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Teil 1: Die Grenzen des Westens

Überdehnung nach außen und Polarisierung nach innen

von Gastautor

03.02.2024

| Lesedauer: 9 Minuten
Nach seiner Überdehnung droht dem Westen die Selbstauflösung. Unsere Selbstbehauptung erfordert vor allem Selbstbegrenzung. Ein Beitrag von Heinz Theisen in drei Teilen. Hier in Teil 1 geht es um die Grenzen des Westens.

Die prekäre Lage des Westens resultiert nicht zuletzt aus der Entgrenzung des Eigenen und der Verleugnung von kulturellen, physischen und zunehmend auch von natürlichen Grenzen. Auch wenn mit den schmählichen Abzügen aus Afghanistan und Mali die Zeit der militärischen Interventionen in fremden Kulturen zu Ende gehen dürfte, so lebt die hochmütige Gesinnung „Wie im Westen so auf Erden“, weiter fort, unter anderem in der Entwicklungshilfe für den „Globalen Süden“, obwohl dieser sich längst gegen den Westen zusammenschließt.

Überdehnung nach außen und Polarisierung nach innen

Die neue Staatengruppe BRICS-plus dient angesichts der grundlegenden Systemunterschiede ihrer Mitglieder nur dem Ziel, sich von den USA unabhängiger zu machen. Sie möchte in einer „Welt à la carte“ leben. Auch diejenigen, welche die demokratischen Werte des Westens befürworten, möchten aus den verschiedenen Systemen auswählen und sich ihre Außen- und Handelspolitik nicht mehr vorschreiben lassen. Selbst befreundete Staaten wie Brasilien und Indien verweigerten dem Westen hinsichtlich der Russland-Sanktionen die Solidarität.

Die Europäer stehen in ihrem Werteuniversalismus den USA nicht nach. Sie verknüpfen ihren mangelnden Willen zur Weltmacht allerdings mit umso größerem humanitären Idealismus. Angesichts der behaupteten Universalität westlicher Werte wird dem Ethos anderer Kulturkreise keine Bedeutung beigemessen. Im Ergebnis stehen große Teile der islamischen Welt und die Großmächte China und Russland in einem Spannungsverhältnis zum Westen.

Imperialismus und Idealismus haben gemeinsam die Überdehnung hervorgebracht, mit der der Westen – von Afghanistan über den Irak, Libyen und Mali – eine Schneise der Erfolglosigkeit und Destabilisierung in die islamische Welt geschlagen hat. Deren Folgen fallen über Massenmigration und Vordringen von Islamisten auf Europa zurück.

Der politische Universalismus beruht auf jenem Kulturrelativismus, der dem Westen seine besonderen Qualitäten abspricht. Denn erst deren Missachtung erlaubte die Annahme, dass eine rechtsstaatliche Demokratie und soziale Marktwirtschaft voraussetzungslos auf alle Kulturen übertragbar sind. Mit dem Kulturrelativismus geht auch die Ablehnung des Denkens in Kulturkreisen und Einflusssphären einher. In den anderen Weltkulturen fachten die Interventionen des Westens aber erst recht kulturellen Fundamentalismus und politischen Nationalismus an.

Auf den Zusammenprall der Kulturen im Orient folgt der Zusammenprall der Großmächte. Das westliche Vordringen in die russische Macht- und Einflusssphäre erwuchs aus den Annäherungen der Nato und der Europäischen Union an die vorher bewusst neutral gebliebene Ukraine. Sie wurde unter Missachtung geopolitischer Kategorien nach Westen gezogen und damit zerrissen. Der niederträchtige Überfall Russlands ist nicht zu entschuldigen, aber zu erklären. Russland ist der Täter, der Westen der Verursacher.

Ihm mangelte es an Einsicht in die Grenzen zwischen den noch westlichen und den schon russisch geprägten Teilen Osteuropas. Die Nato rief die Ukraine 2008 zum zukünftigen Mitglied aus, ohne ihr den Beistandsschutz eines Mitgliedsstaates zu gewähren, worüber die Ukraine in eine Falle geriet. Die vom Westen genährten Siegesphantasien bringen sie immer noch um die Chancen auf einen Waffenstillstand.

Kulturelle Unterschiede zwischen West- und dem russischen Osteuropa ergeben sich schon aus der immerhin 1000-jährigen Trennung des orthodoxen Christentums vom säkularen Westchristentum. Die theologischen Unterschiede sind heute irrelevant, aber das unterschiedliche Verhältnis von Staat und Kirche prägt die Gesellschaften bis heute. Die exzessive Korruption in orthodoxen Gesellschaften dürfte nicht zuletzt auf die mangelnde Ausdifferenzierung von Staat und Gesellschaft zurückzuführen sein.

Die Grenzen zwischen West- und Ostchristentum verlaufen mitten durch die Ukraine und hätten entweder die Neutralität oder die Teilung des Landes erfordert. Ironischerweise verläuft die derzeitige Frontlinie etwa entlang der kulturellen Scheidelinie. Das Verhältnis Westeuropas zu Russland ist auf unabsehbare Zeit beschädigt. Die Ukraine ist nahezu zerstört und ihr Westteil wird als Bleigewicht den westlichen Bündnissen in Zukunft statt Verstärkung enorme Kosten und Belastungen aufbürden.

Auf dem Wiener Kongress von 1815 haben die damaligen Großmächte die Schweiz zur Neutralität gezwungen, weil sie ansonsten zum dauerhaften Zankapfel für die angrenzenden Großmächte geworden wäre. Ein zweiter Wiener Kongress zur Neuordnung der Macht- und Interessenssphären steht seit 1991 aus.

Wenn nicht vor den Grenzen der russischen Hemisphäre, wo endet dann der Westen? Warum greift die Nato nicht ein, wenn das muslimische Aserbaidschan gegen das christliche Armenien oder Saudi-Arabien gegen den Jemen Krieg führt? Von der Beantwortung der Frage nach den Grenzen des Westens könnte – vor allem im Hinblick auf einen Krieg zwischen China und Taiwan – nicht nur die Zukunft des Westens, sondern auch der Weltfrieden abhängen.

Der Kampf der Kulturen kommt aus dem Nahen Osten und erreicht Europa

Die größte Gefahr liegt in der Leugnung der größten Gefahr – und in der damit verbundenen Wahrnehmung der falschen Gefahr. Die vergleichsweise marginalen Unterschiede zwischen den korrupten Oligarchien der Ukraine und Russlands werden vom Westen für wichtiger erachtet als der Kulturkampf, der vom Nahen Osten nach Europa übergreift.

Samuel Huntington ging in den neunziger Jahren noch von einem Clash der Kulturen aus, was zu dieser Zeit stimmig war. Heute droht in Europa weniger ein Clash als die freiwillige Selbstauflösung unserer Kultur mangels Selbstbehauptungswillen. Alle anderen Kulturen lehnen die Relativierung des Eigenen entrüstet ab. Das alte Europa vermochte den Islam noch zweimal vor Wien zurückzuschlagen. Während der Westen noch in der Lage war, sich in Abgrenzung zum Sowjetkommunismus zu definieren und damit zu begrenzen und zu behaupten, ist der Westen heute kaum mehr willens, sich noch als eigenständigen Kulturraum wahrzunehmen.

Der Konflikt zwischen den nationalen Souveränitätsansprüchen der Ukraine und den imperialen Ansprüchen Russlands gilt als bedeutsamer als der geokulturelle Kampf Israels mit dem Islamismus. Diesem geradezu tragischen strategischen Irrtum liegt auch ein Mangel an begrifflicher Unterscheidung zugrunde. Der russische Autoritarismus, dem es zuerst um seine eigene Stabilität zu tun ist, gilt als gefährlicher als ein diesmal religiös motivierter Totalitarismus, dessen Absolutheitsansprüche wesensgemäß mit der Feindschaft gegen Andersgläubige verbunden sind.

Im Gegensatz zu den autoritären Regimen in Moskau und Peking ist der Islamismus mit einem Wahrheits- und Herrschaftsanspruch ausgestattet, der jegliche Form von Gewalt rechtfertigt. Totalitäre Bewegungen beanspruchen gemäß ihrem geistigen Absolutheitsanspruch zwangsläufig die absolute Herrschaft. Gegenüber den bloß autoritären Regimen im Nahen Osten wäre Koexistenz möglich, aber nicht gegenüber der totalitären Dynamik der Taliban, des Islamischen Staates, der Ayatollahs und von Hamas und Hisbollah.

Der Westen half dem religiösen Totalitarismus auf die Sprünge, indem er deren autoritären Widersacher wie Saddam Hussein oder Gaddafis beseitigte. Auch in der Schwächung Assads und dem Fallenlassen des Schahs oder Mubaraks, mit der Demokratisierung Afghanistans und des Iraks zeigt sich die naive Unterschätzung des neuen Totalitarismus.

Der im Islam potentiell angelegte Islamismus richtet sich im Grunde seit 1300 Jahren gegen alle „Ungläubigen“. Innerhalb seiner eigenen Machthemisphäre verstößt die Herrschaft von Ungläubigen gegen die Vorgaben des Korans und der Hadithen, so dass das Schwinden des Christentums im gesamten islamischen Raum nicht verwundern darf. Im Westen wird die Zerstörung des Christentums im Raum seiner Herkunft kaum wahrgenommen.

Die Feindschaft gegenüber dem Judentum reicht lange vor der Gründung des Staates Israel zurück. Der Antizionismus ist nur eine der vielen Varianten des Antisemitismus. Sie findet sich auch im Missverhältnis zwischen der Klage über die Vertreibung der Palästinenser im Zuge des israelisch-arabischen Krieges 1948 (ca. 700.000 Vertriebene) und der zeitgleichen Vertreibung der Juden aus der arabischen Welt (ca. 900.0000 Vertriebene) nach Israel. Den Kurden wird bis heute in gleich vier islamischen Ländern (Türkei, Syrien, Irak und Iran) ein eigener Staat verwehrt. Im Gegensatz zum Staatsproblem der Palästinenser findet dies wenig Aufmerksamkeit. An diesem Unrecht sind keine Juden beteiligt.

Der Kampf der Kulturen hat sich durch die Ausbreitung des politischen Islams – von Ayatollahs, Taliban, Islamischer Staat, Boko Haram oder in milderer Version der Muslimbruderschaft – globalisiert und intensiviert. Israels Kampf um seine Existenz verlängert sich heute durch die offenen Grenzen Europas gegenüber potentiell islamistischen Zuwanderern zu einem Kampf um die Selbstbehauptung der freiheitlichen Demokratie gegenüber dem religiösen Totalitarismus.

Auch autoritäre arabische Staaten stehen vor der Aufgabe, ihre errungenen zivilisatorischen Fortschritte gegen die totalitäre Einheit von Religion und Politik zu verteidigen, die das gesamte Leben wieder in die Fundamente der Vergangenheit einbetten will. Mit einer neuen Koalition der vom Islamismus bedrohten Staaten könnten die Europäer Verbündete im Abwehrkampf gewinnen.

Während die arabische Welt auf dem Weg war, Israel als Zivilisationspartner zu akzeptieren, hat der vor allem vom Iran genährte Islamismus Israel den Krieg erklärt. Selbst wenn es Israel gelingen sollte, die Hamas für längere Zeit zu besiegen, wäre dies noch keine Lösung. Neben der Hamas wird Israel unmittelbar von der Hisbollah im Libanon bedroht, über dessen Kampfbereitschaft der Iran entscheidet.

Die islamische Kultur stellt nicht nur für die europäische Kulturen sowohl des Christentums als auch des Relativismus eine existentielle Herausforderung dar. Unterdessen sind längst die äußeren materiellen und institutionellen Strukturen der europäischen Zivilisation überlastet und angefochten – vom Bildungssystem über den Wohnraum bis zur inneren Sicherheit. In Deutschland werden 48 Milliarden Euro jährlich für die Integration ausgegeben, gleichzeitig fehlen 430.000 Kitaplätze.

Der Zusammenprall von Kosmopoliten und Nationalisten

Auf das Scheitern des westlichen Universalismus folgte keineswegs die gebotene Einsicht in die eigenen Grenzen, sondern eine tollkühne Flucht nach vorn in einen Globalismus und Kosmopolitismus, der nun die Menschheit, die One-World zum Ausgangs- und Endziel aller Politik erklärt.

Je mehr die One-World aber von der erhofften Gleichheit und Einheit entfernt bleibt, desto mehr wird die Dominanz des Westens dafür verantwortlich gemacht. Globalisten und Kosmopoliten verbinden sich mit der alten Linken und mit den neuen Islamisten in der Ablehnung der westlichen Kultur. Während die einen sie transformieren, wollen die anderen sie ausnutzen und erobern. Angesichts der Breite dieser Koalition kann es einem Angst und Bange um die Zukunft sowohl des Abendlandes als auch der europäischen Zivilisation werden.

In den postkolonialen Theorien schlagen Relativismus und Universalismus in Selbsthass um. Statt um die Universalität des Westens geht es jetzt um dessen Selbstauflösung in Inter- und Multikulturalität. Das kulturmarxistische Gleichheitsideal verzichtet auf jede Kritik an den Ursachen der Unterentwicklung anderer Kulturen.

Alle Schuld kommt dem Westen zu. Angesichts der Annahme einer Gleichwertigkeit aller Kulturen müssen Defizite aus der Dominanz des Stärkeren, des „Weißen Mannes“ und im Nahen Osten der Israelis erklärt werden. Während klassische Rassisten fremde Ethnien, Völker und Kulturen verachten, wenden sich Autorassisten gegen den „Weißen Mann“ und seine Kultur.

Die Entgrenzungen des westlichen Universalismus nach außen wurden konsequenterweise von offenen Grenzen nach innen ergänzt. Da es keine inkompatiblen Kulturen gibt, sind alle Ankommenden willkommen zu heißen und gelten zudem als Arbeitskräftereservoir. Während die Staaten des Nahen Ostens in die demokratische Welt integriert werden sollten, sollen Menschen aus fremden Kulturen in die westlichen Gesellschaften integriert werden. Hier trifft der ideelle Kosmopolitismus auf einen ökonomisch motivierten Globalismus, der nach störenden Zöllen und Handelsgrenzen auch störende Landesgrenzen zugunsten des weltweiten Wettbewerbs um Exporte und billige Arbeitskräfte aufzuheben trachtet.

Gleichheit bleibt auch für die Linke nach dem Untergang des materialistischen Marxismus das oberste Ideal. Der Übergang zu Identitäten hat einen Kulturmarxismus hervorgetrieben, dem es – statt um Klassen und Produktionsverhältnisse – um Geschlechterverhältnisse und ethnische Minderheiten zu tun ist.

Nach dem Niedergang der Arbeiterklasse gerät heute auch der Mittelstand unter einen Wettbewerbsdruck, der schon durch seine Ortsgebundenheit nicht mit den Global Playern mithalten kann. Die globale Klasse der „Anywheres“ hat es aber längst verstanden, ihre Interessen moralisch zu verklären und umgekehrt die Bewahrung der eigenen Partikularinteressen als „nationalistisch“, „rassistisch“, als „rechts“ zu verunglimpfen.

Die jahrzehntelange Politik der Selbstentgrenzung treibt heute – dialektisch nahezu selbstverständlich – ihre Gegenpositionen hervor. Die innergesellschaftlichen Kämpfe zwischen Globalisten und Kosmopoliten auf der einen Seite und denjenigen, die das Eigene schützen und begrenzen wollen auf der anderen Seite, durchziehen alle westlichen Gesellschaften.

Über diesen Konflikt haben sich auch die Haltungen zur Europäischen Union gespaltet. Die Kosmopoliten fordern und forcieren den Niedergang des Nationalstaates im Rahmen einer angeblich „unaufhaltsamen Globalisierung“. Ihr globales Pathos nährt sich nicht zuletzt aus den Kriegen Europas, die dem Nationalstaat zur Last gelegt werden. Ein Blick hinter die noch recht junge Geschichte des Nationalstaates in Europa und ein Blick nach Afrika lehrt jedoch, dass Zusammenschlüsse jeder Art, ob von Stämmen oder Clans, im Übrigen auch übernationale Imperien unablässig Kriege zu führen pflegen.

Den Kosmopoliten gilt die Europäische Union nur als Projekt und als Prozess hin zu weiteren globalen Angleichungen, während sie den kultureuropäischen „Abendländer“ als geschichtlich gewachsenen Kulturraum sieht, der – wie die weiter zu achtenden Nationalstaaten – nach außen weder unbegrenzt ausdehnbar noch nach innen unbegrenzt in Frage zu stellen ist.

Die angesichts des Kulturverfalls schon elitär anmutenden Forderungen nach einem Wiederaufbau der europäischen Kultur werden flankiert durch ein Aufbegehren des Mittelstandes, der Schutz und Grenzen für seine Interessen einfordert. Ein Beispiel für viele: Der Aufhebung von Steuererleichterungen für Bauern werden die Kosten für die von Deutschland spendierten Radwege in Peru entgegengehalten.

Solange dieser neue gesellschaftliche Großkonflikt jedoch immer noch entlang der alten Links-Rechts-Achse und der damit verbundenen Gut-Böse-Achse interpretiert wird, bleibt das Thema verfehlt und bleiben Dritte Wege aus. Die Polarisierung wird immer schärfer und gefährdet schon die Demokratie selbst. Die einst noch offenen Diskurse zwischen Linken und Rechten sind längst schon in geistige Bürgerkriege umgeschlagen.

Widersprüche bis zur Selbstauflösung

Globalismus und Kosmopolitismus treiben wie jedes Paradigma durch ihre Übertreibungen auch ihre eigenen Widersprüche hervor. Der ökologisch motivierte Globalsozialismus gerät in Widerspruch zum Umweltschutz, die ferne Zukunft und fernen Räume zu den Nahräumen der Umwelt, die – wie bei der Windenergie – globalen Klimaprognosen geopfert werden.

Ein regelrechter deutscher National-Globalismus will die CO2-Emissionen vorauseilend und stellvertretend für die ganze Welt senken und verschafft damit nur weniger eifrigen Mächten den Raum für mehr Emissionen. Er gerät in Widerspruch zu den Interessen der Industrie. Die ihr abverlangte moralische Durchleuchtung von Lieferketten schwächt deren Wettbewerbsfähigkeit und droht zu einer De-Globalisierung überzuleiten. Nach Russland könnte darüber sogar noch China als Handelspartner verloren gehen.

Der Moralglobalismus schwächt die sozialen Interessen der eigenen Bevölkerung in einer Weise, die mit einem klassischen linken Motiv einer Hilfe für die sozial Schwachen in der Gesellschaft nicht mehr übereinstimmt. Sahra Wagenknecht ist eine unmittelbare Antwort.

Der moralische Überlegenheitsanspruch trägt wilhelminische Züge und Anflüge von einem moralischen Imperialismus, mit dem man sich nirgends neue Freunde schafft. Die dekolonisierten Völker wollen keineswegs unter dem Regenbogen Platz nehmen. Sie huldigen auch nicht der Diversität von 72 Geschlechtern und sind oft nicht einmal bereit, für die Inklusion der Frauen zu streiten. Die „feministische Außenpolitik“ muss sich zunächst mit den LGBTQ-Bewegten arrangieren, bevor sie sich patriachalischen Kulturen zuwendet. Die Machtergreifung von Islamisten würden sie nicht lange überleben.

Der moralisierende Homo Deus erkennt nicht einmal die Notwendigkeit der Selbstbehauptung, wenn sie sich vor der eigenen Tür zeigt. So findet sich in dem einschlägigen Buch von Yuval Noah Harari kein Wort über den existentiellen Kulturkampf Israels, obwohl er ihn aus seinem Fenster an der Jerusalemer Hebrew-Universität vor Augen hat. Wer zu weit in die Zukunft schaut, scheint den Blick auf naheliegende und gegenwärtige Probleme zu verlieren.

Und wieder steht das Judentum quer zu den ideologischen Konvulsionen. Es verkörperte für Links- und Rechtsextremisten alle abgelehnten und verunsichernden Elemente der Moderne: Materialismus, Wettbewerb, Wurzellosigkeit, Mobilität. Als erfolgreiche Kapitalisten werden sie zu den Tätern gezählt und selbst die Flüchtlinge vor Pogromen Europas gelten noch als „kolonialistische Siedler“, ihre Rückkehr in das für sie „Heilige Land“ gilt als „westlicher Imperialismus“.

Den Kosmopoliten fällt es schwer, die spezifische Bedeutung der Religion zu denken, weil es ihnen nicht nur an Religion, sondern auch an Bildung über Religion fehlt. Die Quadratur des Kreises, sowohl gegen Antisemitismus als auch für die Aufnahme von muslimischen Flüchtlingen zu sein, will ihr nicht gelingen.

In einer Art Hyperliberalismus ist die Toleranz beinahe noch der einzige Wert der einst offenen Gesellschaft, die sich gegenüber der erklärten Intoleranz totalitärer Kräfte selbst zu zerstören droht. Je mehr ihrer Paradigmen an der Realität zerschellt, desto mehr bekämpfen sie die Boten eines neuen Realitätssinnes. Im „Kampf gegen Rechts“ wird der Bote für die üble Botschaft umso mehr bestraft, desto mehr die alte Botschaft an ihren Widersprüchen zerschellt.

In Teil 2 geht es um die Grenzen von EU und Nato, Selbstbehauptung durch Selbstbegrenzung als Strategie für den Westen.

Teil 3 handelt vom Kampf der Kulturen zum Kampf um Zivilisation und die gemeinsame Sicherheit von Israel, Europa und moderatem Islam.


Heinz Theisen ist Professor für Politikwissenschaft. Zuletzt erschien von ihm: 

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44 Kommentare

  1. Nun habe ich den Artikel zum zweiten Mal gelesen und mir ist klar geworden warum ich die Politik des Westens immer weniger verstehe.
    Ich selbst war vor vielen Jahren ein paar Wochen in einer arabischen Familie. Ja, die Frauen dort hatten praktisch keine Rechte, aber im Gegenzug hatten sie auch fast keine Pflichten. Selbst für die Erziehung eines Kleinkinds waren die Männer zuständig. Die Frauen taten dann etwas, wenn es ihnen von einem Mann (Egal ob Vater, Sohn, Bruder, Ehemann oder Schwager) gesagt wurde. Keine von Ihnen wäre selbständig auf die Idee gekommen irgendetwas zu putzen, zu kochen oder dergleichen – und sie waren zufrieden mit diesem Leben.
    Von diesen Frauen zu erwarten, dass sie arbeiten gehen ist derart abstrus.

    Es gibt andere Kulturen als unsere, ich habe das Glück gehabt mir ein paar davon hautnah anschauen zu dürfen. Jede dieser Kulturen hat sich über hunderte von Jahren entwickelt. Gerade diese Vielfältigkeit finde ich gut!
    Man kann sich nicht aus jeder Kultur das rauspicken, was einem gerade gut gefällt und daraus eine Weltkultur drechseln. Denn oft bedingt ein angenehmer Teil einen unangenehmen Teil. Der Westen scheint aber genau das nicht zu begreifen. Es kann keine Mischkultur geben. Entweder unsere europäische Kultur, oder eben eine der vielen anderen.
    Selbst in Europa sind die Kulturen sehr unterschiedlich, beruhen aber alle auf der gleichen Grundlage. Auf der christlichen Religion, die sich wiederum aus der jüdischen entwickelt hat.

  2. Ein fantastischer Beitrag und eine messerscharfe, durch und durch stimmige Analyse. Möchte man sogar dem einen oder anderen TE-Autor ans Herz legen. Es steht praktisch alles drin, was Grundlage politischen Handelns im Westen sein sollte, tatsächlich jedoch in nahezu jeder Hinsicht falsch läuft.

  3. Ein zweiter Wiener Kongress zur Neuordnung der Macht- und Interessenssphären steht seit 1991 aus.“
    Dies scheint mir der Kern des Problems zu sein. Der Zweite Weltkrieg wurde nie beendet, nur mit anderen Mitteln fortgesetzt – bis heute.
    Der Zusammenbruch des Sowjetimperiums gab dem amerikanischen Exzeptionalismus neue Nahrung und legte damit den Keim des Zerfalls der eigenen Zivilisation. Mit dem Unwillen, einen globalen Interessenausgleich, wie mit der Gründung der UNO beabsichtigt, zu schaffen, überschritt der Westen seinen Halys. Im Gegensatz zu Krösus wird der Westen aber niemanden mehr als Berater begleiten.
    Und wenn ich mir anschaue was unsere gesellschaftlichen „Eliten“ so verursachen, dann sehe ich den Untergang des Westens als Ende Katastrophe.

    • Als die USA die einzige Supermacht wurden und ein „Ende der Geschichte“ verkündet wurde, kamen westliche „Eliten“ auf die Idee, ohne Systemwettbewerb könne man unendliche Abzocke mit totalitärer Kontrolle einrichten. Daraus wurden feuchte Träume vom Great Reset, Klimagedöns, „you will own nothing“, Kontrolle durch programmierbares Digitalgeld. All diese Dysotopien machen aus der westlichen Zivilisation keine Option mehr.

  4. > Auch diejenigen, welche die demokratischen Werte des Westens befürworten, möchten aus den verschiedenen Systemen auswählen und sich ihre Außen- und Handelspolitik nicht mehr vorschreiben lassen.

    Wenn die Politik einem vorgeschriebenen wird, kann von keinen demokratischen Werten die Rede sein. Solche scheinen im Westen längst verschwunden zu sein, siehe Klimahysterie und Corona-Panikmache mit der totalitären Hetze gegen Ungeimpfte.

  5. Super spannende Abhandlung über die Treibriemen der Weltpolitik.
    Da erweist sich wieder, wer die Geschichte nicht kennt, kann die Gegenwart nicht richtig deuten und keinen sicheren Weg in die Zukunft bauen.
    Vermutlich ist es systemimmanent, wenn alternde Hochkulturen sich selbst abschaffen. Das Los von Völkern hing und hängt in absolutistischen Diktaturen praktisch an der politischen Ausrichtung einer Person. In den funktionierenden westlichen Demokratien wurde die Macht geteilt in staatliche Gewalten und im Parteienoluralismus, sodass es Wettbewerb um die besten Ideen und Kontrolle gibt. Dieses Deutschland ist gerade dabei, sowohl die Gewaltenteilung durch Parteienfilz kurzzuschalten und das konservative Gegengewicht im Parteienspektrum abzuschalten.
    Die globalistischen und sozialistische Kräfte werden durch äußere und innere Kräfte so stark gemacht, dass das Gleichgewicht der Kräfte stark gestört ist.
    Die Demos gegen rechts, in die sich große Teile der Bevölkerung einspannen lassen, sind nichts anderes, als der Aufmarsch der Zerstörer unser Demokratie, unserer Kultur und unserer Freiheit. Wenn das mit dieser Bewegung so weitergeht, sehe ich dunkelrot für diesen Landstrich.

  6. Eine sehr schöne, interessante und wissenswerte Analyse der gegenwärtigen globalen und innergesellschaftlichen Verhältnisse. Danke!
    Und ja, vor der Zukunft kann einem Angst und Bange werden.

  7. > Wenn nicht vor den Grenzen der russischen Hemisphäre, wo endet dann der Westen?

    Wie die Umfrageergebnisse zeigen, ungefähr an der Elbe. Im Westen lässt man sich noch alles einreden, im Osten ist man etwas resistenter.

  8. Leider verschwinden gerade die einst als „völkerkundlich“ bezeichneten Abteilungen aus unseren Museen.

    Die Kolonialisten und Sammler hatten mutmaßlich mehr Interesse an fremden Kulturen und mehr Respekt für diese, als die selbsternannten „Global Citizens“ der Starbucks-Bubble.

    Diese „Global Citizens“ sind in m.E. eher nach Anerkennung schielende Kleinbürger, die stets einen weiten Bogen um alles machen, was ihnen fremd oder unangenehm ist.

    Es sei denn, sie bekommen die gerösteten Insekten im Safe Space des Weltcafés nebenan serviert.

  9. Überdehnung trifft es wirklich.
    Der Sprecher der Bundesregierung, Steffen Hebestreit, sagte am 25. Januar, dass sich Bundeskanzler Olaf Scholz und Wolodymyr Selenskyj in einem Telefongespräch darauf geeinigt hätten, die Gespräche über bilaterale Sicherheitsverpflichtungen und Unterstützungsmaßnahmen zu beschleunigen.

    Mitte Januar unterzeichneten die Ukraine und das Vereinigte Königreich ein zehnjähriges Sicherheitskooperationsabkommen. Auch der französische Präsident Emmanuel Macron hat die Absicht angekündigt, ein ähnliches Abkommen mit der Ukraine zu unterzeichnen.

    Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz ist ein Stützpfeiler der US-Außenpolitik, insbesondere im Fall der Ukraine. Die USA haben Europa absichtlich in den Ukraine-Konflikt hineingezogen, um die russisch-europäischen Beziehungen zu stören.

    Die USA werden sich vom Ukraine Krieg verabscheiden und Europa verabschiedet sich mit seinem grünen Deal von seiner Industrie. Die Olis und Annalenchens dieser Welt werden hierzulande lernen, dass Krieg bezahlt werden muss. Die Generation Z wird einen turbulenten wirtschaftlichen Abstieg erleben. Wau.

    • Die „Berliner Zeitung“ berichtete, ein Herr Melnyk wünscht sich mittlerweile 160 Milliarden jährlich aus Westeuropa – mit den bisherigen Tributen klappte es ja, Ungarn wurde eingeschüchtert. Wie sollen sie nach der Deindustrialisierung aufgebracht werden?

    • „Überdehnung der eigenen Möglichkeiten“ kann man die Sektenpolitik dieser Ampelregierung überschreiben. Die Welt soll durch Deutschland gerettet werden. Dafür opfert man dann den Inneren Frieden, den äußeren Frieden, den Wohlstand und die Reputation in der Welt, die Deutschland als eher neutrale Wirtschaftsmacht einmal hatte.

  10. Der Wert des Artikels bzw. der Artikelserie ist wohl, dass man sieht, dass sich der ein oder andere Professor noch aus der Deckung traut. Ohne Frage, schön zu sehen. Aber zu hoffen, solche Artikel und Bücher könnte eine Grundlage für eine demokratische, uns vorwärtsbringende Diskussion bilden, ist illusorisch. Es wird keine relevanten Debatten mehr geben, wir sind auf einer alternativlosen Einbahnstraße.

    Auch ein Rundumblick auf der Welt zeigt: der hegemoniale wirtschaftliche, kulturelle und politische Untergang des Wertewestens ist unaufhaltsam. Man schaue nur auf unsere CEOs, Regierung, NGOs, Beamtenadel und die „Neudazugekommenen“ versus „den Rest der schon länger hier Lebenden“. Primitivste Urinstinkte siegen über komplexe kognitive Fähigkeiten, Gefühle siegen über die Impulskontrolle, Stammhirn schlägt Großhirn.

    Der Aufbau einer rationalen, säkularen Gesellschaft hat viele Jahrhunderte gedauert und innerhalb eines halben Menschenlebens wurde alles wieder zerschlagen. Es wird Milliarden Kriegs-, Seuchen- und Hungertote geben, bevor sich die Menschheit davon erholen wird.

  11. Jaja, die bösen „Machthaber“ immer. Zeigen Sie mir eine politische, gesellschaftliche, soziale Entität in der es keine Macht(in)haber gibt. In der geträumten Welt von „Gleichen“ gibt es immer welche die gleicher sind, meistens das sogenannte Politkommissariat.

  12. Mit den Ausführungen von Hr. Theisen kann ich gut mitgehen und bin gespannt auf die weiteren Teile.

    In meinem Kopf ist dazu eine spezielle Frage:
    Nachdem es Ost- und Westblock des letzten Jahrhunderts und deren weitestgehend friedliche Koexistenz per nuklearer Abschreckung nicht mehr gibt, gibt es aber in Osteuropa noch einen Staat mit imperialistischem (Rest-)Gehabe, dessen Machtposition alleine auf dem Atomwaffenarsenal der ehemaligen Sowjetunion beruht. Ansonsten, „große Tankstelle“, wie schon oft beschrieben.
    Russland war vor WK I und Lenin gewissermassen Teil der Abendländischen Kultursphäre. Könnte/sollte Russland ohne den islamischen Südrand deswegen nicht als Teil des „Westens“ gedacht werden?

    • Interessante Frage. Ich sehe es so, dass Putin sehr wohl enger mit dem Westen kooperieren wollte. Weder EU noch Deutschland oder Frankreich sind auf seine Offerten eingegangen. Ich denke, das lag am Veto der USA. Die USA wollten keinen gleichgroßen Partner mit eigenen Interessen in ihren Vasallenstaaten.
      Ich glaube, dass Deutschland 1990 nach der Wiedervereinigung einen großen historischen Fehler begangen hat. Deutschland hätte blockneutral werden sollen und hätte so deutlich mehr Bewegungsspielraum in Bezug auf eine Vermittlerposition zwischen Ost und West.
      Mit der harten Haltung der kompletten EU im Ukrainekrieg ist das Tischtuch m. E. für Jahrzehnte zerschnitten und mit Russland geht auch unsere wirtschaftliche Stellung in der Welt verloren. Das spielt nur den USA in die Hände, die mit der EU einen lästigen Konkurrenten geschwächt haben.
      Meine Antwort: Russland war erst dabei, sich als „westliches Land“ zu entwickeln. Jetzt hat der Westen die Türe zugeschlagen. Der Zug ist abgefahren. Russland begibt sich mehr in die Abhängigkeit Chinas. Das ist Russland nicht recht und kann den USA erst recht nicht recht sein. Ich habe den Eindruck, dass in Washington wenig kluge Leute Regierung spielen. Es sind nur gierige Marionetten von noch gierigeren Oligarchen, die nicht bis zum nächsten Morgen denken.

      • Putins Offerten wurden vor 20 Jahren in München offen gelegt: Wir werden sehr friedlich leben und zusammenarbeiten. Dabei darf ich in unseren Interessengebieten frei alles machen, was ich für uns wichtig ist.
        Sollte Westen ihm damals tatsächlich diesbezüglich eine freie Hand geben, meinen Sie?

  13. Wow, super Artikel! Diese absoluten Highlights liebe ich an TE. Völlig egal, ob man allen Aussagen zustimmt.
    Und super Kommentare!
    Alles zusammen regt zum Nachdenken an.

  14. Das ist so ähnlich wie mit dem Klimawandel. Macht es Sinn, sich ihm mit aller Macht entgegenzustellen, ja ihn gar verhindern zu wollen, oder ist es besser, sich für dessen Folgen zu wappnen, ihn einfach als gegeben hinzunehmen? Also um im Bild zu bleiben: Baue ich gegen den Regen ein Dach aufs Haus oder beklage ich den Regen und versuche ihn zu verhindern? Der Westen ist der reaktionären Kriegsideologie technologisch haushoch überlegen. Die Technologie wird siegen, die Frage ist nur, ob im Westen oder in Asien. Dieser Aspekt fehlt mir bisher in dem ansonsten vortrefflichen Beitrag.

    • HighTech muss viel mehr gewartet werden. Zudem braucht man Menschen, die sie bediene können und WOLLEN. Die Drohnentechnologie hebelt zudem den alten Technologievorsprung aus. Nicht einmal ein Flugzeugträger könnte sich gegen den gleichzeitigen Angriff hundertausender Drohnen wehren.
      Die Spartaner glaubten auch mal überheblich, dass ihre Schild- und Lanzenformation unschlagbar sei. Bis die Athener Katapulte entwickelten. Heute gibt es keine Spartaner mehr, das Sklavenvolk der Heloten hat sie demografisch überrollt und ausgelöscht.

    • Beim Klima wird gemacht, was westlichen Oligarchen Gewinne verspricht, als einziges Kriterium. Bei Bedarf mogeln die gekauften Medien.

  15. Dieser Beitrag sollte Pflicht im Geschichtsunterricht werden, wobei ich mir nicht sicher bin, daß ein Großteil der Schüler den Inhalt überhaupt zu erfassen in der Lage wäre. Viele der beschriebenen Fakten findet man bereits bei Oswald Spengler, um nur einen zu nennen. Der Westen verschleudert seine Ressourcen an seine potenziellen und tatsächlichen Feinde. Damit nicht genug, er öffnet Millionen von Kombattanten aus Gründen der „Menschlichkeit“ und der „Solidarität“ die eigenen Tore und lässt die Autochthonen für die vorgeblichen Rechte Fremder verarmen. Allein der Blick auf Deutschland ist als Beweis dafür völlig ausreichend. Wir befinden uns an der Schwelle eines globalen Bürgerkrieges, der von den „Eliten“ im Sinne unbeschränkter Herrschaft über atomisierte, in hunderte von „Identitäten“ zerstäubte Massen. Deswegen gibt es keine Völker, keine Religionen, keine Traditionen, nicht einmal mehr zwei natürliche Geschlechter. Daß das ganze nur in einem riesigen, weltumspannenden Feuerball enden wird, ist jedem Realisten bewußt. Deshalb wehren sich nichtwestliche Staaten und Völker, gar westliche , wertschöpfende Schichten so vehement gegen die mit schleimigen, süßlichen Parolen getarnte umfassende Tyrannis von Kulturmarxisten und milliardenschweren „Philantrophen“. Wohin es führt, wenn solche Leute an der Macht sind, ist hier kurz und knapp dargestellt:
    https://www.danisch.de/blog/2024/02/03/es-sprach-der-faschist/#more-61627

  16. Wenn Russland der „niederträchtige Täter“ , der Westen aber der Verursacher des Krieges in der Ukraine sind, stellt sich doch die Frage nach den Handlungsalternativen, die Russland überhaupt hatte um die ständig wachsende Bedrohung einer immer näher rückenden und ständig rote Linien überschreitenden Nato zu begegnen. 30 Jahre hat Russland Angebote und Vorschläge für Sicherheitspartnerschaften und engere Zusammenarbeit mit der EU und der NATO gemacht. Sie wurden sämtlich ignoriert. Hätte Russland sagen sollen „Das ist dann halt wie es ist und schaun wir mal wie es weiter geht“ ? Vielleicht war die russische Reaktion so alternativlos wie der Einmarsch des Westens in Afghanistan und dem Irak oder die Bombardierung Libyens? Denn das waren doch gute und notwendige Kriege, richtig?
    Möglicherweise liegt die Niedertracht garnicht bei Russland?

  17. Einer der besten Artikel, die ich in den letzten 20 Jahren gelesen habe. Herzlichen Dank!

  18. Danke, Herr Theisen. Sie sprechen mir in vielen Punkten aus der Seele.

    Ein Kritikpunkt: Ich bin prinzipiell von der Gleichberechtigung der Kulturen auf unserem Planeten überzeugt, nur so kann m.E. eine Zusammenleben von 8 oder auch 10 Milliarden Menschen gelingen. Damit braucht man aber den Begriff der Gleichwertigkeit gar nicht erst zu diskutieren. Jede Diskussion in diese Richtung kann nur schiefgehen und übelste Folgen haben.. Es geht darum die Andersartigkeit anderer Völker zu respektieren, solange sie nicht bei uns im eigenen Land die Regeln sprengt.

    Interessanterweise gibt es Menschen, welche die Unterschiede innerhalb des eigenen Landes für so groß halten, dass sie eine „Brandmauer“ gegen mehr als 30 Prozent der Sachsen oder Thüringer fordern, gleichzeitig aber glauben, dass sich Menschen mit ausländischen Wurzeln innerhalb weniger Jahre vollständig integrieren können (wobei sie in Bezug auf das Wertegerüst stillschweigend von „Assimilation“ ausgehen, auch wenn sie den Begriff so vehement ablehnen).

    Wie kann es sein, dass jemand selbst nicht bereit ist, von seinen erlernten Glaubenssätzen in irgendeiner Weise abzurücken („keinen Millimeter nach rechts“) und gleichzeitig stillschweigend davon ausgeht, dass Andersdenkende (egal, ob zugewandert oder nicht) ihre vermeintlich minderwertigen oder gar „toxischen“ Vorstellungen umkrempeln müssen. Es handelt sich um Überlegenheitsdenken erster Güte.

  19. Eine einfachere Erklärung wäre: Marxisten wollen alle guten Dinge abwracken. Das wollten sie zuvor schon in Russland, in China, in Kambodscha. Ergebnis bekannt.

  20. Gleich unter Verschiedenen. Ein Mann ist eine Frau, wenn er es will. Der Westen ist orientierungslos, heimatlos, würdelos. Das weltpolitische Vakuum füllen neue Globalplayer. Das im Artikel beschriebene Beispiel Aserbaidshan vs. Armenien ist abartig, wenn man den Abzug aus Afghanistan oder Mali betrachtet. Überfällt China Taiwan oder Russland die Ukraine, dann geraten Weltwirtschaft und Weltpolitik ins Schwitzen. Dann muss gehandelt werden!

  21. Das ist seit langem das Klügste, was ich zu dem Thema gelesen habe! Gerne mehr …

  22. „Russland ist der Täter, der Westen der Verursacher.“

    Angehörige der Asow Brigaden haben meinem Freund in den Bauch geschossen. Weil er Russe ist. Und als ihm die Nachbarn Hilfe leisteten, wurden diese, unbewaffneten Zivilisten, ebenfalls mit Kriegswaffen beschossen.

    Ich muss mich sehr, sehr zusammennehmen, Gastautor, um hier nicht vom Leder zu ziehen.

    Der überwiegende Teil des Artikels war exquisit, gar keine Frage.

  23. „Der Westen“ ist immer noch Weltmarktführer. Aber leider nur noch im Schuldenmachen. Bei uns nennt man das jetzt „Sondervermögen“. Demnächst um „Wirtschaftsdynamik“ zu entfachen (Habeck), nachdem man dieser zuvor die Luft zum Atmen genommen hatte. Wer Todd’s Bestseller „Weltmacht USA – Ein Nachruf“ gelesen hat, weiß dies schon seit über 22 Jahren – es geht langsam aber sicher dem Ende entgegen.

  24. Heute Abend hab ich den Artikel im Schnelldurchlauf gelesen. Morgen werde ich ihn noch einmal mit mehr Ruhe lesen. Er gefällt mir sehr gut, unter anderem auch, weil er verständlich geschrieben ist!
    Auf die zwei weiteren Teile bin ich bereits gespannt 🙂

  25. Endlich einmal ein hervorragender Artikel zu unserer Situation im Westen! Nur 2 Anmerkungen: die derzeitige Frontlinie verläuft keineswegs „ironischerweise“ entlang der kulturellen Scheidelinie! Der Osten der Ukraine ist orthodox, spricht russisch, schreibt kyrillisch und ist mit Rohstoff- und Stahlindustrie in die russische Wirtschaft verwoben – anders als die Westukraine. Sie fragen: „ Wenn nicht vor den Grenzen der russischen Hemisphäre, wo endet dann der Westen?“ Es gibt Langfristpläne in den USA, Russland in viele Einzelstaaten zu zerlegen, um so sukzessive den unvorstellbaren Rohstoffreichtum Russlands zu erobern. „Der Westen“ ist im übrigen hinsichtlich seiner Werte tief gespalten. 50% der Amerikaner lehnen den Ukrainekrieg, LBGQT und offene Grenzen ab.
    Ich freue mich schon auf Teil 2. Pflichtlektüre für jeden Politiker!

  26. Dem ist, ausser der immer dringlicheren Frage „was tun“, nichts hinzufügen. Die Antwort auf die Frage ist offensichtlich, wird aber von weiten Teilen verweigert, nicht nur von der Masse, die sich nun wieder mal versammelt, sondern auch und vor allem von der „konservativen“ Elite.

  27.  „Der niederträchtige Überfall Russlands ist nicht zu entschuldigen, aber zu erklären. Russland ist der Täter, der Westen der Verursacher.“ Wenn man diesen Satz verinnerlicht, stellt sich die Frage, ob der Täter oder der Verursacher der Niederträchtigere von beiden ist.

    • Sie brauchen jetzt nicht mit Verständnis für allrussischen Imperialismus kommen. Denn dann haben Sie den Autor falsch verstanden.
      Keine Sorge, auch ich werde die AfD wählen. Trotzdem ist hier Kritik angebracht. Denn Sie können über Niedertracht nur erzählen, wenn Sie den Westen als allgemeine Idee, Kultur und Werteziel ablehnen. Da gehe ich dann nicht mehr mit.

      • Wenn Russland so imperialistisch ist, warum ist Georgien noch ein unabhängiger Staat obwohl Sie den Krieg verloren haben?
        Warum hat Russland mit all seinen nicht-NATO Nachbarn ein gutes Verhältnis und nicht-militarisierte Grenzen?
        Der Autor hat genau beschrieben wie „imperialistisch“ sich unsere „Wertegemeinschaft“ benimmt, ja quasi Teil des Wortes definiert. Aber es niemals so gesagt.

    • Scharfschützen schießen auf Zivilisten. Acht Jahre Terror mit mehr als 14.000 Toten. Menschen, deren Pass abgelaufen ist, bekommen keinen neuen, weil sie Russen sind, bzw. russisch sprechen. Diese Menschen sind dann Staatenlos.

      Alle zivilisierten Nationen dieses Planeten sind sich darüber einig, dass das nicht akzeptabel ist. Das in dem Osten der Ukraine seit 2014, seit dem Putsch der USA und der EU vor sich geht, ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

    • Sie dürfen davon ausgehen, dass alle großen Imperien perfide Propaganda nutzen. Ich empfehle, sich nicht auf eine Seite zu schlagen.

    • Dieses Satz sieht wirklich sehr beeindruckend aus. Eine andere Frage ist, ob es die Situation richtig genug beschreibt. Ich habe Fragen zu dieser Aussage.
      Warum hat Russland Pläne entwickelt, Moldawien vom Territorium der Ukraine aus nach ihrer Okkupieren zu erobern? Der NATO-Beitritt des kleinen, abgelegenen Landes, wo befinden sich bis heute russische Truppen, konnte es nicht sein.
      Es ist auch bekannt, dass die ähnliche Pläne für die baltischen Länder gibt.
      Die Ukraine wollte 2008 der NATO nicht beitreten. Dieser Wunsch trat bei den Ukrainern nach der dreisten Besetzung eines Teils des Landes im Jahr 2014 auf. Die Mehrheit kam dazu erst nach dem russischen Überfall im 2022.
      Welche Schuld trägt die NATO für den russischen Angriff auf Georgien im Jahr 2008? Dort annektierte es auch einen Teil des Territoriums und besetzt bis heute einen weiteren Teil.
      Warum wurde in der politischen Führung Russlands bereits Anfang der 1990er Jahre über die Notwendigkeit einer erneuten Annexion der Ukraine, zumindest mit Gewalt, gesprochen und danach nie aufgehört?
      Es ist ein Fehler, nur der NATO die Schuld zu geben, wenn die treibende Kraft dahinter schon immer die imperiale Melancholie war, d. h. der Wunsch, das Reich wiederherzustellen.

      • Was Sie über Georgien schreiben ist schlicht falsch. Georgien wollte gewaltsam ein Abspaltung von Teilen seiner Gebiete verhindern und Russland hat diesen Gebieten geholfen. Noch heute sind diese beiden Gebiete autonom. Eines davon wird Russland voraussichtlich sogar nicht beitreten.
        Die treibenden Kräfte die sie hier so nonchalant als „Imperialismus“ bezeichnen sind die Vor-Ort lebenden Menschen die sich für oder gegen Russland entscheiden nachdem die USSR zerfallen war. Im Falle Moldaviens ist es Transnistria, wo noch immer sich Menschen näher an Russland als Moldavien selber fühlen.
        NATO hat auch im übrigens ganz Schränke voll Plänen für Russland. Solche Pläne bedeuten recht wenig.

      • Es tut mir leid, es war nicht ganz so. Es gab zwei Autonome osetinischen Gebiete. Eine gehörte Russland und durch eine Bergkette getrennte eine Autonomie, die zur Georgien gehörte. Da gab es Menschen, die sich von Georgien trennen wollten und Russland hat diese Bewegung unterstützt. Später wurde im russischem Teil ein Armee platziert und im Georgiens Teil wurden immer mehr Angriffe auf georgische Dörfer registriert. Als die Lage weiter eskaliert hat, sollte georgische Militär für die Ordnung sorgen. Als Antwort darauf wurden sie von der russischen Armee attackiert.
        Genau das gleiche Schema wurde später im Jahr 2014 in der Ukraine angewendet.

  28. Ein sehr scharfsinniger Artikel, sehr geehrter Herr Theisen, der nach meinem Dafürhalten noch etwas griffiger hätte formuliert sein können. Ich freue mich schon auf Teil II.

    Für unsere kulturmarxistischen Altparteien und der Generation Z ( wie Schneeflöckchen) gilt:

    Wie sich Verdienst und Glück verketten,
    fällt den Thoren niemals ein,
    und wenn sie den Stein der Weisen hätten,
    der Weise mangelte dem Stein.

  29. Eine präzise und schlüssige Zusammenfassung, verehrter Herr Professor Theisen, deren argumentative Stringenz mir höchsten Respekt abnötigt: Chapeau! Sollte unseren ‚Entscheidern‘ als unabdingbare Pflichtlektüre verordnet werden. Leider wird jedoch angesichts der bekannten Erfahrungs- und Bildungsdefizite dieser ebenso ‚harthörigen‘ wie überhaupt unbelehrbar-verbohrten Zielgruppe das Wort von den Perlen und den Säuen zur Anwendung kommen müssen. Die geradezu epidemisch verbreitete Untugend namens ‚Superbia‘ macht außerdem blind für diese Art von Menetekel.
    Dennoch: Dem zweiten Teil sehe ich mit größtem Interesse entgegen!

    • Deutschmarxisten sind nicht die hellsten. Vielmehr wird ihnen vom Ausland mittels einer Art Mantra eingehämmert, was sie zu glauben haben.
      Ausland kann sein: Peking, Moskau, Havanna, New York, London, …

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