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Vertrauen

Von Nassfrüchten und Markenkernen

01.11.2018

| Lesedauer: 5 Minuten
Warum Vertrauen niemals Ursache, sondern Wirkung ist.

Diese Erfahrung muss jeder einmal machen: Wenn Sie Hilfe benötigen, sich in einer unbekannten Situation befinden und ihnen ein unbekannter Mensch voll Überschwang, laut scheppernd und mit kraftvollem Gestus sagt „Vertrau mir!“ , dann weiß man spätestens ab Mitte 30, dass man eben diesem „Vogel“ ganz und gar nicht vertrauen sollte … je lauter nämlich ein Mensch Vertrauen einfordert, desto weniger haben wir nachvollziehbare Anhaltspunkte, dass wir guten Gewissens unsere Selbstbestimmung aus der Hand geben. Vertrauen entsteht eben gerade nicht durch das Beschwören eines Zustandes, sondern einzig und allein aus Erfahrungen, die wir hinsichtlich eines Absenders über die Zeit machen. Hört sich vielleicht ein wenig akademisch an, wird aber jeden Tag tausendfach bewiesen: Unsere Vorstellung von einem guten Freund resultiert auf der Erfahrung, dass das Verhalten eines geschätzten oder geliebten Menschen erwartbar ist … so simpel. Das hält so manche Ehe zusammen. Nicht umsonst steckt im Wort Vertrauen das Wort treu. Anders gewendet: Vertrauen entsteht nur dem gegenüber, der sich selbst treu ist. Das ist ein uralter Hut, aber gerade deshalb eine fundamentale und daher allgemeingültige Erfahrung.

In einer Epoche in der grundsätzlich Ursachen und Wirkungen miteinander verwechselt werden, ist es also nur konsequent, wenn die großen Volksparteien angesichts ihrer schmelzenden Wahlergebnisse laut ausrufen, „das Vertrauen der Wähler“ zurückzugewinnen. Dass dieses Mantra nunmehr seit gut 10 Jahren immer und immer wieder herangezogen wird, macht deutlich, dass man in praktischer Oberflächlichkeit verstanden hat, sich der eigentlichen Herausforderung zu entziehen. Vertrauen entsteht eben gerade nicht über die Benennung (Wirkung), sondern über Leistungen (Ursache). Deswegen ist Vertrauen auch etwas sehr wertvolles und die meisten Menschen gehen mit ihrem Vertrauen äußerst sparsam um. Vertrauen ist keine Ursache, sondern das Resultat eines Prozesses. Vertrauen ist kein Beschluss. Vertrauen ist keine Philosophie. Vertrauen resultiert auf knallharten Fakten oder nachvollziehbaren und klar verorteten Leistungen.

Aufmerksamkeit schafft noch kein Vertrauen

Interessanterweise hat der hoch spezialisierte Zeitgeist es vermocht, uns einzureden, dass Kommunikation auf öffentlicher Ebene vollkommen anders funktioniert als im zwischenmenschlichen Leben. Wahrscheinlich weil sich mit „neuartigen Rezepten, Moden und Trends“ eher ein Expertenhonorar – wie schreibt man heute vornehm – generieren lässt.

In der Werbe- und Kommunikationsbranche unterscheidet man gute Strategen von den schlechten an ihrer Wortwahl: Schlechte „Experten“ sprechen davon, dass sie „auf“ einer Marke arbeiteten, gute Experten formulieren, sie arbeiteten „in“ einer Marke. Auf der Oberfläche lassen sich Effekte schnell und situativ bespielen: Alles eine Frage des Budgets bzw. des Überraschungseffektes … je mehr alte Vorstellungswelten eines Absenders irritiert werden, desto größer naturgemäß die Aufmerksamkeit. Die Währung der Oberflächlichkeitsstrategen misst sich in „Awareness“ (bspw. Klicks und Downloads). Vertrauen allerdings benötigt Zeit, schließlich müssen Erfahrungen bestätigt werden, so dass sich Gewohnheiten verstetigen. In der Wirkung sinkt über die Zeit der Überzeugungsaufwand: Wir wissen, was wir bekommen und benötigen an sich nur einen regelmäßigen Bestätigungsimpuls: Alles so wie immer … gerade in einer Welt, die immer unübersichtlicher wird.

Machen wir uns nichts vor: Ein derartiges „sich fokussieren“ auf seine typischen Haltungen, Werte und Leistungen begrenzt. Es wird Menschen geben, die bestimmte verlässliche Merkmale als überaus attraktiv, andere als grauslich empfinden. Signale sind immer eindeutig, ansonsten wären sie keine. Begrenzung, also Grenze, ist eines der Unwörter der Moderne … wir sind angehalten Grenzen niederzureißen, Gemeinsamkeiten zu betonen und Unterschiede aufzulösen. Ethisch verständlich und nachvollziehbar, jedoch eher Wunsch, denn Wirklichkeit.

„Wie die Alten sungen …“

Die Besonderheit der großen Volksparteien ist, davon ist bereits in wirklich allen Medien geschrieben worden, dass sie allesamt ihre eindeutige Signalstruktur in den vergangenen 20 Jahren aufgelöst hätten. Symptomatisch stehen dafür die Beschreibungen im Buch „Die Schulz-Story: Ein Jahr zwischen Höhenflug und Absturz“, in welchem der Autor Markus Feldenkirchen en detail beschreibt, wie sich „Person Schulz“ im Laufe des Wahlkampfes auf Basis von kleinteiligen Meinungsumfragen zu einer „Projektionsfläche des mehrheitlich Erwünschten“ auflöste. Von Signal ist nichts mehr zu spüren. Schließlich ging es darum, die möglichst größte Schnittmenge der Bevölkerung anzusprechen. Ansprechen ist aber nicht überzeugen. Denn auch eine Wahl ist davon getragen, dass wir mit einem Kreuzchen etwas über uns selbst, unser Selbstverständnis, unsere Überzeugungen aussagen möchten … und keiner ist gern alles und damit nichts … keine Frage: Spezialanbieter haben es leichter für spezifische Inhalte zu stehen. Ein Ferrari mag bei den meisten Menschen ein eindeutigeres Bild hervorrufen als beispielsweise Opel, aber beide kennzeichnet, dass bestimmte Erwartungen fest verankert sind.

Problematisch wird es aber, wenn Ferrari plötzlich „ein bisschen Opel“ sein möchte oder Opel „ein wenig Ferrari“ … am Ende weiß kein Mensch mehr, wofür das Unternehmen steht. Kurzfristig mögen diese Schachzüge durchaus für Aufmerksamkeit und Sympathie sorgen, aber langfristig wird der Grund der Anziehungskraft aufgelöst. In eben dieser strukturellen Falle befinden sich die sog. Volksparteien heute. Ihre Wählerschaft, so offenbaren zahlreiche demoskopische Studien, speist sich nur noch zu einem Teil aus überzeugten Unterstützern, sondern zu großen Teilen aus Gewohnheitswählern (d.h. älteren Bevölkerungsschichten), die – auf die traditionellen, klaren Erwartungshaltungen verweisend – SPD oder CDU wählen, „weil sie es immer schon gewählt“ haben. Anders formuliert eine SPD oder CDU 2018 hat inhaltlich nur noch sehr wenig mit einer SPD oder CDU aus den Jahren 1988 zu tun, aber Vorurteile, auch in Bezug auf die Inhalte einer Partei, sind bekanntlich nicht totzukriegen. Die Träger dieser Vorurteile sterben aber langsam aus.

Markenkerne sind konkrete Leistungsdefinitionen

Wenn also nunmehr der Markenkern der Parteien wieder deutlicher hervorgehoben werden soll, dann wird allein an dieser Formulierung das Unverständnis hinsichtlich ihrer Funktionsweise deutlich: Kerne ohne Inhalt sind keine Kerne. Denn ein Markenkern ist in erster Linie ein Leistungs- und kein Kommunikations- oder Werbekern. Kommunikation und Werbung haben lediglich die Aufgabe die erbrachten Leistungen resonanzstark in die Öffentlichkeit zu tragen. Parteien, die in der Vergangenheit auf der Leistungsebene ihre spezifischen Leistungserwartungen nicht erfüllt haben, können nicht in kürzester Zeit, einen neuen Kern basteln. Im Gegenteil: Sie stehen vor der Aufgabe zunächst zu klären, wofür sie standen. Und genau an diesem Punkt unterscheidet sich eine ursachen- von einer effektorientierten Arbeit: Nur zu gerne beschränkt sich eine Markenkerndiskussion auf abstrakte Inhalte. Eine CDU hat ein „christliches Menschenbild“ und die SPD stehe für „soziale Gerechtigkeit“ … alles richtig und so einfach durchsetzbar, weil jeder – irgendwie – dahinter stehen kann, aber was bedeutet dies für das politische Tagesgeschäft? Jeder Verkäufer weiß, dass er mit Beschreibungen wie „hohe Qualität“ oder „gute Serviceorientierung“ oder gar die „witzige Werbung“ seine Kunden nicht davon überzeugt, eine Waschmaschine zu kaufen. Überzeugungskraft entwickeln dagegen klare Leistungsbeschreibungen: „Hält 20 Jahre“ oder „Reparatur innerhalb von 24 Stunden“. Diese Aussagen verlangen vom Unternehmen ein klares Bekenntnis und zugleich eine disziplinierte Leistungserbringung an allen Punkten der Wertschöpfungskette Dazu können sich schließlich Mitarbeiter, Verkäufer und Kunden bekennen – oder nicht.

Markenkerne sind daher nicht diffuse „Philosophien“ oder „Visionen“, sie ergeben sich auch nicht aus „Diskussionsgruppen“ oder „Innovationscamps“, sondern aus demokratisch erarbeiteten , aber eindeutig formulierten Leistungsdefinitionen. Das ist die Basis. Darüberhinaus müssen diese Leistungen eingehalten werden – nicht nur heute und morgen, sondern weit darüber hinaus. Erst dann und nur dann entsteht Vertrauen. Das ist anstrengend und verlangt das ständige Abwägen – manchmal ist dann das inhaltliche „Nein“ kräftigender als eine ominöse Machtoption.

Es gilt daher vor allem wieder den Mut zu haben „für etwas zu stehen“ und dies klar und eindeutig zu definieren. Das mag nicht mehr „Alle“ ansprechen, aber wahrscheinlich viel mehr als heutzutage. Jede Partei ist immer ex-klusiv, erst aus diesem Ausschluss entwickelt sich Anziehungskraft. Denn ein Garten formbarer Nassfrüchte ohne Kerne mag für eine gewisse Zeit praktisch und ansehnlich sein – langfristig vergehen aber die Pflanzen.

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24 Kommentare

  1. Wer steht denn heute überhaupt noch für irgendetwas? Das sowohl als auch ist modern geworden und wird inzwischen von fast allen Menschen praktiziert.
    Man erwartet beste Leitung bei günstigstem Preis. Man erwartet viel sichere Strom-Energie ohne Kraftwerke. Man erwartet persönliche freie Mobilität bei wenig Verkehr.

  2. Wenn „ihnen ein unbekannter Mensch voll Überschwang, laut scheppernd und mit kraftvollem Gestus sagt „Vertrau mir!“ , dann weiß man spätestens ab Mitte 30, dass man eben diesem „Vogel“ ganz und gar nicht vertrauen sollte …“ – bei diesem Passus musste ich unwillkürlich an das Dschungelbuch, Mowgli und die Schlange Kaa denken. Man muss also nicht Mitte 30 sein, um solche Verführer zu erkennen, die nur zum eigenen Vorteil handeln. Weihnachtsmärchen genügt 😉

  3. Geht es in diesem Vergleich um „Äpfel“ oder „Birnen“? Egal sie haben total Recht, denn es geht im Kern, um das Markenversprechen, dass das Produkt für das steht, für das es bekannt und beliebt ist.

    Und das wird das Problem der CDU werden, die nicht mehr für konservative deutsche Politik, sondern für „egal wie aber Zustimmung“ steht. Ich sehe Merkel und die Groko in Richtung GCM wie auf den „Endsieg“ torkeln. Selbst der SPD sollte sich im Klaren sein, dass die Reste ihrer Wähler das nicht zu schätzen wissen und die SPD demnächst als Splitterpartei genauso an der 5%-Hürde nagen könnte, wie die FDP.

    PS: Ein Vergleich von iPhones mit der Kohl-Zeit verbietet sich doch 😉

  4. Klare belastbare Statements und den Charakter dazu zu stehen würden mir schon reichen , aber fragen wir doch einmal Herrn Merz ob er für oder gegen den UN Migrationspakt ist , ob er für oder gegen die strikte Einhaltung von Dublin und No Bail Out Regeln , ob er für oder gegen noch mehr nationale Souveränitätsverluste an Europa ist , ob er für oder gegegen direkte Demokratie ist und ob er bereit sei seinen Hut wieder in den Ring zu werfen wenn er seinen Ansagen nicht treu bleiben kann , dann werden wir an seinem Handeln sehen ob er in der Lage ist verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen .
    Leider stellen die Mainstreammedien diese Fragen erst gar nicht so direkt und unverblümt verbindlich , weil sie ja so genau wissen wo dem Bürger der Schuh zu drücken hat .
    Da kann man schon mal ein paar unwesentliche Dinge wie Steuer. – und Abgabengerechtigkeit oder die oben genannten Themen vergessen zu erwähnen , messen wir künftig alle die daherkommen daran ob sie zu allen Themen fair , offen , ehrlich , transparent , leistungsgerecht reden und handeln , und ob sie zu ihren Ansagen konsequent stehen , ob sie bedingungslos zwei Gewinnerspiele spielen , und wenn sie verschaukelt werden knallhart zurückschlagen . Nur wenn jeder einzelne dieser Punkte erfüllt wird dann hat man Vertrauen verdient !

  5. „das Vertrauen der Wähler“ zurückzugewinnen.

    Schöner Artikel. Der Volksmund sagt: „An ihren Taten sollst Du sie erkennen“.
    Und nachdem die C*U an ihren Taten in den Jahren seit mindestens 2009 vollständig unkenntlich geworden ist, und die damaligen Taten bis heute nachwirken, und teilweise aufgrund der EU-Bindung nicht mehr redressierbar sind, wird es auch einem F. Merz sehr schwer fallen, das Ruder herumzureissen und damit auch eine Wirkung zu entfalten.

    Die Blockparteien haben sich ja, z.B. bei der DSGVO, der Umweltpolitik (CO2, NOx darauf verständigt, erschreckt zu reagieren, obwohl deren Vertreter im EU-Parlament entweder vehement dafür waren (GrünInnen und Grüne) oder die Brüsseler Regelungen „passieren“ liessen. Vor der Wahl haben die GrünInnen in Hessen noch vernehmlich geheult, man müsse „Fahrverbote um jeden Preis verhindern“. Es ist auch interessant, wie wenig „Mutti“ darüber mitgeteilt hat, wie sie sich die „Weiterentwicklung“ der EU(DSSR) vorstellt (besonders Auffällig war das kurz vor der BT-Wahl im Jahr 2017).

    Die Wähler müssen m.E. verstärkt nach Brüssel schauen, um zu verstehen was passiert und die Parteien im EU.-Parlament für ihre fahrlässige Politik („ist ja eine EU-Vorschrift“) abstrafen. Diese spielen m.E. seit einigen Jahren über Bande, während sich die EU-Administration (unter Ischias-Juncker) immer mehr Rechte (unwidersprochen) herausnimmt.

  6. Gute Beschreibung des Vertrauensverlustes in die „Volksparteien“. Mir geht es wie einigen Mitforisten: das Vertrauen in den Staat, in die bisher gewählten Parteien (bei mir waren es SPD, Grüne) und in die Medien ist für mich seit 2015 abhanden gekommen.

  7. Der größte Fehler in der deutschen Politik war es, einer Kanzlerin die Regierungsmacht zu übertragen, der ein etablierter Professor den „Ökonomischen“ Sachverstand eines Grundschülers attestiert hat.
    Einen weiteren Beweis brachte einen etablierten Psychoanalytiker zur Feststellung das die Handlungen der Kanzlerin von Irrationalität gekennzeichnet sind.
    **

  8. „es dauert Jahre, das Vertrauen eines Kunden zu gewinnen, aber nur Sekunden, es zu verlieren“. Das gilt auch für alle anderem Beziehungen, in denen man steht. Mein Vertrauensverlust ist im September 2015 eingetreten. Es ist ja nicht so, dass die Verantwortlichen Akteure nicht „für etwas stehen“. Sie stehen für etwas und ich habe das zu spät erkannt. Herr Laschet warnt gerade vor einem „Rechtsruck“. Der „Rechtsruck“ steht für mehr Demokratie, Einhaltung von Gesetzen, Schaffung von Transparenz im Bundeshaushalt (und damit für meine Hoffnung, dass bei Einräumung von Gestaltungsverantwortung auch eine sinnvolle Haushaltsdisziplin Eintritt). Es entsteht Vertrauen in mir und die Hetze der politischen Konkurrenz wirkt kontraproduktiv.

  9. Dass die Volksparteien keine mehr sind, zeigen ihre Prioritäten. Sie denken nur von Wahl zu Wahl, und jetzt an die Europawahl. Auch wenn es uns immer eingeredet wird, hat man als Bürger von Europa so viel, wie man von der Zuwanderung bereichert wird. Letzteres ist ja schon ein Widerspruch in sich, dass man sich bereichert. Bereichert an Erfahrungen, dass man bestimmte Stadtteile meidet, oder was ist damit gemeint? Probleme die wir haben wurden von den Volksparteien erst geschaffen, denn Privatleute würden ihr Geld nicht verschenken, für andere länger arbeiten, das Land verkommen lassen, oder neue Herren über sich dulden. Doch diese Volksparteien wollen auch gar keine mehr sein, denn im Grunde kann es ihnen gar nicht schnell genug damit gehen, immer mehr Souveränität an undemokratische Organisationen, wie EU oder UN abzugeben.

  10. Mich erinnert der aktuelle Politikbetrieb mehr und mehr an die Kultserie „Per Anhalter durch die Galaxis“ des verstorbenen britischen Autors Douglas Adams. Er beschreibt in einem SF-Roman die Rolle des galaktischen Präsidenten Zaphod Beeblebrox kurz und knapp mit der Funktion, die Wähler davon abzulenken, wer die wahre Macht in der Galaxie innehat und gibt dazu Beispiele für gute Präsidentensprüche, die absolut nichtssagend, aber wunderbar schlagzeilentauglich sind. Genau auf diesem Niveau sind wir heute: Markenkern stärken, Profil herausarbeiten, zur Sacharbeit zurückkehren, besser erklären, unterscheidbarer werden, etc.

    Wenn aktuell ein Unionsministerpräsident Laschet beklagt, dass der Bundesgesundheitsminister Spahn die Größenordnung der umdeklarierten Migration im Verhältnis zu tatsächlichen politisch Verfolgten thematisiert, merkt man schön, dass er mit aller Macht zu den Sprechblasen zurück will. Früher hätte man als eher links stehender Politiker gesagt, Spahn liegt falsch, die Immigranten sind wichtig. (wenn das der eigenen Meinung entsprach).

    Und daher wächst die AFD derzeit am stärksten in der politischen Landschaft. Man mag deren Positionen hassen oder lieben, aber sie lassen im Gegensatz zu vielen anderen Parteien niemanden im Unklaren. Am ehesten ähneln ihnen hier die ebenfalls erfolgreichen Grünen noch, die linke Positionen weitestgehend klar vertreten, wenn deren Konsequenzen teilweise verniedlicht werden.

    Bei der SPD sind die deutlich sprechenden Vertreter wie Herr Buschkowsky oder Herr Sarrazin, ja selbst teilweise Herr Gabriel, eine am Aussterben befindliche Spezies, egal ob man deren Positionen teilt oder nicht.

    Bei der Union hingegen gibt es jetzt die letzte Chance zur Bewahrung des Vertrauens einer Volkspartei. Wenn der oder die nächste Vorsitzende mit glasklaren Sachaussagen auf dem Hamburger Parteitag gewählt wird, könnte eine Wende klappen, egal ob diese weiter links oder rechts sind. Wenn die Bewerbungsreden an der Oberfläche des „wir müssen alle drei Wurzeln (liberal, christlich-sozial, konservativ) erkennbar werden lassen“ bleibt, wonach es derzeit selbst bei Friedrich Merz aussieht, geht die Union den gleichen Weg der SPD. Die Entscheidung darüber wächst in den nächsten Wochen, wenn neben den drei klar Sprechenden Zählkandidaten die drei Favoriten AKK, Merz und Spahn in Hintergrundgesprächen ausloten, wie konkret sie werden dürfen, ohne ganze Flügel zu verprellen. Ich bin hier nicht optimistisch, denn die Medien und weite Teile der Union und der Gesellschaft haben sich von der klaren Ansage mental entfernt. Das wird wieder kommen, spätestens dann, wenn neue Mehrheitsverhältnisse und neue Medien wie Cicero die Debatte beherrschen. Die Bayern zeigen es mit den Freien Wählern sehr schön: keine Sprechblasen, keine Denkverbote, klare Sachforderungen wie kostenfreie Kita und keine dritte Startbahn in München. Medienproteste? Missverständnisse? Vertrauensverlust? Interessanterweise nicht! Das sollte den Unionsfunktionären Mut machen. Ich befürchte nur, das wird es nicht.

    • Ich tippe hiermit offiziell, dass die CDU eine „**“ als Nachfolger von Merkel küren wird.

      Aus diesem Grund scheiden die 3 Kandidaten aus, und Laschet ist mein Favorit. Das man so Wahlen gewinnt, kann ich und will ich nicht glauben.

  11. Meine Güte – so viele Worte und so wenig Inhalt. Natürlich: Vertrauen gibt’s nicht als Vorschuss, sondern nur im nachhinein nach erwiesener Leistung (neudeutsch: Performance). Dem Autor wäre m.E. zu empfehlen, sich die Zeit zu nehmen, aus einem langen Beitrag einen der Botschaft angemessenen und den Leser schonenden kurzen Beitrag zu machen.

  12. Am deutlichsten ist dies alles doch am Erfolg der Grünen zu sehen. Es gibt einen Markenkern = zentrale grüne Themen. Es gibt ein Vertrauen in die Marke „Grün“, denn die Ziele werden realisiert = Atomausstieg, Kohleausstieg, Energiewende, ….
    Geliefert wie bestellt. Das funktioniert auch bei der AfD, nur das die AfD Migration und „Protest“ besetzt, auch wird geliefert wie bestellt.
    Dabei haben weder die Grünen noch die AfD alleine die Kraft zu liefern, dass machen Regierungen und Parlamente, in denen die Grünen und die AfD nicht die Mehrheit haben.

  13. Sehr kreative und passende Beschreibung des Ist Zustandes. Auf den Punkt gebracht! Danke schön?

  14. SAGEN KANN EINER JA VIEL
    Wenn er behauptet, er sei der Kaiser von China ist er es noch lange nicht. Man glaubt gar nicht was in unserer zugleich verworrenen, andererseits aber höchst einfältig und simpel gestrickten Welt alles auf Lippenbekenntnissen basiert. Die grüne Partei, die wohl überwiegend von jugendlichen Naivlingen gewählt ist ist so ein Phänomen. Wenn einer sagt, er könne mit dem begriff Vaterland nichts anfangen drängt sich eher der Eindruck auf, er habe unterschwellige Neigungen in diese Richtungen. Das allzu offensichtliche ist entweder nichts wert, lächerlich oder eben auf eine platte Weise verlogen. Nicht umsonst heißt eine der Witzfiguren, die von der Komikertruppe „Monty Python“ so gekonnt lächerlich gemacht wird „Ron Obvoíous“ (Ron Offensichtlich). Nicht umsonst geibt es im französischen das Bonmot „qui s’excuse s’accuse“-wer sich entschuldigt, der klagt sich an. Er entschuldigt sich eben nicht.

    Das platte, das offensichtliche, es ist trivial. Literaturnobelpreisträger Ernest Hemingway hat für sich selbst den Anspruch aufgestellt, so zu schreiben, dass er von einfachen Leuten gelesen und von den Kritikern gefeiert wird. Nach Lesart einfältiger political correct-Fanatiker von heute ist er damit wahrscheinlich „Populist“. Vor allem Hemingways Kurzgeschichten basierten auf der von ihm so benannten „Eisberg-Theorie“: 10% war explizit, wie der Anteil des Eisbergs über Wasser, der Rest war implizite Information, befand sich zwischen den Zeilen und musste herausgelesen werden. Genau das unterscheidet seine durchweg actiongeladenen und alltagstauglichen short stories von der Trivialliteratur-da ist alles explizit, sie verlangt vom Leser keine geistige (Eigen-)Leistung.

    Der Aufschwung der grünen ist synonym mit einer neuen Trivialkultur, die sich durch Unklarheit und Verworrenheit intellektuellen Anspruch zu geben bemüht ist und all jene als Populisten beschimpft, die aufgrund ihrer Fähigkeiten und ihrer Bildung Lösungen parat haben für Probleme, die die Grünen mangels intellektueller Reife nicht lösen können. Der Aufschwung der Grünen ist kein gutes Zeichen, er bedeutet Pharisäertum und als intellektuelle Problemkultur getarnte Oberflächlichkeit. Ich darf mich selbst durchaus (bei aller Bescheidenheit) als gebildet bezeichnen (worauf ich mir allerdings nicht viel einbilde). Charaktere wie Anton H., Claudia R. oder die zahlreichen besserwisserischen Studienabbrecher bei den Grünen wirken auf mich nicht überzeugend, eher lächerlich, wie Don Quixotes, die sich selbst für edle Ritter mit Heldenstatus halten.

    Churchill sagte mal „wer mit 20 nicht links ist hat kein Herz, wer es mit 40 immer noch ist aber keinen Verstand.“ Nun, die Grünenwähler sind eher jene unter 40, denen man herausragende Verstandesleistungen noch nicht zutrauen kann, sondern würden sie schwerlich eine solche Partei wählen. Wenn es nach mir ginge würde man das Wahlalter noch drastisch höher ansetzen (das Alter für Strafmündigkeit hingegen drastisch absenken). Es kann nicht sein, dass jene mit mehr Verstand von denen mit weniger Grips bevormundet und vielleicht sogar noch beherrscht werden.

    • Stimmt alles bis auf das Churchill-Zitat. Das hat er weder gesagt noch geschrieben. Es ist einfach nur ein geflügeltes Wort. Autorenschaft unbekannt.

      • Naja, man lernt nie aus. Aber selbst wenn nicht Churchill der Verfasser war, Hut ab vor dem Autor.

    • „Es kann nicht sein, dass jene mit mehr Verstand von denen mit weniger Grips bevormundet und vielleicht sogar noch beherrscht werden.“

      Es ist auch noch niemals so gewesen. Eigentlich müsste es in einer Demokratie so sein, denn die Dummen sind immer in der Mehrheit.
      Die logische Folgerung: Es gab nie Demokratie.

      Prüfen Sie es nach. Tatsächlich haben nie in der Geschichte die Dummen dauerhaft geherrscht. Charismatiker ohne Verstand aber mit viel Fanatismus können kurzfristig etwas bewegen, siehe Savonarola, Robbespierre & Co.
      Am Ende herrscht aber immer der Verstand.

      Es gab nie eine „dumme“ Kirche, die dem klugen Galileo nicht geglaubt hat. Das waren kluge Leute und die kirchlichen Astronomen wussten genau, dass Galileo recht hat. Dafür wussten die Strategen im Verein genau, wie wichtig die von Ihnen jahrhundertelang verkündeten Dogmen (Meme) für ihre Macht sind.

      Die Grünen heute beherrschen genau gar nichts. Sie sind die Vorturner des Pöbels. Aber ihre Fäden ziehen andere. Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass ein paar grenzdebile Halbkretins mal so eben eine Nation aus den Angeln heben.

      Wo immer scheinbar ein Idiot herrscht, herrscht in Wahrheit ein verdammt kluger Typ aus dem Schatten. Oder mehrere kluge Typen. Jedenfalls herrscht nie der Idiot, auch wenn die Idioten das so gerne selbst glauben.

      • Eine kluge Antwort. Danke an de Tocqueville. Während wir uns an den Galleonsfiguren abarbeiten und die Finger wund schreiben, sind die Fädenzieher voller Freude darüber, wie ihre Saat aufgeht und/oder planen schon den nächsten Schritt. Wem nützt das? Warum? Wie kann man den/die Typen im Schatten stoppen?

      • Danke, liebe Petra, für die Blumen.

        Ich muss Sie jedoch leider enttäuschen, Ihre Fragen kann ich nicht beantworten. Die Nutznießer sind nicht unbedingt auch schon Herrscher, obwohl andersrum die Herrscher wohl immer auch Nutznießer sind.
        Es gibt auch keinen kleinen geheimen Kreis im verrauchten Hinterzimmer, der allein die Geschicke der Welt bestimmt. Wenn es doch so einfach wäre!

        Es gibt Netzwerke, die lose und an den Rändern schwammig sind, die sich mit anderen Netzen überschneiden, die mit- und gegeneinander zugleich arbeiten. Es gibt nicht ein verrauchtes Hinterzimmer, es gibt zigtausende davon. Nur sind die oft nicht verraucht, sondern verglast und haben schöne Aussicht.

        Betrachten Sie es analog der CDU, die zwar geschlossen gegen den Wähler arbeitet, sich aber innerparteilich kräftig um den Vorsitz zofft. Die Protagonisten der Landesverbände und parteiinternen Vereinigungen (Mittelstand, Frauen etc.) lächeln in die Kameras und wir wissen schon aus den Ferengi Erwerbsregeln: Je breiter das Lächeln, desto schärfer das Messer.

        So läuft die ganze Welt. Immer schon. So sehr Sie auch suchen, es lief niemals anders.
        Nicht im alten Ägypten, wo sich Priester und Pharao an die Kehle gingen (Priester des Amon vs. Pharao Echnaton).
        Auch nicht im römischen Senat (Caesar vs. die „Boni“ um den kleinen Cato, nicht Cato der Zensor).
        Wann spielte der Pöbel je eine andere Rolle denn als Manövriermasse?

        Wie man die Typen stoppen kann, ergibt sich daher im Grunde von selbst: Gar nicht!
        Es gibt kein Spiel mit Anfang und Ende. Es gibt keine begrenzte Zahl an Mitspielern, und wenn die weg sind, ist es aus. Es geht immer weiter.
        Ich kann Ihnen aber sagen, wie man das Spiel der Mächtigen beeinflussen kann: Man werde einer von Ihnen.
        .

      • „Am Ende herrscht immer der Verstand.“ Schön wenn es so wäre, dann könnte man ja beruhigt sein. Man müsste dem Verstand trotzdem in den H… treten, weil er es viel zu oft und viel zu lange spannend macht. Das kostet unnötigerweise viel Nerven und unwiederbringliche Lebenszeit. Aber hoffen wir dennoch, dass er sich durchsetzt. In diesem Fall käme unser Land dann ja vielleicht noch um die Selbstzerstörung (siehe die Gefahr durch den migration pact) herum.

      • Wenn ich schreibe, dass der Verstand herrscht, dann meine ich herrschen im Sinne von regieren. Ich spreche nicht von einem Zeitalter der Rationalität. Denken Sie an das Galileo Beispiel. Damals herrschte der Aberglaube; herrschte als Redewendung. Das ganze Zeitalter war abergläubig.

        Die Herrscher jedoch, also die Potentaten der Kirche und der Adel, waren aber keineswegs dumm und nur begrenzt abergäubig. Sie handelten machtpolitisch absolut rational. Was Realpolitik ist, verstanden sie ganz genau. Als Galileo geboren wurde, war Machiavelli schon seit 37 Jahren tot.

        Der Aberglaube (heute: die Gesinnung) war ein Instrument. Und das haben die Mächtigen noch nie vollständig unter Kontrolle gehabt. Das System menschliche Gesellschaft ist komplex und selbstreferentiell. Da läuft auch mal was aus dem Ruder.

        Die Klugheit der Herrscher besteht auch darin, zu wissen, wann und wie sie die Wellen reiten können, wie sie Wellen erzeugen und abebben lassen können, und wann man tunlichst nicht im Wege steht und den verstandeslosen Pöbel sich austoben lässt. Dann treten sie beiseite und kommen zurück wenn die Revolution ihre Kinder gefressen hat.

        Auch jetzt herrscht durchaus der Verstand. Er ist nur nicht daran interessiert, dass der Pöbel (also wir) selbst kollektiven Verstand entwickelt. Der Pöbel soll glauben, nicht wissen. Fühlen, nicht (rational) denken. Gehorchen, und zwar mit Begeisterung. Wenn dazu allgemein die Dummheit „herrschen“ muss, dann ist das eben so.

        So war es schon immer. Wer rational oder auch nur selbstständig denkt, aber nicht im Sinne der Mächtigen mitmanipuliert oder wenigstens schweigt, der wird zum Feind. Zum Häretiker, gar Häresiarch. Zum Ketzer. Zum Rechten. So kommen nämlich rationale Argumente nicht mehr durch. Die Gläubigen selbst verteidigen ihre Meme mit Feuereifer. Die Mächtigen müssen nichts mehr tun, nur die Parole ausgeben.

      • Es gab mal die „Six Degrees of Kevin Bacon“, wo nachgewiesen werden sollte, dass jeder halbwegs bekannte Mensch in L.A./Hollywood über max. 6 Ecken irgendetwas mit Kevin Bacon zu tun hatte (gemeinsame Arbeit in Filmen usw.). Kürzlich hat mal jemand (war es sogar auf TE?) angeregt, nach diesem Vorbild neue (und alte?) linke und Öko-Bewegungen auf ihre Verbindungen zur Open Society Foundation von G. Soros zu untersuchen. Das wäre doch mal eine Aufgabe für investigativen Journalismus! Vermutlich braucht man bei den meisten sogar weniger als 6 Schritte.

    • @Herrn Charles: Sind Sie wirklich der Meinung, dass die Grünen geistig (nicht biologisch) das Jugendalter schon verlassen haben? Für mich unvergessen der laut ausgerufene Vorwurf eines Mitglieds der grünen Jugend an Claudia Roth: „Aber Du bist alt!“ Schwer vorstellbar, dass Ähnliches bei der FDP passiert…^^

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