Die Bürgerrechtlerin Freya Klier schrieb 2008 in einem Aufsatz mit dem Titel „Sozialistische Märchenstunde“: Seit dem Abgesang der dortigen Diktatur vergehe kein Jahr, in dem die DDR nicht in einem noch milderen Licht erscheine als im Jahr zuvor. Wörtlich: „Die DDR ist wieder da – und schöner noch als einst.“
Ja, stimmt, denn unter Alt und Jung greift hier ein historischer Analphabetismus um sich. Man schaue sich nur einmal das real nicht mehr existierende Wissen um die DDR an. Dieses Wissen ist – je jünger die Leute sind – skandalös unterbelichtet. Das ist ein Versagen der Schulpolitik und der Medien. Zumal ja immer weniger Menschen den 13. August 1961 in Ost und West bewusst miterlebten. Ich zum Beispiel als Zwölfjähriger in den Sommerferien 1961, als ich meine und andere Eltern nach dem 13. August mitten in Bayern besorgt Hamsterkäufe unternehmen und US-Panzer in ungewohnter Häufigkeit zu Manövern fahren sah.
Und heute? Laut Studien des „Forschungsverbundes SED-Staat“ der Freien Universität Berlin kennt mehr als die Hälfte der Schüler das Jahr des Mauerbaus nicht. Nur jeder Dritte weiß, dass die DDR die Mauer gebaut hat. Nur ein Viertel der west- und ein Siebtel der ostdeutschen Schüler haben Kenntnis von der bis 1981 mindestens 164mal praktizierten und erst 1987 per Gesetz abgeschafften Todesstrafe in der DDR. Mehr als zwei Drittel aller Schüler finden es gut, dass in der DDR jeder einen Arbeitsplatz gehabt habe. Außerdem sei es der Umwelt – und den Rentnern – dort besser gegangen als in der Bundesrepublik.
All diese Unkenntnis ist kein Wunder, wenn man sich anschaut, wie erfolgreich das Nicht-Bemühen der Kultusminister seit Jahrzehnten ist, einen Beschluss zur Behandlung der deutschen Frage im Unterricht zustandezubringen. Nicht einmal 1995, fünf Jahre nach der Wiedervereinigung, konnten sich die 16 deutschen Bildungsminister auf die Verabschiedung einer Empfehlung mit dem Titel „Darstellung Deutschlands im Unterricht“ verständigen. Der Entwurf dazu wurde von der Kultusministerkonferenz (KMK) nur „zur Kenntnis genommen“. Flankiert war das Nicht-Zustandekommen eines KMK-Beschlusses von Äußerungen Reinhard Höppners, des damaligen SPD- Ministerpräsidenten Sachsen-Anhalts, dass die Ex-DDR im KMK-Entwurf zu schlecht wegkomme. Ja mehr noch: Die Höppners Landesregierung mittragende PDS meinte verlauten lassen zu müssen, dass „eine Beschäftigung mit Diktaturen künftig kein Schwerpunkt im Geschichtsunterricht“ sein solle. Letztlich ist das KMK-Papier also am Widerstand einer PDS-geduldeten Minderheitsregierung gescheitert. Dem zu dieser Zeit amtierenden Kultusminister, Heinz Reck (SPD), passte nicht, dass in dem KMK-Entwurf ein Blick auf das Unrecht in der DDR, auf die Verfolgung in der DDR und auf die Massenflucht aus der DDR geworfen wurde. Das KMK-Papier, so Reck, erinnere ihn an „SED-Propaganda, nur mit veränderten Vorzeichen“, und er verwahrte sich dagegen, dass die DDR darin als „System politischer Unfreiheit“ bezeichnet werde. Neu aufgriffen hat die KMK den Beschlussentwurf bis heute nicht mehr.
Damit ist ein Teil der Legendenbildungen um die DDR erklärt. Eine besonders große Rolle freilich spielt die über Jahre praktizierte Geschichtspolitik von noch höher angesiedelten politischen Kreisen. Der spätere Ministerpräsident Thüringens (Ramelow, LINKE) – ein Westimport übrigens – wollte die DDR Anfang 2009 nicht als Unrechtsstaat bezeichnet wissen; er bezweifelt öffentlich, dass es an der Grenze einen Schießbefehl gab. Wo die LINKE steht, war und ist freilich die SPD oft nicht weit entfernt. Der von 2008 bis 2017 amtierende Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern Erwin Sellering (SPD, ebenfalls Westimport) fand es im Frühjahr 2009 falsch, die DDR als totalen Unrechtsstaat zu verdammen. Für Wolfgang Thierse, den ehemaligen Bundestagspräsidenten (SPD), waren die Kindergärten, die Schulen und das Gesundheitswesen die „sympathischen Elemente“ der DDR.
Eigenartig! Während sich der Widerstand gegen ein Vergessen der Greuel des Nationalsozialismus mit der zeitlichen Entfernung vom „Tausendjährigen Reich“ immer engagierter formiert, rankt sich mit zunehmendem Abstand vom Bau des „antifaschistischen Schutzwalls“ immer mehr Legendenbildung um die DDR. Wahrscheinlich haben viele DDR-Nostalgiker ihr „68“ und die Fragen der Jungen („Was habt ihr in der DDR gemacht“) noch vor sich. Es ist fast zu wünschen.
Dazu passt, – und damit ist man wieder bei Geschichtspolitik angelangt – , dass die Todesmauer fast restlos abgebaut wurde; dass die Zahl ostdeutscher Schüler, die „Hohenschönhausen“ besuchen, permanent zurückgeht; dass „Karl und Rosa“ (Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg) gefeiert werden wie eh und je. Unvermindert gerne wird „Rosas“ Satz zitiert: „Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden“. Verschwiegen wird freilich, dass sie diese Freiheit explizit im Rahmen einer „Diktatur des Proletariats“ praktiziert wissen wollte und dem Feinde das Wort gelten sollte: „Daumen aufs Auge und Knie auf die Brust!“ Das hinderte das fast nur noch „rot“ regierte Berlin nicht daran, bereits mehr als zehn Gedenkstätten für Rosa Luxemburg zu haben.
Dass die DDR ein Staat hinter Gittern war; dass an der Grenze zwischen Deutschland und Deutschland mindestens eintausend Menschen ihr Leben lassen mussten – all dies hielt einen Nobelpreisträger Günter Grass (+2015) nicht davon ab, die DDR eine „commode Diktatur“ zu bezeichnen. Mit solcher Geschichtsklitterung muss Schluss ein – spätestens jetzt ab dem 13. August 2017.
Nun bin ich zwar Agnostiker und nicht mehr Mitglied der Römisch Katholischen Kirche, trotzdem vielleicht sogar gerade deshalb muss ich ihren Vergleich zwischen den säkularen Heilssystem (Kommunismus) und der römisch-katholischen Kirchen allein schon von den Opferzahlen her als das benennen, was er ist: grober Unfug, um nicht den Begriff Rufmord zu gebrauchen.
In den Klöstern wurden die philosophischen Grundlagen vorbereitet, die dann in der Renaissance und der Aufklärung das Licht der Welt zu erblicken. Locke, Hobbes, Hume und wie sie alle hießen, standen auf den Schultern klösterlicher Denker. (Natürlich ist auch die Rolle der naturwissenschaftlichen Erkenntnisse in eine Gesamtbetrachtung einzubeziehen.)
Das Bild von einem gemeinsamen Vater, das Bild, wir Menschen seien Kinder eines Gottes, war eine wesentliche Bedingung für die Abschaffung der Sklaverei, für die Vorstellung von der Gleichheit aller Menschen, für die Ablösung des Gottesgnadentums, für die Demokratie moderner Prägung.
Meine Argumentation will nicht das Unrecht, das im Namen der Kirche und ihrem umfassenden Anspruch (meinetwegen dürfen Sie auch totalitär sagen) verniedlichen. Aber in etwa sollte man in seinen Schuldzuweisungen einigermaßen die Relationen betrachten.
Als Nazideutschland zu Ende ging, wurde die NSDAP verboten. Die KPDSU wurde verboten, als die Sowietunion an ihr Ende kam. Nach dem Fall der Mauer, oh Wunder, blieb uns die SED erhalten, auch wenn sie über PDS, jetzt Linke, zweimal umbenannt wurde. Unbegreiflich. Vergangenheitsbewältigung wird systematisch behindert, Stasi- Offiziere haben sich vor bestimmten Gerichten, deren Besetzung mit linken Richtern bekannt war, höhere Pensionen erstritten, und hochrangige Stasi Mitarbeiter machten im vereinten Deutschland in Politik und Ministerien Karriere.
Alles nachzulesen in dem Buch von Hubertus Knabe „Die Täter sind unter uns.“
Sehr interessant dort auch das Extra- Kapitel über Herrn Gysi.
Ein sehr guter Artikel und sehr, sehr viele gute Kommentare (Auch gerade von denjenigen mit DDR-„Hintergrund“ !) !
Ich möchte hier aber als Mensch westdeutscher „Herkunft“, der sich schon immer, in Teilen, auch rechts verortete und sich nicht wie die Mehrheit der Westdeutschen politisch immer weggeduckt hatte, – an ein paar sehr unschöne Dinge in Westdeutschland erinnern, die viel von dem erklären, was heute durchschlägt:
Wie in dem Bericht, hier bei TE, des Freiheitskämpfers gegen die Mauer ja auch erwähnt; – die sog. „Politik der Annäherung“ Brandts, über deren Wirksamkeit man auch streiten kannn, führte zu einer Ablehnung jeglicher Kritik an dem linken Unrechtssystem der DDR.
Flankierend hierzu oder im Windschatten dieser Politik, dann so Geistesgrössen wie Gunther Grass, der sinngemäss sagte: „Auschwitz hat den Anspruch der Deutschen auf Wiedervereinigung auf alle Zeiten verwirkt“ !
Diese Haltung, dass man die Wiedervereinigung gar nicht wollen dürfe und einhergehend mit einem nicht mehr vorhandenen Patriotismus in Westdeutschland führte dazu, – dass die Wiedervereinigung von weiten Teilen der Bevölkerung (Aka verdummte, schlafende, bürgerliche Michel), von den linken (Aber auch Teilen der bürgerlichen …) Medien und auch weiten Teilen der Politik nicht gewollt wurde !
Man wurde damals im Westen mit den üblichen Diffamierungen angefeindet, wenn man sich für die Wiedervereinigung aussprach …
Und genau diese Leute sind teils heute immer noch in „Amt und Würden“ (In den Redaktionsstuben), bzw. ist Patriotismus in weiten Teilen der nun gesamtdeutschen Bevölkerung immer noch ein Fremdwort.
Der WESTEN ist in sehr vielem für diese Geisteshaltung verantwortlich, die heute in Deutschland vorherrscht (Und die uns zunehmend erdrosselt), – mit unheiliger Unterstützung auch einiger aus der ehemaligen DDR, – die auch nix gelernt haben !
Ich verstehe Ihre Argumentation – aber mit Sozialismus alleine bzw. diesen dann in allen politischen Richtungen, als das alleinig verursachende Übel, zu sehen (Angesehen davon, dass das teils historisch Unfug ist und nicht dient), – kann man die Irrungen der Menschheit in Richtung Totalitarismus mitnichten erklären.
Menschliches Verhalten kann immer zum Totalitarismus führen:
Der Manchester-Kapitalismus (Als Totalitäre Form des Kapitalismus), – das Christentum mit der Inquisition (Totalitär), – der Islam in der Ausprägung des IS heute (Totalitär), der heute im Westen verbreitete extrem sich gerierende Liberalismus (Totalitär durch die Political Correctness) … man könnte die Aufzählung fort führen …
Unsere Kanzlerdarstellerin beispielsweise ist imho mindestens so stark links sozialisiert, wie auch in einer falsch verstandenen (einseitigen) Weise christlich – und eben dann in dieser absonderlich passenden Mischung, in Richtung totalitär unterwegs …
Raster (Noch dazu die falschen) anzulegen und allein daraus die Welt verstehen zu wollen – funktioniert nicht und beweist eigentlich nur die Beschränktheit und den negativen Fetisch desjenigen, der so argumentiert.
Werter Herr Hahn, wenn Sie schon die sozialistische Ideologie mit der Inquisition der katholischen Kirche vergleichen wollen, sollten Sie berücksichtigen, dass die Sozialisten es im 20. Jahrhundert auf da. 50 Millionen Ermordete innerhalb von ca. 50 Jahren gebracht haben. Das hat die Inquisition in 500 Jahren nicht fertigbekommen. Wieso also war die DDR bzw. die UdSSR einen Deut besser als die Kirche?
Ich stimme Ihnen 100% zu – Herr Hahn. Und Frau Katrin Göring-Eckardt hat das System in der evangelischen Synode eingeführt.
Brechts Zitat bezieht auf den Nationalsozialismus. Ansonsten ist die deutsche Geschichtsbetrachtung und -lehre verheerend und öffnet wieder das Tor zum „Untergang“, egal in welch einer Farbtönung ES aus dem Schoße kroch oder kriecht.
Man braucht sich nicht zu wundern, wenn Geschi gern geschwänzt oder wegen Sparmaßnahmen gar ganz aus der Schule gebannt wird. Ohne kann die Werbung und Regierung einem alles als Butter oder als sonst was verkaufen 😉
Dabei hat des Satz, sei er von Adenauer oder Bismarck, nie an Relevanz verloren: „Wer seine Geschichte nicht kennt, der ist verurteilt diese zu wiederholen.“
Die Antennen für totalitäre Entwicklungen, subtile
Beschränkungen der Freiheit und den Missbrauch
von Macht, scheinen jedenfalls bei den Ostdeutschen
besser entwickelt zu sein als im Westen der Republik.
Auch scheint die russische Re-Education der Nachkriegszeit
im Osten, sowie das Fehlen der 68er-Irrwege die deutsche
Identität nicht gänzlich aus dem Bewusstsein gelöscht zu haben.
Die ostdeutsche Sozialisation mag jedenfalls dazu geführt
haben dass der Widerstand und das Unbehagen gegen Merkels
Transformation Deutschlands in ein multiethnisches Etwas in
einem EU-Großreich, deutlich ausgeprägter erscheint als in
den linken, sozialromantischen Biotopen im Westen des Landes.
Scheinbar gibt es nur noch eine Richtung in den Medien und die ist links und „gut“. Ich habe in der letzten Zeit Blätter und Angebote, wie dieses entdeckt und freue mich darüber. Der gesellschaftliche Diskurs hat sich schon längst wieder in Richtung linke Meinungsmache entwickelt, dass heißt konkret, von Agitation und Propaganda sind wir wieder nicht mehr weit entfernt. Es wird kein zurück geben in die Diktatur, zu viele erkennen aktuell und finden es sehr unbehaglich, wie sie manipuliert werden sollen. Die ostdeutsche Sängerin Angelika Weitz sprach Anfang des Jahres in einem Interview von Systemschleife. Das lässt sich im Kontext des Interviews so interpretieren, dass sich vom Mauerfall bis heute nicht wirklich viel verändert hat. Genau da möchte ich ansetzen. Die Frage ist, warum ist das so. Ich arbeite beruflich u. a. im Bereich der Aufarbeitung der SED-Diktatur und der jüngeren deutschen Geschichte. Warum neigt der (ostdeutsche) Mensch zur Obrigkeitsgläubigkeit, warum sind Kohls „blühende Landschaften“ zwar von den Fassadengestaltungen in Ostdeutschland her mittlerweile Realität, die Ostdeutschen selbst aber immer noch sehr anfällig für Diktaturverklärung bis hin zur Leugnung des Diktaturunrechts der DDR? Es hat immer noch viel mit den unterschiedlichen Befindlichkeiten der Bürger Ost und West zu tun. Genau da setzen die Populisten von Linkspartei und anderen „Weltverbesserern“ an. Die Unsicherheit des Ostdeutschen, der durch Arroganz und Überheblichkeit bestimmter Westdeutscher sowieso in seinem Selbstwertempfinden gekränkt ist, wird von diesen Leuten genutzt, um sie für ihre ewig linken Parolen zu missbrauchen. „3 sat“ hat mal einen Bericht ausgestrahlt, dass ein ostdeutscher Politiker verhindert hat, dass ein wissenschaftlich legitimer Vergleich zwischen Nazidiktatur und DDR-Diktatur weiter verwendet wurde. Das ist auch das, was hier beschrieben wird: Bei der Bildung wird angesetzt, es soll einfach kein reales Bild der ehemaligen DDR entstehen dürfen in den Köpfen. Die politische Verhinderungslobby diesbezüglich ist groß und die Linkspartei ist in diesem Zusammenhang ganz die alte SED, leider aber auch ihre „Mitstreiter“ bei SPD und Grünen bis hin zur CDU und anderen Parteien. Es wird kein Vergessen der Diktatur geben. Es scheint allerdings notwendig, dass demokratisch eingestellte Kräfte wesentlich lauter ihre Stimme erheben gegen neue und alte Kommunisten, gegen Geschichtsklitterung und linken Hass gegen Bürgerliche und die freie Welt.
Richtig, DDR war schlimmer als alles „Gewesene“(1964in DDR geboren)
Vor allem ist im heutigen Deutschland „alles gut“- ist genau so gelogen! Es ist anders, aber kein Stück besser. Wo sind denn heute die „Bürgerrechtler“? Oder ist“alles in bester Ordnung“-Netzwsrkdurchsetzungsgesetz zum Beispiel
oder „Umgang“ mit anderen als regierungskonformen Meinungen, Parteien usw.
Oder auch Form u. Ausmaß u Nichtverfolgung sogenannter Vereinigungskriminalität. Oder die Folgen dessen, was Lobbyismus genannt wird,
oder oder oder…
Das Westfernsehen hatte uns im Osten eine Welt gezeigt, die wir unbedingt haben wollten. So lebten wir unsere Ambivalenz: die notwendige Anpassung gegenüber einem als verhasst und blöde anmutenden Regime und gleichzeitig der Traum von einer fetzigen Welt voller lockerer Typen (Jusos und andere Gammler, wie sich dann zeigte), Bluejeans, Autos. Ich war bis kurz vor der Wende überzeugt, niemals in meinem Leben (außer als Rentner, aber welcher junge Mann rechnet diesen Abschnitt schon zum Leben) aus der DDR rauskommen werde. Und wie wird sich einer Verhalten, der lebenslänglich bekommen hat? Er passt sich an, zum Schein, damit er zurechtkommt. Er sagt ja und Amen, wenn die ja und Amen hören wollen. Und die das hören wollen wussten das und ließen es in den meisten Fällen gut sein. Wir logen und sie akzeptierten. Es war ein Ritual, über das wir uns in sicher geglaubter Umgebung Lustig machten. Es waren die nicht aushaltbaren Phrasen, das hohle Parteitagsgewäsch, die „Rolle der Bedeutung“: man zwinkerte sich zu, wenn die Genossen wieder zu schwafeln anfingen und raunte sich zu“haste gehört? Jetzt kommt gleich wieder die Rolle der Bedeutung“. Viel später erfuhr ich, dass links gestrickte Westler diesen Käse ernst genommen haben. Aber damals durchschauten wir diese Typen nicht, damals waren sie für uns Idole. Überhaupt waren wir absolut unpolitisch. Mein Gott, was sind wir aufgewacht. Zweimal, damals zur Wende und jetzt.
Was soll eigentlich der soziale (unifizierende) Kitt sein für ‚Gute‘ und Pack, Schwarze und Weiße, Okkupanten und Einheimische, Nichtstuer und Malocher, Irre und Vernünftige, Hell- und Dunkeldeutschland? Das kann doch nur ein totalitäres Zwangssystem sein. Z.Zt. werden alle Weichen dorthin umgestellt, und nicht wenige Züge sind schon unterwegs.
Nach dem historischen Analphabetismus können Sie, verehrter Herr Kraus, gleich mit den anderen Analphabetismen, wenn nicht gar Debilismen, rotgrüner Persönlichkeits-Dekonstruktion und Identitäts-Paralyse weitermachen, den ökonomischen, rechtlichen, moralischen, kulturellen, psychologischen, sozialpädagogischen, naturwissenschaftlichen usf. – Stets anregend und lesenswert, was Sie da mittlerweile in einer ganzen Serie kluger Beiträge uns Lesern über (katastrophale) Mißstände linker Bildungspolitik mitzuteilen haben. Sie müssen sich ein ziemlich dickes Fell erworben haben, um gegen den linken Erziehungs- und Bildungsschwachsinn auch nach Jahrzehnten immer noch so vital und vernünftig aufzustehen.
Über das, was in der DDR besser oder schlechter war, kann man endlos diskutieren. Vieles hängt dabei von der persönlichen Perspektive ab. Für Intellektuelle war das Risiko anzuecken zweifellos erheblich höher als für angepasste Durchschnittsbürger, denen die DDR einen bescheidenen Wohlstand gönnte. Und die fehlende Möglichkeit auf den Ballermann nach Mallorca zu reisen, kompensierten viele mit einem Besäufnis auf ihrer Betriebsfeier.
Eins war die DDR ganz sicher nicht: Ein Rechtsstaat! Dessen Kern- und Angelpunkt ist eine unabhängige Justiz und die gab es in der DDR nicht. Dabei ist der Rechtsstaat eigentlich eine vordemokratische Erfindung, die jedoch ein konstitutioneller Bestandteil jeder Demokratie ist im Gegensatz zur Diktatur des Proletariats. Erst wenn das klar ist, sollte man auch als Wessi ganz entspannt zugeben können, dass einzelne Dinge in der DDR durchaus besser funktionierten als im Westen. Mit DDR-Nostalgie hat das nichts zu tun. Wir haben ja auch nicht Hitlers Autobahnen abgerissen.
Danke für diesen Text. Niemals dürfen wir das Unrecht im Namen des Sozialismus vergessen. Meinem Sohn erzählen ich oft von dem Irrsinn ostdeutscher Unterdrückung und den Deformationen an Geist und Seele, selbst wenn man als (leider) angepasster Ossi keinem direktem Staatsterror ausgesetzt war. Ich hoffe, er wird dies mitnehmen in die Schule, falls dort irgendein linksromantischer Pädagoge auftauchen sollte.
Meine Erfahrung in der DDR ist für mich ein Grund, die derzeitige, schleichende Beschneidung bürgerlicher Freiheit, die ich überhaupt erst nach 1989 kennen- und lieben lernen durfte, beängstigend zu finden und immerzu anzuprangern. Manchmal glaube ich fast, vielen Bundesbürgern sind diese Freiheiten derartig selbstverständlich, dass sie deren Abschaffung erst bemerken, wenn es zu spät ist.