Deutschlands Verhältnis zu Japan kennzeichnet Gleichgültigkeit. Das ist verwunderlich wie beklagenswert. Aber nur so ist verständlich, wie die Reihe von Nachrufen auf den japanischen Premierminister Shinzo Abe vor allem eines betonten: es handelte sich um einen rechten Nationalisten und Trump-Freund, der den Inselstaat ideologisch in die falsche Richtung rückte. Dieser kleinkarierte Journalistenstandard, der nur noch berücksichtigt, ob ein Politiker ideologisch richtig tickt, erstickt Wissens- und Informationsgewinn wie Pietät. Man kann nur hoffen, dass das bemerkenswerte Traktat, das die Tagesschau als „Nachruf“ tarnte, im Sinne der Völkerverständigung niemals seinen Weg in die japanische Sprache findet.
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Die 1990er hatten dabei noch das abschreckende Beispiel der ökonomischen Krise Japans vor Augen. Angesichts der nach der Wiedervereinigung aufkommenden Probleme stand deutschen Vertretern eine ähnliches Schicksal vor Augen. Doch seitdem hat man das asiatische Pendant kaum noch im Blick. Ohne Zweifel haben die „Abenomics“ Japan nicht den erhofften Schwung gebracht. Doch die Verdienste des ermordeten Ex-Premiers liegen ganz woanders. Er hat Japan geopolitisch fitgemacht.
Während sich Deutschland viel zu lange von Freunden umzingelt sah, musste Japan sich ohne europäischen Schutzschild sowohl dem Wiederaufstieg Chinas wie der Unberechenbarkeit Nordkoreas stellen. Ähnlich wie Deutschland hatte Japan sich jahrzehntelang unter den amerikanischen Rock gestellt und gehofft, als freier Händler die Weltwirtschaft bestimmen zu können, ohne sich um sicherheitspolitische Aspekte zu kümmern. Abe hat früh erkannt, dass eine solche Position das Verderben Japans bedeutete.
Der oft kritisierte Ausbau des Militärs und die Abwendung vom Pazifismus war damit die eigentliche „Zeitenwende“ Japans. Abe war offensichtlich bewusst, dass auch Japan in seiner Frühzeit vom Wohl und Wehe der Kaiser auf der anderen Seite des Gelben Meeres abhängig waren. Die Vorrangstellung, die Japan mit seinem Sieg im Ersten Japanisch-Chinesischen Krieg gegenüber gewonnen hatte, drohte sich rund ein Jahrhundert später wieder umzukehren.
Deutsche Medien markieren Japans ermordeten Ex-Premier Abe als „rechts“
So gab Japan auch nicht in der Krise um die Senkaku-Inseln bei, die von Peking als Anlass zum Kräftemessen genutzt wurde. Tokio exerzierte ein Exempel, die Anrainer verstanden. Zugleich orientierte sich Japan nicht mehr nur an dem regionalen Machtgefüge aus China, Südkorea und den USA, sondern versuchte engere Kontakte zur NATO oder EU zu knüpfen, um die Ausweitung chinesischen Einflusses langfristig auch durch außer-asiatische Mächte zu begrenzen.
Abe hat Japan damit auf einen realpolitischen Kurs gebracht, der sich in der Gegenwart als richtige Wahl herausgestellt hat, um das Land vor einem allzu schnellen Abstieg zu bewahren. Das sind Lehren, die der europäische Zwilling noch vor sich hat. Anders als in Europa hat Japan keine brutale Rückkehr der Geschichte erleben müssen, weil sich Tokio schon vor Jahren gegen Eventualitäten wappnete.
Bin am überlegen diesen „Nachruf“meiner Japanisch Lehrerin zu zeigen, damit sie das auf Japanisch übersetzt. Wäre doch intressant zu erfahren wie die Japaner darauf reagieren wen sie erfahren wie die deutschen Medien so über ihr Land denken. Und das Frau Erdmann so über Herrn Abe schreibt, obwohl sie in Tokio denke ich mal kein schlechtes Leben führt.
Widerlich, wie in diversen Meldungen hierzulande zu Abes Ermordung, nicht Trauer und Bestürzung über diese schockierende Gewalttat ausgedrückt wurde, man einig ist in dieser Trauer, sondern man es auch angesichts dieses Anschlags nicht unterlassen konnte, in der Nachricht eine politische Botschaft und eine negative Einordnung seiner Person unterzubringen. Fast stand ein „Um den ist es nicht schade“ zwischen den Zeilen. Diese Leute sollten sich schämen!
Japan ist quasi das positive Spiegelbild zu Deutschland. Alles was hier ab 1945 schiefgelaufen ist, haben die Japaner richtig gemacht. Japan kann (insbesondere in Hinblick auf seine Migrationspolitik und dem Umgang mit der eigenen Geschichte) im Grunde genommen nur als Vorbild für uns dienen.
Es sollte aber auch noch erwähnt werden, daß Abe nicht nur versucht hat sein Land gegen China zu wappnen, sondern auch gegenüber des Vereinigten Staaten an Souveränität zurückzuerlangen. Die Japaner haben sich nämlich keinesfalls einfach nur „unter dem amerikanischen Rock gestellt“, sondern dienen diesem als „unversenkbarer Flugzeugträger“ in Ostasien, den sich die Amerikaner auch nur ungern wieder wegnehmen lassen wollen.
So schnell kann bei einem Politiker das Licht ausgehen. Tragisch …
Danke für diesen Artikel! Wenn man schon eine Globalisierung will, dann muss die Politik auch vieles “global” sehen. Bei unserer Politik sehe ich nur, dass da immer ein aufgeschreckter Hühnerhaufen den Problemen, für deren Lösung, man unfähig ist, hinterher läuft. Das einzige was man “schafft” sind neue Probleme für Bürger und Wirtschaft!
Japan wäre unser Partner, vielmehr als die gefährlichen und absolut rücksichtslosen Chinesen. Dazu Indien. Aber wie so oft haben wir aus Opportunismus und ohne Weitsicht den falschen Weg gewählt.
Herr Gallina. Kompliment für diese unkomplizierte und realistische Einschätzung der heutigen Situation in Japan und Deutschland. Die Japaner sind dank Abe schon ein ganzes Stück weiter bei der Problembewältigung als Deutschland. Liegt das etwa am deutschen Regierungs- Personal?
Dass Japan anders als Deutschland eine Aussöhnung mit den von Japanern grausam drangsalierten Nachbarvölkern nie ernsthaft angegangen ist, sollte man vielleicht nicht unerwähnt lassen und Shinzo Abbe war unrühmlicher Part einer gewissen japanischen Überheblichkeit, die bis heute das Verhältnis zu Südkorea und China trübt.
Schwarzer Krimineller ermordet,der Staatsfunk so „Black lives matter“,aufstehen gegen Rassismus,Tränen..langjähriger,demokratisch gewählter Ministerpräsident wird ermordet,der Staatsfunk so „Anschlag auf rechten Ex Regierungschef( Ard) oder populistische Nationalist(Zeit) etc
„einen „proaktiven Pazifismus“ durchsetzte, der in der Praxis aus militärischem Aufbau und einem stärkeren nationalen Selbstbewusstsein bestand.“
Das hätte Deutschland auch zu Gesicht gestanden: pazifisch, aber militärisch stark, um den Frieden zu verteidigen.
Japan hat sicher auch seine Probleme, wer hat das nicht, aber sie haben erkannt, das es auch mit weniger Japanern möglich ist ein gesundes Land zu sein. Wir hier im Dummland sind der Meinung, wir brauchen immer 80 Millionen Einwohner, egal wie produktiv sie auch sind. Ausserdem haben sie sich auch nicht den „Luxus“ gekönnt, eine Regierung voller Nullnummern und Versagern zu wählen. Ich würde lieber in Japan leben als in diesem Deutschland. Jeder der in der Welt eine andere Meinung vertritt wie dieses Land des Untergangs ist Nazi, Räächts oder Querdenker.
Und Sie glauben also ernsthaft, dass das in Japan besser ist?
Dafür leben Sie da in einer erzkonservativen und unreformierbaren Gesellschaft, haben keinerlei Privatleben, und müssen in jedem Punkt der gesellschaftlichen Norm entsprechen. Wenn Sie das Pech haben, wie meine Freundin als Japanerin keine glatten schwarzen Haare sondern eher hellbraune lockige Haare zu haben, dürfen Sie, um da zu arbeiten oder in die Schule bzw. Universität zu gehen dort mit Perücke herumlaufen. Dazu kommt noch die Durchtriebenheit und Verlogenheit in dieser Gesellschaft sowie der allgegenwärtige unfassbare, tolerierte Rassismus.
Dort ist es dann üblich, das etwa zu Corona-Zeiten an etlichen Läden steht, das man aufgrund von Corona keine Ausländer hereinlässt, anständige Japaner stecken sich natürlich nie an. Und dazu bringen solche geistigen Brandstifter von der LDP auch nicht viel bei, wenn man dann gerne mal gegen philippinische oder chinesische Hilfskräfte hetzt, die sich deutlich mehr anstecken, obwohl das dann genau die sind, die in Pflegeheimen und Krankenhäusern, auf Bauernhöfen oder in Schlachtbetrieben mehrheitlich tätig sind.
Und in japanischen Unternehmen herrscht eine eisige Beratungsresistenz, hoffnungslos überaltete Prozesse, und eine Hierarchiehörigkeit, die selbst das, was man teilweise in Deutschland erlebt, weit in den Schatten stellt. Karriere machen dort übrigens auch nur Japaner mit den richtigen Referenzen. Wie viel von der „Meinungsfreiheit“ übrig bleibt sieht man dann meistens nur dann, wenn man sich wirklich mit japanischen Kollegen auf japanisch unterhält, wenn sie betrunken sind, weil dann nämlich nur die ganzen Dinge ans Licht kommen, die man sonst niemals erfährt. Viele davon sind auch so „glücklich“, dass sie lieber 残業 (Überstunden) arbeiten, als mit der Familie zu verbringen, weil sie zu Hause ohnehin nichts zu sagen haben, oder offiziell auf 出長( Dienstreise) sind, und ihre Geliebte irgendwo im anderen Teil Japans haben.
Übrigens: Meine Freundin lebt seit über drei Jahren hier und möchte auf keinem Fall zurück. Warum wohl?
Nein, mein Verhältnis zu Japan ist nicht von Gleichgültigkeit geprägt. Ich werde es „unseren“ Japanern nicht vergessen, dass sie die Firma in der ich seit jetzt über 32 Jahren arbeite, gerettet haben nachdem sie von zwei amerikanischen Heuschrecken ausgesaugt worden war.
Die Japaner sind ein Volk, das zu Recht auf seine Leistung und Tradition stolz sein kann, und wie Shinzo Abe in der deutschen Tagesschau dargestellt wird, ist nichts weiter als eine ideologiegetriebene Diffamierung.