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Wie geht es weiter mit Venezuela?

08.02.2019

| Lesedauer: 4 Minuten
Die einzig nennenswerte Einkommensquelle ist der Erdölexport. Der reichte schon vorher nicht, um genügend Lebensnotwendiges zu importieren. Jetzt ist er am Ende.

„It’s the economy, stupid!“. Mit dieser banalen Erkenntnis gewann schon Bill Clinton die Präsidentschaftswahl. Genauso banal ist es im Fall von Venezuela. Es ist ein einfacher Dreisatz. Rund 99 Prozent der Exporte des Landes bestehen aus Erdöl. Nicht nur wegen fallender Ölpreise, sondern jahrelanger Misswirtschaft, mangelndem Unterhalt und ungeheuerlicher Korruption sind die Einnahmen schon lange im Sinkflug. Während sich die Boliburguesía, die bolivarische Bourgeoisie, wie die herrschende Schicht heisst, im Milliardenbereich bedient, reichen die Einnahmen aus dem Export schon lange nicht mehr dafür, genügend Lebensnotwendiges zu importieren. Da Venezuela kaum etwas selbst herstellt, gehört dazu fast alles. Lebensmittel, Medikamente, Ersatzteile, Materialien aller Art, Kabel, die Liste ist endlos.

Jetzt kommen noch zwei Probleme hinzu, die dem Regime von Maduro eher früher als später den Todesstoss versetzen werden. Zum einen haben die USA beschlossen, Zahlungen für Importe von venezolanischem Erdöl auf Sperrkonten umzuleiten, die von Maduro nicht, von seinem Widersacher Guaidó hingegen schon benützt werden können. Dazu muss man wissen, dass schon seit den Zeiten von Chávez ein Drittel der Exporte in die USA gehen. Dort betreibt Citgo, eine Tochter des staatlichen Ölkonzerns PDVSA, drei Raffinerien und ein Tankstellennetz. Davon ist allerdings schon ein grosser Teil an den russischen Konzern Rosneft verpfändet, aber das ist eine andere Geschichte.

Fallen also die USA als wichtigster Abnehmer von venezolanischem Öl weg, verschärft sich die Devisenkrise dramatisch. Aber das ist noch nicht alles. Gerade hat das normalerweise gut informierte Wall Street Journal (WSJ) gemeldet, dass der grosse staatliche Ölkonzern Lukoil, zusammen mit anderen fünf russischen Firmen, seine Verträge mit dem venezolanischen Staatskonzern PDVSA ausgesetzt habe. Das ist eine ganz schlechte Nachricht für Maduro, weil Lukoil der Hauptlieferant von Verdünnungsmitteln ist, die beim Transport des ausgesprochen schweren Erdöls von Venezuela notwendig sind und es überhaupt erst raffinierbar machen.

Damit sollte Venezuela, so vermutet das WSJ, innerhalb von wenigen Tagen das Benzin ausgehen. Aber auch damit nicht genug, das russische Finanzministerium hat öffentlich darauf hingewiesen, das es die schnelle Bezahlung von 100 Millionen Dollar im Zusammenhang mit nicht bedienten Darlehen verlangt. Statt das still unter Brüdern auszuhandeln, ist die Bekanntgabe ein klares Signal, dass Russland eher sauer ist. Da zudem mit den USA die einzige verbleibende Devisenquelle versiegt ist – die Ölexporte nach Russland und China dienen vollständig der Schuldentilgung oder der Begleichung von Zinsen –, dürfte das Regime von Maduro eher schnell in finanzielle Probleme geraten. Neben allem anderen selbstverschuldeten Unglück ist die Erdölförderung auf 1,3 Millionen Barrel am Tag gefallen, die niedrigste Zahl der letzten 30 Jahre.

Auch der Verkauf der Goldreserven, den Maduro offensichtlich begonnen hat, gestaltet sich schwierig. Beispielsweise die Bank von England verweigerte seinem Regime den Zugriff auf dort gelagerte Goldbestände im Wert von 1,3 Milliarden Dollar. Und wenn ein befreundeter (oder geldgieriger) Käufer, was bei diesen Dimensionen am ehesten Staaten wären, venezolanisches Gold in Devisen wechselte, würde er sich natürlich den Zorn der USA zuziehen, die ihre Wirtschaftssanktionen immer gerne global verstehen.

Und der letzte Sargnagel für Maduro besteht darin, dass seine wichtigsten Unterstützer, Russland und China, nicht ideologisch handeln, sondern pragmatisch. Auf welche Weise haben sie die höchsten Chancen, ihre Milliardeninvestitionen in Venezuela zu retten, zumindest einen Teil davon zurückzubekommen? Durch Unterstützung von Maduro oder durch einen Schwenk auf Guaidó? Über den gesichtswahrenden Umweg «wir mischen uns nicht in die inneren Angelegenheiten ein» werden auch sie Guaidó anerkennen, wenn es ihm gelingt, Maduro von der Macht zu vertreiben.

Da eine militärische Intervention von aussen, trotz markigen Sprüchen von Präsident Trump, eher unwahrscheinlich ist, spielt natürlich das venezolanische Militär eine entscheidende Rolle. Wird es das Amnestieangebot des zweiten Präsidenten annehmen oder zum Schluss kommen, dass es seine Pfründe besser mit dem ersten Präsidenten verteidigen kann? Gibt es Ansätze zur Meuterei der einfachen Soldaten gegen die rund 2000 Generäle, die an den Fleischtöpfen sitzen, während es der Mannschaft nicht viel besser geht als der Bevölkerung? Das ist die entscheidende Frage, die zurzeit niemand beantworten kann. Die wenigen Offiziere, die bereits zur Opposition übergelaufen sind, bedeuten keinen nennenswerten Verlust für das Regime.

Donald Trump, das muss man ihm lassen, hat ziemlich geschickt politisch und vor allem wirtschaftlich die Schrauben angezogen und setzt voll auf den jugendlichen Oppositionsführer Guaidó. Gleichzeitig, sonst wäre er nicht Trump, reisst er mit dem Hintern teilweise ein, was er mit den Händen aufbaut. Beispielsweise die Ernennung vom 71-jährigen Elliot Abrams zum Sonderbeauftragten für Venezuela ist sehr dumm. Der alte kalte Krieger wurde für seine Beteiligung an der Iran-Contra-Affäre rechtskräftig zu einer Gefängnisstrafe verurteilt und fiel auch schon durch verharmlosende Sprüche über Militärmassaker in El Salvador auf. Sicherheitsberater und Kriegsgurgel John Bolton bedroht Maduro mit einem Aufenthalt im einschlägig bekannten US-Straflager in Guantánamo.

Das alles weckt natürlich in Lateinamerika die Erinnerung an dunkle Zeiten, als die USA immer wieder missliebige Regierungen durch das Militär wegputschen liessen; in Guatemala, Chile und so weiter. Hätte Trump einen weniger vorbelasteten Sonderbeauftragten ernannt und Bolton eine Maulkorb umgehängt, würde es auch in Lateinamerika augenfälliger werden, dass es sich hier nicht um einen Militärputsch oder die Errichtung einer Diktatur handelt. Sondern um den Versuch, einen unfähigen Diktator von der Macht zu vertreiben, der sein Volk verhungern lässt oder in die Flucht treibt. Ob Guaidó tatsächlich eine demokratische Lichtgestalt ist, die mehr oder minder freie Wahlen abhalten wird, wird sich weisen.

Die Voraussetzung dafür ist natürlich, dass Maduro und das Militär ohne Gewalt weichen. Den Venezolanern ist’s zu wünschen, nach diesen vielen Jahren des Missbrauchs. Auch Linke sollten einsehen, bevor sie die aktuelle Krise als typischen imperialistischen Putschversuch der USA denunzieren, dass die Lage in Venezuela inzwischen so dramatisch ist, dass eigentlich alles besser wäre als eine Fortsetzung der Herrschaft von Maduro. Und wenn ein Regime in diesem Stadium angelangt ist, dann ist es rettungslos verloren. Es kann sich höchstens noch entscheiden, ob es mit oder ohne Blutbad abtritt.

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17 Kommentare

  1. Keine Ahnung, aber eine feste Meinung haben, das ist die beste Voraussetzung, um einen Kommentar zu schreiben, right? Der Hintern ist zum Sitzen da, das Hirn zum Denken; sollten so Leute wie Sie nicht verwechseln.

  2. Trump wird wie ein Schachspieler dem Sozialismus in Venezuela ein Ende bereiten. Und sein König ist mit Brasilien schon in Erscheinung getreten.

  3. Empfehle den Anschluß an Deutschland. Vielleicht startet man mit einer Wirtschafts-, Sozial- und Fiskalunion. Da können wir sicher nur gewinnen.

  4. Ich wäre ebenfalls sehr glücklich, sollte Venezuela ohne eine amerikanische Militärintervention ge-regime-changed werden.

    Ich würde ungerne auf den von mir gern genutzten Ausspruch vom „Friedenspräsidenten Trump im Gegensatz zu Serbienbomber Clinton, Irakbomber Bush und Libyenbomber Obama“ verzichten.

    Das triggert die von den Schwarzrotgrünen immer so angenehm.

    Ich würde eine kolumbianisch-brasilianische Militärintervention mit dezidiert NUR logistischer Unterstützung der Amerikaner vorschlagen. Putin hat auch still zu bleiben, er hat schließlich Syrien bekommen. Was natürlich vollkommen richtig und gut zum Schutz der christlichen und anderen Minderheiten Syriens war.

  5. Maduro könnte gestürzt werden mit Hilfe des Mittelbaus der Offiziere und einigen Generälen die qua Intelligenz und Chancenerkennung die Seiten wechseln, um bei einem Regimewechsel nicht zu den Verlierern zu gehören. China und Russland könnten das Ihre dazu beitragen, zur Rettung ihrer Kredite auf diese Karte zu setzen, was bei einer pragmatischen Ausrichtung ihrer Politik nicht auszuschließen ist.

  6. Wem interessiert Venezuela? Ich verstehe diese Obsession nicht.

    • Erstens heißt es „wen“ und nicht „wem“ , zweitens ist Ihr Kommentar Ausdruck arroganten Spießbürgertums.

  7. Es wäre hilfreich, sich an das Völkerrechtsprinzip der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten zu erinnern. So lange die UNO nichts anderes beschließt, hat einzig und allein das venezuelanische Volk zu bestimmen, was in Venezuela geschehen soll, so bitter das im konkreten Fall für viele Menschen, die dort leben, auch sein mag. Die Einmischungen, vor allem der USA, Großbritanniens und Frankreichs, haben im Nahen Osten gewaltiges Leid, viele Tote, reale Trümmer und nicht funktionierende Staaten hinterlassen. Das sollte Mahnung genug sein.

    • Offensichtlich ist es Herrn Maduro egal, was das venezolanische Volk so will. Er hatte die Parlamentswahl ja mit Pauken und Trompeten verloren. Und die Einmischungen der Russen (Afghanistan, sie erinnern sich vielleicht?) oder der Iraner haben ja wohl kaum weniger Chaos angerichtet.

      • Nein Eloman, Maduro wurde ganz legitim mit 67% von seinem Volk gewählt. Venezuela hat ein ganz modernes Wahlsystem.

      • Ja klar, Wahlbeteiligung ca. 30 %, die aussichtsreichsten Gegenkandidaten durften nicht antreten usw. usf. Tolles modernes Wahlsystem, gab es schon in der DDR.

    • Richtig Herr Lange.

      Alfred de Zayas, der UN-Sonderberichterstatter für Menschenrechte, plädierte erst vor einigen Tagen dafür, dass der Internationale Gerichtshof die Wirtschaftssanktionen gegen Venezuela von Seiten der USA als mögliches Verbrechen gegen die Menschheit untersuchen solle.

      In den vergangenen fünf Jahren haben die US-Sanktionen Venezuela von den meisten Finanzmärkten abgeschnitten, wodurch die lokale Ölproduktion abstürzte. In der Folge hat Venezuela den stärksten Rückgang des Lebensstandards erlitten, der je in der lateinamerikanischen Geschichte erfasst wurde.

      Bevor die US-Sanktionen einsetzten, hatte der Sozialismus in Venezuela Ungleichheit und Armut verringert und zugleich die Renten erhöht. Im gleichen Zeitraum geschah in den USA genau das Gegenteil.

      Präsident Chavez finanzierte mit dem Öl-Einkommen soziale Projekte wie eine kostenlose Gesundheitsversorgung, Bildung, subventionierte Nahrungsmittelnetzwerke und den Wohnungsbau.

      Zuvor traf es bereits den Irak und Libyen! Nach Venezuela kommen wohl Kulumbien und Kuba dran. Iran machen ja ihre Freunde schon platt, denken die.
      Es geht den Amis nicht um Menschenrechte, sondern um Erdöl und den Petro-Dollar!
      Ich hoffe nur, die bekommen bald so richtig auf die Fresse. Aber bitte in ihrem Land!

      Trump ist ein Idiot, der von Politik keine Ahnung hat, aber mit der Clinton hätte wir wohl den dritten Weltkrieg schon längst,
      Gut das sich weder die Russen noch die Chinesen provozieren lassen! Unser Glück!

  8. Ist es ein Schreibfehler oder hat Venezuela tatsächlich 2000 Generäle? Sollte dem so sein, dann gibt es nichts mehr zu diskutieren. Den korrupten Sozialismus in seinem Lauf, muß man dann eben aufhalten, und nicht nur dort.

    • Es ist ein Fehler, obwohl ich nicht weiß, ob ein „Schreib“-Fehler.

      Bis zur Machtübernahme durch die Präsidentschaft von Chavez Anfang 1999 hatte Venezuela circa 65 bis 70 Generäle im Dienst und in der Reserve. Völlig normal bei einer durchschnittlich mäßigen Armeegröße mit zusätzlich einer sehr, sehr geringen Reserve.

      Chavez und Maduro vervielfältigten gezielt inflatorisch die Anzahl der hohen Offiziere und insbesonderen der Generäle.

      Das hatte vier Gründe:
      1.) Verdünnung des Anteils der eigentlich fachlich Ausgewiesenen;
      2.) Aufbau korrupter kompromittierter „loyaler“ Netzwerke;
      3.) Belohnung für erwiesene und Anreiz für künftige Gefolgschaft;
      4.) Aufbau riesiger, militärisch wertloser, aber gegen die Bevölkerung brutaler Unterdrückungsmilizen.

      Zum Tode von Chavez gab es schon circa 1.300 Generäle. Inzwischen sind es jedoch weit über 4.000, tendieren zunehmend auf die ca. 4.200.

      Alleine die finanzielle Belastung dabei dürfte sich übrigens sogar der aller-unmilitärischste unter den Lesern vorstellen. Das durch eine solche Inflation an Generälen inzwischen etablierte Wirkklumpen an Korruption ist hingegen in seiner Mächtigkeit unvorstellbar. Militärisch bedeutet dieser Vorgang das Ende jeder realen Armee-Operatibilität.

      • Fehler? Sie beziehen sich mit den 4000 Generälen auf eine Meldung von Bloomberg aus dem Jahre 2016. Völlig belegfrei, aber seither gerne wiederholt. Typischer Fall von: einer behauptet es, anschliessend schreiben das alle ab, und am Schluss ist’s die Wahrheit.

      • Schön, daß Sie so viel über mich wissen! Ich nütze dann die Chance aus: Könnten Sie mir auch mitteilen, wie lange noch Ihrer Einschätzung gemäß ich meinem Krebs (MM in sehr hohem Patientenalter) werde widerstehen können?

        Zu der Sache: Von Bloomberg weiß ich nichts. Ich verfolge die venezolanische Lage ziemlich genau seit Jahrzehnten. Meine Schätzungen habe ich allmählich über die Jahre aufgebaut. Sie entsprechen auch ziemlich genau der inneren und äußeren Logik der Ereignisse.

        Sehr viel Zeit habe ich im Moment nicht, da gerade akut von Schmerzen beeinträchtigt. Deswegen auf die Schnelle ein zumindest zunächst hinreichender Link der „Ventana Viral“, einer auf der Beobachtung von und um Venezuela spezialisierte Seite, mit welcher ich recht gute Erfahrungen im Laufe der Jahre gesammelt habe. (http://ventanaviral.com/cuantos-generales-hay-en-venezuela/)
        Es wird ausgeführt, daß es noch im Jahre 2014 „mindestens mehr als“ 2000 Generäle in Venezuela gab, das heißt, recht viel mehr als 2000.

        Hinzuzuzählen sind dann ca. 200 zusätzliche Ernennungen 2014; ca. 216 2015; ca. 320 2016; ca. 342 2017; ca. 570 2018, mit enorm steigender Tendenz dann jetzt zum Anfang 2019. Die Steigerungen in den inflatorischen Ernennungswellen der letzten Jahre erklären sich leicht durch die allgemein depravierende Lage und die Mobilisierung zusätzlicher dubioser Milizen, sowie die akute jetzige Konfrontation, mit ihren zusätzlichen Mobilisierungsbemühungen.

        Im Sinne des von mir erwähnten Aufbaus korrupter mafiaförmiger Machtnetzwerke sitzen also Tausende von Generälen (wohl mehr als die Hälfte des Gesamtbestandes) in den Ministerien, den Behörden, den Medien, den staatlichen Unternehmen und und und… – alles mit allem verklebend in einem angeblich bolivarianischen (auch demonstrativen) Präsenz- und Machtklumpen.

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