<
>
Wird geladen...
Panik im Kreml

Warum Putin mehr Angst vor den Müttern hat als vor der Nato

11.03.2022

| Lesedauer: 2 Minuten
Putins Krieg löscht Familienlinien für immer aus. Das gilt nicht nur für Wehrpflichtige, sondern auch für Berufssoldaten. Doch bei Letzteren kennen die Familien das Risiko. Es sind die Mütter und Freundinnen der Eingezogenen, die Putin in die Lüge zwingen.

Am 9. März 2022 ist die Panik in Moskau groß. Sie zwingt Putin aus der Deckung: „Ich wende mich an die Mütter, Frauen, Schwestern, Bräute und Freundinnen.“ Die haben kurz zuvor herausbekommen, dass im ersten Angriff Wehrpflichtige verheizt wurden, um die erfahrenen Berufssoldaten für die entscheidenden Schlachten in Reserve zu halten. Putin gibt sich als Rächer der Mütter und aller anderen weiblichen Wesen. Lediglich LGBT-Partner entgehen der scheinbar devoten Umgarnung. Er habe von allem nichts gewusst, jetzt aber umgehend den Rückzug der Halbwüchsigen aus der Feuerlinie befohlen und die Bestrafung der Verantwortlichen durch die Militärjustiz eingeleitet.

Warum hat Putin mehr Angst vor den Müttern als vor der Lieferung von MIGs an Kiew oder gar vor der gesamten Nato? Das Russische Reich von 1914, das er wiederherstellen will, hatte zwischen 1840 und 1914 mit durchgehend sieben Kindern pro Frauenleben die höchsten Geburtenraten der Welt: 20 Mütter hinterlassen 70 Söhne.

Putin kann von einer solchen Demografie nur träumen. 2021 – bei einer Fruchtbarkeit von 1,5 – gibt es von 20 russischen Frauen nur noch 15 Söhne. Von 1000 Menschen weltweit lebten damals über 100 unter der Krone der Romanows. Unter 1000 Wehrfähigen standen aufgrund des extrem niedrigen Durchschnittsalters sogar 120 unter dem Kommando des Kreml. Heute stellen die 115 Millionen Russen unter Putins Strafgewalt – 80 Prozent der Föderationsbevölkerung – nur noch 15 von 1000 Erdenbürgern. Von global 1000 Wehrfähigen sind es aufgrund des hohen Durchschnittsalters bestenfalls noch 10. Sie sind einzige Söhne oder gar einzige Kinder ihrer Mütter. Er weiß das.

Jeder von Putin geführte Krieg löscht Familienlinien für immer aus. Das gilt nicht nur für Wehrpflichtige, sondern auch für Berufssoldaten. Doch Letztere sind gewissermaßen selber schuld. Ihre Familien kennen das Risiko. Gefallene Profis werden – wie Putin am 3. März bei der Angabe von Zahlen über Tote und Verwundete mitteilte – nachbefördert, um den Witwen etwas höhere Pensionen zu sichern. Vorsorglich werden überdies acht durchschnittliche Jahresgehälter für einen Gefallenen und – neben den Invalidenbezügen – fünfeinhalb für einen Verwundeten oder Verstümmelten angekündigt. Die Nachkommen der Berufssoldaten werden das kaum gefährden wollen und sich deshalb in der Öffentlichkeit zurückhalten.

Es sind die Mütter und Freundinnen der Eingezogenen, die Putin in die Lüge zwingen. Wenig spricht dafür, dass sie ihm Glauben schenken. Ihr bloß verbaler Angriff auf seinen Funktionär Sergej Tsiwilew aus dem sibirischen Kusbass, der ihre Söhne als Kanonenfutter ausgeliefert und das eigene Kind in Sicherheit gebracht hat, erweist sich als Volltreffer. Der dadurch erzwungene Gegenzug Putins ist nicht beliebig wiederholbar. Wird er die Frauen einsperren lassen, gar auf sie schießen? Das hat nicht einmal Breschnew während der Volldiktatur gewagt. Er hatte Mütter vor dem Kreml und damit vor der Weltöffentlichkeit, deren Söhne zu den 13.000 Gefallenen des sowjetischen Afghanistankrieges von 1979 bis 1989 gehörten.


Gunnar Heinsohn (*1943) hat 2011 am NATO Defense College das Fach Kriegsdemografie eingeführt und bis 2020 gelehrt.


Gunnar Heinsohn, Söhne und Weltmacht. Terror im Aufstieg und Fall der Nationen. Orell Füssli, Hardcover, 224 Seiten, 20,00 €.


Empfohlen von Tichys Einblick. Erhältlich im Tichys Einblick Shop >>>
Unterstuetzen-Formular

WENN IHNEN DIESER ARTIKEL GEFALLEN HAT, UNTERSTÜTZEN SIE TICHYS EINBLICK. SO MACHEN SIE UNABHÄNGIGEN JOURNALISMUS MÖGLICH.

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

20 Kommentare

  1. er handelt wie ein Staatsmann,

    Putin handelt nicht wie ein Staatsmann, sondern wie ein Terrorist. Und das ist er auch: Ein Völkermörder und Terrorist. Was haben Leute wie Sie nur für ein Weltbild, wenn Sie diesen skrupellosen Aggressor als vorbildlichen Staatsmann in den Himmel loben? Man kann nur noch mit dem Kopf schütteln.

  2. Das ist nur eine Facette eines generellen Problems bei der modernen Kriegsführung. Einen konventionellen Krieg kann man nur mit Soldaten führen. Trotz moderner Technik entscheidet dabei weitgehend der Kampfeswille der Soldaten. Und der dürfte in einer globalisierten Welt nicht mehr alt so hoch sein. In der Ukraine sehen wir, dass ein Grund für einen hohen Kampfeswillen sein kann, dass ein Land von außen angegriffen wird. Wo aber sollen Soldaten, die in ein modernes Leben führen, den Willen herbekommen in ein fremdes Land einzumarschieren und dort für eine Sache zu sterben, deren Hintergründe sie gar nicht vollkommen durchblicken können und mit denen sie sich auch nicht identifizieren können? Fanatische religiöse oder politische Ideologien können hier sicher solche Soldaten hervorbringen. Aber die dürfte es weder im Westen noch in Russland in großem Umfang geben. Letztendlich bedeutet dies aber im Umkehrschluss, dass Regierungen die heute noch Kriege anzetteln abgesetzt gehören. Und das gilt in diesem Fall für genauso für die USA. In den USA gibt es sicher noch Menschen die zu viele Rambo Filme geguckt haben und sich daher in Kriegen ausleben wollen. Die Realität sieht dann aber ganz anders aus. Die Mehrzahl der Amerikaner wird aber wohl weder in im Irak, Syrien, Afghanistan oder sonst wo auf der Welt sterben wollen. Und schon gar nicht für Präsidenten die vorher Geschäfte mit dem „Feind“ gemacht haben.

  3. Es würde m.E. der Wahrheitsfindung dienen, wenn hier nicht nur das berühmteste Werk des bedeutenden Wissenschaftlers (2006) erwähnt würde, sondern auch, daß Prof. Heinsohn am NATO Defense College Kriegsdemographie lehrte.
    Zum Defense College gestatte ich mir noch einen Hinweis auf das Buch des jüngeren Wissenschaftlers Daniele Ganser: Illegale Kriege. Wie die NATO-Länder die UNO sabotieren. 2016.

  4. Jeder von Putin geführte Krieg löscht Familienlinien für immer aus

    Ach komm, das macht die EU und die woke deutsche Politik doch auch! Nur nicht mit der Waffe, sondern viel diffiziler! Nicht umsonst sind doch Kinder unter Beifall von Medien und Politik als CO2-Belastung gebrandmarkt worden!
    Warum denn verschweigen denn die Medien die Selbstmorde. Sicher nicht wegen des angeführten Grundes der Verhinderung von Nachahmung. Denn schon allein dieses Argument beweist die lebenszerstörende Politik der letzten 30 Jahre!

  5. Interessant ist ja, dass Putin „Freiwillige“ aus dem Ausland, vor allem aus Syrien einsetzen will. Eine interessante Entwicklung.
    Zum einen finde ich Putins Wording gut (auch wenn sein Krieg nicht so gut klappt): Er macht den Krieg zur „Entnazifizierung“, sozusagen ein „Krieg gegen Rechts“ (also wie der Westen, nur etwas exzessiver). Zum anderen kommen auch zu ihm „Freiwillige“, genau wie aus dem Westen in die Ukraine.
    Zum anderen ist das Konzept interessant und vielleicht global einsetzbar. Gaddafi hatte ja bekanntlich auch Söldner aus Schwarzafrika. In der Geschichte gab es immer wieder Staaten, die für ihre Kriege hauptsächlich Söldner verwendet haben. Ob das heutzutage auch wieder möglich ist, muss man sehen.

  6. Daß Putins Krieg nicht nur Familienlinien in Rußland für immer auslöscht, ist das eine, nur wer auf unschuldige Menschen, Frauen und Kinder in der Ukraine schießen läßt, ist ein Kriegsverbrecher.
    Das russische Volk wird keinen Kriegsverbrecher als Präsidenten haben wollen, noch dazu, wenn dieser das eigene Volk unterdrückt und Andersdenkende mißhandelt.
    Mütter und Freundinnen der Eingezogenen sind nur der Anfang.
    Das russische Volk wird sich mit eigener Kraft von Putin und seinen Helfern befreien. Putin ist 69 Jahre alt und hat nicht mehr die Kraft, die Zukunft Rußlands zu gestalten.

    • Ich hoffe auch drauf das die Russen es selber lösen… bis dahin wird noch viel Blut fließen…
      Es ist mal wieder der Beweis dafür das Politiker nur eine bestimmte Zeit regieren sollten… Max. 8 Jahre und danach der Ausschluß von sämtlichen politischen Ämtern, und das weltweit! Wir befinden uns im 21. Jahrhundert, die Menschheit sollte dazu gelernt habe …

      • Es wäre schön. Nur sagen Sie dies mal einem Politdarsteller, der glaubt, auf Lebenszeit gewählt zu sein. Man muß nur in die Parlamente schauen. Es gibt nicht mal eine Altersgrenze.
        Umgekehrt gibt es auch keine Vorgabe, welche Voraussetzungen ein Bewerber haben muß, um sich zur Wahl zu stellen/sein Amt auszuüben.
        Ohne fachliche Eignung, ohne Berufsabschluß und/oder trotz Ermittlungsverfahren. Selbst die Promotion muß nicht stimmen.

      • Es gibt in Deutschland keine Amtszeitbegrenzung für KanzlerInnen und somit auch keine Altersgrenze.

    • „wer auf unschuldige Menschen, Frauen und Kinder in der Ukraine schießen läßt, ist ein Kriegsverbrecher“ … meinen Sie die Neonazi-Milizen (mittlerweile reguläre Truppenteile des ukrain. Militärs), die in den vergangenen Jahren im Donbass auf ‚Menschen, Frauen und Kinder‘ geschossen haben?
      Ganz nebenbei:
      Um Familienlinien ‚auszulöschen‘ reicht hierzulande schon die Familien- und Rentenpolitik. ‚Für Frauen mit vielen Kindern besteht die Gefahr der Altersarmut‘ heißt es schon seit Jahren. Wer setzt denn dann noch viele Kinder in die Welt, außer vielleicht denjenigen, die sich schon frühzeitig im Sozialsystem eingerichtet und nichts zu verlieren haben – ganz abgesehen von denen, die sich mit Kindern nicht ’selbstverwirklichen‘ können? Und wer fragt danach, ob (vielleicht einzige) Söhne und Töchter irgendwelchen Messermördern zum Opfer fallen?
      … zurück zum Thema:
      Krieg ist immer sch…. und war es schon immer!
      Aber wo sind die Diplomaten, die Kriege verhindern können (und wollen?), weil sie die Sicherheitsinteressen des ‚Gegners‘ ernstnehmen und bereit sind Kompromisse einzugehen? Wo waren die EU-Politiker, denen klar war, dass sie in der Ukraine Unfrieden stiften würden, wenn sie im Rahmen eines Assoziierungsabkommens die Bedingung stellen, die Handelsbeziehungen zum Nachbarn Russland praktisch komplett einzustellen (Barroso).
      Schauen Sie sich doch an, wie Kriege heute entstehen. Es beginnt mit wirtschaftlichen Begehrlichkeiten und dem Wunsch, Kontrolle über Rohstoffe auszuüben, die es z.B. in der Ukraine in großen Mengen gibt. Man beginnt mit der „Stärkung der Zivilgesellschaft“ (hört sich immer gut an), indem man NGO’s installiert und finanziert, die der Bevölkerung vorgaukeln, es läge in ihrem Interesse dieses oder jenes zu fordern oder zu unterlassen. Die Bevölkerung wird gespalten – was sich in multiethnischen Staaten leicht bewerkstelligen lässt – und ist letztlich sogar bereit, einen gewählten Präsidenten mit Waffengewalt aus dem Land zu jagen (ein paar käufliche Gangster finden sich immer). Von diesem Zeitpunkt an, hat der Souverän im eigenen Land nichts mehr zu melden … die weitere Entwicklung ließ sich in der Ukraine seit 2014 beobachten.

      • „die in den vergangenen Jahren im Donbass „

        Sie meinen auf die Terroristen geschossen haben die eine Diktatur im Mini Format errichtet haben?

      • Mit der Umsetzung des Minsker Abkommens hätte man das Land befrieden können. Offensichtlich hat keiner der Unterzeichnerstaaten – außer Russland – besonderen Wert darauf gelegt. Der Krieg hätte womöglich verhindert werden können.

    • Putin hatte schon die letzten 30 Jahre nicht die Kraft, die Zukunft Rußlands zu gestalten. Für die Masse der Bevölkerung hat sich die wirtschaftliche Situation seit der Wende nicht geändert. Das produzierende Gewerbe, soweit vorhanden, baut nichts, was sich im größeren Umfang exportieren ließe (außer Waffen). Wer wissenschaftlich oder technisch wirklich was auf dem Kasten hat, arbeitet im Westen. Und selbst ihr Geld geben die wohlhabenderen Russen lieber im Ausland aus. Sollten kurz oder mittelfristig die Einnahmen aus den Energieexporten, mit denen uns Putin Merkel und Schröder sei dank an der Kandarre hat, wegfallen, ist das Land am Ende.

  7. Ja, ist in der Ukraine, die eine noch geringere Geburtenrate aufweist, nicht anders. Von daher eigentlich für die Betrachtung des Krieges nicht relevant?

  8. Der Erfindungsreichtum scheint in diesem Krieg nicht nur bei Facebook unbegrenzt zu sein.
    Zu viele westlich Chefdemagogen haben zu lange Kriegsdemagogie studiert.  

  9. Eine Frage TE. Warum trauern nur Mütter um ihre getöteten Kinder? Es gibt auch Väter und die trauern sicher nicht weniger. Was ist mit den bisher getöteten 78 Kindern in der Ukraine? Ich habe drei Kinder und wenn auch nur eines meiner Kinder in so einem unsinnigen Krieg sterben würde, dann würde ich wahnsinnig werden vor Trauer und Wut.

    • Es geht weniger um die Trauer, sondern um die Macht, die dahinter steckt.
      Eine trauernde Mutter kann nichts erschrecken. Es gibt keine – wirklich keine Strafe – die sich mehr treffen könnte, als ihre Trauer.Und das ist, was Angst macht. Frauen machen die Verbrechen in der Politik publik. Einer Mutter, die ihren Sohn verloren hat, kann man nicht mehr den Mund verbieten.

  10. Die Deutschen brauchen gar keinen Krieg. Viele Familienlinien löschen sich von selbst aus, manche schon zur Verminderung der CO2-Emission. Tradition ist so eine Sache.

    • Ukrainische Frauen, auch verheiratete Ukrainerinnen mit Kind(den), könnten sich evtl an westliche Männer (,auch an gebundene/ verheiratete) heran machen und evtl aus deren Beziehungen heraus „erotisieren“.

      Westliche Männer (etliche davon einschlägig Polizei bekannt) „begrüßen“ ukrainische Frauen ( auch mit Kind/dern) und bieten ihnen „Unterkunft“ an.

      Ukrainische Frauen und Kinder haben Ängste um ihre Männer und Väter, Söhne und Brüder.

Einen Kommentar abschicken