Reden wir nicht drum herum: Eine Wahlrechtsreform, an der sich gegenwärtig die im Bundestag vertretenen Parteien die Zähne ausbeißen, werden wir nicht erleben. Das nicht nur, weil von einer „Reform“ allein schon deshalb nicht die Rede sein kann, weil eine solche in ihrem eigentlichen Wortsinn bedeuten würde, den 1949 von den Verfassern des Grundgesetzes gewollten Zustand wieder zu reaktivieren. Sondern auch und vor allem deshalb, weil keine einzige der im Bundestag vertretenen Parteien ein Interesse daran hat, eine Wahlrechtsänderung – wie das Vorhaben korrekt zu bezeichnen wäre – im Sinne des Souveräns, der laut Grundgesetz immer noch das deutsche Staatsvolk ist, vorzunehmen.
Warum das so ist? Blenden wir die Utopien jener aus, für die Nationalstaat und Parlament ohnehin nur noch hinderliche Restanten einer abzuräumenden Welt sind, findet sich der Fehler bereits im Grundsätzlichen – darin, dass auf Druck der Westalliierten 1949 ein parlamentarisches System geschaffen wurde, welches de facto zwei nicht kompatible Systeme in eines gießen sollte.
Seinerzeit lag dem zu schaffenden Wahlrecht die Idee zugrunde, ein System zu schaffen, welches auf der einen Seite die Unabhängigkeit direkt gewählter Bürgervertreter zwar gewährleisten, gleichzeitig jedoch einhegen, andererseits die Vorstellung einer imaginären Gerechtigkeit umgesetzt werden sollte, wonach der Bürgerwille entsprechend deren Abstimmungsverhalten über Parteien als Lobbygruppen proportional korrekt zu vertreten sei.
Zwei Wahlsysteme in einem
Einfacher formuliert: Es sollte einerseits die klassische Vorstellung gelten, wonach die Bürger in den Wahlkreisen ihre persönlichen Vertreter in das Bundesparlament entsenden. Dieses funktioniert über das klassische Mehrheitswahlrecht. The Winner takes it all: In den Bundestag zieht ein, wer in einem Wahlkreis die relativ meisten Stimmen auf sich vereinen konnte. So war es beispielsweise noch in der ersten verfassten, deutschen Demokratie, die heute als „Kaiserreich“ abqualifiziert wird. So ist es heute noch im Vereinigten Königreich – der Urdemokratie der Alten Welt.
Da nun aber ein solches Wahlrecht dazu führen kann, dass die Bürgervertreter, die sich zu einer bestimmten Partei bekennen, deutlich mehr Sitze bekommen, als ihnen nach der Anzahl der insgesamt hinter dieser Partei stehenden Bürger zustünde, sollte einerseits die Mangel behoben und gleichzeitig eine Dominanz dieser direkt gewählten Bürgervertreter verhindert werden.
Das wiederum war die Grundlage des zweiten Teils des Wahlrechts: Das Parlament sollte durch Bürgervertreter besetzt werden, die entsprechend der auf ihre Partei insgesamt entfallenden Zustimmung das Volk vertreten. Dieses Modell nennt sich Verhältniswahlrecht und sorgt dafür, dass auch Parteien, denen dieses aufgrund mangelnder Zustimmung zu ihren Repräsentanten in den einzelnen Wahlkreisen nicht möglich ist, über eben diese Wahlkreise die entsprechende Anzahl von Parlamentariern in die Legislative zu entsenden.
Mathematisch simpel dachte man sich 1949, die Unvereinbarkeit beider Systeme dadurch in den Griff bekommen zu können, indem die willkürlich festgesetzte Gesamtzahl der Parlamentarier geteilt würde. Die eine Hälfte der Sitze sollte über Direktkandidaten besetzt werden, die andere Hälfte war jenen Vertretern zugedacht, die zwar keinen Wahlkreis erobern konnten, aber im Sinne des Proporzes aller abgegebenen Stimmen zu Bürgervertretern werden sollten.
Ein System für Volksparteien
Eine Zeitlang schien dieses System tatsächlich zu funktionieren. Damals konkurrierten zwei sogenannte Volksparteien – die Union und die Sozialdemokratie – maßgeblich um die Direktmandate. Die meisten davon gingen an die Unionsparteien, aber auch der SPD gelang es nicht nur in den großstädtischen Ballungsgebieten, zahlreiche Abgeordnete als direkt gewählte Bürgervertreter zu entsenden. Damit deckten die direkt vergebenen Mandate einen großen Teil der über das Verhältniswahlrecht zu beanspruchenden Sitze ab. So konnte die zweite Hälfte des Parlaments durch Vertreter jener Kleinparteien – lange Zeit ausschließlich die FDP – besetzt werden, die in den Wahlkreisen chancenlos waren. Was dann noch übrig blieb, ging wiederum an die beiden Großen, die dadurch ihre proportionalen Ansprüche erfüllt sahen.
Das (Un)Wesen der Ausgleichsmandate
Zwar gab es auch damals schon gelegentlich die Situation, dass die Union über Direktmandate zu viele Parlamentssitze, genannt Überhangmandate, erhielt – doch das ließ sich seinerzeit über ein paar wenige, sogenannte Ausgleichmandate abfangen. Die erfolgloseren Parteien erhielten so zwar mehr Sitze, als ihnen auf Grundlage der vorgesehenen Gesamtzahl der Parlamentsmandate zustand, doch im Sinne eines „gerechten“ Proporzes galt dieses Modell als zulässig und akzeptabel.
Der diesem System innewohnende Makel offenbarte sich, als erst mit den Grünen und nach dem Beitritt der Länder der ehemaligen DDR nicht mehr nur drei, sondern nun fünf, und nach dem Erstarken der AfD sogar sechs Parteien in das Bundesparlament einzogen – und darüber angesichts einer immer bürgerferneren Politik die Union schrumpfte und die SPD sich zum Lager der Kleinparteien gesellte. Konkret: Die Union erhielt über die Direktwahlkreise unproportional viele Sitze, deren Überhang nun zu fast schon akrobatischen Übungen des Ausgleichs führte.
Verschärft wurde die Situation dadurch, dass nicht nur ein bundeseinheitlicher Ausgleich zu schaffen war, sondern dieser sich im Sinne des föderalistischen Aufbaus der Republik auch noch an den jeweiligen Länderergebnissen orientierte. Letzteres wiederum war nötig, da die Parteien nicht mit Bundeslisten antreten, sondern mit Landeslisten. Es galt folglich: Die Anzahl der Direktmandate, die der stärksten Partei zufielen, bestimmte, wie viele Mandate insgesamt zu vergeben sind – die Ergebnisse in den jeweiligen Bundesländern sorgten dafür, dass auch Parteien, die bereits „über den Durst“ vertreten waren, zusätzlich Mandate beanspruchen konnten. So geschah es nicht selten, dass das von der Union zu beanspruchende Kontingent bereits ausgefüllt war und trotzdem im Sinne der Wahlgerechtigkeit Unionsbewerber der Landeslisten beispielsweise in den Stadtstaaten auch dann noch zusätzlich in das Bundesparlament einziehen mussten, selbst wenn sie in ihrem Bundesland nicht ein einziges Direktmandat erobern konnten. Und so blähte sich das Bundesparlament von Wahl zu Wahl weiter auf, um das doppelte Verhältnis der Parteien auf Bundesebene neben dem internen Verhältnis der Bundesländer „gerecht“ auszugleichen – oder besser: Durch Aufblähung des Parlaments zu heilen.
Eine Wahlrechtsänderung gilt als unumgänglich
Ein solches, aufgeblähtes Parlament macht, darin sind sich so ziemlich alle Parteien einig, keinen Sinn. Also gilt eine Wahlrechtsänderung als unumgänglich. Doch wie diese organisieren in einem System, in dem zwei nicht miteinander kompatible Modelle gleichzeitig berücksichtigt werden sollen? Denn wie auch immer man es dreht und wendet: Am Ende werden Ansprüche auf der Strecke bleiben. Und da die Bundestagsmandate zunehmend mehr von der Bürgervertretung zum individuellen Karriereaufbau verkamen, sind nun Menschen aufgefordert, sich selbst abzuschaffen, für die eben diese Abschaffung einen kaum zu heilenden Karriereknick bedeuten muss. Solch ein Altruismus im Sinne eines funktionsfähigen Systems jedoch widerspricht der menschlichen Natur – womit wir beim Kernproblem sind.
Doch als wäre die Selbstabschaffung des einen oder anderen, auf wackeligen Zustimmungsbeinen stehenden Parlamentariers nicht schon Hinderungsgrund genug: Auch hat der stillschweigende Umbau des deutschen Parlamentarismus von einem Modell der Bürgervertretung zu einem Modell der Parteienvertretung einen weiteren Hinderungsgrund aufgebaut. Denn vor allem den Parteiführungen, aber auch den zahllosen Parlamentssitzbesetzern, die ausschließlich über das Proporzsystem in den Genuss einer nicht unbedeutenden Subventionierung namens „Diät“ kommen, ist nicht daran gelegen, ihren Einfluss zugunsten von mehr Bürgervertretung zu verringern.
Bürgervertretung ist vernachlässigbar
Die Folge: Nicht wenige der gewählten Gesetzgeber liebäugeln mit der Idee, die vom Grundgesetz vorgesehene Gleichrangigkeit von direkt gewählten und über die Listen eingezogenen Parlamentariern auszuhebeln – allen voran der Bundestagspräsident und Unions-Altbestand Wolfgang Schäuble. Ihre Idee: Die Anzahl der Direktwahlkreise wird derart verringert, dass die über das Verhältniswahlrecht zu beanspruchenden Sitze die gewünschte Gesamtzahl der Parlamentarier nicht mehr überschreitet.
Das mag auf den ersten Blick sogar vernünftig klingen – wäre aber ein radikaler Bruch mit dem ursprünglich vorgesehenen Anspruch, unmittelbar gewählte Bürgervertreter und Parteienvertreter gleichrangig zu behandeln. Anders formuliert: Die ohnehin in der Repräsentativen Demokratie nur äußerst geringe Einflussmöglichkeit des Souveräns auf das parlamentarische Geschehen würde weiter verringert. Der Souverän im Sinne des GG gäbe folglich noch mehr Kompetenzen und damit Macht an Personen ab, deren Wohl und Wehe ausschließlich von den Parteien, nicht aber von den Bürgern abhängt. Der ohnehin schon längst vollzogene Schritt weg von der Bürgerdemokratie zur Kaderdemokratie der Parteien würde deutlich beschleunigt. Das ist zwar durchaus im Sinne der Parteiführungen, die so maßgeblich über ihren Einfluss die Besetzung des Bundestags bestimmen können – es kann aber nicht im Sinne des Souveräns sein, der dadurch noch weiter zum bloßen Stimmvieh ohne Einflussmöglichkeit degradiert wird.
Konsequenzen der Verfassungsüberwindung
Auch sind bei einer solchen, ausschließlich über Verfassungsänderung im Sinne eines Verfassungsbruchs zu organisierenden Neugestaltung des Wahlrechts die absehbaren Konsequenzen zu berücksichtigen.
So wäre damit der finalen Abschaffung des Direktwahlkreisrechts der Weg gebahnt. Denn sollte, was nicht auszuschließen ist, dennoch aufgrund von Parteienvielfalt und Parteienverzwergung der Anteil der immer noch notwendigen Ausgleichsmandate das Parlament aus allen Nähten platzen lassen, folgte schnell auf eine Wahlkreisverringerung die nächste. Bis dann irgendwann festgestellt werden kann, dass die paar wenigen Abgeordneten, die noch direkt vom Souverän entsandt werden, überflüssig sind, weil sie ohnehin keinen Bürgerwillen mehr durchsetzen können. Daher gilt: Wer zu Lasten der Direktmandate Hand legt an das Modell der Gleichwertigkeit von Direkt- und Listenmandaten, der sollte von vornherein so ehrlich sein, die sofortige Abschaffung des Direktwahlkreismodells zu beschließen. Der hier vorgesehene Tod auf Raten dient lediglich dem Zweck, genau dieses Ziel zu verschleiern. Solches Vorgehen ist zwar in der Politik nicht unüblich – doch es wäre nur ein weiterer Beleg dafür, dass sich die Kaderstrukturen der Parteien längst von jeglichem Bürgerinteresse gelöst haben.
Wer also daran geht, die Direktwahlkreise zu Lasten der Listenmandate im Zweifel bis zu deren Abschaffung zu verringern, der bewegt sich damit nicht mehr auf dem Boden der noch geltenden Verfassung. Was allerdings durchaus zulässig ist dann, wenn in einem parlamentarischen Verfassungsänderungsprozess diese Verfassungswidrigkeit selbst Verfassungsinhalt wird. Will sagen: Beschließen zwei Drittel der Parlamentarier, das Grundgesetz dahingehend zu ändern, dass es künftig nur noch wenige oder auch gar keine Direktmandate mehr gibt, so wäre dieses parlamentarisch zulässig. Ob dann allerdings noch die Floskel vom Staatbürger als Souverän Sinn macht, steht auf einem anderen Blatt. Die Wirkmächtigkeit dieser Floskel darf allerdings auch heute schon in Frage gestellt werden, da der Einfluss der Parteien längst übermächtig geworden ist.
Der steigende Einfluss der NGO-Räte
Eine weitere Konsequenz der Verringerung oder Abschaffung der Direktmandate wäre zwangsläufig das weitere Erstarken außerparlamentarischer Lobbygruppen, die als sogenannte Nicht-Regierungs-Organisationen (NGO) einer imaginären „Zivilgesellschaft“ als demokratisch nicht legitimierte Interessenvertretungen ihren Einfluss ausbauen werden. Bereits heute ist das NGO-Unwesen maßgeblich eben dadurch zu erklären, dass die unmittelbare, politische Einflussnahme des Bürgers über die Parlamente scheinbar oder auch tatsächlich infolge des Mischsystems der Inkompatibilitäten außerparlamentarische Gremien geschaffen hat. „Bürgerbeiräte“, die Teilnahme von NGO-Lobbyvereinen an vorgeblichen Kompromissfindungen der Gesetzgebung für alles und jedes – all das wäre unnötig in einem funktionsfähigen System der unmittelbaren Bürgerrepräsentation über die von ihm gewählten Abgeordneten.
Die 1949 bereits eingeleitete Umwandlung eines Bürgerstaates in einen Parteienstaat erzwingt fast schon notwendig das Entstehen außerparlamentarischer Lobbyvereine – denn wer sich vom gewählten Repräsentanten nicht mehr repräsentiert fühlt, der sucht nach anderen Wegen, seine Vorstellungen umzusetzen.
Das nun bedeutet: Wird der ohnehin schon geringe Einfluss des direkten Mandats noch weiter verringert, ist der Weg in den Rätestaat nicht mehr aufzuhalten. Wir hätten dann nur noch eine Art Scheinparlament, über deren Zusammensetzung und damit Handeln maßgeblich die führenden Parteikader bestimmen – und ein Konglomerat außerparlamentarischer Räte, die sich als Bürgervertreter gerieren und damit ihren Einfluss auf die Parteien ausüben.
Mit dem vom Grundgesetz gewollten System eines repräsentativen Parlamentarismus hat das alles nichts mehr zu tun.
Gibt es verfassungskonforme Lösungen?
Gibt es dennoch eine Chance, den Grundgesetzwillen zu retten und dennoch die Überblähung des Bundestages zu verhindern? Sind wir ehrlich, lautet die Antwort nein.
Das gegenwärtig präferierte Modell einer weiteren Verringerung des Bürgereinflusses durch Verringerung der Wahlkreise läuft auf die ohnehin schon ausgeprägte Parteien-Oligarchie hinaus. Scheitern kann ein solches Modell nur noch an jener Minderheit, die ihre persönliche Karriereplanung über eben diese Wahlkreise organisieren kann. Was wiederum bedeutet: Nur jene zumeist Unionspolitiker, die über „sichere“ Wahlkreise in den Bundestag einziehen, werden sich diesem Ziel widersetzen. Befürworter hingegen sind all jene, die ihr parlamentarische Wohl und Wehe ausschließlich über die Listenwahl organisieren können. Das nun ist bereits heute eine deutliche Mehrheit, die sich nicht nur in den Kleinparteien von FDP über Kommunisten, Sozialdemokraten und Grünen bis zur AfD findet, sondern längst auch in der CDU eine breite Lobby hat.
Insofern liegt die Annahme nahe, dass es entweder einen windelweichen Scheinkompromiss geben wird, der das Ende der Direktmandate einläutet – oder aber alles noch so bleibt, wie es ist, mit der Folge, künftig noch mehr Abgeordnete in einem ohnehin übermäßig aufgeblähten Parlament sitzen zu haben.
Kann es überhaupt eine Lösung geben, die dem gegenwärtigen Willen des Grundgesetzes entspricht, und das die dort implementierte Ausgewogenheit zwischen Bürgervertretern und Parteienvertretern gewährleistet?
Im ersten Moment ist man geneigt, auch diese Frage mit einen klaren nein zu beantworten. Eine Begründung hierfür wurde bereits aufgezeigt: Jedwede Verringerung des Anteils der Direktmandate bis hin zu deren Abschaffung steht im eklatanten Widerspruch zur noch geltenden Verfassung.
Doch auch die Alternative, die zumindest die Bürgernähe im Sinne einer Reform wiederherstellen könnte, ist nicht nur chancenlos – sie muss zwangsläufig am Machtwillen der Parteikader scheitern. Denn sie lautet: Abschaffung des Verhältniswahlrechts, stattdessen die Anzahl der Wahlkreise verdoppeln, sodass mehr Bürgervertreter die Chance bekämen, als solche in den Bundestag einzuziehen.
Denkbar wären bei einem qualifizierten Mehrheitswahlrecht auch andere Wege:
- Das Prinzip der relativen Mehrheit im Wahlkreis wird abgelöst durch die Notwendigkeit der absoluten Mehrheit. Bedeutet: Gewinnt nicht ein Kandidat im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit, gehen er und der Zweitplatzierte in einen zweiten Wahlkampf, der notwendig die absolute Mehrheit bringt.
- Das Verhältniswahlrecht wird in das Mehrheitswahlrecht in der Weise eingebunden, dass jeder Wahlkreis zwei Mandate zu besetzen hat. Die Anzahl der Wahlkreise bliebe bestehen, es zögen der Erst- und der Zweitplazierte in den Bundestag. Dadurch wäre gewährleistet, dass auch Vertreter kleinerer Parteien reelle Chancen haben. Soweit das dann überhaupt noch eine Rolle spielt, denn selbstverständlich könnten auch zwei Bürgervertreter gewählt werden, die sich zu derselben oder zu keiner Partei bekennen. Da hier die Listen keinerlei Rolle mehr spielen, stünde es jedem frei, zu kandidieren und die Bürger von sich zu überzeugen.
Doch machen wir uns nichts vor. Beide Varianten sind absolut chancenlos. Denn sie versperren nicht nur jenen den Weg in die Parlamente, die in der direkten Konkurrenz gegenüber dem Wähler chancenlos sind – sie verringerten auch den Einfluss der Parteikader gegen Null, soweit diese nicht regional angebunden sind. Bundes- und Landesvorstände wären hier schnell überflüssig – zumindest, was die Besetzung künftiger Parlamentsmandate betrifft.
Ein mögliches Modell für die Zukunft
Auch wenn folglich Sinnvolles nicht geschehen wird, so möchte ich dennoch einen dritten Weg vorstellen, der das Problem tatsächlich lösen könnte – der allerdings in der auf das Schaffen eines Rätestaates gerichteten Entwicklung vorerst ebenfalls chancenlos ist. Vielleicht aber irgendwann, wenn das gegenwärtige System mit Wumms an die Wand gefahren und die Phase des Rätestaates überwunden ist, mag sich jemand an das nun vorgestellte Modell erinnern.
Wirklich neu im eigentlichen Sinne ist es nicht – und es orientiert sich daran, den Willen des Grundgesetzes zu respektieren und die dort implementierten Fehler zu heilen. Um dieses zu tun, empfiehlt sich im Gegensatz zum heutigen Parlamentsmodell ein Zwei-Kammer-System.
Die Erste Kammer – mit nur der Hälfte der heute vorgesehenen Parlamentssitze – wird ausschließlich über Direktmandate besetzt. Hier griffe uneingeschränkt das Mehrheitswahlrecht und könnte so die verloren gegangene Nähe zur Bürgerrepräsentation reaktivieren.
Die Zweite Kammer – ebenfalls mit der Hälfte der heute vorgesehenen Parlamentssitze versehen – hingegen wird ausschließlich über das Verhältniswahlrecht und Parteilisten besetzt. Hier also könnten die Parteienvertreter zu ihrem Recht kommen, ohne dass sie durch eine nicht vorgesehene, künstlich aufgeblähte Überrepräsentation die kommunalen Bürgerinteressen quasi wegstimmen können.
Im Gesetzgebungsprozess wären beide Kammern gleichberechtigt zu behandeln – bedeutet: Beide Kammern müssen Gesetzgebungsvorhaben und Haushaltsvorlagen mehrheitlich ihre Zustimmung erteilen. Damit wäre jenes Korrektiv, welches das Grundgesetz 1949 durch das Splitting in Direkt- und Listenmandate vorsah, uneingeschränkt gewährleistet. Auch könnte das Zwei-Kammern-Modell dafür sorgen, dass kommunale und regionale Interessen über die Erste Kammer wieder deutlich mehr an Gewicht gewönnen. Das wiederum kann und sollte dazu führen, dass die vom Bürger zu Recht gefühlte Ohnmacht gegenüber einem abgehobenen Parteienkadersystem überwunden werden kann. Zumindest dieser Teil des Doppel-Parlaments rückte folglich wieder näher an den eigentlichen Souverän heran.
Die Angst der Kader vor dem Bürger
Das allerdings auch wird der Grund sein, weshalb eines solches Zwei-Kammern-Modell vorerst chancenlos bleiben muss. Denn vor nichts haben die Parteikader mehr Angst als vor dem Bürger. Schließlich haben sie nicht umsonst in den vergangenen 70 Jahren aus dem Bürgerstaat in einen Parteienstaat gemacht, den sie gegenwärtig zum Rätestaat umwandeln. Legen wir diesen Vorschlag also erst einmal in die Schublade und warten wir ab.
Die Unfähigkeit des gegenwärtigen Systems, fundamentale Fragen im Sinne des Souveräns zu lösen, wird zunehmend unübersehbar. Die neomarxistischen Utopien, die sich gegenwärtig durchsetzen, sind, das zeigt die geschichtliche Erfahrung, auch nicht von Dauer. Und vielleicht begreifen künftige Generationen dann irgendwann, dass weder absolute Basisdemokratie noch absolute Oligarchenherrschaft das optimale Regierungssystem garantieren können.
Der Ansatz des Grundgesetzes von 1949 war ja angesichts der geschichtlichen Erfahrungen weder dumm noch falsch. Er war nur nicht bis zu Ende gedacht, weil man sich damals noch nicht vorstellen wollte, dass das Hauptinteresse der Parteien künftig nicht mehr im Gemeinwohl, sondern im individuellen Karrieredenken liegen wird.
Dabei hätten sie es ahnen können: Macht geht immer dorthin, wo der Wille zur Macht vorhanden ist. Zwischen 1871 und 1918 fand sich dieser Machtwille zunehmend beim Reichspräsidenten mit dem Namen Deutscher Kaiser, dem sich ein gewähltes Parlament nichts mehr entgegen zu setzen traute. Zwischen 1918 und 1945 war dieser Machtwille zunehmend bei einer kriminellen Truppe kollektivistischer Chauvinisten konzentriert und führte in die Weltkatastrophe. Nach 1949 konzentrierte sich der Machtwille in den Parteiführungen und deren Kadern nebst angeschlossenen NGO-Ablegern.
Der Dumme war und ist in allen drei Fällen der Bürger. Hoffen wir daher, dass die nächste Katastrophe etwas weniger vernichtend ausfällt, als es bei den beiden vorangegangenen der Fall gewesen ist, und die Demokratie als Regierungssystem des Bürgerwillens doch noch eine Chance bekommt.
Werter Herr Spahn,
ich möchte Ihren dritten Vorschlag etwas abändern in folgender Form.
– Die Anzahl der Wahlkreise bleibt mit 299 wie bisher.
– In jedem Wahlkreis wird ein Direktkandidat gewählt, parteigebunden oder unabhängig.
– Für jeden Wahlkreis wird zusätzlich ein Listenkandidat gewählt, der jedoch nicht der Direktkandidat sein darf, wenn dieser schon als Direktkandidat gewählt wurde. Die Listenkandidaten werden auf Landesebene festgelegt. Die Anzahl der Listenkandidaten je Partei entspricht auf Landesebene dem Wahlergebnis der Parteien.
Damit wäre die Kombination aus zwei Wahlsystemen ausgewogen und ein Zweikammerparlament nicht erforderlich. Im übrigen bin ich aber auch der Auffassung von Herrn @Karl Kaiser, dass jedes Wahlrecht verbogen werden kann.
Um die vielfältigen Grundrechtsverstöße in diesem Land zu unterbinden, bedarf es vielmehr einer zusätzlichen Institution beim BvG, die sich aus Rechtsexperten und zufällig ausgesuchten Bürgern zusammensetzt. Diese Institution muss die Gewalt haben, Normenkontrollverfahren gegen den Gesetzgeber und Normenhaftungsverfahren gegen gewählte Volksvertreter anstoßen zu können.
Weiters gehört die Möglichkeit der Verfassungsänderung durch die Parlamente abgeschafft und durch Volksabstimmungen ersetzt.
Ich weiß, dass wird im Parteienstaat so nicht kommen. Aber man wird ja noch mal träumen dürfen.
Und jetzt ab nach Berlin.
Der Autor spricht sich für ein Zweikammersystem aus und übersieht, dass wir ja schon zwei Kammern haben, nämlich den Bundesrat und den Bundestag. Und würde man den Bundestag zusätzlich in zwei gleichberechtigte Kammern aufspalten, hätten wir drei Kammern. Mit dem „bicameralismo perfetto“ haben übrigens die Italiener schon schlechte Erfahrungen gemacht, weil sich zwei gleichberechtigte Kammern gegenseitig blockieren können und die Italiener das mit größtem Vergnügen tatsächlich tun. Bikameralisus „nein danke“!
Den Rätestaat haben wir längst – denn NGOs und Lobbyisten sind nichts anderes.
Das Parlament wird über die Fraktionen faktisch durch die Parteigranden und ihren Hofstaat dirigiert.
Das Abgeordnete „ihrem Gewissen“ nach entscheiden, erfolgt nur in Fällen in denen die Regierung etwas durchsetzen möchte, was die eigene Fraktion nicht möchte.
Der Vorschlag mit zwei Vertretern je Wahlkreis an Stelle der Parteilisten wäre auch mein Favorit (mit gleicher Begründung wie im Artikel).
Das ist genau so ein Thema, wofür man Bürgerentscheide auf Bundesebene bräuchte!
Parlamentarier sind befangen (sich selbst die Nächsten). Daher ist es ein Unding, dass sie in eigenen Belangen (Diäten, Lobby-Register, Parteispenden, Korruptions-§) selbst abstimmen dürfen. Das ist einer Demokratie unwürdig.
Endlich direkte Demokratie (steht ja sogar im GG „Wahlen und Abstimmungen“) und Gewaltenteilung (steht auch im GG)!! Alles andere ist ein Mafia-Staat der Parteien und „Eliten“, wie wir ihn heute schon erleben.
Wenn sich nichts ändert müssen eben Container vorm Reichstag aufgestellt werden.
Da kennen sich die Damen, Herren und diversen ja bestens aus.
Hoffen wir mal, dass der Platz ausreicht.
„Zwar gab es auch damals schon gelegentlich die Situation, dass die Union über Direktmandate zu viele Parlamentssitze, genannt Überhangmandate, erhielt – doch das ließ sich seinerzeit über ein paar wenige, sogenannte Ausgleichmandate abfangen. Die erfolgloseren Parteien erhielten so zwar mehr Sitze, als ihnen auf Grundlage der vorgesehenen Gesamtzahl der Parlamentsmandate zustand, doch im Sinne eines „gerechten“ Proporzes galt dieses Modell als zulässig und akzeptabel.“
Also das heißt im Grunde: Partei X bekommt mehr Sitze, als ihr eigentlich zustehen und zum Ausgleich bekommt Partei Y dann auch mehr Sitze, als ihr eigentlich zustehen. Toll!
Es wird sich über kurz oder lang etwas in unserem politischen System ändern müssen. Zu groß sind inzwischen die Widersprüche zwischen Bürgerwillen und zunehmenden Parteienfilz geworden. Eine sich immer mehr und härter spaltende Gesellschaft, kann auf Dauer nicht die Interessen ihrer Bürger in einer sich immer weiter globalisierenden Welt vertreten. Eine grundsätzliche Überarbeitung unseres Grundgesetzes ist längs überfällig. Wie sollen Bürger eine Verfassung auf Dauer tolerieren, an deren Entstehung und Inhalt sie weder mitgewirkt, noch über diese überhaupt abgestimmt haben. In meinem über neunzig Jährigen Leben wurde ich ohne zu fragen, in ein jeweils gerade existierendes politisches System hineingeboren. Nicht einmal wurde ich bei einem Systemwechsel, zu den von jeweils anderen erstellten Verfassungen, frei und demokratisch befragt. Man stülpte sie den Menschen einfach über. Selbst nach der Wiedervereinigung setzte sich Parteienfilz durch und passte das Grundgesetz nicht den neuen Anforderungen, mit notwendigen Änderungen bereits vorher entstandenen Fehler an. Zu groß waren die Ängste der vom Parteienfilz abhängigen Volksvertreter inzwischen, vorteilhafte persönliche Vorteile zu verlieren. Daran hat sich bis heute leider nichts geändert. Außer einiger unbedeutender und kaum die Demokratie anziehender zu machen Schönheitskorrekturen, blieb eine von den Interessen bestimmter Siegermächte infiltrierte Verfassung, bis heute in ihren ungenügenden demokratischen Grundzügen erhalten. Der zunehmende Fortschritt in Gesellschaft, Technik und Wirtschaft fand daher keinen Einfluss auf den Inhalt. Ganz deutlich wird dieser undemokratische Parteienfilz bei den inzwischen ausufernden Überhangmandaten. Die vom Bürger direkt entsprechend ihrer Einstellung und Handlungsweise gewählten Abgeordneten, sollen so einfach wenn im Überhang, undemokratisch verringert werden. Und das auch nur noch zu Lasten zunehmenden Parteienfilz. Eigentlich ist das Direktmandat das demokratisch höherwertige und muss schon daher Vorzug genießen. Aber solange z.T. am Parteientropf hängende Abgeordnete die Überzahl, wird sich daran nichts ändern. Es wird für unsere immer mehr bröckelnde Demokratie Zeit, dass gesellschaftliche Grundsatzfragen in freiheitlicher Demokratie entschieden werden. Demokratische Verfassungen benötigen einfach von Zeit zu Zeit Anpassungen an gesellschaftlichen Fortschritt. Möglichkeiten bieten in freien Demokratien übliche Volksbefragungen. Unter Vorstellung von Alternativen sollte mehrheitlich geklärt werden wie zu verfahren ist. Wäre auch ein gangbarer Weg, die stetig zunehmende und verhärtende Spaltung begrenzen.
Spätestens mit den 90er Jahren begann eine neue neoliberale Elite, erfolgreich Einfluss auf die politischen Akteure zu nehmen und so die Grundwerte nebst Grundgesetz dieses Landes zu korrumpieren. Ab den 2000er Jahren waren der maoistisch-stalinistische 68er-Geist und seine ehemals steinwerfenden und brandstiftenden Protagonisten so weit in die Institutionen eingesickert, dass sie den Verfremdungseffekt durch ihre linksextremistischen Impact nocheinmal potenzierten. Mit der Wahl Merkels zur Bundeskanzlerin und ihrer zunächst unscheinbaren, aber beharrlich fortgeführten DDRisierung der BRD begann dann die destruktivste Phase, die nun zum Dammbruch führt..
Enttäuscht wird nur der, der sich vorher täuschen lies.
Da werden sich noch einige beim Erwachen die Augen reiben.
Der Artikel beschreibt zu 100% das Problem, daß Direktmandate die Errichtung der Kader“demokratie“ nur stören. Vor langer Zeit erschien mal ein Artikel in Bild der Wissenschaft (jetzt auch bei den „Klimarettern“), der das Problem löst, daß eine Stichwahl in der heutigen Form (die beiden Kandidaten mit der höchsten Stimmenzahl) nicht unbedingt den Kandidaten als Sieger hervorbringt, den die Wähler haben wollen. Vorgeschlagen wurde, daß die Wähler beliebig viele Kandidaten ankreuzen kann. Klingt erst einmal etwas konfus, aber dann können die Wähler ankreuzen: Kandidat A will ich, aber B ist auch akzeptabel. Wer dann die meisten Stimmen bekommt, ist den meisten Wählern genehm.
Die Demokratie in der Schweiz ist die einzig wahre Demokratie.
Alles andere ist Geschwätz!
100 Prozent Zustimmung zum Artikel von mir. Exakt genau so sehe ich das auch. Nur der Gedanken mit den zwei Kammern ist mir noch nicht gekommen. Den finde ich sogar ausgezeichnet. Den könnte man für mehr Bürgerbeteiligung sogar ausweiten (z.B. indem die Bürger durch ein Volksentscheid im Wahlkreis eine Entscheidung des Direktkandidaten vorgeben können).
An alle die, die meinen, dass kleine Parteien keine Chance hätten:
Ob man sich als Kandidat aufstellt bzw. aufstellen lässt oder nicht, hat dann genau die Konsequenzen auf ein mögliches Mandat, die das haben muss. Wir haben mittlerweile drei SPD-Parteien. Rest-SPD, Grüne und die Hälfte der Linken sind alles SPD-Splitter. Wenn die sich bei Direktmandaten gegenseitig Konkurrenz machen und dann der CDU-Kandidat mit relativer Mehrheit gewinnt, vielleicht nur mit 35 Prozent, dann liegt die Ursache des Problems nicht beim CDU-Mann, sondern bei den SPD-Splittern. Die müssten sich auf einen Kandidaten einigen, um Chancen zu haben. Das ist keine Schwäche des Wahlsystems, sondern die Schwäche oder vielmehr Blödheit des linken Lagers, sich regional zu organisieren. In dem Fall, dass die drei die gleiche Stärke haben, könnten die auch einen überparteilichen Kandidaten aufstellen. Bei einem Zweikammer-System wäre das dann auch unproblematisch.
Die Deutschen wollen keine Demokratie. Anders ist es nicht zu erklären.
Das einfache Direktmandat (relative Mehrheit der Stimmen) eines reinen Mehrheitswahlrechts wird problematisch, wenn zahlreiche Parteien sich um einen Abgeordnetensitz bemühen. So gelang es z.B. Kaczynskis PiS bei den Reichstagswahlen 2015, mit 37,58 Prozent der gültigen Stimmen die absolute Mehrheit der 460 Sitze (235 Mandate) zu erlangen. 2019 kam die PiS auf 43,59 Prozent und erhielt (eher zufällig) wieder 235 der zu vergebenden 460 Sitze. Bei noch größerer Gliederung der Parteienlandschaft sind noch geringere prozentuale Ergenisse einer Partei denkbar, um dennoch die absolute Mehrheit der Mandate zu erringen. Es spricht daher die Vernunft dafür, das deutsche Wahlrecht so zu ändern, dass in einem zweiten Wahlgang der erfolfreichere der zwei erfolgreichsten Kandidaten des ersten Durchgangs mit der absoluten Mehrheit der in seinem Wahlkreis nun abgegebenen Stimmen ins Parlament einzieht. Leider besteht hier das Problem, dass Vernunft nicht unbedingt das hervorstechende Merkmal des Parlamentariers ist, diese aber nötig wäre, um eine entsprechende vernünftige Gesetzesänderung herbeizuführen. Kein Wunder, ist doch gerade dem Parlamentarier das Hemd näher als der Rock.
Ein Direktwahlsystem hätte den Vorteil, dass der Bürger seinen Abgeordneten persönlich, also jedenfalls nicht nur per Fernsehen, kennenlernen könnte.
Im Moment kann nur jemand erfolgreich sein, der im Fernsehen gut rüber kommt. Das ist von übel.
Persönlich kennenlernen können Sie einen über die Landesliste ins Parlament gelangten Abgeordneten genau so gut wie einen direkt gewählten. Die meisten Abgeordneten kommen im Fernsehen gar nicht zur Geltung; es sind immer nur ein paar Leithammel der Fraktionen, die von den Parteien zur Wahrnehmung des Rederechts vorgeschickt werden und daher ggf. im Fernsehen zu bewundern sind. ♦ Ich habe vor längerer Zeit zwei oder drei Direktkandidaten meiner damaligen Partei CDU gut gekannt – bei Wahlkampfveranstaltungen vertraten sie jedoch immer die offizielle Parteilinie. Die persönliche (zumeist nur flüchtige) Bekanntschaft ist also für den Durchschnittswähler ebenso irrelevant wie die direlte Frage, ob der Abgeordnete X im konkreten Fall mit JA oder NEIN abgestimmt habe: Es folgt dann regelmäßig der Hinweis auf die Fraktionsdisziplin und man ist noch genau so schlau wie vorher. Kurzum: Aus dieser Sicht unterscheiden sich Direkt- und Listenkandidaten (die gelegentlich sogar identisch sind) am allerwenigsten. Das Mehrheitswahlrecht in zwei Gängen ist unabhängig von solchen Überlegungen zu bevorzugen.
„Kammer 2“ als Anreiz für die Eigennutz orientierten Polit Profiteure, die nebenbei gesagt kein Problem damit hatten aus dem Souverän ihren Knecht zu machen, ja zu ihrer Teilentmachtung zu sagen, damit der gewohnte Geldregen weiterhin auf sie nieder geht. Ist das eine „Qualitätskontrolle“ oder eher Bestechungsgeld. Warum braucht man die Bindung an die Parteien überhaupt? Von freier Entscheidung ist ja heute, speziell in der C(SED2)D(MultiKultiabklapphalde)U nicht mehr die Rede. Eigentlich müsste nur Merkel ab und an irgend eine Luftblase blubbern, der Rest wie Gewaltenteilung und Abstimmung der Parlamentarier sind doch zur reinen Simulation verkommen.
Ihre Hoffnung, dass die nächste produzierte Katastrophe dezenter ausfällt, darauf kann ich nicht mithoffen. Dafür wurden einfach zuviele Fundamente der Gesellschaft ins Surreale deformiert und zuviel „Sprengstoff“ angehäuft.
Das Zwei-Kammer-System halte ich für eine gute Idee. Aber warum nicht den Bundestag zur Hälfte mit Direktabgeordneten und zur Hälfte mit Listenabgeordneten besetzen? Der Bundestag wäre zwar nicht parteien-proportional (wie auch nicht die Parlemente in Großbritannien oder den USA), aber auch kleinere Parteien wären vertreten. Und ob FDP oder AfD nun 100 oder 50 oder 25 Abgeordnete haben: für die Parlamentsdiskussion ist das komplett egal, Hauptsache sie haben Redezeit.
Die „Zweite Kammer“ ist bereits der Bundesrat. Man könnte darüber reden, ob es nicht sinnvoll wäre, ALLE Gesetze für zustimmungspflichtig zu erklären, aber eine aus allgemeinen Wahlen hervorgehende Zweite Kammer brauchen wir nicht. Besser wäre es, die Mitglieder des Bundesrates durch auf das jeweilige Bundesland beschränkte allgemeine Wahlen bestimmen zu lassen.
Eine unveränderliche Anzahl der Bundestagsmandate sollte allerdings die Grundvoraussetzung einer jeden Wahlrechtsänderung sein.
Was tun?
Listen abschaffen, Diäten halbieren, Bundespräsidenten vom Volk wählen, DDR-Altkader hinauswerfen, NGOs verbieten, Versorgungsforderer ausschaffen, Islam als staatsfeindliche politische Ideologie anerkennen, Konkordate aufkündigen und die Kirchen zu normalen Vereinen reduzieren, EU und UNO verlassen, Schulen und Straßen wieder aufbauen.
Zustimmung in fast allen Punkten, nur würde ich die Diäten nicht halbiernen sondern Verdoppeln und dafür jegliche entgeltliche Nebenbeschäftigung und Anschlußverwendung bei Anwendung von Höchststrafen untersagen.
Endlich ein Artikel, der die Problematik des deutschen Wahlrechts und die Reformalternativen korrekt darstellt.
Danke, Herr Spahn.
Sagen wir es doch in aller Deutlichkeit, die Parteien haben sich den Staat zur Beute gemacht. Eine nicht nur von mir bereits mehrfach getroffene Feststellung. In ihrem Fahrwasser gelingt es den sogenannten NGO‘s die politische und wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland stark zu beeinflussen. Wählerstimmen und Wählerwillen spielen keine Rolle mehr. Das Wahlvolk ist also nur als „Stimmvieh“ von Bedeutung, ansonsten hat es folgend -und duldsam zu sein. An diesem unglaublichen Zustand ändert auch keine Wahlrechtsreform o.ä. irgendetwas. Tatsächlich Änderungen sind nur mit einer kompletten Neuordnung, u.a. durch Abschaffung des Parteienwahlstimmrechts und Entmachtung des Bundesparlaments, der Landesparlamente sowie der entsprechenden Regierungen mit Anhängen auf kommunaler Ebene, realisierbar. Und da scheint wohl schon einiges am Laufen zu sein.
Solange Union, SPD und FDP nur zu dritt waren, gab es zwar Überhangsmandate, aber keine Ausgleichsmandate – wenn eine Partei mehr Direktmandate hatte, als ihrem prozentualen Anteil an den Zweitstimmen entsprach, dann hatte sie halt mehr Abgeordnete als eine Partei, die gleich viele Zweitstimmen, aber kaum Direktmandate vorweisen konnte. Hat funktioniert, hat den BT nicht unnötig aufgebläht.
Das vorgeschlagene 2-Kammer-System fände ich aber auch ehrlicher.
Hm, irgendwie stehe ich auf dem Schlauch oder ich verstehe das Problem nicht. Eine Hälfte des Parlaments wird ausschließlich über Direktmandate besetzt, die andere Hälfte über Listenkandidaten. Wer sagt denn, dass die Gesamtzusammensetzung des Parlamentes dem Ergebnis der Zweitstimmen entsprechen muss? Lediglich die Zusammensetzung der einen Hälfte muss hat dem Zweitstimmenergebnis zu entsprechen, oder nicht? Es ergäbe sich zwar eindeutliches Übergewicht für die Union, aber das ist dann eben systemimmanent und ja auch nicht in Stein gemeißelt.
Zerbrich dir darüber keinen Kopf mehr. Ab dem 29.8 werden die Karten neu gemischt.
Verehrter Herr Spahn, danke für die nüchterne Analyse. ‚Der Dumme war und ist in allen drei Fällen der Bürger. Hoffen wir daher, dass die nächste Katastrophe etwas weniger vernichtend ausfällt,…‘ Versichern kann ich Ihnen, rückblickend auf 2015 und angesichts des derzeitigen Gebaren der Regierungsclique: nein, wird sie nicht. Eher im Gegenteil.
Das System wird sich von ‚innen‘ nie änderen. Man darf eben nicht die Frösche fragen, wenn man den Sumpf trocken legen will.
Dieser ganze akademische Wahlrechtszirkus hat keine Bedeutung mehr und wird von der Normativen Kraft der Wirklichkeit auf der Straße gerade überrollt und hat in etwa die Bedeutung der Diskussion des nächsten 5-Jahresplanes im Politbüro im Oktober 1989. Oder glaubt irgendwer, daß nach dem 29.8 hier alles so weiter trudelt wie bisher?