<
>
Wird geladen...
Corona-Paradoxien

Großbritannien: Johnson will die Älteren vorsorglich quarantänieren

20.03.2020

| Lesedauer: 5 Minuten
Johnson Pandemie-Strategie scheint riskant: die schnellstmögliche Erlangung der »Herdenimmunität«. Bei genauerem Hinsehen sind die Unterschiede rhetorisch. Neben viel Wissenschaft hat Johnson auch ein Konzept zur Schonung der besonders gefährdeten älteren Menschen vorgelegt - im Gegensatz zu Merkel.

Die Regierung Merkel hat es anscheinend auf die rasche Erlangung der »Herdenimmunität« abgesehen. Der Schutz sensibler Bevölkerungsteile, überhaupt die Eindämmung der Epidemie geriet darüber früh in den Hintergrund. Explizit ist freilich nicht von einer solchen Strategie die Rede. Gestreut wurde nur die epidemiologische Zahl von 60–70 % Infizierten, die irgendwann ohnehin erreicht werde.

In der Pandemie-Strategie, die Boris Johnson letzte Woche vorstellte, hatte der Begriff »Herdenimmunität« dagegen einen offiziellen Platz, was in den britischen Medien sofort breit kritisiert wurde. Doch ging Johnson den viel gescholtenen Weg seiner Regierung immerhin ganz bewusst, legte den genutzten fachlichen Rat offen und formulierte auch die notwendigen gesellschaftspolitischen Ergänzungen öffentlich.

ZEIT ZUM LESEN
„Tichys Einblick“ – so kommt das gedruckte Magazin zu Ihnen
Johnsons wissenschaftlicher Berater in Sachen Covid-19, Sir Patrick Vallance, hatte das geplante Vorgehen der britischen Regierung auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem Premier erklärt. Zunächst wies er darauf hin, dass eine Epidemie genauso aussieht, wie es uns auch Claus Kleber jüngst im »heute journal« gezeigt hat. Eine Art Glockenkurve. Man könne ihren Fortschritt, einmal begonnen, nicht aufhalten. Die Nichtansteckung aller Bürger sei insofern weder möglich noch wünschenswert, denn langfristig müsse eine Immunität gegen den neuen Krankheitserreger in der Bevölkerung errichtet werde. Das einzig Tröstliche wäre, dass die Kurve nach dem exponentiellen Anstieg auch wieder in spiegelbildlicher Weise abfällt.

Sicher, einige mittel- und osteuropäische Staaten haben niedrige Zahlen und versuchen noch, eine Epidemie zu vermeiden. Doch im westlichen Europa hat man auf eine konsequente Eindämmungsstrategie weitgehend verzichtet. Dazu sah man sich vielleicht auch gesellschaftspolitisch, weil Freiheitsrechte berührt waren, nicht in der Lage. Die Öffentlichkeit musste erst das Bedrohliche der Lage erkennen. Schließlich konnte es auch aus wirtschaftlicher Sicht vorteilhaft erscheinen, nicht zu sehr einzugreifen. Die medizinische Sicht wird eine andere sein und letzten Endes vielleicht auch einschneidende Folgen für die Wirtschaft haben.

Die Briten haben nun jedenfalls ganz offiziell die Eindämmungsphase (containment phase) beendet und sind in die Verzögerungsphase (delay phase) eingetreten. Die Verzögerung des Epidemieverlaufs bildet dabei den ersten Teil eines Plans zur Abmilderung (mitigation) der Pandemie, deren zweites Element der Ausbau des Gesundheitssystems ist. Wichtig zu wissen: Großbritannien befindet sich derzeit etwa vier Wochen hinter Italien, was das Fortschreiten der Epidemie angeht, also wohl um die zwei Wochen hinter Deutschland.

Vorsorgliche Quarantäne für die Alten

Die wichtigste soziale Ergänzung der Regierung zu diesem wissenschaftlichen Aufriss dürfte die vorsorgliche Quarantäne der Alten für ganze vier Monate sein, die vermutlich in den nächsten 20 Tagen beschlossen und dann in Kraft gesetzt werden soll. Laut dem Journalisten Robert Peston sollen die Über-70-Jährigen diese noch genauer zu bestimmende Zeit in strikter Isolation verbringen, um ihre Ansteckung während des Epidemiehöhepunkts zu vermeiden. Die Spitze der epidemischen Welle vermutet man demnach in der Zeit zwischen April und Juli.

Der ärztliche Berater der Regierung hatte diese Maßnahme in der Pressekonferenz erläutert. Noch sei nicht die Zeit für dieses Mittel gekommen, da die Quarantäne die Alten natürlich belasten würde. Hier knüpfte auch die öffentliche Kritik an der Regierungsmaßnahme an: Einige der Alten, so meint man, könnten in dieser Zeit der Einsamkeit schlicht durch Vernachlässigung sterben. Um die sozialen und gesundheitlichen Folgen der Maßnahme abzufedern, geht die Regierung von einer zeitlich begrenzten Periode aus. Folglich müsse man den richtigen Zeitpunkt abpassen, in dem das Wachstum der exponentiellen Kurve deutlich ansteigt und so eine maximale Schutzwirkung für die Älteren erzielt werde. Daneben sei nun auch noch Zeit, sich in Nachbarschaften und Freundeskreisen zu vernetzen. Durch freiwillige Helfer könnte so eine bessere Versorgung der Alten sichergestellt werden. Außerdem versucht man, vorab die Lieferung von Essen durch Dienstleister wie Uber und Deliveroo sicherzustellen. Video-Sprechstunden sollen bei der medizinischen Versorgung helfen.

Abmilderung

Neben dem Schutz der Älteren und Kranken steht als nächstes das Bemühen, diese Spitze auch für die Gesamtbevölkerung abzuflachen. Hierzu empfiehlt die britische Regierung Menschen mit leichten Symptomen, für sieben Tage zu Hause zu bleiben und nur bei Verschlechterung ihres Zustandes den Notruf zu wählen. Von der häuslichen Isolation erhofft man sich eine Abflachung der allfälligen Epidemiespitze um 20 bis 25%. Eine weitere Verringerung um 25% könne eine Isolierung jeweils des gesamten Haushalts bringen. Die Quarantäne der Alten hätte dagegen vor allem eine Wirkung auf die Sterblichkeit dieser Kohorte, weniger auf das Tempo der Epidemie. Merkwürdig ist allenfalls die Kürze der Selbstquarantänierung, wo andere Regierungen von zwei bis vier Wochen ausgehen.

Ab dem kommenden Wochenende sollen zudem erst Massenveranstaltungen verboten, später könnten Pubs und Restaurants geschlossen werden. Vorerst riet die Regierung nur von deren Besuch ab. Zugleich will man die Produktion von Beatmungsgeräten ankurbeln und die Schulen weitestgehend schließen – mit einer Ausnahme: Die Kinder der Angestellten des nationalen Gesundheitssystems sowie der Polizei sollen auch weiterhin mit geschrumpften Personal betreut werden. Zuletzt wird die Errichtung von Sperrbezirken in einzelnen Ortschaften für die Zukunft nicht ausgeschlossen.

Es ist dieser nationale, offen kommunizierte Plan mit seiner Umsicht und seinen Details, der in Deutschland fehlt. Wenn Angela Merkel in ihrer typischen Art so tut, als fielen die 70% vom Himmel und müssten einfach nur gestreckt werden, dann fehlt ihr ein konkretes Vorgehen, um die empfindlichen Teile der Gesellschaft dabei zu schützen.

Abschließend sagte Boris Johnson: »Auch wenn die Lage derzeit hart erscheint, dann denken Sie daran, dass das Land diese Epidemie durchstehen wird, genauso wie es zuvor viele noch härtere Erfahrungen überstanden hat, wenn wir aufeinander achten und uns mit ganzem Herzen zu einer nationalen Anstrengung verpflichten.«

Das Gegenmodell: maximaler Schutz

Das Gegenmodell zur »Herdenimmunität« bestünde in einer möglichst umfassenden Kontrolle und Eindämmung der Epidemie. Dieselbe müsste offenbar mit den ersten festgestellten Infektionsfällen einsetzen und die Weitergabe des Virus darüber hinaus unmöglich machen. Das hat man in Deutschland jedoch nur dort versucht, wo man bereits von einem klinischen Fall wusste. Ohne nachgewiesene Infektion fühlten sich die Gesundheitsämter, Praxen und Kliniken nicht verantwortlich. Und da obwohl man doch seit langem wusste, dass es Infektionen ohne klinische Symptome gibt und dass diese Infizierten ihrerseits ansteckend sind.

Die Krankheitsverteilung nach Altersklassen, wie man sie in Südkorea beobachtet hat, betont die hier liegende Problematik: Die jungen Alterskohorten zwischen 20 und 50 Jahren sind in Südkorea deutlich stärker durchseucht als die Älteren, bei denen sich aufgrund von Vorerkrankungen aber regelmäßig eher Komplikationen einstellen. Die gesunden Jungen stecken also die kranken Alten an. Sie multiplizieren durch ihre Symptomfreiheit und die von ihnen gezeigte soziale Aktivität die Infektionsraten in der gesamten Gesellschaft.

Hier klicken, um den Inhalt von X anzuzeigen.
Erfahren Sie mehr in der Datenschutzerklärung von X.

Die südkoreanischen Zahlen sind vermutlich einzigartig in der Welt, weil das Land so gründlich testet wie kaum ein anderes. Die in der verlinkten Graphik unterlegten italienischen Zahlen – mit einem viel höheren Anteil an älteren Infizierten – dürften ihrerseits auf die italienische Testpraxis zurückgehen, die sich stärker auf die Krankenhäuser, also auf Fälle mit Komplikationen konzentriert.

Getestet werden müssten alle Patienten, die auch nur über Halsschmerzen oder eine leichte Erkältung klagen. Dass man das nicht tut, hängt wiederum mit der Vulnerabilität des Gesundheitswesens zusammen, das man offenbar schon in dieser frühen Phase schonen zu müssen meint. Doch sind wir überhaupt noch in einer frühen Phase? Vermutlich nicht mehr. Wenn man ernst nimmt, was Experten sagen, dass wir nämlich nur zehn Tage hinter Italien zurückliegen – während zwischen uns und Italien noch Spanien und Frankreich rangieren –, dann tanzt das Europa der offenen Grenzen gerade auf einem Vulkan und befindet sich im Vorfeld eines katastrophischen Covid-19-Ausbruchs, wie wir ihn in Italien derzeit erleben. Spanien bleibt nur einen Schritt dahinter zurück und unternimmt gewaltige Anstrengungen. Auch Frankreich und Deutschland könnten noch eine Chance haben, den Katastrophenfall zu vermeiden – wenn sie handeln.

In Großbritannien hat Boris Johnson auf die Kritik an seiner Strategie reagiert und will nun die Testkapazitäten des Königreichs drastisch hochfahren. Auch wenn Regierungsvertreter behaupten, das sei kein Sinneswandel, sondern Teil der alten Strategie: Johnson scheint verstanden zu haben, dass die Herdenimmunität kein Selbstzweck ist, dass man sich einem exponentiellen Wachstum der Infektionen in jedem Fall entgegenstellen muss – mit allem, worüber ein Land verfügt.

Entgegen anderslautenden Berichten stützte sich die britische Strategie nie allein auf die Errichtung einer breiten Immunität, sondern wurde von Anfang an durch schützende Maßnahmen flankiert, die teils – wie die Quarantäne der Alten – wohl nicht weniger schockierten. Gemessen an den Ergebnissen muss sich die Kommunikationsstrategie der britischen Regierung aber nicht verstecken. Schon zu Beginn der Woche zeigten britische Medien Bilder von leeren Straßenzügen und U-Bahnen. Eine Home-Office-Welle hat auch auf der Insel eingesetzt, da nun jeder daran denkt, sich vor der Krankheit zu schützen. Man sieht, dass auch maximale Ehrlichkeit einen positiven Effekt haben kann.

Anzeige
Ad
Unterstuetzen-Formular

WENN IHNEN DIESER ARTIKEL GEFALLEN HAT, UNTERSTÜTZEN SIE TICHYS EINBLICK. SO MACHEN SIE UNABHÄNGIGEN JOURNALISMUS MÖGLICH.

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

40 Kommentare

  1. Mir scheint, in D verfolgt man dieselbe Idee wie in GB:
    Besuchsverbote in Krankenhäusern und Altenheimen.
    Die (jungen) Leute sollen weiter zur Arbeit gehen.
    Sozialen Abstand halten.
    Kindergärten und Schulen geschlossen, aber Betreuung bitte nicht durch Oma und Opa.
    Ausgangssperren. Einzelhandel geschlossen usw.
    Nur spricht man die Quarantänisierung der Alten in D nicht direkt an – warum auch immer. Und man setzt noch (in Teilen) auf Freiwilligkeit, welche aber auch Schritt für Schritt verpflichtend wird.

    Bei aller gerechtfertigten Skepsis an den politischen Führungen im Land, so sollte man wohl nicht zu hart urteilen und alles, was so passiert, automatisch als die Bestätigung der Unfähigkeit ansehen. Es gibt wohl keinen Königsweg. Zumal vieles ja von Versäumnissen der Vergangenheit beeinflusst ist, die man zwar anprangern, aber dennoch nicht ändern kann. Momentan ist jedenfalls nicht die Zeit für Vergangenheitsbewältigung. Das kann man danach beim Aufräumen machen…

  2. Offenbar muss man die Mär mit der Erkrankung der Alten auch für Fake-News unwissender Privatmeinung halten. Die Zahlen ausgeführter Tests widersprechen dem.

    Gemäß vom Landkreis veröffentlichter Daten liegt in meinem Landkreis die Spitze der Fälle mit weitem Abstand in der Gruppe 35-59,
    während in der Gruppe 60-79 weniger als die Hälfte der vorherigen sind
    und in der Gruppe 80+ gerade mal 4 Fälle.

    • Es hat niemand behauptet, vor die Alten steckten sich an. Das Problem ist, dass die es nicht so gut wegstecken. Das ist was vollkommen anderes. Dass junge Leute gehäuft die Krankheit haben, ist ja nicht verwunderlich. Die alten Leute haben im Schnitt weniger Sozialkontakte

  3. Ein ganz wichtiger und wesentlicher Punkt wird bisher ÜBERALL völlig außer Acht gelassen:

    Die Testung auf eine Infektion ist im Allgemeinen nur für die Verhinderung einer Epidemie wichtig, um Infektionsketten zu durchbrechen. Im Speziellen ist sie wichtig, um Risikogruppen schnellstmöglich die beste Behandlung zu gewährleisten.

    Mittlerweile sollte aber stückweise in den Fokus geraten zu testen, wer Immunität bekommen hat, dafür auch ein amtliches Melderegister aufbauen. Denn wer immun ist, sollte auch umgehend von Isolation befreit sein. Aber selbst Personen, die möglicherweise (weil ggf. ungetestet) die Krankheit bereits durchlaufen haben, wissen nicht, ob sie immun sind.

    Es nützt alles nichts, wenn man nicht weiß, wer noch nicht betroffen war, wer krank ist, und wer bereits immun ist, und abgesehen von gründlicher Hygiene vollkommen uneingeschränkt handeln könnte.

  4. „Herdenimmunität“ ist verfassungswidrig weil dadurch das Grundecht des Einzelnen nicht geachtet wird. Diejenigen die Johnson gescholten haben wissen schon warum.

    §2 GG „jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.“

    Mann kann daher nicht den Tod eines einzelnen in Kauf nehmen um andere eventuell zu überleben zu lassen. Das Gegenteil gilt nur für Soldaten im Krieg.

  5. „Hier knüpfte auch die öffentliche Kritik an der Regierungsmaßnahme an: Einige der Alten, so meint man, könnten in dieser Zeit der Einsamkeit schlicht durch Vernachlässigung sterben.“

    Was natürlich bei den jetzigen u.a. von Deutschland getroffenen Maßnahmen nicht der Fall sein wird.

    Ich würde den ganzen Containmentmanikern in zwöf Monaten gerne die Suizidzahlen dieser Monate an die Haustür nageln. Gerade auch die der Menschen über 70.

  6. Machen wir es kurz:
    Es ist gegen das deutsche GG und die UNO-Menschenrechtskonvention:
    – mit Zwang einem Menschen das Grundrecht auf Bewegungsfreiheit zu nehmen
    um ihn selber vor einer potentiellen Gefahr zu schützen
    – man kann niemand die Bewegungsfreiheit mit Zwang nehmen auf allgemeinen Verdacht hin, ohne persönliches verschulden
    – die allgemeine Einschränkung, ohne Diskriminierung, ist in Notfällen möglich

    Insofern ist diese Idee einfach nur eine propagandistische Schappsidee.

  7. Sollte Merkel tatsächlich gerade die Alten „opfern“ wollen, dann ist sie dümmer, als ich dachte. Die Alten sind noch immer ihre treueste Wählerschaft, sowie sind sie noch Kirchensteuerzahler. Mit ihrem Linkskurs hat sie nur den Grünen die Wähler in die Arme getrieben, aber keine Grünen Wähler rekrutieren können. Wieso sollten diese auch eine billige Kopie wählen.
    Oder aber es ist Merkels perfides Ziel, der CDU den letzten Stoß zu versetzen. Mit Laschet und Altmaier an der Seite schafft sie das sicherlich.

  8. Von den politisch Verantwortlichen wird niemand diese Krise politisch überleben. Wie kann es so weit kommen das keine Schutzmasken da sind. Diese Zustände sind hausgemacht durch inkompetente Politiker und Behörden. Ich habe selbst mit dem Katastrophenschutz zu tun, das sind dort engagierte Mitarbeiter. Die Probleme liegen im Förderalismus der nur hemmt, in der fachlichen Überforderung der Verantwortlichen vor Ort. Das sind Strukturprobleme und Unfähigkeit.

  9. Herr Nikolaidis,
    das Vorgehen in UK ist in Anbetracht der gegebenen Datenlage nicht unangemessener als das Vorgehen in anderen Ländern. Wenn wir die Grundgesamtheit nicht einmal erahnen – nämlich: wie viele Menschen in den Populationen sind aktuell infiziert, waren infiziert und sind jetzt immun und wieviele haben noch keinen Kontakt zum Virus gehabt – ist es schwer, Vorhersagen zu treffen und eine best practice daraus abzuleiten. Die potenzielle Bandbreite reicht da vom Bild einer normalen Grippewelle bis hin zu einer erheblichen Übersterblichkeit durch einen hochinfektiösen und gleichzeitig verzögert malignen Virus. Und in jedem Fall müssen die Folgen der ergriffenen Maßnahmen in Übersterblichkeitseinheiten mit den Auswirkungen durch eine schwere Wirtschaftskrise verglichen werden. Je nach Szenario kann da die schwere Wirtschaftskrise aus ungleich verheerender sein als eine gewisse Übersterblichkeit. Klingt technokratisch, ist aber am Ende tiefst human, die Abwägungen durchzuführen.

    • Man kann niemanden ins Gefängnis stecken um ihn vor möglichen Raubüberfällen zu schützen.
      Eine allgemeine Notmaßnahme darf nicht diskriminierend sein.
      Genau so kann man niemanden zu Hause einsperren um in vor einem möglichen Grippeanfall zu schützen.
      Wer, was, für Gut befindet, oder nicht, ist nicht der Maßstab zulässigen Handelns.
      Ist das jetzt verständlicher?

    • Sie haben völlig Recht, aber das ist für die meisten zu rational. Ich wünschte mir auch, manche Autoren hier würden sich, bevor sie Artikel zum Thema schreiben, in denen sie bestimmte politische Handlungen fordern oder verurteilen, mal mit den basics der Virologie und Epidemiologie vertraut machen. Derzeit scheint doch alles einen arg politischen und emotionsbedingten Bias zu haben.

  10. Zunächst muss jeder mit dem Material arbeiten, was er hat. In Deutschland hatte man nicht genügend Atemmasken, nur Jodtabletten für einen Reaktorunfall oder Atomkrieg.
    Aber man hatte den ÖR! Dies ist ein nicht zu unterschätzendes Medium zur geistigen Infiltration.
    Da jeder Psychologe weiß, dass Menschen die größte Angst vor dem Unbekannten haben, also alles was sie nicht prekognitieren können, gibt man dem Besucher erst einmal einen Namen !
    Covid-19. Dadurch ist aber noch nichts gewonnen, aber zumindest weiß man auf wen man sauer sein muss!
    Niemals auf die Regierung, sondern auf Covid irgendwas.
    Die Natur hat das Leben nicht als Reinraumexpiriment begonnen, sondern setzt auf die Vielfalt des Lebens. Bleibt also nur die Wahrscheinlichkeit zu bewerten von einer solchen Grippepandemie heimgesucht zu werden. Jeder der Verantwortung für eine Gruppe von Menschen trägt, muß daher abwägen, mit welchen Widrigkeiten man in der Zukunft zu rechnen hat. Unsere Politiker haben die Wahrscheinlichkeit eines Tsunamis für höher eingeschätzt als für eine schwere Grippewelle. Kann man von Leuten , etwa 700 Abgeordneten, die jährlich eine Milliarde Kosten auch nicht erwarten. Völlig unterbezahlt diese Leute, da kriegt man nichts vernünftiges für. ( Kosten für den Ruhestand nicht inkludiert)

    Damit unsere Politiker nicht mit Politikern von Länder in Verbindung gebracht werden, indem das Gesundheitssystem, Krisenmanagement und Daseinsvorsorge funktioniert, berichtet man fleißig über Länder in denen es noch mehr zu kritisieren gibt, oder alternativ das Problem angegangen wird. Hauptsache, die Kritik wird abgelenkt!
    Dadurch wird der Merkelissmus befördert , dass wir alles besser wissen und können und moralisch sowieso… auch wenn alle anderen um uns herum etwas anderes machen. Oder ist das typisch deutsch, nur in eine andere politische Richtung gelenkt?
    Geld rausblasen kann jeder, das ist kein Anzeichen von Kompetenz!

  11. „Das Gegenmodell zur »Herdenimmunität« bestünde in einer möglichst umfassenden (medizinischen, m.E.) Kontrolle und Eindämmung der Epidemie.“
    So haben es Taiwan, Südkorea und Japan erfolgreich gemacht,
    schon lange bevor die Epidemie nach Deutschland kam.
    Von anderen zu Lernen ist keine Schande, sondern Weitblick.

    • Und bei der nächste Sars-Cov2-Welle werden genau diese Länder aufgrund fehlender Herdenimmunität in Probleme kommen. 200 Millionen Impfstoffe und Heilmittel bis dahin? Was wenn die nächste Welle schon nächsten Winter dort kommt.

      Die Strategie, lieber ein Ende mit Schrecken (mit Herdenimmunität diesen Sommer), als ein Schrecken ohne Ende (alle paar Jahre Corona-Pandemie), ist definitiv sinnvoller!

      • Es ist nur Gott sei dank so, dass der Maßstab des zulässigen Handelns, nicht der ist, welchen jemand für sinnvoll befindet.

  12. Es scheinen in Großbritannien jedenfalls Leute über das Problem nachzudenken. Das würde ich mir für Deutschland auch wünschen.

    In Deutschland denken Maßgebliche im Wesentlichen darüber nach, was ihrer Popularität gut tun oder schaden könnte und ob die Maßnahmen mit ihrer Ideologie (offene Grenzen, Kampf dem „Rassismus“, Asylpolitik, Kampf „gegen Rechts“) verträglich ist. Hier muss sich daher jeder selbst helfen.

  13. Die Briten machen wieder sehr vieles richtig. Die Herstellung der Herdenimmunität wird in Deutschland auch das Ziel sein. Eine Eindämmung dürfte nach den letzten vier Wochen Nichtstun ohnehin ausgeschlossen sein. Man hat nur nicht das politische Personal, so etwas transparent zu kommunizieren, was man eigentlich erwarten dürfte. Anstatt „Blut, Schweiß und Tränen“ gibt es von Mutti Allgemein-Gewäsch.

    • „Eine Eindämmung dürfte nach den letzten vier Wochen Nichtstun ohnehin ausgeschlossen sein. “
      Yep! Es ist zu spät, vermasselt ist vermasselt.
      Aus einer zerbrochenen Tasse kann man keine unzerbrochene mehr machen.

  14. Ich weiss es auch nicht besser als Johnson.
    Er traegt die Verantwortung.
    Er entscheidet.
    Er macht.

    Alles andere ist hätte, hätte Fahrradkätte.

  15. „Johnson will die Älteren vorsorglich quarantänieren“

    Das kann man nur als kranke Idee bezeichnen,
    die Alten sind nicht die Ursache sondern die Opfer.

    Vor allem ist undefinierbar ab welchem Zeitpunkt „die Älteren“ beginnt.

    • Haben Sie den Artikel gelesen? Zumindest verstanden scheinen Sie ihn nicht zu haben.

      Es geht ebengenau darum, die Älteren vor Ansteckung zu schützen und dafür in Quarantäne und zu halten, weil das für die am besten geeignete Maßnahme gehalten wird.

      Andererseits sollen elementare Teile von Wirtschaft und öffentlichem Leben möglichst aufrechterhalten werden. Was haben die Älteren letztlich davon, wenn Staat und Wirtschaft den Bach runter gehen, die sie ver- und umsorgen?

      Außerdem stellt sich die Frage der Definition/Abgrenzung von Risikofällen, hier nach Alter, bei jedem Krisenszenario. Und Ü70 ist hier nur ein zitiertes Merkmal, zu dem in der Praxis sicher noch andere Kriterien wie Vorerkrankungen hinzu kommen, die hier nur keine Erwähnung finden.

      Schließlich finde ich das Konzept einer Kernlösung mit flankierenden Maßnahmen und hoher Transparenz plausibler als die vage „Alles-oder-Nichts-Lösung“ á la Merkelland mit einer Grafik ohne nähere Zahlenangaben …

      • „Zumindest verstanden scheinen Sie ihn nicht zu haben“
        Ich kann sie beruhigen, dass sie das nicht beurteilen können.

        Es kann lt. Recht und Gesetz niemand mit Zwang geschützt werden.

      • Unsinn. Oder haben Sie noch nie etwas von Zwangseinweisungen in der Psychiatrie gehört?

      • Doch, doch, habe ich schon gehört. Gilt aber nur für Personen die ihre Kommentare mit dem Wort „Unsinn“ beginnen, nur hat ihre Frage mit dem hier diskutierten nicht das mindeste zu tun.

    • Wenn man von der Herdenimmunität aus geht – und die haben Johnson und sein Berater sachlich und ausführlich der Bevölkerung erklärt – muss man im Gegenzug die Risikogruppe (Alte une Vorerkrankte) schützen. Das heißt, dass eben nicht Enkel und Kinder komen und sie anstecken. Nichts anderes. Und das erscheint mir insgesamt ein sehr guter Weg zu sein, um mit dieser Pandemie (der Virus ist schließlich nicht Ebola) umzugehen. Viel kranker ist die Idee, komplette Bevölkerungen auf ungebgrenzte Zeit zuhause einsperren zu wollen.

    • Welche Gegenidee haben sie?
      Alle unter 50 einsperren? Wer bringt dann das Essen auf den Tisch?

  16. Grundsätzlich ist das Vorgehen der Briten nicht ganz unlogisch. Aber mir kommt der Zeitrahmen bis zur Isolierung der Alten etwas zu lang vor. Auch Briten waren doch bisher in aller Welt unterwegs, wie kommt man dann darauf, daß man noch Wochen hat, bis es richtig losgeht? Welcher Weg der erfolgreichere ist, wird man leider erst am Ende sehen. Aber dann weiß man es wenigstens fürs nächste Mal.

    • Irrwege zu gehen, um erst um am Ende zu sehen welcher der erfolgreichere sei,
      ist eine nutzlose und wertlose Feststellung.
      Vor allem es gibt nur einen „erfolgreichen“ Weg, keinen der „erfolgreicher“ wäre, da es letztendlich immer nur einen Weg der Realität gibt der gegangen wurde.
      Die Realität ist immer nur einmalig.
      Taiwan, Südkorea und Japan haben von Anfang an gezeigt welcher Weg der erfolgreich ist, weil Südkorea erklärt hat es ist unvereinbar mit der Freiheit der Menschen Ausgangsperren zu verhängen.
      Man merke den Unterschied im Verständnis „Freiheit“ und „Menschenwürde“.

      • Herr Pascht, hier bin ja ganz bei Ihnen darin, dass die aufgeführten Staaten Ostasiens einen guten Weg gehen. Aber dass der Weg von GB deswegen schlecht sein soll, sehe ich nicht so. Der von Deutschland erscheint mir da deutlich zweifelhafter: Erst wochenlange Untätigkeit und Verharmlosung, dann hysterischer Alarmismus.

        Davon abgesehen haben die genannten Staaten den Vorteil einer (Halb-) Insellage und einer sehr patriotisch-disziplinierten Grundhaltung (Zusammenhalt der Bevölkerung), schlicht einer anderen Kultur v.a. gegenüber dem ein- äh vielfältigen Deutschland, so dass die Basis einer Krisenpolitik eine ganz andere ist.

        Und wenn man allgemein bereit ist, Grenzen beizeiten rigoros zu schließen bzw. zu kontrollieren, um Infektionstransfer zu verhindern und die eigene Bevölkerung als oberste Priorität zu schützen, dann ist man auf einem guten Weg. Deutschlands Prioritäten liegen hingegen mehr bei „offene Grenzen bis zuletzt“ …

      • Ob der Weg von Großbritannien gut oder schlecht zu bewerten ist, ist irrelevant. Er ist in Deutschland verfassungswidrig und international ein Verstoß gegen die UNO Menschenrechtskonvention, bez. Bewegungsfreiheit.
        Man kann nun mal die Dinge nicht mit der Hoheit über die Stammtische entscheiden.

      • Ach wie verträgt sich das Ganze mit Ausgangssperren?

      • Gehört es zu Ihrem Begriff von Freiheit dazu anderen den möglichen TOD zu bringen?
        Diese Art von Freiheit ist für mich Anarchismus! Denn frei können wir nur alle zusammen sein!

  17. Tausche 10 Merkels, Spahns und Söders gegen einen Boris Johnson!

    Man beachte insbesondere auch die Transparenz, mit der in GB gearbeitet wird.

    • Sie wissen doch: Brave Untertanen haben sich dumm zu stellen! So manche sind’s dann auch geworden, und die feiern, gehen auf die Nerven und verbreiten es lustig weiter.

      • Dem von ihnen gezeichneten Bild vom Borisle gibt es nichts mehr beizufügen.

    • Ich tausche nicht die eine Bekloppte gegen einen anderen Bekloppten, nur weil der anders bekloppt ist.

      Die Sache mit der Pest und der Cholera 😉

    • Ich bin ihrer Meinung in Bezug auf Frau Merkel. Bekomme aber immer einen Koller , wenn ich das Wort „Alle“ lese.
      Die Sichtweise eine Denkrichtung als heilig zu erklären ist falsch! Das ist ja eben das Problem mit dieser Merkel und ihrem sorgfältig aufgebautem Image.

    • Lieber nicht, das könnte Großbritanien als Kriegerklärung verstehen. 😉

Einen Kommentar abschicken