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Identität ist nicht austauschbar

Deutschland und Identität

19.09.2017

| Lesedauer: 11 Minuten
Aus der Identität der Völker gemeinsam etwas noch Größeres zu schaffen, wird nur gelingen, wenn die Völker in diesem Größeren ihre Identität nicht verlieren, bis aus seinem positiven Wirken selbst eine neue, gemeinsame Identität entstehen kann.

Sagt Ihnen, liebe Leser, der Begriff „Dybbøl“ etwas? Nein? Gut, machen wir es etwas leichter. Wie wäre es mit „Düppel“? Auch nicht?

Versuchen wir es doch einmal mit Königgrätz. Keine Idee? Kennen Sie vielleicht unter seinem gegenwärtigen Namen Hradec Králové? Naja, wohl eher nicht.

Aber dann doch Weißenburg, Wörth oder Spichern? Nun, wenn Sie zufällig in Berlin wohnen sollten, haben sie den einen oder anderen Begriff vermutlich schon einmal als Straßennamen wahrgenommen. Obgleich es immer wieder Versuche gibt, diese Namen aus dem Straßenbild zu entfernen.

Versuchen wir es doch einmal mit Gettysburg. Haben Sie bestimmt schon gehört. Dann wissen Sie selbstverständlich, dass dort die größte Schlacht des sogenannten Amerikanischen Bürgerkriegs stattgefunden hat. Rund 6.000 Männer ließen dort in drei Tagen ihr Leben auf dem Feld. Weitere 27.000 wurden verwundet – und damals, im Juli des Jahres 1863, endete eine Verwundung ebenfalls häufig tödlich.

Von Düppel nach Spichern

Vielleicht hat Gettysburg Sie auf die Spur gebracht. So steht beispielsweise Düppel ebenfalls für eine vernichtende Schlacht. Sie fand nur ein Dreivierteljahr nach Gettysburg statt. Aber nicht auf dem amerikanischen Kontinent, sondern vor unserer Haustür – kurz hinter Flensburg bei dem verträumten Sundstädtchen Sonderburg. Als diese fünfwöchige Schlacht um eine dänische Befestigungsanlage endete, standen rund 6.000 Mann auf den Verlustlisten. Darunter befanden sich allerdings 3.500 dänische Gefangene, von denen die meisten nach Kriegsende zurück in ihre Heimat ziehen konnten.

Ähnlich verhält es sich mit Königgrätz. Dort, beim Flecken Sadowa, fand 1866 ebenfalls eine Schlacht statt, die mehr noch als Düppel an die Ausmaße der Kämpfe in den zu diesem Zeitpunkt gerade mit Gewalt und unendlichem Leid wieder Vereinigten Staaten von Amerika erinnert. Rund 400.000 Soldaten standen sich bei Königgrätz gegenüber: Preußen und seine norddeutschen Verbündeten auf der einen Seite, Österreicher und Sachsen auf der anderen. Schauen wir auf die damaligen Bestrebungen zur deutschen Einheit, so könnten wir diesen Kampf als die größte und verlustreichste Schlacht eines deutschen Bürgerkriegs bezeichnen. Tatsächlich allerdings war es mehr eine Schlacht der politischen Führungen um die Führung im künftigen deutschen Bundesstaat. Die Zahlen der Toten auf beiden Seiten wurden mit 7.587 gezählt. Mehr als in Gettysburg. Hinzu kamen 14.522 Verwundete und 7.686 Vermisste – letztere fast ausschließlich auf Seiten der Österreicher.

EIN BLICK AUF DIE SACHLAGE.
Wie demokratisch das Kaiserreich wirklich war.
Weißenburg, Wörth und Spichern waren die ersten und die eigentlich entscheidenden Schlachten des Französisch-Preußischen Kriegs. Weißenburg ist ein kleines Städtchen im nördlichen Elsass, das der französische Herrscher Ludwig XIV im 17. Jahrhundert nach heutigem Verständnis völkerrechtswidrig annektiert hatte. Die Schlacht bei Weißenburg, mit der die vereinigten deutschen Armeen am 4. August 1870 den Versuch Frankreichs, einen Keil in das deutsche Gebiet zu treiben, unterbanden, forderte von den Deutschen rund 7.000 und von den Franzosen rund 1.000 Tote. Die vereinigten deutschen Armeen obsiegten und gingen zum Gegenangriff über.

Wörth ist eine ebenfalls im 17. Jahrhundert von Frankreich annektierte Nachbargemeinde von Weißenburg. Dort kam es am 6. August 1870 zum erneuten Zusammentreffen der sich feindlich gegenüber stehenden Europäer. Fast 19.000 Tote und Verwundete wurden am Ende gezählt – und rund 6.000 Franzosen, die in deutsche Gefangenschaft geraten waren.

Gleichen Tages kam es bei Spichern an der saarländisch-lothringischen Grenze ebenfalls zu heftigen Kämpfen, wenn auch mit deutlich kleineren Armeen als in Weißenburg und Wörth. Dennoch ließen 850 Deutsche und 320 Franzosen ihr Leben. 5.660 Soldaten waren verwundet, 2.100 Franzosen in deutsche Gefangenschaft geraten.

Nehmen wir die drei Tage von Weißenburg, Wörth und Spichern als eine Abwehrschlacht gegen die einen Angriffskrieg führenden Franzosen, so waren die Zahlen der Opfer mit rund 16.000 auf deutscher und 11.000 auf französischer Seite dramatischer als in Gettysburg und eine der größten Schlachten des 19. Jahrhunderts auf dem europäischen Kontinent.

Wie Identität entsteht

Warum erzähle ich das? Nun, wir können anhand der Erinnerung an diese Schlachten auf exzellente Weise lernen, wie die Identität eines Volkes vernichtet wurde.

Die Schlacht von Gettysburg ebenso wie die Schlachten von Bull Run/Manassas, Shiloh, Harpers Ferry, Vicksburg, Fredericksburg und wie sie alle heißen, sind fester Bestandteil der US-amerikanischen Identität. Sie stehen dafür, wie die nordamerikanischen Europäer sich zu Beginn der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gegenseitig abschlachteten, wie sie unter der Propagandaformel der Sklavenbefreiung um Unabhängigkeit, Traditionen und wirtschaftliche Interessen fochten. Sie stehen dafür, wie am Ende der besser industrialisierte Norden der progressiven Yankee-Staaten über die traditionsbewussten, in weiten Teilen noch agrar-feudalistisch geprägten Staaten im Süden obsiegte und mit der Zwangsangliederung der nach Selbstverwaltung strebenden Sezessionsstaaten an die Union die Grundlage für das mächtigste Land des 20. Jahrhunderts schuf.

Wenn heute ein Bürger Deutschlands an die großen Kriege und Schlachten des vorletzten Jahrhunderts denkt, dann fallen ihm bestenfalls die Schlachten auf dem nordamerikanischen Kontinent ein. Jene Kämpfe aber, die mit ihrer gemeinsamen Verteidigung am Ende das demokratische Deutsche Reich schufen, sind aus den Gehirnen fortgewaschen. Aus preußischer Sicht gehörte übrigens auch Königgrätz dazu – aus süddeutscher Sicht allerdings weniger. Deren Sympathien hatten 1866 noch eher auf der Seite der Österreicher gelegen.

Für die Dänen ist ihre Niederlage bei den Düppeler Schanzen bis heute wesentliches Element ihrer eigenen Identität. Dort steht ein Nationalmuseum, das heute, ohne damit Feindschaften zwischen Deutschen und Dänen zu befördern, die Dramatik der damaligen Ereignisse schildert. Düppel gehört wie selbstverständlich zum nationalen Bewusstsein jedes Dänen.

Die Amerikaner gedenken annähernd ständig ihrer Kämpfe und ihrer Opfer in dem, was sie irreführend als „Civil War“ bezeichnen. In Memorials, Spielfilmen, Gedenkveranstaltungen. Die Dänen haben dem Kampf um die Düppeler Schanzen ein bemerkenswertes Filmwerk unter dem Titel „1864“ gewidmet.

Auch die Briten, die nicht nur im 19. Jahrhundert zahllose Kriege führten, haben eine ausgeprägte Erinnerungskultur. Ob der Todesritt der leichten Brigade bei Balaklawa, ob die Niederlage bei Isandhlwana oder der Last Stand bei Rorke’s Drift, ob die Vernichtung der sich zurückziehenden Briten am Chaiber-Pass oder der Tod Charles Gordons in Khartum ebenso wie die anschließende Strafexpedition des Lord Kitchener – all das ist im britischen Bewusstsein präsent und prägt die Identität der Inseleuropäer.

Eine Wurzel deutscher Identität

Und bei den Deutschen? Nichts. Dabei war das nicht immer so. Als nach 1871 die „deutschen Stämme“ zwischen Sund und Zugspitze zusammenwuchsen, waren vor allem die gemeinsam geschlagenen Schlachten im Elsass ein wesentlicher Kitt der gemeinsamen Identität. In Berlin wurde bis 1873 die Siegessäule errichtet. Auf ihrer Spitze thront die Siegesgöttin Victoria – im Volksmund „Goldelse“ genannt. Ringe aus den vergoldeten Rohren erbeuteter Kanonen zieren die Säule. Im Bewusstsein ihrer deutschen Identität gedachten die Deutschen der Kämpfe um ihre Einheit – und gleichzeitig der Befreiungskriege gegen das napoleonische Frankreich. Und so basierte – wie in den anderen Nationen jener Zeit – die deutsche Identität wie selbstverständlich eben auch auf jenen kriegerischen Ereignissen, an denen Bayern neben Preußen und Hanseaten neben Württembergern ihr künftiges Reich verteidigt hatten.

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Erster Weltkrieg: Interessen und Kriegsschuld – Ursachen und Folgen
Selbstverständlich: Der Patriotismus, der daraus erwuchs, schuf auch Auswüchse. Die angebliche Erbfeindschaft gegen die Franzosen wurde höchstamtlich kultiviert. Doch auch das hatte gute Gründe: Seit dem Spätmittelalter hatten französische Herrscher ihr Reich immer weiter nach Nordosten ausgedehnt und aus dem einst innerdeutschen Rhein einen Grenzfluss geschaffen, der nicht nur von Napoleon mit Heeresmacht überschritten worden war. Die „Wacht am Rhein“ hatte aus damaliger deutscher Sicht gute Gründe. Die Nachbarn im Westen waren alles anderes als friedliche Pazifisten.

Selbstverständlich auch: Wie die anderen Hochkulturen der Zeit forderten die Deutschen ihren Anteil an der Welt. Da der größte Teil derselben bereits von Briten, Franzosen, Amerikanern und Russen besetzt war, blieben nur einige verstreute Niederlassungen, die irgendwie von den frühen Kolonialmächten übersehen oder von denen als unbedeutend betrachtet worden waren.

Wie Identität vernichtet wird

Wer heute einen Blick in den Geschichtsunterricht oder die öffentliche Debatte wirft, der wird feststellen: Jener Kitt, der vor 150 Jahren eine deutsche Nationalidentität schuf, findet so gut wie nicht mehr statt. Jene drei Kriege, die die erste deutsche Demokratie erst werden ließen, sind bestenfalls Randnotizen. Bedeutungslos – nein, sogar verabscheuungswürdig, denn es waren ja Kriege! Die Jahre zwischen der bürgerlichen Revolution des Jahres 1848 und dem Kriegsausbruch 1914 werden reduziert auf ein angeblich „miefiges“ Kaiserreich – welches zu keinem Zeitpunkt „miefig“ gewesen, sondern für seine Zeit höchst modern und liberal war; auf einen gefühlt totalitären Gottkaiser im Stile des Sonnenkönigs – was dieser ebenfalls als verfassungsmäßiger Präsident der unter dem Namen „Deutsches Reich“ geschaffenen Föderation deutscher Länder zu keinem Zeitpunkt gewesen ist; auf jenen angeblich so bösen Kolonialismus, der die Völker ausbeutete und knechtete. Alles das, was vor 1914 deutsch war, wird gezielt verdrängt, negativ dargestellt – am besten verdammt.

Selbstverständlich – die Opfer von Kriegen sind immer zu beklagen. Aber sie prägen auch die Erinnerung eines Volkes und gemahnen es, Krieg nicht aus pseudoreligiösen Gründen zu verdammen, sondern aus gesundem Pragmatismus zu vermeiden.

Selbstverständlich – auch deutsche Kolonialtruppen waren nicht nur von Mitmenschlichkeit geprägt. Ob Boxer in China oder Herero-Aufstand in Deutsch-Südwest: Im nachhinein hätte man vielleicht vieles anders und besser machen und statt zu töten den Ausgleich anstreben können. Aber die Zeit war nicht so, nirgendwo. Nicht in den französischen Kolonien, nicht in den englischen, nicht in den amerikanischen. Und auch das russische Kolonialreich ist nicht gewaltfrei entstanden. Auf der anderen Seite brachten die Europäer den Ländern rund um die Erde Modernität, Zivilisation und Medizin. Man mag sich trefflich darüber streiten, ob das alles sehr schlau war – so zerstörten sie damit auch das über Jahrtausende eingependelte, natürliche Gleichgewicht der Populationen der „Eingeborenen“ ohne dabei ihre zivilisatorischen Grundsätze des Rechts nachhaltig verankern zu können. Die aktuelle Völkerwanderung aus Afrika ist insofern letztlich hausgemacht. Im Schlechten wie im Gutgemeinten.

Identitätsvernichtung bis in die Gegenwart

Die Vernichtung der deutschen Identität macht mit dem Ende der ersten deutschen Demokratie nicht halt. Zwar haben wir eine rudimentäre Erinnerungskultur an jene gegenseitige Massenvernichtung der Europäer zwischen 1914 und 1918. Doch statt die Ursachen dieses Krieges sachgerecht zu benennen; statt den ökonomischen Niedergang der Weltführungsmacht England seit der Mitte des 19. Jahrhunderts zu bedenken; statt den Revanchismus Frankreichs und den Expansionismus Russlands zu berücksichtigen und die Konkurrenz zwischen den beiden in etwa gleichstarken, führenden Handelsnationen Deutschland und USA zu realisieren, reduzieren wir den Krieg regelmäßig auf Überfall und angeblich einseitige, deutsche Aggression – und auf voyeuristische Bilder von zerschmetterten Leibern und Landschaften.

Fast noch irrationaler ist der neudeutsche Umgang mit den Jahren zwischen 1933 und 1945. In Texten, Dokumentationen – in der „Erinnerungskultur“ – ist beständig nur von „Hitlerdeutschland“, „Nazireich“, „NS-Diktatur“ die Rede. Als 1945 die Deutsche Wehrmacht der Übermacht der Alliierten nicht mehr standhalten konnte, wurde Deutschland „befreit“!

DEUTSCHE LEBENSREFORM-BEWEGUNGEN - TEIL 1 VON 3
Irrlehren vom Neuen Menschen führten zu den Totalitarismen
Welch eine Verdrängung! Welch eine Verkehrung der Tatsachen! Beginnen wir mit dem Unsinn der Befreiung. Befreit wurden damals die von Deutschland besetzten Länder. Befreit wurden die Opfer deutscher Gewaltherrschaft in den Arbeits- und Konzentrationslagern. Befreit fühlten sich vielleicht auch ein paar Intellektuelle Widerstandsdenker – aber für das Volk der Deutschen war dieses Kriegsende erst einmal nichts anderes als eine vernichtende Niederlage. Bei vielen der „Befreiten“ ging der Krieg im Kopf noch Jahre weiter. So erzählte mir ein damals Zehnjähriger, wie er 1945 und 1946 auf den Dächern Altonas herumhuschte, um gemeinsam mit Freunden den patrouillierenden „Tommies“ Steine auf den Kopf zu werfen. Erst als ihre Eltern dessen Gewahr wurden, steckten sie die Jungen weg – nicht, weil sie die „Befreier“ schützen wollten, sondern weil sie Angst um ihre Kinder hatten. Angst, die Sieger und Besatzer würden ihre Söhne an die Wand stellen.

Die Besatzer, die Sieger, die fast 1,2 Millionen deutsche Zivilisten und an die 5,2 Millionen deutsche Landser getötet hatten, waren 1945 keine Befreier. Sie waren die Sieger in einem Krieg, in dessen tatsächlichen Ablauf alle Seiten sich mit Unrecht überhäuft hatten. Es waren Sieger in einem selbstverantworteten Krieg, denen man auf Gedeih und Verderb ausgeliefert war. Zu „Befreiern“ wurden sie erst gemacht, weil es allemal besser war, sich als befreites Opfer denn als unterworfener Aggressor zu verstehen. Und sie wurden zumindest im Westen des vernichteten Deutschlands Befreier auch, weil sie über Marshallplan und Verzicht auf allzu drastische Entnazifizierung die Deutschen an die anglikanische Kultur der Yankees gewöhnten.

Die Verbrecher waren nicht „Nazis“ – es waren die Deutschen

Es waren eben nicht „die Nazis“, die Millionen Mitbürger ermordeten, nur weil diese Menschen Vorfahren jüdischen Glaubens hatten oder selbst dieser Religionsgemeinschaft angehörten. Es waren Deutsche, die diese Verbrechen begangen oder nicht verhinderten. Es war das deutsche Volk, weil es in seinem Namen geschah. Dazu zu stehen, auch wenn man als Nachgeborener keine persönliche Schuld daran trägt, ist Teil einer deutschen Identität. So zu tun, als habe das alles mit einem nichts zu tun, das alles seien nur die „teuflischen Faschisten“ gewesen, mag zwar eine wohlfeile Ausrede sein – doch sie zeugt von Feigheit, dem kindlichen Wunsch nach ewiger Unschuld und dem armseligen Versuch, sich selbst aus der Verantwortung zu ziehen.

Gleiches gilt für die Tradition der deutschen Soldaten. Spätestens seit den Befreiungskriegen gegen Napoleon zieht sich durch das deutsche Heer eine Linie der Tradition. Es war immer ein Heer des Volkes, aufgestellt in den Staaten des Bundes, gemeinsam gegen einen gemeinsamen Feind kämpfend. Auch wenn die Eidesformel 1934 pervertiert und auf die unmittelbare Unterstellung unter Hitler geleistet wurde, kämpften deutsche Soldaten selbst in der zweiten heißen Phase des 75-jährigen Krieges der Europäer nicht für den Diktator, sondern für ihre Familien und für ihr Vaterland. Daran ändert sich auch dadurch nichts, dass Wehrmachtsangehörige Kriegsverbrechen begangen haben – wie sehr der Krieg den Menschen ihre Menschlichkeit nehmen kann, ist nicht erst seit My Lai bekannt. Es ist ein ewiges Phänomen, dass in allen kriegführenden Armeen dieser Welt die niedersten Instinkte über den dünne Kruste der Zivilisation siegen können – und diese immer wieder obsiegen lässt.

Das, was unter Heldentaten verstanden wird, gehört deshalb ebenso zur Identität eines Volkes wie die Verbrechen, die in seinem Namen und durch Mitglieder seines Volkes begangen wurden. Beides prägt den Volkscharakter und kann, wenn es im Guten wie im Bösen objektiv im Bewusstsein verankert ist, dazu beitragen, die Wiederholung des Bösen zu vermeiden. Doch was jene, die sich gegen das Böse der eigenen Vergangenheit dadurch zu wehren suchen, indem sie die historische Identität negieren, übersehen: Wer die Komplexität seiner historischen Identität verleugnet, um den eigenen Bezug zum Negativen dieser Identität zu vernichten, der verleugnet zwangsläufig am Ende auch das Positive. Wer darüber hinaus das Negative seiner Identität zum eigentlichen Kerngehalt der dann nicht mehr eigenen Geschichte stilisiert, vernichtet seine Identität in Gänze.

Das deutsche Identitätsproblem

Genau dieses ist das Problem der Deutschen. Teils in der Scham vor der Ungeheuerlichkeit der in ihrem Namen begangenen Verbrechen; teils in der ersatzweise aufgezwungen Fremdidentität – wozu es eben auch gehört, über die Schlachten und Kämpfe in den USA mehr zu wissen als über die entsprechenden Vorgänge der eigenen Vergangenheit – haben „die Deutschen“ ihre Identität vernichtet. Sie haben das Positive ihrer Geschichte, die Größe, die sie sich durch die Leistungen des Geistes und der Tat über Jahrhunderte erworben haben, in ihrem Bewusstsein zerstört, indem sie sich ausschließlich auf die Wahrnehmung des Negativen konzentrierten.

Dabei sind die wirklich Großen der deutschen Geschichte – ob Goethe oder Kant, Beethoven oder Mahler, Luther oder Arndt, Humboldt oder Nachtigal, Koch oder Freud und selbst Einstein oder von Braun – eben nur vorstellbar in der Komplexität ihrer deutschen Identität mit all ihren Licht- und Schattenseiten. Wer seine deutsche Identität verleugnet, der verleugnet am Ende auch jene, die in der Tradition dieser Identität Großes geschaffen haben.

Vom Bildersturm über Leitkultur zum leeren Karton

Wer, wie die Universität Greifswald, seinen Namensgeber verleugnet, weil diesem im Denken seiner Zeit auch „böse“ Gedanken unterstellt werden; wer das Andenken an Helmut Schmidt dadurch desavouiert, indem er ein Bild des Mannes in Wehrmachtsuniform, der nicht für Hitler, sondern für sein Land gekämpft hat, in der Führungsakademie der Bundeswehr abhängen lässt – wer solche Akte des Bildersturms begeht, der vernichtet bewusst die deutsche Identität. Er vernichtet in dem verzweifelten Versuch der Rosinenpickerei; mit der Illusion, sich ausschließlich des Guten bedienen zu können, das Gute selbst. Und das auch deshalb, weil das Gute in der Geschichte eben nur als solches erkannt werden kann, wenn ihm das Böse entgegensteht.

WANDEL DURCH INTEGRATION
Integrationspolitik und Dutschkes Revolution
Wenn eine regierungsamtlich beschäftigte Inhaberin eines deutschen Passes, dessen Inhalt und Identität ihr offenbar zu keinem Zeitpunkt auch nur ansatzweise in ihr Bewusstsein gedrungen ist, behauptet, es gäbe keine deutsche Identität; wenn die Inhaberin des Doktortitels einer Phantasie-Universität von „Deutschomanen“ schwafelt und damit ihren eigenen Rassismus offen auslebt; wenn ein in türkischer Haft sitzender Publizist mit Doppelpass davon erzählt, es seien schon ganz andere Völker als die Deutschen in der Geschichte verschwunden – wenn dieses geschieht, dann kann jener, der es tut, niemals wirklich Deutscher sein. Denn ihm fehlt das Kernelement deutscher Identität, das Bewusstsein, dass Deutsch-sein eben mehr bedeutet als ein Stück Papier in der Hand zu halten, auf dem behauptet wird, der Inhaber dieses Papieres sei Deutscher. Und selbst jener, der als in Deutschland Geborener die wechselvolle Geschichte vorsätzlich verdrängt, den unmöglichen Versuch der Rosinenpickerei unternimmt oder ganz offen von „Deutschland, einem miesen Stück Scheiße“ spricht, ist in seiner Identität – falls er überhaupt über eine solche verfügt – vielleicht alles mögliche – aber niemals Deutscher.

Selbst einem Bundesminister, der über Leitkultur sprechen möchte, sei ins Stammbuch geschrieben: Wer über eine deutsche Leitkultur sprechen möchte, der muss wissen, dass mit dieser Leitkultur das Bewusstsein dieser in glorreicher wie leidvoller Vergangenheit gewachsenen Identität untrennbar verknüpft und deutlich mehr ist als ein bloßes Lippenbekenntnis zu kulturellen und zivilisatorischen Werten, die doch ohne diese Identität nicht denkbar sind.

Dabei gäbe es in genau dieser Tradition deutscher Identität nicht nur in der Vergangenheit, sondern auch in der Gegenwart so vieles, worauf ein Deutscher mit jedem Recht stolz sein kann. Es ist nicht nur die ungeahnte Dynamik, mit der die Deutschen ihr zerstörtes Land wirtschaftlich wieder derart an die Weltspitze brachten, dass nun selbst die Amerikaner sich laut darüber beklagen. Es ist vor allem die in der Welt einmalige Aufarbeitung auch der negativen Seiten der eigenen Identität; es ist die Bereitschaft, aus der eigenen Sünde zu lernen und daraus Schlüsse zu ziehen. Es ist das Bekenntnis, die Irrwege der Vergangenheit gemeinsam mit den Gegnern von Gestern zu überwinden, um aus der Identität der Völker gemeinsam etwas noch Größeres zu schaffen – was jedoch nur möglich sein wird, wenn die Völker in diesem Größeren ihre Identität nicht verlieren, solange nicht das Größere durch sein positives Wirken selbst eine Strahlkraft entwickelt, die Grundlage einer neuen, gemeinsamen Identität werden kann.

Es ist richtig: Deutschland braucht kaum etwas dringender als eine öffentliche Debatte darüber, was Deutsch-Sein bedeutet. Deutschland braucht ein Bekenntnis zur Leitkultur. Diese Debatte und das Bekenntnis gehen jedoch in Leere, wenn sie den Versuch unternehmen, die Breite der Bedeutung deutschen Tuns auszublenden. Sie kann nur dann sinnvoll geführt werden, wenn die einseitige Verteufelung der gemeinsamen Geschichte endet und an ihre Stelle die Bereitschaft tritt, Positives neben Negativen als untrennbar mit der deutschen Identität zu begreifen und zu erfahren. Geschieht dieses nicht, wird am Ende nur ein Karton verbleiben, auf dem vielleicht noch Deutschland steht – dessen Inhalt jedoch mit Deutschland und der Identität der Deutschen nichts mehr zu hat. Und da wäre es dann schlicht ehrlicher, auf diesen Karton genau das zu schreiben, was darin tatsächlich zu finden wäre: Nichts!

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63 Kommentare

  1. Mit der großen Sympathie für kleine Einheiten rennen Sie bei mir offene Türen ein. Allerdings sollte man gewachsene Einheiten nicht unbedingt in Frage stellen. Und die Einheit Deutschland war im Bewusstsein der deutschsprachigen Menschen immer ein Thema, war gegenwärtig.

    Meine Vorstellung von einem zukünftigen Europa: ein Staatenbund.

    Es freut mich im übrigen, dass Sie Pfälzer sind. Da sind wir sozusagen „Landsleute“.

    Sie wissen also schon, was die Erbfolgekriege über einen Teil eines zersplitterten Deutschlands gebracht haben: Über unsere gemeinsame Heimat, die Pfalz und die Kurpfalz. „Ich rufe den Melac“, so warnte noch meine Großmutter meinen älteren Bruder, wenn er nicht gehorchen wollte. Das Heidelberger Schloss und der Speyerer Dom stehen als Symbole für die Brandschatzungen französischer Truppen, die über die Grenze kamen.

    ZU Frau Merkel sage ich „fast“ gar nichts mehr: Nur noch soviel. Unter dieser Partei hat die CDU ihre Seele verkauft. Nicht Frau Merkel hat die Seele verkauft. Verkauft haben die Seele die Großkopferten der Partei ohne Mut und ohne Standpunkt. Die Standpunkte Frau Merkels wurden in einem sozialistischen Elternhaus geprägt. Menschen, die sie aus ihrer DDR-Zeit und kurz danach kennen, meinen zu wissen, dass ihre Mitgliedschaft in der CDU eher zufälliger Natur ist.

    Um ein verknöchertes System wieder mit Leben zu erfüllen, wären plebiszitäre Elemente, sprich Volksabstimmungen gewiss kein schlechtes Rezept. Herbert von Arnim prangert übrigens die Rolle der Parteien mit ihrem staatlich garantierten Reichtum über die Zuwendungen an die Parteistiftungen, an die Fraktionen, mit den Funktionszulagen, mit dem Wahlstimmenbeitrag immer wieder massiv an. Die Parteien, die lt. GG an der politischen Willensbildung mitzuwirken haben, hätten, so sagt er und ich bin bei ihm, ihre Positionen zu Bastionen ausgebaut.

    Ein letztes: Ich bin kein verkniffener Verfechter eines deutschen Bundesstaates. Es ist noch nicht zulange her, da erzählte ich, wenn die Runde gesellig wurde, halb im Ernst, halb doch nicht so ganz ernst; Dass eine Vereinigung des Saarlandes mit der Pfalz und Bayern kein ganz so übles Staatswesen abgäben. In Vereinigung mit dem übrigen Deutschland als Staatenbund.

    Doch angesichts der Großmachtphantasien und der Tonnenideologie unserer Politelite mit einem Rieseneuropa habe ich etwas zurückgefahren: Verteidigen wir zuerst einmal die Nationalstaaten, die in einem freiheitlichen-partnerschaftlichen Wettbewerb unsere Zukunft gestalten mögen. Vielleicht aber erwarte ich da schon zuviel. Juncker und Co. und Merkel und Gabriel und die Grünen haben noch einiges auf der Palette.

    Ihr letzter Satz: Nein, diese Vorstellung hege ich über Sie nicht. Eher schon über Herrn Gabriel, der a angesichts eines national-sozialistischen Vaters anscheinend glaubt, stellvertretende Vergangenheitsbewältigung üben zu müssen.

    Gruß aus Speyer.

  2. Das erklären Sie mal besser den Leuten, die in Deutschland noch eine echte Demokratie vermuten. Allerdings ist ein Patchwork eben nur eines, wenn es auch genau das darstellt. Das Älteste ist übrigens angeblich bereits 1000 vor Christi hergestellt worden. Ich sehe Deutschland allerdings (noch) als ein funktionieren ‚Fleckenteppich‘ an, der im übrigen tatsächlich eine Funktion erfüllt, nämlich aus vielen kleinen und eher dysfunktional agierenden Kleinstaaten eine Einheit zu bilden. Und noch eine Frage: Wie antwortet eigentlich ein Salzburger, wenn nach seiner ‚Nationalität‘ gefragt wird?
    Ist er dann ‚Nichtdeutscher‘, oder doch eher Österreicher?

  3. Ein Problem, das wir Deutschen seit der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts haben, ist, dass unsere Zugang zu unserer Geschichte vor allem ein moralischer ist. Leider hat diese Moral vor der Geschicht‘ bei uns zu einem Schwarz/Weiß-Denken geführt, wenn wir historische Zusammenhänge betrachten.

    Wenn wir beispielsweise von den Verbrechen der Deutschen zwischen 1933 und 1945 reden, dann oft so, wie wir vom bösen Wolf, der guten Fee oder dem tapferen Schneiderlein sprechen- als einem feststehenden Chiffre, das uns in
    Fleisch und Blut übergegangen ist und über das wir kaum nachdenken. Es
    ist halt so. Sonst würde die Geschichte nicht funktionieren, wie wir es
    gewohnt sind. Wer hat die Juden vergast? Das waren die verbrecherischen
    Nazis. Wer hat den Krieg angefangen? Die Nazis. Und die Nazis sind
    immer die anderen.
    Wie es sich für ein gutes Märchen gehört, sind die Bösen dann am Ende alle tot, oder lösen sich, wie Rumpelstilzchen, in Luft auf. (weswegen es auch unproblematisch ist zu sagen, das „wir“ ’54 Fußballweltmeister geworden sind.)

    Wie es sich für ein gutes Märchen gehört, bleibt vor allem die Moral von der Geschichte übrig. Sonst nichts.

    In Deutschland haben wir die Geschichte der Nazizeit immer so erzählt,
    dass die Moral möglichst deutlich rüberkam. Sie lässt sich auf zwei
    Worte reduzieren: „Nie wieder“. Dieses Festhalten am moralischen Aspekt
    der Geschichte, sein immerwährendes Einhämmern in die Hirne der
    nächsten Generation hält jedoch beides aufrecht: den Schrecken des
    Geschehenen und unsere abwehrende Distanzhaltung zu ihm. Wenn wir diese
    Distanzhaltung des „das hat doch nichts mit mir zu tun“ überwinden wollen, müssen wir die Geschichte anders erzählen. Einen anderen Zugang finden als den moralischen.

    Inspirieren lassen könnten wir uns von denen, die unter den Deutschen am schlimmsten gelitten haben: den Juden. Alljährlich am Pessachfest fragt das jüngste Kind im Haus warum dieser Abend denn so anders sei, als alle anderen.
    Antwort des Familienvaters: „Weil JHWH uns h e u t e aus dem Sklavenhaus
    befreite“. Und dann erzählt man sich die Geschichte vom Auszug Israels
    aus Ägypten. Nicht die Moral der Erzählung steht dabei im Vordergrund,
    sondern die existentielle Dimension der Geschichte und ihre Bedeutung
    für die eigene Identität.

    Wie wäre es wohl, wenn wir am Vorabend des 9.11. anstelle der ewig gleichen und austauschbaren Gedenkveranstaltungen einmal inne halten und uns fragen würden, weshalb wir alle in Schwarz herumlaufen?
    Vielleicht fänden wir den Mut zu sagen:
    „Weil wir heute unsere Nachbarn blutig verfolgten, ihre Wohnungen in Brand
    steckten und ihre Gotteshäuser dem Erdboden gleichmachten.“ Vielleicht würden wir, wenn wir anschließend die Geschehnisse von damals erzählen, anders über die Nazizeit sprechen als zuvor.

    Und vielleicht kämen uns dann auch andere Epochen unserer Geschichte wieder mehr in den Blick.

  4. Sehr geehrter Herr Auer,
    das kann man so wirklich nicht stehen lassen. Ihre Aneinanderreihung von Begriffen wie „saubere Wehrmacht“ (das wurde nicht behauptet) und „geplanter Massenmord“ lassen den Schluss zu, dass Sie die Wehrmacht für die Vernichtung der Juden verantwortlich machen. Ich gehe davon aus, dass Sie hier nur unglücklich formuliert haben. Soldaten der Wehrmacht waren nicht unerheblich an Kriegsverbrechen beteiligt, auch mit Billigung oder Anweisung durch die Generalstäbe. Aber wollen Sie den Stab über alle rund 14 Millionen Männer brechen, die im Laufe des Krieges die deutsche Uniform getragen haben? Ich bin mir auch nicht sicher, wie umfangreich Ihre Kenntnisse über die unmittelbaren Folgen der Kapitulation waren. Ja, die Kampfhandlungen waren beendet, und die KZs und Gefängnisse öffneten sich für die Opfer. Die Nazis hatten endlich ihre Macht verloren. Sie scheinen jedoch vergessen zu haben, dass in den Folgejahren viel gehungert (und verhungert) wurde. 800 Kalorien pro Tag waren üblich. Die Sterberate bei Kleinkindern und Alten war hoch. Die meisten Kinder litten an Untergewicht. Im Osten wurden rund 12. Millionen Deutsche vertrieben, Tausende kamen dabei ums Leben. Aber schön, dass Sie das als Befreiung sehen. Es geht nicht um Revanchismus, sondern um nüchterne Betrachtung der Fakten. Darüber hinaus sagen sie „Ich weiss von was ich hier schreibe.“ Wie sich aus dem Umstand, dass Sie als Offizier an Auslandseinsätzen teilnahmen und Geschichte studiert haben eine unanfechtbare objektive und einzig wahre Sichtweise ableiten soll, erschließt sich mir nicht.

  5. Verehrter Herr Spahn, ich erlaube mir ausnahmsweise Fundamentalkritik an Ihrem wirklich bemerkenswert geschriebenen, doch inkonsistenten Artikel. Die von Ihnen genannten großen „Deutschen“ Goethe, Kant, Beethoven, Mahler, Luther, Arndt, Humboldt, Nachtigal, Koch und Freud wurden erst im Nachhinein und posthum zu „Deutschen“ ernannt. Das „Deutsche Volk“ existierte zu dieser Zeit nicht und tut dies m.E. auch heute nicht. Das „Deutsche Volk“ ist eine semantische Chimäre zur Mobilisierung der Massen in den deutschen Ländern sowie zur Machtausübung der Herrschenden.
    Die bismarck-wilhelminische Gründung des Deutschen Reiches in Versailles (!) 1871 war auf Machtausweitung der preußischen Elite gerichtet, ebenso wie der zu diesem Ziel provozierte Krieg mit Frankreich 1870-71 und die Schlacht bei Königgrätz gegen das Habsburgerreich 5 Jahre zuvor.
    Das Deutsche Reich bestand freilich schon als Heiliges Römisches Reich bis 1806. Viele Volksgruppen bzw. Völker bewohnten dieses Gebiet, und es ist zweifelhaft, ob sich jemand gefunden hätte, der sich als „Deutscher“ bezeichnete. (Mozart hat sich zwar mal als „Teutscher“ bezeichnet, doch ist zu vermuten, dass er sich als 1/2 Bayer und Österreicher als solcher nur bezeichnete wie heute ein 1/2 Franzose und Spanier als „Europäer“.) 1894 öffnete der neu gebaute Reichstag mit dem Schriftzug „Dem Deutschen Volke“ über seinem Eingang. Diese Widmung ist durchaus instrumentell zu verstehen: Hier sollte etwas geschaffen werden, das es so nicht gab. Dass schon im Vormärz 1832-1848 einige Revoluzzer besonders in Nähe zu Frankreich mit Blick auf die wirkliche Nation Frankreich auch von einer Deutschen Nation träumten, ändert an deren historischer Nichtexistenz wenig. Heute ist es kein Geheimnis, dass die Bayern den Österreichern menschlich-kulturell näher stehen, als einer willkürlich gewählten Frau aus der Uckermark. Ein Deutsches Volk gibt es nicht, der Begriff wird stets nur für Macht und Mobilisierung der vermeintlichen „Deutschen“ verwendet bzw. missbraucht. Erhellend in diesem Zusammenhang ist die Nachkriegszeit, also jene zwischen dem Dritten Reich und der Gründung von BRD und DDR. Der Schriftzug auf den Münzen jener Zeit lautete „Bank deutscher Länder“. Es sind diese deutschen Länder, die Bayern, die Sachsen, die Pfälzer etc., die eine jahrhundertealte Geschichte haben. Das imaginäre „Deutsche Volk“ hat 2 verlorene Weltkriege und einen Völkermord. Nun ja…

    • Dann gibt es auch keine Engländer, keine Amerikaner und schon gar kein Australier, oder wie darf ich Ihren ‚Entwurf‘ Deutschlands verstehen?
      Und dann gibt es, Ihrer Philosophie nach wohl auch kein Ehepaar? Also ein Paar, dass sich zusammen findet und sich hinterher Familie nennen lässt?
      Ich habe hier noch kein ‚gefällt mir nicht‘ vergeben, heute mache ich das mal.

    • Den Begriff der Deutschen gab es sehr wohl. Die Menschen, die deutsch sprachen, fühlten sich über die Jahrhunderte, obwohl politisch getrennt, sehr wohl als einem gemeinsamen Kulturraum zugehörig. Und die Sehnsucht auch nach der politischen Einheit blieb über diese Jahrhunderte lebendig.

      Unter den gegebenen Umständen entwickelten sich, eine der großen Stärken Deutschlands, viele geistesgeschichtliche und kulturelle Zentren und nicht das eine einzige wie zum Beispiel Paris in einem zentralistischen Frankreich.

      Was der Zentralstaat Frankreich über die Jahrhunderte getrieben hat, zeigt die Geschichte meiner Heimat, der Pfalz. Die Einfälle in die Rhein- und die Kurpfalz, wofür als Synonym der Name Melac steht, waren eine Schreckensgeschichte; eine Geschichte von Brandschatzung, von Not und Leid und Tod.

      Um den Eindruck eines falschen Zungenschlages zu vermeiden: Ich freue mich von Herzen über die freundschaftliche Entwicklung die beide Länder, Deutschland und Frankreich, nach dem 2. Weltkrieg nahmen.

  6. Hallo Michael1966, wir sind ganz offensichtlich einer Meinung! Meine Aussage zu einer gewissen „Naivität“ bezog sich ausschließlich auf diese Fragestellung in Ihrem Kommentar: „Die Frage ist aber, ob sie diese Behauptung nur aus Unwissenheit
    aufgestellt hat. Kennt sie die deutsche Kultur einfach nicht oder
    zumindest nicht gut genug?“ Das haben Sie dann ja jetzt selbst beantwortet, wie auch ich darauf antworten würde. Wir sind da schon auf einer Wellenlänge! 😉

  7. Das in Laboe ist auch baugleich mit dem meines Vaters! Er war auf U760.
    Naja, Feindfahrten hatte er nicht sehr viele. Und ein richtiges Gefecht fand wohl nur einmal statt und dann noch über Wasser. Mein Vater musste sich am MG gegen einen Fliegerangriff wehren. Ein Geschoss-Splitter traf ihn dabei ausgerechnet in den Allerwertesten.
    Aber der Kapitän, DER war ein richtiger Held, denn er ließ das Boot in Vigo/Spanien internieren. Ab dem Tag war der Krieg für meinen Vater vorbei. Und das ist auch gut so, denn meine Mutter lernte er erst weit nach dem Krieg kennen ?
    Gruss gymmat

  8. Ich kann mir für mich gut vorstellen, ohne eine nationale Identität auszukommen, ohne einen Nationalstolz oder eine nationale Schuld. Seit meiner Sozialisation in den 50er und 60er Jahren konnte ich wenig mit Begriffen und Zuweisungen dieser Art anfangen, weder mit Stolz noch mit Sühne oder Schuld. Auch in linken Kreisen verkehrend hatte ich stets eine kritische Distanz zu solchen Selbstbezichtigungen und Selbsthass.
    Für alle, die dies aber einfordern sollte auch gelten, wenn keine deutsche Identität und kein deutscher Staat, dann auch keine deutsche Rentenversicherung, keine deutsches Sozialsystem, keine deutsche Asylpolitik, kein deutsches Parlament, kein deutsches Deutsch usw. Einfach nichts Deutsches.
    Wie uninteressant wäre das denn für die erst seit kurzem hier Lebenden?
    Anarchie in Germany.
    Na das kann ja noch kommen. Aber danach beruhigt es sich wieder.

  9. Ihr Artikel hat mich sehr beeindruckt und führt mir wieder einmal vor Augen wie lückenhaft mein Geschichtsunterricht in der Schule war. Leider haben auch meine Kinder diesen lückenhaften Geschichtsunterricht genossen, mit Schwerpunkt Nationalsozialismus. Wann hört das auf?
    Mein Geist reicht aber noch aus, um festzustellen, daß wenn es keine spezifische deutsche Kultur gibt, jeder Integrationsminister oder Staatssekretär/in für Integration, überflüssig ist, da es ja nichts gibt in das hinein integriert werden muß. Nach dem Spracherwerb kann sich hier doch jeder pudelwohl fühlen, es ist ja wie in seiner Heimat.
    Unterstrichen wird das Ganze dann noch von unserem Außenminister, der behauptet, Gastarbeiter haben Deutschland nach dem 2. Weltkrieg wieder aufgebaut. Bei solcher Geschichtsbetrachtung verschlägt es mir den Atem.
    Ebenso erschreckend finde ich das Entfernen von Denkmälern in Amerika. Was glauben die Menschen dort? Das sie damit ihre Geschichte ausradieren könnten?

  10. Ein hervorragender Artikel, Herr Spahn. Herzlichen Dank für diesen Abriss deutscher Geschichte.
    Das Fach „Geschichte“ spielt leider heute eine untergeordnete Rolle an unseren Schulen und wird oft (z. B. in Berlin) nur im Verbund mit anderen Fächern unterrichtet.
    Wenn wir nicht wissen, woher wir kommen, wie sollen wir dann wissen, wohin wir wollen?

  11. Ja und nein. Stimmt zwar alles vollkommen was beschrieben wird, ist alles Teil der deutschen Identität. Allerdings denke ich, es greift zu kurz den zerstörerischen Umgang mit der selben lediglich (ich paraphrasiere) „ein paar Publizisten mit Doppelpass und einer verrückten Integrationsbeauftragten mit türkischem Namen zuzuschreiben“. Dafür ist das Phänomen zu verbreitet und geniesst zu viel Rückhalt in der Bevölkerung. Ja gerade diejenigen, die an der Deutschen Identität die meiste Demontage betreiben (B90grünen / Antifa und deren anhänger) sind oftmals aus oberen deutschen Mittelstandsfamilien! Als TE Leser neigt man natürlich im gewissen Mass dazu, diese als Fremdkörper zu betrachten. Ich lebe allerdings seit nun mehr 6 Jahren im Ausland und von der Aussenperspektive auf DE gewinnt man mehr den Eindruck sie sind Bestandteil.
    Ich würde somit fast so weit gehen zu behaupten, der selbstzerstörerische Umgang mit der deutschen Identität ist Teil derselben! Spannend hätte ich jetzt die Frage gefunden: warum?
    Die Thesen eines B.Höcke (Nation von Besiegten) die dieses Phänomen lediglich aussen-Einflüssen zuschreiben greifen m.E. zu kurz. Grosse Kriege haben auch andere Länder verloren, besetzt wurden auch andere Länder. Einen derartigen selbstzerstörerischen Umgang mit der eigenen Identität findet man aber nur in DE. Das muss auch innere Gründe haben.

  12. Wenn Mann einsieht das basale Überlebens Instinkte das Wesen bestimmen, das Individuum nur bestehen kann als teil eines im Umfang limitierten Rudel, nur dann kann man die ärgsten Konsequenzen die inhärent und unvermeidbar sind mit ratio gegensteuern. Die Kulturelle Evolution ordnete das durch Tabu, Religion und zuletzt durch Gesetze nach entstehen von Eigentum durch Landbau und immer in Anzahl der Individuen großer werdende Gemeinschaften. Das primitive Rudel ist jetzt der Bekanntenkreis wo Normen und Werte kontrolliert und erzwungen werden mehr noch als übergeordnete Gesetze das vermögen .

    Ideologische Idealen, Machbarkeit träume, Gleichmacherei, (schnelle) gezwungene Diversität, Revolution, Hungersnot etc. verstört dieses evolutionär bestimmte zusammenleben. Wenn die friedliche Ordnung längere Zeit nicht mehr gewährleistet ist dann erwacht der mörderische Aspekt des Mensch und das Grauen.

    Der NS-Staat ist meiner Ansicht nach als einer der vielen Marxistisch/Sozialistisch ideologische Experimenten in Selectivität und (industrieller) Effizienz des Völkermord aufgefallen. Andere Barbarenstaaten sind da zahlenmäßig noch schlimmer gewesen und auch grausam bis geht nicht mehr. Der unterschied ist das die Alliierten massenhaft Beweismaterial sicherstellen konnten und ein teil der Täter in Nürnberger Prozess verurteilt und ihre gerechte strafe zugeführt wurden.

  13. Ein revolutionärer Artikel in unserer Zeit, Herr Spahn. Die europaidentitären heutigen Politiker und die türkeiidentitären Deutschlandabschaffer haben Sie hier nicht ausgelassen. Ein Geschichtsunterricht für diese und alle vom Feinsten, mit Herz geschrieben.
    Die Identität des Deutschen gibt es noch in den Katakomben der politischen Presseveröffentlichungen.
    Die staatenlosen Europaerschaffer in Deutschland werden diesen Artikel torpedieren. Ein Franzose oder Engländer versteht ihn eher, als diese Bewohner unseres Landes ohne Grenzen mit deutschem Pass.
    Herr Spahn, mit diesem Artikel machen Sie dem Leser wieder seine Wurzeln bewusst.

  14. Ich habe Herrn Spahn schon kritisiert, wenn es um die USA und Russland ging. Aber hier funktioniert das nicht. Das ist weit mehr als bloß ein Aufsatz mit geschichtswissenschaftlichem Touch. Es ist ein Essay über das deutsche Dilemma, der tief in unsere Seelen und Befindlichkeiten zielt – à la bonne heure!

  15. Für mich, als Libertären, gilt nur die persönliche Schuld. Niemand haftet dafür, was andere getätigt haben.

  16. Sehr gute Arbeit!
    In Kansas lehren wir seit einigen Jahren den Bürgerkrieg nicht mehr. Allgemein hat das zur Folge, daß bei einer Studentenbefragung im Süden eine schwarze Studentin den Sieg bei den Südstaaten verbucht, ein anderer meint die USA hätten 1776 ihre Unabhängigkeit von Rußland erklärt, und allerhand anderes groteskes Unwissen. Alles schnell, schnell, um sich dann in beiden, amerikanischer Geschichte und Staatskunde, auf Civil Rights Movement und Human Rights zu stürzen. Das hat Potential für die Zukunft. Wie man dahin gelangte, ist nicht relevant.

    Es wäre in der Tat jedem Deutschen zu raten, sich die eigene Geschichte vor 1914 noch einmal zu besehen, sie mit der anderer Nationen zu vergleichen, und dann die vernichtende Märchenstunde „von Bismarck kontinuierlich zu Hitler“ dahin zu befördern, wo sie hingehört, in die Mottenkiste. Natürlich ist sie nicht perfekt, aber sie legitimierte andere nicht, bereits vor 1914 über eine „politische Umstrukturierung“ in Deutschland zu sinnieren, diese dann 1918 durchzusetzen und aus dem Völkerrecht einen Klub der Sieger zu formen. Man kann das nun mal nicht einordnen, wenn man die Geschichte nicht kennt.

  17. SEHR GUT !!!
    Ich wollte den Artikel erst gar nicht lesen, bin dann aber über Dybboel gestolpert. Ich komme aus Schleswig-Holstein und MIR ist die Schlacht an den Düppeler Schanzen präsent. Auch Königgrätz, Sedan u.s.w.
    Aber ich kenne keinen, dem diese Schlachten etwas sagen….

  18. Hervorragender Text, kann ich voll zustimmen. Da ich Eltern aus zwei verschiedenen Kulturkreisen habe, durfte ich schon sehr früh erleben wie schwer es ist, solche verschiedenen Identitäten miteiander in Einklang zu bringen. Ungewöhnlich das Bestreben weiter Teile des Establishments, die deutsch Kultur und Geschichte ab zu lehnen und so zu tun, als sei „Deutschland“ nur eine Ansammlung von Personen, welche das Grundgesetz zu respektieren haben, aber sonst nichts weiter miteinander zu teilen brauchen. Das ist naiv und dumm, weil es ohne sich der eigenen Identiät bewußt zu sein, auch nicht möglich ist, tragfähige Kompromisse mit Trägern anderer Kulturen zu finden, die über Wertrelativierung und die Herabsetzung/Verleugnung des eigenen hinaus geht. Damit ist keine Integration möglich, damit lässt sich nicht mal das Gefühl Heimat aufrecht erhalten.

    „Überfremdung“ ist ein erstes Indiz, das den Menschen langsam bewußt wird, das sie etwas zu verlieren beginnen, das sie lange für Selbstverständlich hielten, ihre Identiät. Man kann das so lange ignorieren, wie die Gesellschaft stabil bleibt. Diese Linie ist nun allerdings überschritten, so das immer mehr Menschen gezwungen sind sich damit auseinanderzusetzen, was tatsächlich der Unterschied zwischen Ihnen und den Zuwanderern, ist, die aus gänzlich anderen Kulturkreisen kommen. Dazu ist es gar nicht nötig, an vergangene Kriege an zu knöpfen, auch wenn es nicht schadet. Es reicht aus, wenn einem nicht die Hand gereicht wird, weil man eine Frau ist oder von Männern angegriffen wird, weil man eine andere Religion hat, wenn bei Abwesenheit der Polizei plötzlich ganz andere Gesetze gelten, Konflikte sofort mit Gewalt ausgetragen werden, man es gleich mit einer Großfamilie zu tun hat und nicht nur mit einem Rechtsanwalt, wie sonst üblich.

    Das wird ein hartes Erwachen für viele werden, auch deswegen, weil diejenigen welche die westliche Identität als Ganzes in Frage stellen, sich ihrer eigenen um so sicherer und nicht für reflexives Denken bekannt sind. Da ziehen schwere Konflikte auf.

  19. Danke für diesen großartigen Essay!

    Ich erlaube mir eine kleine Anekdote anzufügen:
    Für meinen Neffen stand letztes Jahr zum Ende der 10. Klasse auf dem Gymnasium die erste und einzige Klassenfahrt mit politisch-historischem Hintergrund an. Im Umkreis von zwei Stunden mit dem Bus existieren zwei Weltkulturerbe-Stätten, Lüneburg und Goslar, die der Junge noch nie zu sehen bekommen hat. Die Klassenfahrt ging allerdings ins KZ – nach Bergen-Belsen.

  20. Hervorragender Beitrag! Aber, um es mit den Worten eines berühmten Italieners zu sagen: das deutsche Volk hat fertig! Die Nutella-Generation hat Flasche leer.
    In 50 Jahren wird von diesem kulturlosen Haufen nichts mehr übrig sein.
    Jedoch werden vorher die dafür Verantwortlichen zu eben dieser Verantwortung gezogen werden. Und darauf, um es mit den Worten einer anderen Berühmtheit (KGE) zu formulieren, freue ich mich jetzt schon!

  21. Ja, die öffentliche Debatte muss endlich über unser gesamtes Deutsch-Sein,
    das Positive wie das Negative, geführt werden. Und zur Erinnerung gehören
    beispielsweise auch die unermüdlich aufrichtig und menschenwürdig
    Handelnden der bekannten 12 Jahre. Ich kenne unzählige Erzählungen und
    Berichte von Christen, die sehr früh das Verderbliche erkannten, sich davon
    unter viel Mühen fernhielten sowie Bewundernswürdiges leisteten. Dazu
    gehören auch Berliner Gewerkschafter, die lange um die richtige Entscheidung
    regelrecht „rangen“, ob Streik ein guter Weg ist, um die Machtübernahme zu
    verhindern. Sie sahen dann schließlich davon ab, weil sie unkalkulierbare
    Bürgerunruhen befürchteten und sie die Bürger davor bewahren wollten. Sie
    haben nach bestem Wissen und Gewissen entschieden, da keiner sich vorstellen
    konnte, was später folgte. – Der Artikel ist ein gelungener Rückblick und
    Zusammenhang, um die Identität des Deutsch-Seins anzureißen. Es gibt viele
    Vergessene und viel Vergessenes. Richtig, das Stück Papier des Passes sagt
    nichts über das tief verankerte, historisch Gemeinsame.

  22. In dem lesenswerten Artikel oben ist zu lesen:
    „(…) eine regierungsamtlich beschäftigte Inhaberin eines deutschen Passes, dessen Inhalt und Identität ihr offenbar zu keinem Zeitpunkt auch nur ansatzweise in ihr Bewusstsein gedrungen ist, behauptet, es gäbe keine deutsche Identität“.

    Es ist klar, wer gemeint ist: Aydan Özoguz. Es unterliegt auch keinem Zweifel, daß Özoguz‘ Behauptung, es gäbe keine deutsche Identität, keine deutsche Kultur, die mehr Gemeinsamkeiten als nur die Sprache umfaßt, falsch ist. Die Frage ist aber, ob sie diese Behauptung nur aus Unwissenheit aufgestellt hat. Kennt sie die deutsche Kultur einfach nicht oder zumindest nicht gut genug? Ist ihr nur nicht bewußt, daß es in Wahrheit eine deutsche Identität gibt? Ich meine, nein. Herr Spahn schrieb hier am 20. November 2016 ausführlich über Özoguz‘ Impulspapier zur „Integration“. Wie aus ihrem Impulspapier unzweideutig hervorgeht, möchte sie der Masseneinwanderung nach Deutschland, auch und insbesondere der Einwanderung arabischer Muslime, den Weg ebnen; sie wirbt für die Akzeptanz dieser Einwanderung.
    Nun wird von den Kritikern der massenhaften Einwanderung kulturfremder Menschen das Argument ins Feld geführt, diese Einwanderung gefährde die kulturelle Identität der Deutschen. Wenn es nun aber gar keine kulturelle Identität der Deutschen gäbe, wie Özoguz behauptet, so wäre dieses Argument natürlich nicht stichhaltig. Um es etwas paradox auszudrücken: Was es gar nicht gibt, kann auch nicht bedroht sein. Vergegenwärtigt man sich also die Zielsetzung Özoguz‘, so erscheint ihre Behauptung durchaus folgerichtig: Özoguz wollte einem Argument ihrer Kritiker die Grundlage entziehen. Kurz gesagt, hier war meines Erachtens nicht Ignoranz am Werk, sondern Methode. Dies sollte man, wie ich meine, bei der Auseinandersetzung mit Özoguz‘ Behauptung berücksichtigen; es handelt sich hier nicht um ein Defizit, dem man durch Belehrung über deutsche Kultur und Identität abhelfen könnte.

  23. Ich danke Ihnen zutiefst für diesen wissenswerten Artikel. Als “Nicht-Deutscher“ war es mir immer unverständlich warum der Nationalstolz der Deutschen entweder nicht vorhanden oder zu unterbinden war. Meine Kinder sind Deutsch und ich inzwischen auch. Nur manchmal bei einer Fußball WM ziehe ich mein Oranje Tshirt an und habe zwei Fahnen dabei und Zwei Favoriten. Ich bin stolz auf dieses Land!
    Einen Pass, ohne mich voll auf dieses Land einzulassen und mich deren Geschichte nicht zu identifizieren, hätte ich nie angenommen.

  24. Ich mach’s mal kurz Herr Spahn: das ist vielleicht ihr wichtigster, bester Artikel, den ich hier in all den Jahren bei TE gelesen habe. Die deutsche Geschichte ist so unglaublich spannend, daß es jedem einigermaßen intelligenten Menschen gehörig weh tun muss, wenn sie in hohem Bogen aus dem grünlinken Toaster geworfen wird, und man nur liest: Nazi. Oder anders: wer seine Wurzeln leugnet, wer nicht weiß wo er herkommt, hat in dieser Welt keine Zukunft.

  25. Wäre die Mauer erst heute gefallen, wäre die deutsche Wiedervereinigung vermutlich nicht mehr möglich. Die gemeinsame Identität ist zu schwach; finanzielle Opfer wären politisch nicht durchsetzbar.

  26. Danke. Aber leider zu spät. Die Definition deutscher Leitkultur ist in die Hände ungebildeter Politdarsteller und schmieriger Mainstreamschreiberlinge geraten, vor langem schon. Die werden ihr Ziel der sogenannten Multikultur, also eigentlich die Auflösung ernsthafter Kultur in idiotische Phrasen und gewalttätige Anarchie, bald erreichen. Dafür haben sie hart gearbeitet, mit ihrem bisschen Verstand und ihrem größenwahnsinnigen Ego.

  27. Danke für diesen wichtigen, aufschlussreichen und mutigen Artikel.

    Aber bitte nie die Relevanz der Naturwissenschaften und Technik vergessen:
    In Königsgrätz haben die Österreicher gegen die Preussen z. B. keinesfalls deshalb verloren, weil sie weniger mutig oder tapfer waren.
    Die Preussen hatten mit dem Zündnadelgewehr die weitaus besseren Waffen. Telegraph und Eisenbahn ermöglichten ihnen zudem auch signifikante Vorteile hinsichtlich Kommunikation, Transport umd Logistik

    Ähnlich war die Situation im amerikanischen Bürgerkrieg, wo auch die Eisenbahn eine entscheidende Rolle beim Truppentransport und bei der Logistik gespielt haben.

    Und wenn Charlie Wilson den Mudschahheddin in Afghanistan 1985 keine Stingerraketen geliefert hätte, dann wäre der Krieg dort vermutlich in den 1980ern von den Russen beendet worden. So dauert er bis heute an…..

  28. Eine Nation wird durch Schwerter geschaffen, verteidigt und ggf. auch vernichtet, ob aus sich selbst heraus oder durch äußere Feinde. Doch gefüllt wird die Nation mit einer konstruktiven Identität aus gemeinsamer Sprache, Kunst, Glauben und nicht zuletzt gemeinsamen Schaffens.

    Das der preußische Militarismus und der deutsche Faschismus mit seinem völkischen Zerrbild und der Verballhornung des Nationenbegriffs zu einer gewissen Aversion der Deutschen vor Säbbeleasseln, Militärtraditionen, Überhöhung der Nation geführt hat, empfinde ich immer noch als richtig und befreiend.

    Wir definieren uns nicht über die Stärke unsere Armee, einer kulturellen Hegemonie oder die Pracht unserer Paläste. Wir sind in Folge des zweiten Weltkriegs ein bescheidenes Volk geworden.

    Doch dabei blieb es nicht. Die Erbschuld des Holocaust hat bitteren Zweifel hinterlassen, hat bei nicht wenigen zur Verachtung alles Deutschen geführt, mündend in der Anarchisten-Parole: „Nie wieder Deutschland!“
    Denn Deutschland schien der Leviathan, das böse Wesen an sich, unfähig zur Reue und Revision.
    Das mag für die frühe Bundesrepublik in wenigen Teilen gegolten haben, doch als das Schweigen aufgebrochen und die Erinnerung institutionalisiert wurde, blieb dennoch das Misstrauen und die Verachtung auf das eigene Land.

    Das führte zu einer Polarisierung, denn es gab konservative Kräfte, patriotisch gesinnt, mal nationalistisch, mal liberal, die in der Verteidigung der Traditionen und des Vaterlandverständnisses beide Augen verschlossen gegenüber radikalen Kräften und die einen Revisionismus und einen piefigen Patriotismus pflegten, der kulturell nach und nach den Anschluss verlor.

    So gelang jener Generation der Deutschlandverachter der Marsch durch die Institutionen und während auf dem Marsch alle Ideale hinsichtlich der sozialen Gerechtigkeit, alle Grundsätze der sozialen Marktwirtschaft, aller Antrieb zur Demokratisierung auf der Strecke blieb, überlebte der Selbsthass auf das Deutschsein den Aufstieg auf der Karriereleiter. Kompensiert durch die Ideologien der Europäisierung und des Multikulturalismus sollte der Staat und das Volk in etwas größerem aufgehen, in der Hoffnung, den Leviathan so einhegen und letztendlich ausmerzen zu können.

    Der Fehler war nicht aus deutschen Geschichte lernen zu wollen, denn sich ihrer zu vergewissern barg schon die Gefahr des Reaktionären, alles was war mündete in Ausschwitz und war daher abzulehnen.

    Natürlich blieb der humanistische Kanon, lass und verehrte man Schiller und Heine, gemeindete Mozart ein und säkularisierte Wagner. Aber allem vor ’45 haftete der Geruch des überkommenen, die Stunde Null sollte so wahrgenommen werden, die nationale Einigungsbewegung seit der Rheinbund sich gegen Napoleon stellte endete ’89 in einer weitestgehend technokratischen Eingliederung der verbliebenen Mitteldeutschen Staaten in das alliierte Kunstprodukt BRD.

    Kurioser Weise aber hat ein gesamtdeutsches Bewusstsein in der DDR stärker überlebt, vielleicht auch weil man mit Weimar und Berlin, mit der Wartburg und dem Kyffhäuser in dieser Geschichte tiefer verwurzelt war, als die Bonner Republik, die zwar von der Porta Negra bis zur Paulskirche auch eine historisierende Klammer formulieren konnte, diese aber abstrahierte auf eine lange Germanische Kulturgeschichte, von der das moderne Deutschland nur ein ferner Nebenarm sei.

    Jetzt, am Beginn des 21. Jahrhunderts, stehen aber alle Völker vor der Frage, wie sie sich ihrer Identität vergewissern und diese in Form von Traditionen und Kultur fortführen wollen und können. Noch sind die Sprachen einigender und trennender Teil, die Technik wird uns aber bald dolmetschen können, so dass die Notwendigkeit der Erlernung des Fremden nach und nach obsolet wird und letztendlich verschwimmt in einem globalen Universalismus. Land wird zu Verfügungsmasse der Freizügkeit von Kapital und Menschenfluss, landestypisches Brauchtum gerinnt zur touristischen Folklore für eine globale Reiseschar, die mehr vor der eigenen Identitätslosigkeit wegläuft, in der Hoffnung, in anderen, weniger selbstzweifelnden Gegenden noch Augenblicke von Authenzität zu erfahren.

    So ist heute der Kampf um nationale Identität ein ziemlich entscheidender, denn wir stehen an der Schwelle zu einem technologischen Totalitarismus, in der die Algorithmen künstlicher Intelligenz unsere Felder bestellen, unsere Ernten einfahren, unsere Bedürfnisse stillen und unsere Gesundheit überwachen werden. Dies fordert aber ein Höchstmaß an Berechenbarkeit und Formatierung, jedes Chaos, jede Form von Individualität oder Souveränität verkompliziert das System. So wird die Abweichung von der Norm zum Störfaktor und muss daher minimiert werden. Wenn man aber glaubt, sich ohne Gemeinschaft, ohne gewachsene Kultur und eine gruppenspezifische Mentalität diesem entgegenstellen zu können, wird man als einzelner scheitern. Nur die freien Völker können in ihrem Selbstbestimmungsrecht die Vielfalt verteidigen, die andernfalls zur Einfalt verkommt.

  29. Die Krankheit unsererer Zeit in den Wohlstandsgesellschaften ist die ins Groteske gehende Entfremdung von den eigenen Lebensgrundlagen -in jeder Hinsicht. Der Strom kommt aus der Steckdose, das Steak aus dem Kühlregal und das Geld aus dem Bankautomat. Sie beschreiben in Ihrem Artikel einen Aspekt dieser Krankheit: Die Entfremdung von den sozialen Lebensgrundlagen in Form der Verwurzelung im eigenen Volk. Was will man aber in einem Land erwarten, dessen Verfassungsgericht uns jüngst (im NPD- Verbotsurteil) kurzerhand und recht unbemerkt von der breiteren Öffentlichkeit mitteilt, der ethnische Volksbegriff sei mit dem Grundgesetz unvereinbar. Dies, nachdem dasselbe Gericht, natürlich mit anderer Besetzung der Richterbank, vor vierzig Jahren noch eine Pflicht der staatlichen Instituitionen festgesetellt hatte, die bestehende Zusammensetzung der Bevölkerung zu erhalten (Teso-Beschluß des Bundesverfassungsgerichts v. 21.10.1987, BVerfGE 77,137). Der Niedergang in diesem Land ist nicht mehr aufzuhalten und mit urdeutscher Gründlichkeit wird die deutsche Identität in den nächsten zehn Jahren seiner endgültigen Vernichtung zugeführt. Sieferle hat es klar erkannt.

  30. Danke für diesen anspruchsvollen Artikel.
    Eine gemeinsame kulturelle Identität ist für das Überleben unseres Landes wichtig. Ein „Mischmasch“ unterschiedlichster Identitäten führt tatsächlich zum „Nichts“.
    Bitte schicken Sie diesen Artikel an die Ministerin, die einen sehr eigenen Begriff von Integration und deutscher Kultur hat.

  31. Ein guter Artikel für das „Lesebuch der Oberstufe“ Ihre differenzierte Darstellung, lb.Herr Spahn, hebt sich wohltuend von der aktuellen historischen Monotonie in der veröffentlichten und weitgehend tabuisierten Meinung ab. Lediglich in einem Punkt würde ich weniger streng über die Deutschen in der NS Zeit richten. Welchen Mut zum Widerstand darf man fairerweise von Lieschen Müller und Otto Normalo in einem System der ständigen Bespitzelung, der Blockwarte, der Gestapo, der KZs fordern, wenn selbst der von einflußreichen Kräften, wie z.B. der katholischen Kirche eher zaghaft blieb? Ist dieser moralische Aufschwung nicht etwas pharisärhaft?

  32. Also lieber Herr Spahn unterschätzen Sie Ihre Leser nicht. Bei Düppel fielen mir natürlich sofort die Düppler Schanzen ein und der preussische Pionier Carl Klinke, der mit einer Sprengladung auf die erste Schanze losstürmte, sich selber in die Luft sprengte und so eine Öffnung der Schanze erzwang.

    Ansonsten, das was Sie ansprechen,ist ein „weites Feld“, so weit und heute so gut wie unbestellt, das man schon von einer Brache sprechen kann. Allerdings in der alten drei-Felder..Wirtschaft war die „Brache“ ein wichtiger Bestadteil der Fruchtfolge und wenn die Fruchtbarkeit der ersten zwei Felder nachließ, wurde die Brache wieder bestellt. Nehmen wir mal an, auch die Brache der „deutschen Identität“ wartet auf eine neue Bestellung mit den Werten, die zwar für eine Weile aus der öffentlichen Vorstellung scheinbar in Gänze verschwunden sind aber nicht so vollständig, dass eine Reanimation unmöglich wäre.

    Das kollektive „Unbewußte“ (C.G.Jung) auch das kollektive Unbewußte der eigenen Substanz hat dieTendenz dann wieder bewußt zu werden, wenn krisenhafte Situationen aufbrechen, wie wir sie heute erleben und beobachten.

    Jeder Geburtsakt ist eine Neuschöpfung, der auf Substanz und Fundament aufbaut, wo Unbewußtes wieder bewußt wird und sich selber erkennt.

  33. Vielen Dank Herr Spahn für Ihren Artikel!
    Mein Vater war Offizier der Wehrmacht, aber nachweislich kein Angehöriger der NSDAP. Er ist 1945 beim Rückzug des deutschen Heeres in der Nähe von Warschau um das Leben gekommen. Er wurde nur 37 Jahre alt und hat meine Mutter mit 4 Kindern als Witwe hinterlassen. Nach dem Abitur begann er seine Karriere bei der Bayerischen Landespolizei.
    Am 9. November 1923 versuchte Adolf Hitler in München zum ersten Mal, politische Macht zu erlangen. Sein Putschversuch wurde blutig niedergeschlagen. Auf dem Weg vom Bürgerbräu über die Innenstadt zur Ludwigstraße wurden die ca. 2.000 teilweise bewaffneten Putschisten vor dem Odeonsplatz durch die Bayerische Landespolizei aufgehalten, die, nachdem geschossen worden war, ihrerseits schoss: 15 Putschisten, 1 unbeteiligter Zivilist und 4 Polizisten starben. Nach der Machtergreifung ging die Landespolizei vom Land Bayern auf das Reich über und im Zuge der Aufrüstung der Wehrmacht im Heer auf.
    Warum der Österreicher Hitler nach dem misslungenen Putsch schon damals nicht abgeschoben wurde, ist eine interessante Frage? Offensichtlich haben wir daraus nichts gelernt.
    Ich finde es schäbig und niederträchtig, wenn unter Vernachlässigung der Geschichte und ohne Berücksichtigung der zeitlichen und persönlichen Situation ein ganzer Berufsstand, einschließlich eines ehemaligen Bundeskanzlers pauschal zu Nazis und Kriegsverbrechern erklärt wird. Mein Vater ist sicherlich nicht für Hitler gestorben, sondern für Deutschland. Auch sein unsinniger und viel zu früher Tod gehört für mich zu meiner deutschen Identität. Unsere damaligen Feinde und heutigen Freunde sind Gott sei Dank sehr wohl dazu in der Lage zwischen einem anständigen deutschen Soldaten und einem Kriegsverbrecher zu unterscheiden, sonst hätten sie in ihren Ländern deutsche Soldatenfriedhöfe nicht akzeptiert.

  34. Die Verdrängung der Geschichte ist ein Machtinstrument seitens der „Poltik“, um die Massen ruhig zu stellen. Dabei hat Schuld etwas mit Handeln zu tun, es gibt keine kollektive Schuld. Schuld ist immer individuell.

    Durch eine Geschichtliche Aufbereitung könnte man ja darauf kommen, dass die Nazis Sozialisten waren, dass es eine linken wie auch konservativen Sozialismus gab. (Die Kathedersozialisten waren konservative Kräfte). Vielleicht käme man ja drauf, dass die Masse von der Poltik genauso benutzt wurde, wie sie es heutzutage wird.

    Man könnte darauf kommen, dass der Antisemitismus aus der linken Ecke kam, die schon immer der Gewalt anhingen, um an das Eigentum von anderen Leuten zu gelangen. (Antifa läßt grügen) Dass der Begriff „Blut und Boden“ von August Winnig aus der SPD kam. Konservative und Sozialisten waren sich darin einig, dass der Liberalismus Englisch war und deswegen zu bekämpfen war, weil es den eigenen Machterhalt bzw. dem eigenen Machtanspruch schädlich war.

    Wir sollten mehr Freiheit wagen, dies bedeutet gleichzeitig weniger Politik, also weniger Merkel, weniger Schulz, weniger Junker, und, und. und

  35. “ Es war das deutsche Volk, weil es in seinem Namen geschah.“

    Nein, dazu kann ich so nicht stehen! Denn meine Großeltern waren auch Deutsche – und mein Großvater ist nur mit viel Glück und netten Nachbarn am KZ vorbei geschrammt. Er konnte und wollte seinen Mund nicht halten – und ihm gefiel die Politik Hitlers nun einmal nicht.

    Ja, es wurden im 3.Reich Millionen „Juden“ umgebracht, aber es wanderten auch jede Menge Regimegegner ins KZ. Das sollte man bitte nicht vergessen. Gerade die Menschen, die selbständig denken konnten, wanderten aus oder wurden zu Opfern in Deutschland. Der Aufbau des demokratischen Deutschlands musste ohne viele dieser Menschen bewerkstelligt werden. In das Loch, das da in der Gesellschaft entstanden war, maschierten gute 20 Jahre später die 68er. Ein Graf von Stauffenberg, Oskar Schindler, oder die Geschwister Scholl sind sicherlich allgemein bekannt, jedoch die vielen kleinen Bürger, die schon allein wegen ihrer Position im Leben, praktisch nichts bewirken konnten, aber trotzdem, soweit es ihnen möglich war (ohne die eigene Familie zu gefährden) Widerstand leisteten, die gibt es offiziell gar nicht.

    Es gab damals sicherlich in etwa gleich viel Regimegegner wie es heute Merkel-Politik-Gegner gibt. Und auch heute wieder kann der Einzelne von uns nichts bewirken. Wir sind zwar viel besser vernetzt als die Menschen vor 75 Jahren, aber wir fangen nichts damit an. Denn heute wie damals, denken wir alle zuallererst an unsere Familien. Heute wie damals sind wir fast alle nicht in der Lebends-Position etwas bewirken zu können. Heute wie damals hoffen wir auf einige Wenige. Dabei, wenn die 8 bis 15% AfD-Wähler aufstehen würden, eine Woche Urlaub, und dann ein Sternmarsch zum Kanzleramt. Dort stehen bleiben, bis Merkel weg ist. Es würde funktionieren, dessen bin ich mir sicher.

    • Danke, daß Sie das geschrieben haben.

      Ich zitiere mal eine Passage:
      „“Und auch heute wieder kann der Einzelne von uns nichts bewirken. Wir
      sind zwar viel besser vernetzt als die Menschen vor 75 Jahren, aber wir
      fangen nichts damit an. Denn heute wie damals, denken wir alle
      zuallererst an unsere Familien. Heute wie damals sind wir fast alle
      nicht in der Lebends-Position etwas bewirken zu können.““

      Ja, genau! Jetzt, da ich miterlebe, wie machtlos ich vielem ausgesetzt bin, kann ich die Worte meiner Großeltern nachvollziehen, die sagten, „was hätten wir denn tun können, als einfache Menschen, die ihre Familie ernähren und beschützen mußten.“
      Man darf auch nicht vergessen, daß Protest damals mit dem Tod enden konnte.

    • Dabei, wenn die 8 bis 15% AfD-Wähler aufstehen würden, eine Woche Urlaub, und dann ein Sternmarsch zum Kanzleramt. Dort stehen bleiben, bis Merkel weg ist. Es würde funktionieren, dessen bin ich mir sicher..Zitat Ende

      ..ich mir auch…danke für die klaren Worte

      Genau dies schrieb ich so oder ähnlich vor einigen Monaten , für mich ist genau das der Fallstrick der Geschichte,
      die Macht der Mächtigen …oder die Ohnmacht des Volkes.
      Meine Devise war viele Jahre, die einfachsten Dinge- sind auch zugleich die Effektivsten!

      Hier glaube ich allerdings geht mehr darum die Erkenntnis zu wecken.

      Die absterbende Energie wieder zu beleben , die noch in uns Allen schlummert.Machtlosigkeit basiert auf Unkenntnis …genau da setzt die politische Manipulation an.
      Sie ersinnt die perfekte Illusion der Verwirrung und dazu die Demontage der Vereinigung.(..wir sind zwar alle vernetzt, fangen aber nichts damit an..Zitat Ende)

      Ein Justizminister ist krampfhaft bemüht den politischen Querulanten als Reichsbürger zu demaskieren.
      Eine schwere unbestätigte Anschuldigung , man fragt sich wieviel Unwissenheit /Desinteresse /oder Vertrauen in solch arge Verleumdung ein Bürger aufzuwenden bereit sein wird.?
      Andersrum gefragt , wie blöde und vertrauenswillig möchte ein Politiker „seine Untertanen“ gerne um sich scharren können?

  36. Ist es nicht bereits längst geschehen? Ist der „Karton Deutschland“ nicht schon längst leer? Uns Ostlern haben sie die deutsche Geschichte nur aus der Sicht des Kampfes der Arbeiterklasse beigebracht und bald werden sie es „im Westen“ genau so machen und auch noch fröhlich dabei sein. Die Identität ist bereits hinüber, weil Traditionspflege, eigentlich ein Feld der Erinnerung und der Besinnung, gründlich vermint wurde. Wann werden sie die Siegessäule in Berlin niederreißen, wie die General Lee-Denkmale in den US-amerikanischen Südstaaten? Anlauf dazu wurde ja schon genommen vor wenigen Jahren, Sie erinnern sich sicherlich, Herr Spahn.
    Ich selbst habe diese Identität nur als spät in meinem Leben gelesene Geschichten erfahren: nachdem ich davon hörte habe ich mich nach entsprechenden Büchern umgetan, mir sagt Sedan und Düppel etwas, mir sagt der Pionier Klinke etwas und auch die Emser Depesche und Napoleon III. Und dann lese ich die Auslassungen darüber in WELT und ZEIT, sehe es auf den ÖR Spartenkanälen und dann sehe vor mir die Gesichter dieser Historiker, wie sie sich zusammen hinhocken und angestrengt debattieren, wie sie es denn drehen könnten, das Ding, so, wie sie es haben wollen und die Lüge guckt an jeder Ecke heraus. Sichtbar aber nur für den, der weiß.
    Seit 1918 hat das Linke in diesem Land unermüdlich an der Ausradierung einer dialektischen Beschäftigung mit unserer Vergangenheit, so wie Sie, Herr Spahn es meinten, seitdem hat das Linke in diesem Land in all seinen Verkleidungen und Verfärbungen unermüdlich an der Auslöschung der Identität gearbeitet. Mit Erfolg, wie sie heute mit dem Stolz des Idioten, der alles zertrümmert hat, verkünden dürfen.

    • Zum Glück gibt es das Internet. Hier bestärken uns auch andere Europäer und Amerikaner, auf Deutschland und seine Errungenschaften stolz zu sein.

      Die Berufs-Ideologisierer haben es durch das Internet und seine Kommentarfunktionen immer schwerer.

  37. Traurig aber wahr: die ergreifende Analyse der Deutschen Identität und einiger deren Formelemente erstarrt zum Ende des Traktats leider in etwas ambivalenter Larmoyanz. Geschichte vergeht jedoch nicht! Geschichte kann und sollte vielmehr die Glut, die Energiequelle für eine diskursive Auseinandersetzung mit Gegenwart und Zukunft sein.
    Nur – betrachten wir uns die traurige Personalie unserer sog. Volksvertreter und Entscheidungsträger: an banaler Mediokrität nicht zu überbieten. Mit einer geschichtsvergessenen, damaligen (?) kommunistischen Agitprop-Sekretärin an der Spitze…
    Denk ich an Deutschland in der Nacht..
    Dennoch: es besteht Hoffnung – durch eigenes Zutun. Und wenn es nur der Beginn des Endes einer alternativlosen Wahl sein möge.

  38. Alles ist im Fluss.
    Stell Dir vor es ist Krieg und keiner geht hin. Konsequenter Weise müsste der §12a GG vollständig gestrichen werden. Wenn keiner kämpfen will, dann lassen wir uns vielleicht versklaven (als Ungläubige) wenn die zeit es dann will. Auch eine Identitätsfindung für Pazifisten. In dem Zusammenhang gilt, wie oben benannt, das große Ganze. Entscheidender ist, die richtige Lehre daraus zu ziehen und sich nicht selbst anzuwidern, weil man „Deutscher“ ist, wie viele es in der Politik es tun. Sie können sich schon nicht mehr selbst ertragen und bekämpfen ihre eigene Identität. ICD hält da auch einen Code bereit.

  39. Phänomenal, Herr Spahn!
    Dieser Artikel ist mit jedem Wort ein Treffer.
    Ein Geschichtsdiskurs in komprimierter Form, der dem interessierten Laien auf die Sprünge hilft. Das Abwägen des Pro und Contra, das Ausleuchten der Parallelen in der Geschichte der genannten Staaten, all das müßte in unserem Land einen Denkprozess beflügeln. Aber in dem (ehemaligen) Land der Dichter und Denker ist es um´s Denken eher schlecht bestellt – umso besser funktioniert das Heulen mit den Wölfen…

  40. Lieber Herr Spahn,
    Ihr Artikel hat in mir eine tiefe Saite angeschlagen.
    Für mich persönlich heißt Deutsch sein nicht nur eine Akzeptanz der 12-jährigen NS-Zeit, sondern auch das Bewußtsein darum, daß die deutsche Geschichte mit ihren Protagonisten, angefangen bei Otto I. bis zum heutigen Tag so viel reichhaltiger ist, als heutzutage gelehrt wird. Wer wir sind, und was unsere Leitkultur ist, kann nur mit diesem Bewußtsein erfaßt werden. Mit der links-grünen Zerstörungsideologie wird versucht etwas zu konstruieren, was keinen Bestand haben kann, weil es kein vernünftiges Fundament hat. Man versucht dem eigenen Volk seine eigene Identität zu nehmen, um ihm eine multikulturelle überzustülpen, aber meine Hoffnung liegt in den Gebräuchen und Geschichten der einfachen Menschen, die von Generation zu Generation weitergegeben werden.

  41. Ein sehr sehr guter Bericht, den man am liebsten in jeder Schule im Politik Unterricht Vorträgen und zur Dikussion stellen sollte, ich kann zu 100 % zustimmen, Bravo!

  42. Bravo Herr Spahn,
    vielen Dank für Ihre Expertise.
    Aber auf dem Weg in den Sozialismus, den die links-grüne Kanzlerin für DE und
    Europa eingeschlagen hat, stört die Identität der europäischen Bürger nur.
    Sollen die Anhänger der Altparteien, inklusive MSM/ÖR, Kirchen etc. später
    nur nicht sagen: „Wir haben das Alles nicht gewußt“.
    Damals in den 12 Jahren, die uns immer wieder gebetsmühlenartig vorgehalten
    werden, gab es nur „Volksempfänger“ und Zeitungen, heute gibt es Internet.
    Wer sich objektiv informieren will, kann es auch tun, leider, so die „Propaganda-
    umfragen“ tun dies zu wenige. Die kleben an den Nachrichten etc. der ÖR etc.
    fest.

  43. Die deutsche Nationalidentität ist vielleicht deshalb so schwierig, weil schon 1848/49 die sogenannte kleindeutsche Lösung gewonnen hat und das deutsche Reich von 1871, nach Golo Mann eine Missgeburt der Geschichte, tatsächlich Klein-Deutschland war. Bayern, Baden und Württemberg haben zwar mitgemacht, was 1848 noch nicht so sicher war, sind aber, teilweise bis heute sehr eigenständig geblieben. Bismarck und der preussische Drang nach Vorherrschaft in Klein-Deutschland haben einen kulturhistorischen Bruch in die deutsche Geschichte gebracht, der stark in die nationale Identität hineinwirkt.

    • Mit Verlaub, diese Zusammenhänge kannten doch weder die Deutschlandhasser der 68er noch kennen die heutigen Politiker und Deutschlandabschaffer diese. Das interessiert diese auch überhaupt nicht, denn es geht denen nicht um historische Zusammenhänge, sondern nur um den ideologisch motivierten Zweck zur Erreichung ihres Zieles.

  44. Danke Herr Spahn für diesen wunderbaren Artkel.
    Das Fazit heißt für mich auch, jede Nation hat positive wie negative Aspekte in Vergangenheit und Gegenwart. Aber wer keine Identität und Nationalität hat , hat keine Wurzeln und damit keine Zukunft, denn jede Pflanze ohne Wurzeln geht jämmerlich ein.

  45. Sehr geehrter Herr Spahn, vielen Dank für Ihre immer wieder großartigen und exzellenten Artikel.

  46. Beethovens Sinfonien im Auto, Thomas Mann, Fontane im Herzen, ein Ausflug in die Alpen, eine Bootsfahrt durch den Hamburger Hafen, ein Spaziergang durch den Park von Sanssouci mit Besuch am Grab Friedrich des Großen, ein Foto meines Vaters in Marineuniform des WK II an der Wand, ein Besuch im Museum des 30-jährigen Krieges, Goethes Osterspaziergang rezitieren, einen anderen Autofahrer gern vor mir rein lassen, ein Lächeln für die alte Nachbarin, Pilze suchen in märkischen Wäldern, ein Moment der Ruhe in einer alten Kirche, Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt und vieles mehr, die Aufzählung lässt sich unendlich fortführen, ist meine Deutsche Identität und die lasse ich mir von einer Frau Özoğuz nicht nehmen, das wäre ja noch schöner.

    • Vor allem würde ich es mir aber von so einigen anderen Politikern verbitten, mit mir zusammen plötzlich einen auf ‚Deutsch‘ machen zu wollen. Und Frau Ö.? Diese Person hat keinen Schimmer, wie sehr sie ihrer eigenen Integration geschadet hat! In diesem Sinne: wir sehen uns hier und da; vielleicht auf dem Weihnachtsmarkt, oder im Museum ?

    • PS.: Die Welt ist ein Dorf. Und dabei vergisst man manchmal, wie viele Gemeinsamkeiten man haben kann. Ich habe übrigens hauptsächlich wegen der Bootsfahrt geantwortet. Am Hamburger Hafen fahre ich jeden Tag vorbei und Mein Vater war im II. WK ein sog. ‚Grauer Wolf‘. Gruss gymmat.

  47. Ich muß bei Herrn Spahn Abbitte leisten, da ich hier nicht immer seiner Meinung war. Aber dieser Beitrag ist einfach großes Kino und zeigt auf – nichts gegen die anderen Guten hier – daß er zu Tichys Besten gehört. Ich glaube nicht, daß eine Begründung – weshalb – nötig ist. Für die Bundestagswahl kann man sich hier den letzten Anstoß holen, das gegenwärtige Übel abzuwählen…
    Vielen Dank!

  48. Danke !
    Ein guter und vorallem auch moderner, zukunftsweisender Artikel zur Frage der Identität des Kollektivs „Deutsches Volk“ !

  49. Ein wunderbar offener und richtiger Artikel! Vielleicht auch angeregt durch Herrn Gauland?! Wie auch immer, aber Sie schreiben es ja selbst: „Die Vernichtung der deutschen Identität“. Eifrigst betrieben durch die eigene Politik und Regierung, durch Deutschlandhasser und Sich-Im-Schuldkomplex-Suhler aller Coleur, durch den EU-Beamten-und Politikermoloch und die stattfindende Islamisierung. Auf ein Volk treffend, daß nach 1945 durch Umerziehung der Sieger und danach verstärkt durch die Abschaffung und Diffamierung allen Nationalstolzes und Patriotismus als „rechtes Gedankengut“ durch die Deutschen selbst, heute völlig wehrlos ist und sich praktisch ergeben hat, bis hin zum bekannten und „berühmten“ Verstecken der Deutschlandfahne auf offener Bühne durch Frau M. Was soll man zu all dem noch sagen?

  50. Bravo, lieber Herr Spahn, vielen Dank für dieses treffende Essay, das wesentliche Kernpunkte der deutschen Identitätskrise benennt.

    Wenn man den schon bestehenden und realistischerweise noch stärker drohenden Verwerfungen etwas positives abgewinnen möchte, dann die Hoffnung darauf, dass ein Umdenken und eine Besinnung auf historisch wie gegenwärtig Verbindendes angeregt wird, die gemeinsame Identität als ein Wert anerkannt, statt beschämt verschwiegen oder gar aktiv bekämpft wird und der Blick auf uns selbst als Volk wieder einen Gehalt erhält, der über Versatzstücke aus Sonntagsreden und Sprechblasen hinausgeht.

  51. „Die Verbrecher waren nicht die Nazis, sondern die Deutschen“- mag ja stimmen für die die damals lebten und davon wußten. Wie Prof. Sieferle in „Finis Germania“ überzeugend darlegt, dürfte die weltweit einzigartige Annahme der ewigen Schuld im Sinne einer Staatsreligion doch entscheidend der Entwicklung einer normalen deutschen Identität entgegenstehen.

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