Der Chef des linken Partito Democratico (PD), Enrico Letta, hatte am Dienstag noch davon gesprochen, der Mittwoch werde ein schöner Tag. Am Mittwoch sieht es einer der wichtigsten Unterstützer der Regierung von Mario Draghi anders. „Heute ist ein trauriger und dramatischer Tag für Italien“, sagte der Spitzenpolitiker. Von der Siegesgewissheit am Dienstag ist nichts mehr übrig.
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Die Situation eskalierte, da die Lega und Silvio Berlusconis Forza Italia (FI) darauf bestanden, den M5S aus der Regierung auszuschließen. Zugleich sorgte die Entscheidung für Protest, die Vertrauensabstimmung an einen Antrag von Pier Ferdinando Casini zu koppeln, der vorsah, die Erklärung von Draghi vorbehaltlos zu unterstützen. Lega und die FI wollten jedoch einen „neuen Pakt“, da die Situation eine veränderte sei im Vergleich zum Amtsbeginn – und weil die Sterne der Regierung nicht mehr angehörten. Draghi, der schon gegenüber dem M5S-Chef Giuseppe Conte Ultimaten und Sonderwünsche ausgeschlossen hatte, ging nicht auf die Forderung ein.
Salvini und Berlusconi haben den Spieß umgedreht
Am Nachmittag kippte deswegen die Stimmung. Salvini und Berlusconi hatten sich tags zuvor intensiv abgestimmt. Am Abend wurde der Plan des Duos offenbar: Nicht nur der M5S, auch Lega und FI würden der Regierung ihr Vertrauen entziehen, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen. Es zeigte sich, dass Draghi sich verkalkuliert hatte. Der Römer hatte sich bitten lassen wollen, glaubte sich der Unterstützung gewiss und knüpfte Konditionen an seinen Weiterverbleib; doch Lega und FI zeigten zuletzt, dass sie im Fall der Fälle bereit waren, zusammen mit dem M5S den Aufstand zu proben, sollten sie nur Mehrheitsbeschaffer sein.
Italien: Der Senat entscheidet über Draghis Schicksal
Neuwahlen sind wahrscheinlicher denn je geworden
Folgerichtig verließ der Premierminister noch vor der Abstimmung den Senat und brach zu seinem Amtssitz im Palazzo Chigi auf. Bei der Wahl verließen die Senatoren von FI und Lega den Saal, der M5S verblieb im Senat, stimmte aber nicht ab, um das Quorum nicht zu gefährden. Am Ende erhielt Draghi 95 von 133 Stimmen – bei 192 anwesenden Senatoren. Das war ein de facto Vertrauensentzug bei einer de jure gewonnenen Abstimmung. Die kleinere Kammer des italienischen Parlaments hat für gewöhnlich 321 Mitglieder. Medienberichte, Draghi sei noch am Abend zu Präsident Sergio Mattarella aufgebrochen, bestätigten sich nicht.
Scholz und die EU bitten Draghi zu bleiben
Zwar besteht immer noch die Möglichkeit, dass Mattarella eine neue Übergangsregierung aus dem Hut zaubert, um die Legislatur an ihr Ende zu bringen. Die Frage, wer die zerstrittenen und regierungsmüden Parteien die letzten Monate zusammenschweißen soll, bleibt dagegen offen. Draghi, der schon am Donnerstag das Handtuch werfen wollte, und sich die nochmalige Tortur nur auf Drängen und Bitten des Staatsoberhauptes antat, dürfte sich das Prozedere jedenfalls kaum noch antun wollen.
Berlusconi nimmt Rache für seine eigene Entmachtung 2011, an der Draghi beteiligt war
Doch vorerst bleibt Draghi den Formalitäten treu. Stand Mittwochabend will Draghi am Donnerstag um 9 Uhr in der Abgeordnetenkammer ebenfalls die Vertrauensfrage stellen, um abzutasten, inwiefern die formell noch bestehende Koalition Gültigkeit hat. In der größeren Kammer des italienischen Parlaments hat die Regierung größeren Rückhalt als m Senat. Vermutlich dürfte Draghi daher erst am Donnerstagabend mit Mattarella das weitere Vorgehen beraten.
Nachdem Draghi in den letzten Tagen von der medialen und politischen Elite, Zivilgesellschaft und sogar vom Ausland darum gebeten wurde, im Amt zu verbleiben, kommt der unsanfte Fall für viele überraschend. Dabei hatten offenbar Lega und FI das Vorgehen am Dienstag genau abgesprochen. Strippenzieher der Intrige dürfte dabei Silvio Berlusconi sein. Der hat offenbar nicht vergessen, wie er 2011 von der EU und EZB abgesägt wurde. Im berühmten Brief, den Jean-Claude Trichet und Mario Draghi an die Regierung Berlusconi gerichtet hatten, bereiteten diese die Einflussnahme der EU auf die nationale Regierung vor – an dessen Ende Berlusconis Sturz und Mario Montis Installation stand.
Ein Jahrzehnt später hat Berlusconi Rache an Draghi genommen. Der alte „Cavaliere“ kann es noch.
Aktualisierung am 21. Juli 2022, 8:21 Uhr: Am Morgen hieß es auch im Quirinal, Mattarella sei zu Neuwahlen bereit.
Draghi war schon seit den Zeiten seines EZB-Vorsitzes einer der gefährlichsten Männer Europas. Es ist gut, wenn er jetzt weg ist. Noch besser wäre es, wenn er nie mehr ein politisches Comeback erhielte.
Damit ist der Brüsseler Statthalter erledigt, Neuwahldie um jeden Preis verhindert werden sollten, unausweichlich. Das ist die große Chance für die politische Rechte Italiens, die so vor kurzem noch nicht erahnbar war.
Mal sehen, was sie daraus machen
Brüssel wird alles in Bewegung setzen, um Giorgia Meloni zu verhindern. So wie Berulusconi 2011 dank Brüsseler-Berliner-Pariser Intrigen gestürzt worden ist.
Draghi ist zurückgetreten.
Italiens Staatspräsident Sergio Mattarella hat den Rücktritt von Regierungschef Mario Draghi angenommen. Das teilte der Quirinalspalast am Donnerstag in Rom mit.
Gut für Italien dass der Mann von BlackRock endlich weg ist.
Die Rache hat wohl eher Draghi geübt. Das centro destra war durchaus breit, ihn weiter zu unterstützen, aber die politischen Gewichte innerhalb der Unterstützerkoalition hätten neu austariert werden müssen.
Dazu war Draghi nicht bereit und ist in seiner Rede vor dem Senat in keiner Weise auf Anliegen von Lega und Forza Italia eingegangen, wie zB die Einhegung der illegalen Migration.
Das war eine bewusste politische Provokation, möglicherweise aus Frustration darüber, dass er nicht wie gewünscht zum Staatspräsidenten gewählt worden ist.
Der Abschied vom Brüsseler Kommissar dürfte den Italienern mittlerweile nicht mehr schwer fallen, die Unterstützung für ihn ist in den letzten Monaten stark zurückgegangen, da hilft auch nicht seine Berufung auf eine ominöse Zivilgesellschaft.
Diese ominösen und allgegenwärtigen Liebesbekundungen für einen scheidenden Premier, um diesen zum Bleiben zu ermuntern, waren mit das Absurdeste, was ich in meiner gesamten Italienberichterstattung seit 2014 erlebt habe.
Könnte nicht vielleicht, verehrter Herr Gallina, hinter den „Liebesbekundungen“ eine interessengeleitete „Fernsteuerung“ stecken? Mir fallen die merkwürdigen Analogien zu „unserem“ mehr und mehr in Bedrängnis geratenden Annabert (Habeck) auf: Kaum gerät er ins Stottern, sekundieren ihm schnellstmöglich rausgehauene Umfrageergebnisse, wonach ihn (angeblich) 30% der Befragten gern als Kanzler hätten…
Draghi ist Ursula von der Leyens, der EU und der deutschen Regierung Lieblingspolitiker. Sie werden alles dafür tun, dass er im Amt bleibt. Koste es Deutschland, was es wolle.
In Italien scheint es noch Opposition zu geben, bzw. erlaubt zu sein. Oder sind das auch Nazis?
Auch wenn Italien eine vernünftige Regierung braucht, kann man doch froh sein, dass es eben manchmal noch nicht reicht, wenn irgendwelche Eliten sich aufblasen.
Wobei das Wort Elite und vdL … nun ja.
Berlusconi nimmt Rache an Draghi. Salvini nimmt Rache an Conte und die Giorgia Meloni hält von dem derzeitigen Politzirkus ohnehin nicht viel. Dazwischen eiern die PD und viva Italia vor sich hin. Alles klar auf der Andrea Doria.
Salvini und Meloni wären in meinen Augen eine gute Kombination. Die Schweizer Postille „Blick“ schreibt, dass sie es war, die Draghi vertrieben hat. Natürlich ist sie für dieses Blatt eine Faschistin. Sollte das stimmen: Danke Giorgia Meloni!
Eine „technocrati“ also technisch eingesetzter MP wird von der „Zivilgesellschaft“ aufgefordert zu bleiben. Haha, köstlich, diese Demokratie in der EU.
Die Davos Geschwader „Medien“ und „politische“ Eliten „bitten“ den Davos Protagonisten darum zu bleiben. Eigentlich nur noch peinlich.
Und natürlich geht es nicht darum, das Draghi sich das „nicht mehr antun“ will. Natürlich will er. Schließlich muss auch in Italien der Great Reset vorangetrieben werden. Mit der Corona Inszenierung hat man den anarchischen Widerstand der Italiener ja schon ganz gut eingehegt.
Draghi hat anscheinend nur den Preis unterschätzt den die Hilfstruppen für die Kollaboration verlangen. Aber das lässt sich ja heilen.
Draghi tut alles, das sinkende Schiff noch rechtzeitig verlassen zu können, um dann den von ihm verursachten Untergang, anderen in die Schuhe schieben zu können.
Mmh. Das könnte er von Merkel gelernt haben. Unfähigkeit bis zum Letzten, aber immer noch fähig, den eigenen Kopf aus der Schlinge zu ziehen…
Herr Draghi hat dem ehemals guten Projekt EU als EZB Chef massiv Schaden zugefügt und je eher er aus der Realität verschwindet, umso besser.
Huch, jetzt muss die EU-Bürokratie wieder so viel Geld für die Wahlbeeinflussung der Italiener investieren…
Nun ja. Ein Premier, der niemals vom Volk gewählt wurde, geht. Und die EU schäumt, weil es vorerst seinen besten Paladin in Italien verliert.
Ich kann eine gewisse Genugtuung nicht verhehlen.
Das italienische Spiel geht weiter: immer wieder neue Gelder aus der EU „organisieren“.
Wenn dieser fürchterliche Typ der in der EZB und in Eufopa derartig viel Schaden angerichtet hat in der Versenkung verschwindet ist das gut für Europa und Italien.
Draghi war ja sowieso nicht demokratisch legitimiert. Genauso wie von der Leyen war er einfach par ordre du mufti „eingesetzt“ worden, ohne vorher ein demokratisches Wahlverfahren durchlaufen zu haben.
Ganz ausgezeichnete Nachrichten. Es müssen unbedingt Neuwahlen her mit den Ergebnis einer rechten Regierung. Es könnte der Anfang vom Ende dieser wahnwitzigen EU sein.
Die Frage ist: was kommt jetzt?
Bei uns haben die BTW alles verschlimbessert. Wenn man den Eiertanz der Kandidaten in GB anschaut ist das gleiche da zu erwarten wobei da die Situation anders ist: der Chef der Regierungspartei wird zum Einwohner von 10 Downing Street.
„Nachdem Draghi in den letzten Tagen von der medialen und politischen Elite, Zivilgesellschaft und sogar vom Ausland darum gebeten wurde, im Amt zu verbleiben…“
Da wird also ein, von keinem Italiener gewählt, Technokraten-Premier, von Eliten, von Medien und vom Ausland gebeten, im ihm zugeschusterten Amt zu bleiben.
Diese als Demokratie geframeden Hinterzimmer-Kungeleien, einfach nur noch widerlich.