Sagt Ihnen, liebe Leser, der Name John Rowlands etwas? Nein? Nun, dieser später weltberühmte Mann wurde am 28. Januar 1841 im walisischen Denbigh als „Bastard“ geboren. So nannte man seinerzeit Kinder, deren Mütter unverheiratet und deren Väter offiziell unbekannt waren. 1858 verließ der junge Mann nach prägenden Stationen in einem Arbeitshaus, im dem er ständiger, auch sexueller Gewalt ausgesetzt war, seine Heimat und siedelte um nach New Orleans. Dort arbeitete er zuerst für einen Baumwollhändler. 1861 heuerte der junge Mann bei der Armee der Konföderation an.
Im Krieg war der immer noch junge Mann ebenfalls nicht vom Glück beschienen. Schon 1862 geriet er bei der Unionsarmee in Gefangenschaft – und um den unmenschlichen Bedingungen in den Gefangenenlagern zu entgehen, trat er nun in die Unionsarmee ein, wofür er mit der entsprechend eingeschränkten Freiheit eines Rekruten belohnt wurde. Zum Fronteinsatz sollte es nicht kommen: Der Migrant aus Wales erkrankte und wurde ausgemustert. 1865 versuchte er es noch einmal beim Militär, heuerte bei der Kriegsmarine der Union an. Doch das entsprach nicht mehr seinen Vorstellungen – und er desertierte, fand in St. Louis einen Job als freier Redakteur.
Irgendwann auf diesem Weg ersetzte er seinen ungeliebten Geburtsnamen durch den seines früheren Arbeitgebers. Später erzählte er, dieser hätte ihn adoptiert. Belege gibt es dafür nicht – und die Zeitschienen sprechen dagegen. Vieles spricht dafür, dass die Geschichte des Namenswechsels erst 1865 stattfand. Denn es wird John Rowlands gewesen sein, den die US-Armee erfolglos als Deserteur suchte, während ein freier und nicht vorbelasteter Reporter aus dem damaligen Grenzland über dramatische Schlachten gegen die Indianer schrieb und damit seinen neuen Namen weit über das kleine St. Louis hinaus bekannt machte.
Vom Deserteur zum Weltstar
Nun hieß der Mann aus Denbigh in Wales nicht mehr John Rowlands, sondern Henry Morton Stanley, war US-Bürger und machte sich unsterblich, als er 1870/71 im Auftrag des „New York Herald“ von Bombay aus nach Ostafrika fuhr, um einen verschollenen Arzt und Missionar namens David Livingston zu suchen. Den fand er nach unzähligen Abenteuern und Entbehrungen am 10. November 1871 nahe dem Tanganjikasee, begrüßte ihn mit den heute berühmten Worten: „Doctor Livingston, I presume?“
Stanleys gekabelte Berichte erregten großes Aufsehen. Er selbst gilt seitdem als Afrikaforscher. Und als fast-schon-Erfinder des journalistischen Genres der Reportage. Denn als Reporter war er einst in St. Louis gestartet, als solcher traf er auf Livingstone und als solcher verfasste er seine Berichte über weitere Reisen ins Innere des damals noch recht unbekannten, schwarzen Kontinents. Seine Berichte fanden reißenden Absatz, denn sie entführten die Leser in ihnen unbekannte und unerreichbare Regionen und Dimensionen.
Das Problem: Was an den Geschichten Stanleys auf Tatsachen beruhte, was vielleicht hinzu geschmückt oder gar erfunden wurde – das ließ sich damals so wenig klären wie heute. Manches an Sachinformationen ist verifiziert. Doch das Drumherum, die Kämpfe mit den Einwohnern und gegen die Natur – nicht beweisbar.
Allein die Tatsache, dass er sich einen neuen Namen erfindet, lässt auf ein gewisses Maß an Phantasie schließen. Was seine Berichte aus den Indianerkriegen betrifft: Da damals nur tote Indianer gute Indianer waren, konnten die zu den Berichten meist keine Stellung mehr nehmen. Auch war Stanleys Leserschaft eher in der gut situierten Bürgerschicht der Oststaaten zu finden als bei jenem ziellos zur Armee treibenden Prekariat junger Einwanderer aus Deutschland, Irland und Polen.
Auf Livingstone ist Rowlands/Stanley tatsächlich getroffen. Der schottische Forscher starb eineinhalb Jahre später, ohne über das Treffen mit dem Waliser Notizen zu hinterlassen. Doch die von Stanley beschriebene Dramatik bei der Suche nach Livingstone dürfte weitgehend erfunden sein – so wie auch das Schicksal seiner wenigen europäischen Begleiter ungeklärt bleibt. Ähnlich bei späteren Expeditionen des Neu-Amerikaners. Wie bei der Suche nach den Quellen des Nils oder quer durch den heutigen Kongo nach dem deutschen Eduard Schnitzer alias Emin Pascha, zu jener Zeit Gouverneur im vom radikal-islamischen Mahdi bedrohten Südsudan. Auch diese Geschichten zeichnen sich zumeist durch höchst dramatische Berichte und keine Zeugen aus. All das aber tat dem Weltruhm des unehelichen Sohnes einer Dienstmagd keinen Abbruch.
Der Reporter als Weltberichterstatter
Solche wie des Stanleys Berichte begründeten im 19. Jahrhundert, als die Europäer begannen, die Globalisierung zu einem vorläufigen Erkenntnisabschluss zu bringen, nicht nur populären und wissenschaftlichen Ruhm. Sie wurden für manchen auch zur Existenzsicherung. Die Europäer zwischen San Francisco und Sankt Petersburg lechzten nach solchen Geschichten, die neues Wissen mit scheinbar authentischem Abenteuer vermengten.
Ihre Helden selbst waren häufig nicht nur Wegbereiter der europäischen Migrationsbewegungen – sie waren auch die Prototypen jenes Reporters, wie ihn die Chefetage des Hamburger Unterhaltungsmagazins „Der Spiegel“ anlässlich ihres Relotius-Desasters beschrieb:
„Als Redakteur, als Ressortleiter, der solche Texte frisch bekommt, spürt man zuerst nicht Zweifeln nach, sondern freut sich über die gute Ware. Es geht um eine Beurteilung nach handwerklichen Kriterien, um Dramaturgie, um stimmige Sprachbilder. Es geht nicht um die Frage: Stimmt das alles überhaupt? … Dies ist eine besondere Form des Journalismus, bei der es vor allem um Anschaulichkeit und Lebendigkeit geht. Der Reporter ist dabei, schaut zu, hört zu, und schreibt dann auf, was er gesehen und gehört hat. Er gibt dem Ganzen eine Dramaturgie und gießt es in eine formvollendete Sprache. So manch einer kann da versucht sein, aus Journalismus Literatur zu machen, die in Fiktion mündet.“
Das Relikt einer vergangenen Zeit
Kurz: Der Reporter ist Drehbuchautor, Filmcrew, Darsteller und Cutter in einem. Das und nichts anderes ist bis heute seine Aufgabe.
Zu Zeiten Stanleys gab es noch kein Radio. An Fernsehen, gar an Internet war nicht einmal im Traum zu denken. Stanley und seine Kollegen verfügten ausschließlich über die Telegraphie – sie war es, die eine blitzschnelle Übertragung des tatsächlich oder scheinbar Erlebten zu den Lesern ermöglichte. Der Herausgeber, der die Artikel bekam, beurteilte sie nicht nach Wahrheitsgehalt. Dazu war er überhaupt nicht in der Lage. Und es interessierte ihn auch nicht. Er beurteilte „die Ware“ nach ihrem Unterhaltungs- und damit nach ihrem Verkaufswert. Genau so, wie es die Spiegel-Chefetage eben auch tat.
Dagegen ist unter kommerziellem Gesichtspunkt wenig einzuwenden. Das Bildungsbürgertum des 19.Jahrhunderts gierte nach spannenden Berichten mit leicht gruseligem Erkenntnisgewinn. Das geschriebene Wort – manchmal noch unterlegt mit einer am Text orientierten Radierung oder Lithographie, wie sie seinerzeit technisch möglich war und in gewisser Weise als Vorläufer von Photoshop betrachtet werden kann – war die einzig mögliche Informationsquelle. Die Reportage war das, was heute als Dokumentarfilm im Fernsehen angeboten wird. Andere Möglichkeiten gab es nicht.
Damit aber sind wir nun bei einer Grundsatzfrage der journalistischen Arbeit der Gegenwart. Magazine wie „Der Spiegel“ haben die Reportage zum Kernelement ihrer Printobjekte gemacht. Sie haben sie in gewisser Weise perfektioniert, indem sie den Eindruck vermitteln, ganz eng im Geschehen zu sein, und dieses mit den üblichen Versatzstücken einer „an der Zigarette“ ziehenden Gesprächspartnerin oder „am Cafefenster vorbeiziehenden, ihren Protest herausbrüllenden“ Leuten zu belegen.
Die Mitarbeiter des Magazins aus Hamburg haben diese Stilmittel in einem Maße in sich aufgenommen, dass sich der Eindruck aufdrängt: Sie können überhaupt nicht mehr anders. Selbst scheinbar sachlich-nüchterne Stücke werden mit solchen Reportage-Stempeln versehen. Gleichzeitig erfolgt eine ständige Wertung, wenn beispielsweise bei der ungarischen Regierung oder auch bei einem Donald Trump zum hundertsten Mal Adjektive wie „rechtspopulistisch“ oder „rechtsnationalistisch“ eingebaut werden. Diese Stereotypen wirken, als müssten sich die Redakteure ständig selbst vergewissern, dass es noch so ist; dass ihr Weltbild noch stimmt. Oder halten sie ihre Leser für so vergesslich, dass sie befürchten, diese könnten von Ausgabe zu Ausgabe angesichts des belehrenden, einordnenden Trommelfeuers vergessen, wer und was alles „rechtspopul-national-extremistisch“ oder sonstwie ist?
Nein, tatsächlich sind all diese Versatzstücke unverzichtbarer Teil eines Reportage-Stils, in dem sich die Redaktion selbst gefangen hat. Dabei merkt sie nicht, wie sehr sich dieser Stil längst vom eigenen Anspruch gelöst hat – wie die Stereotypisierung gelernter Schreibmuster einen redaktionellen Einheitsstilbrei schafft, der seine Konkurrenz nicht in dem elegant geschriebenen Sachbericht der alternativen Angebote des geschriebenen Wortes erkennt, sondern sich, aus seiner eigenen Historie heraus nachvollziehbar, an jenen Angeboten orientiert, die das neue Medium Fernsehen/Streaming liefert.
Von der Reportage verabschieden
Nicht anderes war die geliebte Reportage des Print-Zeitalters: Der Vorläufer erst der Radio-Reportage, dann der TV-Dokumentation.
Da aber kann das geschriebene Wort nicht mithalten. Denn es fehlen der Print-Reportage die bewegten und bewegenden Bilder. Da sie auf diese verzichten muss, versuchen sich die Schreiber mit jenen „stimmigen Sprachbildern, mit Dramaturgie und formvollendeter Sprache“. Doch das bewegte Bild, die unmittelbare Verknüpfung der Sinneseindrücke von Auge und Ohr, die die menschliche Emotion anregen und daraus unmittelbar erfahrbare Intensität schaffen – das kann keine noch so „formvollendet“ geschriebene Reportage leisten.
Sie muss es auch nicht. Denn eben diesen Platz hat längst das bewegte Bild selbst übernommen. Weshalb es an der Zeit wäre, sich von der klassischen Reportage als Bestandteil eines gedruckten Magazins zu verabschieden. Sie ist gestern. Nein, eigentlich ist sie sogar vorgestern. Sie ist 19. Jahrhundert.
Zwanzigstes Jahrhundert waren erst die Rundfunkreportage, dann die Fernsehdokumentation.
Einundzwanzigstes Jahrhundert ist längst schon YouTube, Instagram und Streamingdienste.
Wer das mittlerweile zu erkennen scheint, ist beispielsweise die Deutsche Telekom. Mit ihren neuen Magenta-Angeboten geht sie den ersten Schritt ist dieses umfassende Unterhaltungsangebot aus abendfüllendem Kinofilm, spannender Serie und Dokumentation. Die gut gemachte Doku ist hier nichts anderes als jenes, was einst Stanley und heute immer noch „Der Spiegel“ oldschool-mäßig nach dem Muster des 19. Jahrhunderts produzier(t)en: Ein Sockel aus Sachbeschreibung, vermittelt über hübsche, scheinbar stimmige Bilder, gepaart mit dem notwendigen Quentchen Emotion und Phantasie, um den Leser zu fesseln.
Deshalb aber bedarf es der klassischen Reportage des geschriebenen Wortes nicht mehr. Sie ist eigentlich schon längst gestorben – und wird nur noch künstlich am Leben gehalten mit jener Relotation der phantasievollen Wirklichkeitsergänzung, die schon Stanley meisterhaft beherrschte. Doch was vor 150 Jahren noch problemlos möglich war, weil niemand den Wahrheitsgehalt der formvollendet geschriebenen Reportage überprüfen konnte, stößt im Zeitalter der weltweiten Vernetzung zwangsläufig an seine Grenzen.
Wer dennoch in seinem old-school-Denken verharrt und die Wahrnehmung der Gegenwart verweigert, dem werden irgendwann solche Missgeschicke wie jenes vom Relotius-Spiegel geschehen müssen. Bevor er dann als Dinosaurier in seiner ökologischen Nische erst immer mehr an Bedeutung verliert, um irgendwann gänzlich zu verschwinden.
Die Zukunft ist der sachgerechte Bericht
Ist das nun der Abgesang auf die Printmedien? Einmal mehr das Menetekel vom Ende der geschriebenen Kultur?
Nein, sicherlich nicht. Nicht nur, dass der Autor an seiner Überzeugung festhält, wonach es kein besseres Instrument der Kommunikation gibt als das geschriebene Wort – Print ist auch nach wie vor das einzige Medium, das in der Lage ist, Information und Denkanregung in komprimierter Form längerfristig zu erhalten.
Der Journalismus muss sich nicht neu erfinden. Er muss auch nicht darauf verzichten, mit formvollendeter Sprache anzutreten. Ganz im Gegenteil: Es sind vor allem jene Texte, die gern auch mehrmals gelesen werden, weil sie über die Leichtigkeit eines gewissen Sprachwitzes verfügen. Texte, die den Leser hier zum Nachdenken, dort zu Schmunzeln bringen. Die ihm vielleicht sogar gelegentlich einen lauten Lacher entlocken.
Vor allem aber sind die journalistischen Texte von heute jene, die auf jene ausufernde Phantasie, die schnell in Schwülstigkeit ausufert, ebenso verzichten wie auf den ständigen Belehrungsversuch des Lesers durch den Autoren. Beides stößt jene Leserklientel ab, die sich zutreffend für erwachsen genug hält, Sachverhalte selbst einordnen und beurteilen zu können. Die es aber erwartet, über diese Sachverhalte umfassend informiert zu werden – und dabei jene Hinweise und Kenntnisse vermittelt zu bekommen, die zu eben dieser Einordnung und Beurteilung unverzichtbar sind.
Hier auch – das sei an dieser Stelle unterstrichen – liegt jener Konkurrenzvorteil, den das geschriebene Wort immer gegenüber den Instrumenten der Telekommunikation haben wird. Denn das ist etwas, was von der TV-Doku niemals geleistet werden kann: Die im Zweifel unendliche Fülle an unverzichtbaren Zusatzinformationen bündeln und ebenso nachlesbar wie verifizierbar ins Archiv von Schrank oder auch Hirn zu legen.
Diese Lücke, die die neuen Medien nicht füllen können und die alten Medien offenbar nicht füllen wollen, ist die eigentliche Zukunft des Print.
Die klassische Reportage ist tot
Die klassische, geschriebene Reportage jedoch, die Sachverhalt mit Phantasie und Belehrung vermengt, ist längst schon nicht einmal mehr ein Auslaufmodell. Sie wird nur noch künstlich beatmet von Redakteursmannschaften, die, in sich selbst verliebt und unfähig zur inneren Erneuerung, wie einst die Weber an ihren Webstühlen verharren. Und die deshalb, weil sich ihnen alle anderen Weg als scheinbar versperrt erweisen, darauf konzentrierten, aus dem ursprünglich gewebten Gebrauchsgegenstand erst einen teuren Luxusstoff zu weben, den sie ständig verbesserten und verschönerten – und den dennoch am Ende niemand mehr haben wollte, weil den einen das maschinell Gestrickte deutlich günstiger erscheint, während die anderen längst neues und anderes gefunden haben, das ihren Vorstellungen und ihrem Anspruch viel eher entsprach.
Deshalb gilt: Weder ist das Print tot noch muss sich der Journalismus neu erfinden. Beide müssen sich lediglich von jenem Ballast befreien, den sie seit bald zweihundert Jahren als scheinbare Königsdisziplin mit sich herumtragen. Die Reportage ist nicht mehr zeitgemäß. Sie ist gestorben. Die sachgerechte, intelligente Berichterstattung hingegen ist mehr denn je gefragt. Sie lebt und erfährt täglich neuen Zuspruch.
Jenen Berichten, die auf phantasievolle Romane ebenso verzichten wie auf mehr oder weniger unterschwellige Belehrung und stattdessen auf Information und unterhaltsame, gern auch anspruchsvolle Sprache setzen, gehört die Zukunft. Magazine wie „Der Spiegel“, „Die Zeit“ oder selbst „Der Stern“ haben dann vielleicht noch eine Chance auf Überleben, wenn sie diesen Wandel begreifen und ihn mitgehen. Tun sie es nicht, wird es sie in zwanzig Jahren nicht mehr geben. Und es wird sie dann auch niemand vermissen.
Der Abwickler – DER SPIEGEL mit neuer Chefredaktion
Diskutieren wir über die wirklichen Probleme im Journalismus?
Kujau Relotius: Die Fälschungen gehen viel weiter als vom SPIEGEL zugegeben
Weshalb DER SPIEGEL nichts lernen wird
Der Spiegel reklamiert Opferrolle in Causa Claas RelotiusDas Elend des Haltungsjournalismus
Neue Peinlichkeiten in Sachen SPIEGEL-Skandal
Die neue «Spiegel»-Affäre – Die Wahrheit im Auge des Betrachters
Fakten versachlichen, die „brave new world“ so intelligent zum Bürger transportieren, dass dieser vor lauter Spannung in der Realität aufwachen musssss. Sich überhaupt eine Meinung bilden kann!!!!!
Danke Herr Spahn und bleiben Sie uns auch 2019 gewogen. Stay healthy. Ihr Bericht vom 4. 12. 18 mit Hinweis auf die JP ist mir erst jetzt „aufgefallen“. Können solche Reports nicht krasser herausgestellt werden? Ein Beispiel für intelligente Berichterstattung.
Was Herr Spahn hier beschreibt, ist einer der wesentlichen Gründe, warum zu meiner Zeit die meisten Politikwissenschaftler für Journalisten nur abgrundtiefe Verachtung übrig hatten. Wenn man sich wissenschaftlich mit Tatbeständen in der Politik länger befasst hat und dann sieht, mit welcher Unkenntnis elementarster Fakten und Zusammenhänge, mit welcher Gleichgültigkeit gegenüber Verifizierbarkeit und Korrektheit, und mit welcher Gefallsucht in den Medien zum grossen Teil über Politik geschrieben wird, dann kann einem wirklich schlecht werden.
Und das ist keineswegs neu. Die älteren unter uns werden sich vielleicht an Gerhard Konzelmann erinnern, einen Journalisten, der wie kaum ein anderer das Bild des deutschen ‚Tagesschau-Zuschauers‘ über den Nahen Osten prägte. Konzelmann schrieb seine „Reportagen“ bei allem ab, was sich nicht wehrte, sogar bei Autoren des 19. Jahrhunderts. Seine Arabisch-Kenntnisse – vorgetäuscht. Der Heizungskeller des Süddeutschen Rundfunkts wurde von ihm benutzt, um die Kommandozentrale eines Öltankers zu simulieren, um über die Ölkrise zu berichten, u.v.m..
Das ist ein Vorgehen, wie es Karl May in seinen Romanen praktizierte: Fantasieren und abschreiben, wo es nur geht.
Und das war beileibe kein Einzelfall. Es ist nur verwunderlich, dass die Diskussion über die Qualität unserer Presse erst in den letzten Jahren aufgekommen ist.
»… auf phantasievolle Romane ebenso verzichten …«
Was war denn das für eine Story am Anfang des Artikels mit dem Typ, der seinen Namen geändert hat?
Was waren das immer für Psycho-Geschichten über den bösen Putin und Russland, denen die Quellenangabe fehlte, falls es nicht selber eine obskure war, womit keine Verifizierung möglich ist, und die auch sonst in keinem Medium zu finden waren – vielleicht weil die „Relotius-Kontrolle“ doch manchmal funktioniert hat.
Was sind das für Artikel, die die anthropogene CO2-Wirkung so nachhaltig kleinreden, bis ein Teil des Publikums glaubt, dass die simplen Naturgesetze nicht mehr gelten?
Ich denke mal, ob audiovisuell oder schriftlich, es kommt heutzutage auf den Wahrheitsgehalt und seine Verifizierbarkeit an. Lasst die Hosen runter und beweist, was ihr schreibt.
Viele Menschen machen viel CO2. Wenn alle grünen Klimakatastrophen-Aktivisten nun die Luft anhalten, wäre das schon mal ein Gewinn. 😉
Wenn sie aber alle als Wanderprediger gegen unkontrolliertes Bevölkerungswachstum nach Afrika gingen, wäre das ein noch größerer Gewinn, oder?
http://wiki.bildungsserver.de/klimawandel/index.php/Kohlendioxid_in_der_Erdgeschichte
https://www.eike-klima-energie.eu/2011/01/06/eisbohrkerne-und-pflanzenstomata-der-historische-co2-gehalt-der-atmosphaere-war-oft-deutlich-hoeher-als-280-ppm/
http://www.science-skeptical.de/klimawandel/unbequeme-wahrheiten-die-biologisch-geologische-co2-sackgasse/0010011/
Was soll man mit Vergleichen aus Zeiten anfangen, als Menschen auf dem Planeten noch gar nicht zur Debatte standen, weil die Temperaturen für Reptilien ideal waren aber Säugetiere ineffizient gewesen wären, also nicht gelebt hätten?
Mir kommt bei dem Fall Relotius unmittelbar folgender Gedanke bzw. Vermutung, was bisher kaum erwähnt blieb: Hier offenbarte sich in der Person auch ein gehöriges Maß an Faulheit, Schlamperei, Arroganz und Dekadenz, neben der übrigen viel genannten „Haltung“. Ein genialer Fälscher ist er bekanntlich ja nicht, der akribisch falsche Beweise und Fährten gelegt hat. Im Gegenteil, er ist ein plumper Fälscher. Selbst zum Fälschen war er wohl zu faul. Ein wesentliches Motiv, wie bei vielen anderen Gutmenschen auch, ist wohl eher die eigene Bequemlichkeit und Faulheit – gepaart mit reichlich Dummheit. Seine Reisetätigkeit betrachtete er offensichtlich als das Mindestmaß an ihm zustehenden Urlaub. Der „bedingungslose Urlaub“ sozusagen. Um das zu überspielen, fälschte er ziemlich plump mit den üblichen blumigen Worten und gab dabei den angeblich kritischen Geist ohne Blatt vorm Mund, der natürlich mit den Fingern stets auf andere zeigt. Übertragen: Er ist die faule Socke im Büro, dem alle Kollegen den ** hinterher tragen und dessen Arbeit sie mitmachen müssen, der immer eine blumige Ausrede parat hat. Es ist wie mit dem Veganer/Vegetarier, der sich selbst im Fleischverzicht eingerichtet hat und dann bequem durch Steuern den Konsum von Fleisch anderen verteuern will, so dass kaum jemand noch Fleisch essen kann (auch ungeachtet der Art der Tierhaltung). Nur dort, wo Tierhaltung weltweit keine Rolle spielt, da hat ihn noch niemand gesehen und da traut er sich nicht mit seinem missionarischen Eifer hin. Da wird mit Moral und blumigen Worten geschwungen und dabei geht es doch nur darum, das eigene mickrige Dasein im Vergleich zu anderen aufzuwerten. Ganz praktisch und ganz real. (Aber im Winter Gemüse aus dem Gewächshaus essen…) Wenn ich keinen Diesel fahre und die Qualen des ÖPNV oder die teuren E-Autos auf mich nehme, soll bitte auch sonst niemand Diesel fahren. Auch dann, wenn ich zu Hause mit Holz im Kamin heize. Es ist eine dickfällige, arrogante
„Der Herausgeber, der die Artikel bekam, beurteilte sie nicht nach Wahrheitsgehalt. Dazu war er überhaupt nicht in der Lage. Und es interessierte ihn auch nicht. Er beurteilte „die Ware“ nach ihrem Unterhaltungs- und damit nach ihrem Verkaufswert. Genau so, wie es die Spiegel-Chefetage eben auch tat.“ Der Unterhaltungswert mag die eine Seite sein, viel wichtiger ist jedoch in den Chefetagen, dass „die Ware“ auch der rechten, vorgegebenen Gesinnung und neuerdings auch dem Regierungskurs sowie den Vorlieben der rot/grünen Utopisten entspricht. Ich könnte mir vorstellen, dass es auch spannende Reportagen über das Nachtleben am Hamburger Jungfernstieg, dem Kölner Eigelstein oder einen Spaziergang im Görlitzer Park oder im Englischen Garten geben könnte. Eine besondere Dramatik hätte diese dann noch, wenn sie direkt aus dem örtlichen Krankenhaus geliefert wird. Für solche Reportagen dürfte es auch ein Zielpublikum geben, jedoch sind sie nicht konform mit dem verordneten Kurs derer, die in ihren gut gesicherten Filterblasen leben, meist vom Proletariat finanziert, und daher reines Wunschdenken, wie die Hinwendung zur sachlich, intelligenten Berichterstattung. Woher bzw. vom wem (mit wenigen Ausnahmen) soll eine solche denn kommen?
Ich kann nur von mir ausgehen: bevor ich etwas poste recherchiere ich die Quelle. Finde ich mehrere Quellen so verifiziere ich diese nochmals und entscheide dann ob ich es poste oder nicht.
Und genau das ist mein Dilemma: welche Quelle ist heutzutage noch sicher? Wem darf ich glauben, wem nicht? Sind 5 gleichlautende Berichte in Ordnung, oder muss ich mindestens 20 finden?
ICH BIN ZUNEHMEND VERWIRRT.
Volle Zustimmung, Herr Spahn, Ihre Beiträge lese ich immer mit Gewinn.
»Beides stößt jene Leserklientel ab, die sich zutreffend für erwachsen genug hält, Sachverhalte selbst einordnen und beurteilen zu können. Die es aber erwartet, über diese Sachverhalte umfassend informiert zu werden – und dabei jene Hinweise und Kenntnisse vermittelt zu bekommen, die zu eben dieser Einordnung und Beurteilung unverzichtbar sind.«
»Hier auch – das sei an dieser Stelle unterstrichen – liegt jener Konkurrenzvorteil, den das geschriebene Wort immer gegenüber den Instrumenten der Telekommunikation haben wird. Denn das ist etwas, was von der TV-Doku niemals geleistet werden kann: Die im Zweifel unendliche Fülle an unverzichtbaren Zusatzinformationen bündeln und ebenso nachlesbar wie verifizierbar ins Archiv von Schrank oder auch Hirn zu legen.«
Ich habe mich schon vor Jahren von Spiegel und anderen Publikationen getrennt, abgestoßen von einem immer breiter ausufernde Erzählstil, der die den Leser vermeintlich langweilenden „nackten Fakten“ in einen Schwulst anekdotischer Arabesken verpackt. Speziell beim Spiegel galt: Man widmet als Leser dem Artikel über den Besuch des Staatenlenkers X bei Y zehn Minuten, liest wie lang der auf dem Flugfeld ausgerollte rote Teppich war, erfährt welche Menüs aufgetragen wurden, welche Beobachtungen der Kellner machte, welches Parfüm die Gattin des Gastgebers aufgelegt hatte – und endlich, endlich geht es (wenn man Glück hat) in den letzten sieben Sätzen zur Sache und man erfährt etwas über den Inhalt und die Konsequenzen der anläßlich des Treffens geführten politischen Gespräche. Zu der schon seit je belehrenden, erzieherischen Attitüde (auch von z. B. Süddeutsche, Stern und Zeit) trat eine zunehmend einseitige, linkspopulistische [*] Indoktrination, auch in sog. populärwissenschaftlichen Magazinen: die Redaktion von „Spektrum der Wissenschaft“ kotzte sich nach der Wahl Trumps monatelang regelrecht über ihn und seine dummen Wähler aus, die Hillbillys, die die „falschen Zeitungen“ lesen. Auch hier: Ende des langjährigen Abonnements.
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[*] ein Wort das meine an den ‚Duden‘ angelehnte Rechtschreibkorrektur übrigens rot ankreidet, ‚Duden‘ kennt eben nur „rechtspopulistisch“
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Aufklärung über „umfassende Sachverhalte“, „Quellenhinweise“? Fehlanzeige! Dabei könnte zutage treten, dass die Redaktion Sachverhalte weltanschaulich vorgekaut serviert und Quellen einseitig selektiv auswertet.
„Die im Zweifel unendliche Fülle an unverzichtbaren Zusatzinformationen bündeln und ebenso nachlesbar wie verifizierbar ins Archiv von Schrank oder auch Hirn zu legen.“
Ja! Dies scheint mir der wichtigste Aspekt. Man muß sich vergegenwärtigen, daß unsere visuellen Gehirnareale den riesigen Informationsstrom (den unser Hirn gar nicht in der Lage wäre zu verarbeiten) unablässig filtern, reduzieren, verrechnen, bewerten, einfärben und so „ausschmücken“, daß er zu den sonstigen Sinneswahrnehmungen und Gedächtnisinhalten nicht im Widerspruch steht. Jeder kennt die „optischen Täuschungen“.
Unser Bewußtsein kriegt vom eigenen Gehirn Illusionen, einen Film, vorgespielt. Und deshalb können TV-Dokumentationen das gedruckte Wort nicht ersetzen. Beim Lesen kann ich verharren, über das Gelesene nachdenken, kann auch zurückblättern, noch einmal lesen, Quellenhinweisen nachgehen, andere Bücher zur Hand nehmen, ins Internet gehen. Beim Lesen arbeitet mein Geist, produziert meine Phantasie Bilder und Assoziationen. Wenn ich (zumal bewegte) Bilder gucke, sehe ich i m m e r nur einen Ausschnitt der Realität, oft genug werde ich von den ‚Dokumentations‘-Machern absichtsvoll getrogen!
Schon die Kameraperspektive, die Beleuchtung, das Zurechtschneiden des Materials, das gesamt Arrangement der TV-Doku nötigen mir die „Sicht“ seines Produzenten auf. Der Film läuft ab, Zeit zur geistigen Verdauung des Gesehenen bleibt nicht, die Abfolge der Szenen und Schnitte gibt meiner Wahrnehmung den Takt und meinem Denken die Richtung vor Ich „denke“ mit den Augen, statt dem Hirn. Den „eigenen Augen“ bin ich gewohnt „zu trauen“. Ich tappe in eine Falle, lasse mich lenken. Und darin liegt die immense Gefahr des unablässigen Starrens auf Bildschirme.
Wer sich nur über bewegte (womöglich noch mit ganz bestimmte Emotionen evozierender Musik unterlegte) Bilder informiert, verliert jedwede Urteilskraft, er verblödet und wird eine Beute derjenigen Kräfte, die ihn für ihre Ziele indoktrinieren wollen. Ich fürchte, der Kreis derjenigen, die noch willens und in der Lage sein werden, komplexe Texte zu verarbeiten, wird schrumpfen. Übrig bleibt die mit Bildern lenkbare Masse. So war das übrigens schon zu archaischen Zeiten, in überwiegend analphabetischen Gesellschaften: Zur Lenkung des Volkes hatte man Götzen- und Heiligenbilder, Skulpturen und in Fels gehauene Reliefs der Herrscher, die Idole wurden außerdem meist in schummrigen Tempeln und Kirchen, „ins rechte Licht gerückt“. Heute gibt es das Fernsehen und Youtube. Gucken – gaffen, statt denken!
Danke, Herr Ocker. Mit Ihrem Beitrag benennen Sie die Quintessenz des Phänomens sogar noch knapper als Herr Spahn.
Die TV-/videomediale Verblödung (bevormundende und/oder ablenkende Musikschnipsel inklusive) ist keine Mode, sondern hat Methode. Sir wird mal wieder im kollektiven Wahnsinn enden. So wie schon mindestens zweimal in unserer deutschen und eropäischen Geschichte.
Danke, Herr Ocker. Mit Ihrem Beitrag benennen Sie die Quintessenz des Phänomens sogar noch knapper als Herr Spahn.
Die TV-/videomediale Verblödung (bevormundende und/oder ablenkende Musikschnipsel inklusive) ist keine Mode, sondern hat Methode. Sie wird mal wieder im kollektiven Wahnsinn enden. So wie schon mindestens zweimal in unserer deutschen und eropäischen Geschichte.
„Bei deutschen Produktionen fühle ich mich belehrt und immer häufiger belogen.“
Geht mir auch so. Selbst politisch neutrale Themen wie Reisen wohin auch immer sind durchseucht vom linksgrünen Virus. Kein Bericht über Gartengestaltung, in dem nicht schon nach zwei Sätzen das Glaubensbekenntnis vom Klimawandel auftaucht.
Ich bin mir nicht sicher, ob die Interessen – oder besser Bedürfnisanalyse der potentiellen Kundschaft in dieser Form zutrifft. Keine Frage ist, dass es in einem m.E. eher kleinen Teil exakt das Interesse gibt, das Herr Spahn hier beschrieben hat. Der weitaus größere Teil giert nach (unlustbefreienden) „ schönen“ Geschicht( ch)en, die man ohne Zweifel im Bereich von „Pilcher“ bis Pippi – Langstrumpf verorten könnte. Es ist eher eine Prosa zur Weltflucht oder zur ( Selbst)Täuschung, wobei es immer mehr geben dürfte, die nur ! schöne Bilder ohne „Leseanstrengung „ vorziehen. Wir wissen, dass Lesen ( zumal von mehr als 2 Zeilen oder gar von ganzen Sätzen )und erst Recht das Verstehen ( von Texten) heutzutage auch im sogen. akademischen Proletariat leicht zur Überforderung führen und demzufolge vermieden werden. Eigene entsprechende Erfahrungen als Gasthörer im Fach Philosophie haben mich tief getroffen. Ursachen ( eine allgemeine Feminisierung dürfte hier auch mitspielen) und vor allem Folgen sind ebenso klar wie verheerend. Wir bewegen uns de facto in Zeiten zurück, in denen Religionen, Ideologien und Märchen ihren idealen Nährboden fanden. Die vielleicht( mit abnehmender Tendenz ) 10 % , die man mit Berichten jener Art des Herrn Spahn „ erreicht“, werden -ohne korrigierenden Einfluss- (noch) ihr Nischendasein fristen dürfen, solange es die Machthaber zulassen. Sie dienen per se nicht manipulativen ( links /grünen) Zwecken der Verblödung und sind als Restanten der Aufklärung exakt deshalb „systemschädlich“. Die Zukunft der Masse gehört ( wieder ) den älteren Hirnformationen, von den Eliten und Mächtigen natürlich abgesehen.
„unlustbefreiend..“ 😉
Das ist doch mal ´ne schöne Wortschöpfung.
Der Spiegel hat doch die richtige journalistische Richtschnur: „Sagen, was ist“. Nur das tun sie nicht. Stattdessen wollen sie „mitregieren“, den Leser „nudgen“ und sich als Moral-Apostel aufspielen.
Die Journalisten haben noch nicht begriffen, dass die „Wissensgesellschaft“ nur einen Klick benötigt, um den Lügengeschichten auf die Spur zu kommen.
Deshalb ist Tomas Spahn nur zuzustimmen: „Die sachgerechte, intelligente Berichterstattung hingegen ist mehr denn je gefragt.“
Die Gehirnwäsche funktioniert bei den Deutschen bestens. Schon Victor Klemperer hat bei der Analyse der Sprache des Dritten Reiches („LTI“) folgendes festgestellt: Es waren nicht so sehr die Reden oder Flugblätter, wodurch die Menschen beeinflusst wurden sondern die immer wieder stereotype Wiederholung der immer wieder gleichen Begriffe und die Umdeutung bestimmter Sachverhalte. Nur so ist es zu erklären, dass so viele noch Frau Merkel folgen, obwohl der Schaden für Deutschland immens ist oder gar die Grünen wählen. Uns statt die Regierung zu bekämpfen lieber einen „Kampf gegen Rechts führen“.
Seriöse Reportagen sind „nicht hilfreich“ für die Politik, könnten dazu dienen, die Wahrheit „zu schüren“, könnten zu „Öl auf den Mühlen“ der Aufrichtigkeit werden.
Eifriges und hilfreiches Relotisieren hingegen gefällt der Kanzlerin, fördert die Agenda der globalistischen Schattenentscheider und sichert das schlechte Gewissen und den gebückten Gang der Deutschen.
Sehr beliebt sind heute auch „narrative“ Berichte, versehen mit „Symbolphotos“ aus dem Bildarchiv. Oder mit Videos wie über „Hetzjagden“, bei denen locker Details weggelassen werden. Oder Kriegsberichte, bei denen die Kamera auf Häuser fixiert ist, in die 10 Sekunden später! eine Grante einschlägt. Wir werden ja so was von verar***t.
Interessant ist Ihre Passage „Gleichzeitig erfolgt eine ständige Wertung, wenn … zum hundertsten Mal Adjektive wie „rechtspopulistisch“ oder „rechtsnationalistisch“ eingebaut werden“. Man braucht sich nur die Tagesschau anzusehen, hier erfolgt das Gleiche, und zwar täglich: „der rechtsradikale Präsident Bolsonaro … der erklärte Ausländerfeind Salvini“. So geht es ständig, es ist der Standardton des ÖR – Fernsehens. Natürlich nur bei „rechten“ Politikern. Nie gab es zum Beispiel einen „linksradikalen Alexis Tsipras“ oder einen „linkspopulistischen Bernie Sanders“. Es ist also kein Spiegel Problem und auch kein Problem im literarischen Ton verfasster Reportagen der Printmedien. Es ist ein Problem der heute dominanten Gesinnungsjournalisten. Es sind, um mit gleichen Mitteln zurückzuschlagen, die Hirne der linkspopulistischen Claus Klebers, der linksradikalen Kai Gniffkes oder der einer Ökosekte nahestehenden Anja Reschkes, welche so ticken.
SEHR VIELES AM SPIEGEL IST VON GESTERN, und das gilt für alle Mainstreammedien. Konzepte erstarren mit der Zeit. Dann sind sie nicht mehr zeitgemäß. Ein intelligentes Publikum will mehr. Es will vor allem nicht auf den Arm genommen und bevormundet werden-denn das ist dann eine Beleidigung der Intelligenz. Vieles was einst lebendig war ist heute devital-wird den Leuten aber immer noch als lebendig angedreht. In der Psycholinguistik (einer Teildisziplin der Psychologie, die sich mit sprachlichen Phänomenen befasst) klassifiziert man Information als „given“ (gegeben, bekannt) oder „new“ (neu, noch nicht bekannt). Das menschliche Gehirn fokussiert sich zumeist auf „new“, da die Verarbeitung neuer Information Priorität bekommt vor der bereits als „given“ verarbeiteten Information.
Man könnte „given“ auch als „abgedroschen“ oder „klischeehaft erstarrt“ ansehen. Die Lebenswelt von Redakteuren wie man sie bei den Mainstreammedein findet ist oft sehr gestrig. Die große Zeit des „Spiegel“ deckte sich in etwa mit dem Aufkommen der 68-er. Die hatten zu Beginn in der Tat revolutionären Schneid. Und Schneid kommt immer gut, auch wenn viele das nicht zugeben möchten. Heute ist der Schneid längst weg, und die 68-er sind die saturierte Bourgeoisie, die sich auf den Lorbeeren von gestern ausruht. Was damals lebendig war ist es längst nicht mehr, vieles von dem was die 68-er postulierten hat seine gesellschaftliche Untauglichkeit nachdrücklich unter Beweis gestellt. Die 68-er und in geistiger Hinsicht ihre linksgrüne Filialgeneration (die zwar chronologisch, aber geistig nicht jünger ist) kommt heute rüber wie ein am am Rollator gehender Kriegsveteran von 1871, der im Jahre 1910 noch von Sedan träumt. Die 68-er klammern sich verzweifelt an ihre geglaubten Heldentaten, die sich mehr und mehr als Flops herausstellen. Dass die 68-er das nicht wahrhaben wollen ist einerseits verständlich, andererseits wird die Geschichte über sie hinweg gehen. Da hilft kein betteln und kein beten. Und die neuen Medien haben da eine instrumentelle Rolle.
Nun hat Vergangenes zwar oft seinen Charme, in Städten wie Paris ist es vor allem die mit Sehenswürdigkeiten gespickte Altstadt, die reizvoll ist. Für Information gilt das allerdings nicht: hier zieht der Medienkonsument „new“ vor. Und wie es im Text richtigerweise gesagt wird, aufgrund der weltweiten Vernetzung ist ein fake oft schnell bloß gestellt. Unser Land befindet sich in einem politischen Umbruch-und das gilt auch für die Medien. Was heute noch Mainstream ist wird morgen schon von gestern sein. Das Neue lässt sich nicht stoppen, da können sie noch so viele Klischeegranaten verschießen.
Das Neue kommt!