt sich immer weiter zu einer radikalen, undemokratischen Partei, die man schon heute zu Recht als inter-nationalsozialistisch bezeichnen kann. Zumindest die Methoden sind schon wieder im Einsatz!

  13. Schönes Stichwort liefern sie mir: Entfremdung.
    Zutiefst „linke Tendenzen“ produzieren m.E. derart ein Analogon zur
    Entfremdung des Arbeiters von seiner Arbeit wie Murcks sie beschreibt.
    Und generieren damit ZUSÄTZLICHES „revolutionäres Potential“.
    Alles ZUFALL???
    Ich denke: Ein wenig ZU VIEL Zufall!!!

    Leider ist heute (ausser vielleicht im Osten) nur noch sehr wenig Wissen um den so genannten wissenschaftlichen Marxismus im Bewusstsein vorhanden. Sodass solche Analogien weitestgehend unbemerkt bleiben.

  14. Vielen Dank für diesen Text! Man sieht schon an diese kurzen Auszügen, wie abgehoben die liberale/libertäre Weltsicht ist. Daher sind die paar Prozent für die FDP mehr als genug.
    Man fragt sich, wo die Unterschiede zum idealen Kommunismus sind: freie Assoziationen von frei Assoziierten, was immer das auch heißen mag. Kant, der große, ging immer vom „ungeselligen Gesellen“ aus. Leider hat der Liberalismus/Libertarismus diesen Bezug verloren und schwebt somit im wohligen Wolkenkuckucksheim.
    Die Nationalliberalen wären da schon auf dem richtigen Weg gewesen.

  15. „Wenn gleichwohl der Begriff des “libertären” den Begriff des “liberalen” zunehmend mehr zu ersetzen sucht,“

    Das hat den einfachen Grund, dass die Linksautoritären sich (vor allem in den USA) selbst als „liberals“ bezeichnen, obwohl sie genau das Gegenteil sind. Mit „Liberalen“ wie Clinton oder Sanders will ein klassischer Liberaler einfach nichts zu tun haben, also gibt er sich einen neuen Anstrich, schlichtweg, weil er keine andere Wahl hat.

    • Kein Wunder, dass in den USA die Libertären keine Demokraten sondern Republikaner sind, zum Beispiel Ron Paul.

  16. Na von einer Anarchie sind wir in Deutschland aber deutlich weiter entfernt als vom Andromeda-Nebel, nämlich viele Millionen Lichtjahre…

    • Anarchie ist ein rechtsfreier Raum. Anarchokapitalismus ist ein anderes Wort für Liberatrismus und ist das Gegenteil davon. Ohne Recht, kein Eigentum, ein Staat stört da nur.

  17. So ein Blödsinn. Die CDU/CSU ist die Partei der Besserverdienenden!
    Mal ein Beispiel aus meinem Heimatort:
    CDU-Vorsitzender ist ein Unternehmer-Erbe, der einen Betrieb mit einer Bilanzsumme (inkl. aller Abschreibungen) von alleine 8 Mio. EUR in
    unserem Ort geerbt hat, wobei diese Zahl die zahlreichen Tochterunternehmen im Ausland (u.a. Malta, was Steuersparmodelle eröffnet!) gar nicht erfasst.
    Der FDP-Vorsitzende ist einfacher kleiner Angestellter (kein Vorstand!) bei der Sparkasse, FDP-Mitglieder sind neben einfachen Arbeitnehmern und Selbständigen (Rechtsanwälte usw.) Kleinstunternehmer mit zuletzt z.T. gerade mal <40.000 EUR Bilanzsumme, die stets brav in Deutschland ihre Steuern gezahlt haben.
    Wer ist hier nun der Reiche und die Partei der Reichen?!

    • „Partei der Besserverdienenden“, waren das nicht die Grünen?

  18. Aber CDU/CSU, SPD und Grüne, gell… Das sind die richtigen Hoffnungsträger für den express-Absturz unseres Landes.

    • Natürlich auch nicht, aber die FDP gehört für mich einfach zu denen. Bin einfach zu alt, um noch an die FDP zu glauben.

      • Ich auch.

  19. Aber die CDU/CSU mit ihrem ständigen Herumgepolter gegen alles, das sie nicht versteht, die war liberal, gell?

    Oh Mann, was sind das für Ansichten.

    • Ich kenne keine (!) deutsche Partei mit nennenswertem Wählerzuspruch, die auch nur ansatzweise die Freiheit als Wert vertritt.

  20. Das ist Quatsch. Wir haben ausserdem keine andere liberale Partei.

    • Die FDP dürfte nach Spahns erklärendem Artikel nur noch Oppositionspartei sein.

    • Ich halte den Beitrag des Neo-Realisten nicht für Quatsch. Im eigentlichen Sinne des Wortes ist die FDP auch nicht liberal. Das war auch meines Erachtens der GRund, arum sie aus dem Bundestag geflogen ist. Vielleicht wird FDP irgendwann wieder eine liberale Partei, wenn sie die Nachwirkungen Westerwelles und Lindners überwinden kann.

      Wenn Sie sich mal etwas mit dem Programm der AfD befassen, werden Sie darin übrigens sehr viele liberale Inhalte finden…

  21. Von der Abschaffung des Staates kann in unserem (getarnten) Obrigkeitsstaat nun wirklich keine Rede sein, bloss weil die FDP mal wieder Ergebnisse um 10% erreicht. Ganz im Gegenteil erstickt dieser übermässig misstrauische Obrigkeitsstaat viele nützliche Initiativen z.B. von Gründern im Hochtechnologiesektor schon in frühster Phase nämlich bei der Beschaffung von Forschungsmaterial. „Freiwilliges Monitoring“ heisst dieses Gestrüpp von Stolperfallen, die gut versteckt von Polizei und Behörden ausgelegt wurden, um präventiv Gründer und KMU-Unternehmen in unserem Land frühzeitig schon bei einer Materialbestellung grundlos mit so losgetretenen Ermittlungs- und Strafverfahren tausendfach zu Fall zu bringen.
    Hier wird längst im Vorfeld eines angeblichen Vorfeldes von nur durch übermässiges Misstrauen eingebildeter rein imaginärer Delikte legales wirtschaftliches Handeln, das auf zentralen Grundrechten wie Forschungsfreiheit basiert, verhindert und zwangsweise unterbunden!
    Obendrein verlangen Behörden (bundesweit verabredet in Bund-Länder-
    Arbeitsgemeinschaften), dass Händler existierende Ausnahmeregelungen für die Forschung nicht anwenden und den Verkauf verweigern sollen!
    So sieht es in Deutschland in der Realität aus! Man kann nichtmal das,
    was einem laut Grundgesetz, Gesetzen und Verordnungen eigentlich erlaubt wäre!
    Angesichts solcher Verhältnisse, die sogar die in mancher Diktatur zumindest auf diesem Gebiet in den Schatten stellen und fatal an manche Praktiken zur Ausheblung von Grundrechten in einer dunklen Zeit der deutschen Geschichte erinnern, von einer Abschaffung des Staates und Anarchie zu sprechen, ist daher völlig absurd!
    Von einer Anarchie sind wir in Deutschland zig Lichtjahre entfernt und der FDP Bestrebungen zur Anarchie zu unterstellen erscheint schon reichlich bösartig.

  22. Also hier muss ich mal einschreiten.

    Als jemand, der sich stark libertarisch betrachtet, sehe ich den Libertarismus als eine wichtige Perspektive. Natürlich läßt sich JEDE Weltanschauung so weit ins Extrem treiben, dass sie schlecht wird. Das ist bei jeder philosophischen oder politischen Theorie möglich.

    Nur: Heute sieht sich der Staat, also Regierung, Parlamente und Parteien, als der eigentliche ZWECK des Lebens, als Obrigkeit, von der der Einzelne nur etwas Nachgeordnete, ein Untertan wäre. Wenn ich schon Begriffe wie „Öffentliche Gelder“ höre! Es GIBT kein „öffentliches Geld“, es gibt nur Geld des einzelnen Bürger, denen der Staat es weg nimmt. Unser Staat aber handhabt dieses Geld als gehöre es ihm! Als wären die Staatsführer eine Art Gutsherrn und wir nur Leibeigene. Mir fehlt hier die ganz grundlegende Demut der Politiker und Bürokraten, die sich nicht als Diener zu einem bestimmten Zweck sehen, sondern als unsere Herren.

    Ich bin durchaus für einen Sozialstaat; selbst F.A. Hayek hat sich für ein bedingungsloses Grundeinkommen ausgesprochen, das viel sinnvoller wäre, und durchaus NICHT im Widerspruch zum Libertarismus steht. Die Zahl der Liberatrier die ernsthaft die komplette Abschaffung des Staates fordern sind sehr wenige, und viele verwenden diese Forderung als Kampfbegriff gegen einen Staat der mittlerweile immer übergriffiger wird!

    Mittlerweile ist fast nur noch der Schlaf Privatsache! Man erzieht uns, gängelt uns, zensiert uns. Man sagt und was wir für Glühbirnen kaufen sollen, wer wo rauchen darf, welche Gender-Pronomen opportun ist, was als „Haß“ nicht erlaubt ist zu sagen, und verteilt mit einer unverschämten Großzügigkeit unsere Steuergelder in alle Himmelsrichtungen, als wäre es das Ihre! Der Staat hat sich auf die notwendigen Aufgaben zu beschräken. Dabei sehe ich Grundsicherung und Gesundheitsversorgung durchaus inbegriffen, da verarmte Massen eine Gesellschaft schnell instabil machen. Im Allgemeinen bin ich aber sehr für einen Minimalstaat, der eben nicht unser Leben regiert, sonder allein das unbedingt Nötige tut.

  23. Das sehe ich nicht so. Klar, die Performance der FDP war in der letzten Regierungsperiode unterirdisch, was vermutlich daran lag, über keine geeigneten Politiker zu verfügen, welche Merkel die Stirn bieten konnten. Auch ich habe mich damals von der FDP abgewandt, als sie tatsächlich dem ESM und damit den Weg hin zur planwirtschaftlichen Währungspolitik geebnet hatten. Hätte die FDP damals die Koalition platzen lassen, wäre die Notwendigkeit einer AfD nicht gegeben und sie wäre heute zweistellig im BT vertreten.
    Dennoch sehe ich derzeit in der FDP die einzige nicht staatsgläubige Partei, die immer mehr Regulierung durch einen immer teureren Staat verlangt. Ich habe die Hoffnung, dass sich in der FDP Widerstand gegen den immer weiter um sich greifenden Nanny-Staat, der uns auch immer mehr kosten wird, regt. Nach nahezu 4 Jahren der großen Koalition zweier sozialistischer Parteien, die uns unserer Freiheitsrechte immer mehr berauben, brauchen wir dringend ein Korrektiv. Ich hatte mal die Hoffnung, dass eine AfD unter Lucke dieses Korrektiv sein könne und diese Partei bei der letzten BT-Wahl deswegen auch gewählt. Leider hat sich die Partei meiner Meinung nach seit dem Abgang von Lucke und Henkel auch in die falsche Richtung entwickelt. Somit bleibt mir als Hoffnung für Deutschland ja nur noch die FDP. Sollte diese Hoffnung auch sterben, bleibt ja nur noch der Schritt, den schon viele meiner Freiberufler gegangen sind, nämlich die Flucht ins Ausland.

  24. Bei seinem Durchgang Liberalismus und libertärem Denken hätte Herr Spahn zumindest am Rande die österreichische Schule der liberalen Ökonomen, Ludwig Mises, August Hayek, Carl Menger u.s.w. erwähnen müssen, die „echte“ liberale Alertnativen zum sozialistischen Wirtschaften und zum Wirtschaften im gegenwärtigen Geldsystem aufgezeigt haben.

    Wer sich wirklich über liberales Denken informieren will, sei auf die kürzlich durch Freitod aus dem Leben geschieden grossartige liberale Denkerin Susanne Kablitz hingewiesen und ihr überragendes Vermachtnis ,das Buch „Bis zum letzten Atemzug“, wo sie in romanhafter Form den Entwicklungsgedanken der liberalen Idee beispielhaft in einer Familiensaga ihren Lesern näherbringt.

    Susanne Kablitz eine außergewöhnliche Frau und starke Kämpferin für aufgeklärtes Bürgertum und liberale Grundüberzeugungen hat diese Welt verlassen in der Erkenntnis, dass der Weg den wir jetzt gehen unweigerlich in eine vorgezeichnete Katastrophe führt

    • Die gute Susanne wird schmerzlich vermisst…

    • Der Tod dieser starken Persönlichkeit ist ein nicht zu unterschätzender Verlust für das Land und den Diskurs. Es stimmt mich traurig, dass sie Vertrauen nicht mehr sieht und aufgegeben hat, was sie als Werk aufgebaut hat. Ein wertvolles Geschenk ist es.

  25. „Der „Zivilgesellschaft“. Auch dieser Begriff zielt darauf ab, eine Trennung zwischen „dem Staat“ als bürgerfremdes Organisationskonstrukt und dem Bürger als von diesem Konstrukt autoritär gelenkten Individuum zu konstruieren…….“

    Ich widerspreche Ihnen vehement, ja ich behaupte, dass Sie den Kern des Begriffes „Zivilgesellschaft“ und den sich daraus ergebenden Implikationen nicht erfassten.
    Zivilgesellschaft sind ORGANISIERTE Akteure zwischen der staatlichen und gesellschaftlichen Ebene. Hierzu zählen z.B. die Sozialpartner und weitere Organisationen, die im wirtschaftlichen und sozialen Bereich tätig sind, Religionsgemeinschaften sowie alle Arten von Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Teilweise wird Zivilgesellschaft europäischen Verbänden gleichgesetzt. (siehe auch Handlexikon der europäischen Union oder andere leicht zu findende Quellen)
    Im öffentlichen politischen Diskurs wird der Begriff der „Zivilgesellschaft“ bewusst unscharf verwendet und dann umgedeutet, so dass beim weniger aufmerksamen Zuhörer/Leser der Eindruck entsteht, es handele sich bei der Zivilgesellschaft um die Gesamtheit der Bürger. Die Unschärfe des Begriffs ist gewollt, denn der Begriff „Zivilgesellschaft“ ist ein Kampfbegriff zur Ausgrenzung der politischen Opposition, die als nicht zur Zivilgesellschaft gehörend dargestellt wird.
    So besteht die Zivilgesellschaft in den Medien aus den „Guten“, die sich den „Bösen“ in den Weg stellen. Dass die „Guten“ mit der Zivilgesellschaft gleichgesetzt werden bei totaler Unschärfe der Begriffe, stellt die „Bösen“ ausserhalb der Zivilgesellschaft – implizit also ausserhalb der Gesellschaft!!

    Die Demokratie delegitimiert sich auf diese Weise selbst, da sie mittlerweile die Opposition im Lande als nicht zur Gesellschaft gehörend darstellt. Eine zutiefst erschreckende Erkenntnis, die nicht hinreichend diskutiert wird.
    „Der Staat“ und „Die Zivilgesellschaft“ sind keine Gegensätze, der Staat hat die Zivilgesellschaft gekapert, oder umgekehrt, um jede Opposition unmöglich zu machen. Die Zivilgesellschaft und Der Staat sind ein und dasselbe in anderem Gewande. Die Zivilgesellschaft ist die Infiltratrion der Gesellschaft durch den Staat in striktem Gegensatz zu dem, was der Autor behauptet.

  26. Welche Chance sollte der Liberalismus noch in einer zunehmend „verwalteten Welt“ https://de.wikipedia.org/wiki/Verwaltete_Welt haben? Diesen Begriff hat Adorno schon 1956 für eine „nachliberale Gesellschaft“ geprägt. Vor die Alternative „Freiheit und Selbstverantwortung“ oder „Sicherheit und Versorgung“ gestellt, entscheidet sich eine Mehrheit für Letzteres. Das ist es, was die FDP so überflüssig macht.

  27. Liberal ist weder Fisch noch Fleisch und neigt damit eher zum käuflichen „Hurentum“.

  28. Zitat:“Was nun den Erfolg angeht, so wird man sagen müssen: Ziel total
    verfehlt. Wir sind heute von der Erreichung dieser klassisch liberalen
    Ziele weiter entfernt als wir es vor 150 oder 100 Jahren waren.“

    Direkt nach dem Fall der Mauer haben sich Türen geöffnet, durch die leider kaum jemand durchgegangen ist. Bis am 11. September 2001 der Umkehrpunkt gesetzt wurde und seit dem alles den Bach runter geht.
    Chance verpasst. Man hätte den Weg nach Ende des Kommunismus sofort und konsequent zu Ende gehen müssen.

    • Volltreffer, Herr Pöhling. Die Chance wurde wahrlich vertan.

  29. „Die FDP war letztlich eine Partei für unbedachte Stammwähler, allenfalls Ausweichpartei für Wähler anderer Altparteien.“ Dem ist nichts hinzuzufügen. So ist es mir zum allerlezten Mal 2013 gegangen.

  30. Lieber Herr Spahn, Liberalismus hat grundsätzlich nichts mit Anarchie und Verantwortungslosigkeit zu tun. Wird aber von vielen gleichgesetzt und gleich gehandhabt. Sie sollten auch bedenken, das Verantwortungslosigkeit und anarchistisches Verhalten von der schwarz-rot-grünen Einheitspartei praktiziert werden, die mit liberalem Gedankengut nichts am Hut hat und auch für sonst nichts zu gebrauchen ist.

    • Sie verwechseln die politische Idee des Anarchismus mit Libertinage.
      Anarchie ist staatsfreie Selbstorganisantion von Gruppen und Individuen.

      Die Klassiker des Anarchismus wie Proudon, Bakunin, Kropotkin, in Deutschland Gustav Landauer oder Rudolf Rocker waren hochreflektierte Leute, deren Bücher zu lesen auch heute noch Erkenntnisgewinne verspricht..

      Ich empfehle an dieser Stelle Rudolf Rocker „Aus den Memoiren eines deutschen Anarchisten“ Rocker lebte von 1873 bis1958 und konnte auf ein außergewöhnliches Leben zurückblicken.

  31. Kann ich Ihnen nur zustimmen. Jeder spricht über Liberalismus und meint nur die individuelle Freiheit die damit assoziiert ist. Dass diese Freiheit aber eine maximale Selbstverantwortung impliziert, kapiert fast Keiner . Und wie viele Menschen kennen Sie die das leisten wollen oder können? Bei der Proklamation der Menschenrechte wurde einen fundamentalen Fehler gemacht: es wurden die Pflichten vergessen.

  32. Hosenträger muss es natürlich heißen. Die FDP als Hosenträger.

    Im September für den sprechenden Hosenanzug.

    • FDP als Hosenträger der Merkel- Union. Falls es nicht reicht für die FDP, die SPD gleich ganz Hose vom Hosenanzug, wie gehabt.

      Wer ist der freche Terrier, der nach der Hose schnappt? Merkel hat bekanntlich eine Hundephobie. lol

  33. Was Sie da bezüglich des Satanismus ansprechen ist hochinteressant. Aus den geleakten Mails aus Hillary Clintons Wahlkampfteam wurde vielfach gefolgert, dass Clintons Wahlkampfleiter an schwarzen Messen beteiligt gewesen sein soll – geleitet von der Frau Abramovich (der Künstlerin aus New York – Stichwort „Spirit Cooking“). Die Authentizität des Leaks kann ich freilich nicht beurteilen.

    • Googeln Sie mal „Church of Satan“. Sie werden sich wundern. Ursprünglich hat der Satanismus, als Gegenentwurf zum Christentum, seinen (organisierten) neuzeitlichen Ursprung in England bei Crowley und seinem Umfeld. Was in England aber schon seit Ewigkeiten aus der Mode gekommen ist, ist in den USA teils noch salonfähig. Wenn auch nicht so, wie man dies öfters in Horrorfilmen zu sehen bekommt. Es geht da weniger um Menschenopfer o.Ä., als vielmehr um die freie Entfaltung der Persönlichkeit, ohne Rücksichtnahme auf Dritte. Moral spielt da keine Rolle mehr. Und wenn Sie nun an so manche vollkommen rücksichtslose Aktion der Führungseliten denken, ist der Verdacht, hier spiele okkultistischer Mumpitz eine Rolle, nicht so weit hergeholt.

  34. Ich widerspreche der These des Textes: Es war wohl nur die zunehmende Übernahme des Begriffs „liberal“ durch andere Kräfte (man bedenke nur, was z. B. in den USA unter „liberal“ verstanden wird), die manche Politiker dazu gebracht hat, dass nicht ganz passende „libertär“ zu verwenden.

  35. Ich habe mich bislang zugegebenermaßen weder mit dem klassischen Liberalismus noch mit dem Libertarismus intensiver auseinander gesetzt, nur soviel:

    „Wenn man Rechtsgleichheit und den Schutz des Privateigentums will, dann
    darf man nicht und niemals gleichzeitig einen Staat – und schon gar
    nicht einen demokratischen Staat – und staatliche Steuern fordern oder
    befürworten! Denn beides ist per definitionem mit Rechtsgleichheit und
    Eigentumsschutz unvereinbar.“

    Mir stellt sich die Frage: Wer will ohne Staat den Schutz des Eigentums garantieren? Wie ist der Schwächere davor geschützt, dass sich der Stärkere sein Gut einfach aneignet?
    Und dazu folgend die alte Definition von Kant, nach der Freiheit die Abgrenzung der Willkür des Einzelnen vor der Willkür des Anderen darstellt: Wer bestimmt ohne staatliches Rechtssetzungs- und Rechtsdurchsetzungsverfahren, wo die Freiheitssphäre des Einen beginnt und des Anderen endet? Oder anders ausgedrückt: Wie stellt man sicher, dass die Freiheit dann nicht letztlich in der Herrschaft des Räuberhauptmanns besteht?

    • Den Schutz des Eigentums kann man nicht garantieren, weil es immer Begehrlichkeiten von Dritten daran gibt. Kant ist eine gute Quelle, er schreibt nämlich auch, dass einseitig gesetztes Recht Willkür ist. („denn durch einseitigen Willen kann Anderen eine Verbindlichkeit, die sie für sich sonst nicht haben würden, nicht auferlegt werden.“ (Kant (1797 AA06) S. 264). Die Frage ist nur: Wieviel Sicherheit muss sein? Der Staat als Monopolist kann die Frage nicht beantworten. Das ist ihm letztendlich auch egal. Je mehr Unsicherheit, je mehr schreien nach dem Staat. Er dürfte also gerade ein Interesse an einem (gewissen) Mass an Unsicherheit haben.

      M.E. zerstört der Staat auf lange Sicht die Sicherheit, weil die einzelnen Indiuen sich nicht mehr darum kümmern. Hier sind wir wieder bei Kant: Die Verantwortung liegt bei jedem Einzelnen. Der Staat steht und fällt mit der Akzeptanz seitens der Bürger, hat schon Hume erkannt, sie finden auch etwas bei Thomas von Aquin.

      • Was Sie sagen stimmt natürlich, nur bleibt mein zentraler Einwand meine ich bestehen: Wie verhindert man, dass nach der Beseitigung staatlicher Ordnung nicht einfach andere Akteure an dieselbe Stelle treten? Historisch war es nun nämlich leider häufig so, dass es nach dem Zerfall einer Zentralgewalt zu einer Partikularisierung von Herrschaftsmacht gekommen ist, z.B. durch konkurrierende „Warlords“. Die Herrschaft über andere wurde damit nicht aufgehoben, sondern lediglich auf andere Akteure verlagert.

      • Nach meinem Dafürhalten ist eine Zentralgewalt immer schlecht für das Individuum, Wettbewerb ist gut für das Individuum. Deswegen ist die Forderung der Libertären die Sezession, dies schwächt die Zentralgewalt, es macht einen Unterschied, ob die nächste Grenze für das Individuum 10 km oder 1000 km entfernt ist. Da zieht man schnell mal um.

        Konkurrierende Warlords gibt es jetzt schon, wenn ich an die NoGo Areas denke. Der Staat schaut zu. Aber wehe, wenn mal eine Konferenz in Hamburg ist, dann werden die Sicherheitskräfte dort zusammen gezogen.

        Historisch gesehen gab es in Europa keine Zentralgewalt. Das war schlecht für die Feudalherren, denn sie wurden durch andere Feudalherrren bedroht und ihre Untertanen wurden zunehmend unabhängig. (Quelle: Hülsmann, Ordnung und Anarchie, S. 70)

        Ich könnte mir vorstellen, dass die Verteilung von Gewalt beim Kalkül eines Angriffs eine Rolle spielt. Die Angriff lohnt sich besonders für den Angreifer, wenn das Opfer nicht bewaffnet ist und sich nicht wehren kann. Wenn der Angriff sich nicht lohnt, also zu Risikoreich ist, könnten „Warlords“ verhindert werden. Die Situation ist aber unabhängig von staatlichen Strukturen, wenn z.B. ein Staat einen anderen angreift.

        Um Konflikten zu begegen ist m.E. eine gemeinsame Kultur erforderlich: gemeinsame Sprache, gemeinsame Religion usw.. Benötigt wird eine homogene Gruppe und die wird besser in kleinen Einheiten erreicht.

      • Auf jeden Fall interessante Ideen, mit denen ich mich verstärkt auseinander setzen möchte. Ein Unbehagen bleibt freilich – das Unbehagen, dass dieses Gesellschaftsmodell unter den gegenwärtigen Zuständen und den sich abzeichnenden Entwicklungen Utopie bleiben muss.

  36. Lieber Herr Spahn,
    vielen Dank für Ihren aufklärenden Artikel. Ich muss gestehen, dass ich über die
    von Ihnen aufgezeigten Zusammenhänge noch nicht nachgedacht hatte.
    Jetzt ist mir natürlich klar, wo die Schnittmenge zwischen der FDP und den Grünen zu finden sind.

    Deshalb sehe ich in unserer derzeitigen Parteienoligarchie keine Lösung für die
    Redemokratiesierung von DE. Dies dürfte nur mit direkter Demokratie möglich sein.
    Die für diesen radikalen Schritt notwendigen Mehrheiten sehe ich derzeit nicht.
    Auch wenn Afd und CSU zumindest Ansätze von direkter Demokratie im Programm
    haben.

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