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Das Dogma vom Welteinheitskollektiv

Der Konstruktivismus – die gesellschaftsdominierende Variante des Neomarxismus

17.08.2022

| Lesedauer: 12 Minuten
Für die neomarxistischen Konstruktivisten steht das Modell einer elitär gesteuerten Welteinheitsgesellschaft als unvermeidliches Dogma fest – so wie einst die „klassenlose Gesellschaft“ für Karl Marx.

Es ist die Eigenart theoretischer Diskussionen im Elfenbeinturm, dass ihre Auswirkungen von den Betroffenen häufig überhaupt nicht wahrgenommen werden – oder erst dann, wenn es zu spät ist. Eine solche Diskussion, die dem 1989/90 in seinem Kern erschütterten Marxismus einen Ausweg aus seinem Dilemma zu bieten schien, begann 1992, als der deutsch-amerikanische Politikwissenschaftler Alexander Wendt in den USA einen Aufsatz unter dem Titel „ Anarchy is what states make of it: the social construction of power politics“ (Anarchie ist, was Staaten daraus machen: Die soziale Konstruktion von Machtpolitik) veröffentlichte. Sie sollte maßgeblich die Politik des bevorstehenden Jahrhunderts bestimmen.

Die Wurzeln des Konstruktivismus

Wendt legte in seiner Schrift etwas dar, das jedem ideologiefreien Beobachter politischer Prozesse mehr als trivial erscheinen muss: Die Tatsache, dass das Handeln – fachdeutsch: Interagieren – von Staaten nicht nur auf fest definierbaren und damit berechenbaren Strukturen beruht, sondern durch Prozesse des Wahrnehmens und Lernens beeinflusst wird. Der Sozialdemokrat Egon Bahr, dafür bekannt, sich nicht mit verkopften Debatten die Zeit zu stehlen, fasste diese banale Erkenntnis in einem Satz zusammen: „In der internationalen Politik geht es nie um Demokratie oder Menschenrechte. Es geht um die Interessen von Staaten. Merken Sie sich das, egal, was man Ihnen im Geschichtsunterricht erzählt.“

Ich lasse dahingestellt, dass auch Bahr in seiner dennoch marxistischen Prägung nicht die eigentliche Tiefe erkannt hatte, vielleicht auch nicht erkennen wollte. Denn tatsächlich geht es nicht um die Interessen von Staaten, sondern um die Interessen von Personen. Sowohl politische Strukturen als auch die darauf basierenden Prozesse sind nicht komplex zu erfassen, solange der tatsächlich die politische Interaktion sowohl zwischen Individuen und Gruppen als auch zwischen Staaten und Staatengemeinschaften bestimmende Aspekt nicht berücksichtigt wird. 

Ob die Selbstvernichtung der europäischen Imperien im 20. Jahrhundert, ob die expansionistische, postsowjetische Politik Russlands oder der Isolationismus des Vereinigten Königreichs – verständlich und nachvollziehbar werden diese Entwicklungen und Geschehnisse nur dem, der die Psyche eines Friedrich Wilhelm Viktor Albert von Preußen, eines Nikolaus Alexandrowitsch Romanow, eines Adolf Hitler oder eines Wladimir Putin und eines Boris Johnson versteht. 

Menschen bestimmen den Gang von Politik – nicht Strukturen oder Prozesse. Diese sind lediglich Konsequenz menschlichen Handelns. Nicht nur in der internationalen Politik, für die Wendt sein Theoriemodell entwickelt hatte – auf allen Ebenen politischer und sozialer Interaktion ist die Psychologie der jeweils Agierenden der alles bestimmende Faktor. Es greift bis in die unterste, kommunalpolitische, ja sogar die vorpolitische, private Ebene. Dennoch – und daran leidet die marxistisch geprägte Theorie der politischen Wissenschaften bis heute – gibt es keinen einzigen Lehrstuhl für politische Psychologie. Stattdessen jedoch längst solche der Politischen Soziologie und selbst einer sogenannten „Geschlechterforschung“.

Die Mechanistik des Karl Marx

Der deutsche Staatsrechtler Carl Schmitt schrieb Anfang des 20. Jahrhunderts: „Mit dem mechanistischen Naturbild des siebzehnten Jahrhunderts entwickelt sich ein staatlicher Machtapparat und die schon oft geschilderte ‚Versachlichung‘ aller sozialen Beziehungen.“

Karl Marx, von seinen Anhängern als großer Philosoph gefeiert, bewegt sich in seinem neunzehnten Jahrhundert gleichwohl in den Konsequenzen jener Denkwelt des Siebzehnten. Die Mechanisierung des Natürlichen als unvermeidbare Befreiung aus den Zwängen dessen, was der Mensch als Natur bezeichnet, führt, versinnbildlicht durch die Industrialisierung der modernen Welt, in einen bis heute ungelösten und unlösbaren Konflikt: Die Überwindung der Natur, die den Menschen des Industriezeitalters und danach erst möglich macht, ist gleichbedeutend mit der Vernichtung des Natürlichen und kehrt sich so zur globalen und individuellen Bedrohung gegen den Zerstörer selbst.

Der Mechanist Marx allerdings war aufgrund der Lebenssituation der Mitte des 19. Jahrhunderts weit davon entfernt, die Konsequenz dieser Mechanistik verstehen zu können. In seinem dennoch darauf basierenden Denken entwickelte er, inspiriert durch die Lebenswirklichkeit seiner Zeit, ein dogmatisches Geschichtsverständnis mit bestimmenden, sozialen Strukturen und als Gesetzmäßigkeiten bezeichneten, deterministisch-mechanischen Entwicklungsstufen. Marx entwirft ein soziales Modell, in dem die Entwicklung von Urmensch über Sklavenhaltergesellschaft und Kapitalismus zum Kommunismus ein zwangsläufiger, ein determinierter Automatismus ist.

Der darauf basierende Marxismus ist ein Versuch von vielen, das Chaos und die Unberechenbarkeit der Existenz zu ordnen, indem historische Prozesse als scheinbar zwangsläufig und künftige Erwartungen als unweigerlich sich daraus entwickelnde Zukunftssituation definiert werden. Als „sozialwissenschaftlich“ unterscheidet sich dieser Versuch von früheren, ähnlich gelagerten Modellen einer das Chaos erklärenden Ordnung lediglich dadurch, dass als entscheidender Akteur der Mensch an die Stelle eines übernatürlichen Wesens rückt – wobei Letzteres in den als Religion bezeichneten Ordnungsmodellen lediglich den Handlungsrahmen bestimmt und damit letztlich auch dort der Mensch zum eigentlichen Akteur wird. Der unverzichtbare Glaubensfaktor der bedingungslosen Annahme des Ordnungsmodells als faktische Realität ist beidem inhärent – nicht ohne Grund versuchte Marx, sein Opium für den selbsterklärten Progressiven als Mitglied einer künftigen Weltelite in den Gegensatz zum Opium für das Volk, welches der Klerus verabreiche, zu stellen.

Die Erschütterung des Marxismus

Deterministischen Modellen ist zu eigen, dass sie in ihren Grundfesten erschüttert werden, wenn der als unweigerlich definierte Ablauf der Entwicklung von den Determinanten abweicht. So, wie der reale Beweis einer Gottesexistenz notwendig das Ende des Glaubens als unbeweisbare Annahme einer solchen bedeuten muss, so erschütterte der Zusammenbruch des real existierenden Sozialismus um 1990 die marxistische Glaubensannahme des determinierten Ablaufs menschlicher Entwicklung. Zwar hatte sich für die Erklärung der Unberechenbarkeiten des Chaos spätestens seit Lenin der Begriff der „Konterrevolution“ als letztlich untauglicher Versuch, die unvermeidbare Entwicklung aufzuhalten, etabliert – doch der Zusammenbruch des Sowjetsystems, welches in der Logik des Marx notwendig in die kommunistische Endstufe menschlicher Entwicklung hätte führen müssen, war konterrevolutionär nicht zu erklären.

Die unweigerliche Erkenntnis, dass Politik über den Faktor Mensch unberechenbar wird und eben nicht in deterministisch-logischen Gesetzmäßigkeiten zu erklären ist, war in einer Denkschule, die wie der Marxismus auf gedachten Gesetzmäßigkeiten zu beruhen hat, nicht vorstellbar und deshalb nicht zulässig. Somit folgte das, was unvermeidbar ist in der Überzeugung, die Natur des Chaos’ mit menschengedachten Gesetzmäßigkeiten überwinden zu können: Die Irritierten der Mechanistik des 17. Jahrhunderts suchten die Fehler nicht in der rückbezüglichen und naturfremden Mechanik ihres Denkens, sondern unternahmen nun den Versuch, eine naturferne Mechanistik des 21. Jahrhunderts zu entwickeln. 

Das alles wäre wenig dramatisch, bewegten sich die Konsequenzen solcher Verkopfungen lediglich in den Elfenbeintürmen der damit Beschäftigten. Doch der 1958 in Mainz geborene Wendt legte mit seinem Aufsatz den Grundstein zu einer Lehre des Konstruktivismus, die seitdem schleichend erst zum bestimmenden Faktor in der politik-theoretischen Diskussion wurde, um dann in die Realpolitik einzusickern. Wobei hier nun nicht mehr die alleinige Verantwortung auf dem am Ende doch zu kurz gedachten Ansatz des Professors an der Ohio State University liegt, sondern in der Okkupation des Konstruktivismus durch die neomarxistischen Welterklärer.

Von der Erkenntnis des menschlichen Faktors zur neomarxistischen Ersatzutopie

Um die Entwicklung und deren Auswirkung auf die reale Politik zu verstehen, ist die Feststellung unverzichtbar, dass die aus der Mitte des 19. Jahrhunderts stammende Politiktheorie des Marxismus mit der Implosion der Sowjetunion 1989/90 ihren bis dahin heftigsten Rückschlag hatte hinnehmen müssen. Konservativen und klassischen Liberalen galt zu diesem Zeitpunkt der Marxismus als eine durch den Ablauf der Geschichte final überwundene Irrlehre aus dem Nähkästchen der Kollektivisten – sie verkannten, dass zwar die auf sozialistischen Strukturen aufgebauten Staatswesen gescheitert waren, damit jedoch nicht das antiliberale, kollektivistische Gedankengut aus den Köpfen von Sozialisten entschwunden war.

Da Sozialisten wie alle Utopisten sich nicht am politischen Pragmatismus und der realen Welt orientieren, sondern an herbeigesehnten Visionen, deuteten sie den Zusammenbruch des Sowjetmodells russischer Prägung entweder als Folge böswilligen Handelns der von US-Imperialisten gesteuerten Kapitalisten als Klassenfeind oder als temporäres Versagen der jeweiligen, von der wahren Lehre des Sozialismus abweichenden Führung. Kurzum: In der links-kollektivistischen Doktrin setzte sich die fast schon klassische Vorstellung durch, dass man es beim nächsten Anlauf dann besser und richtig machen werde. Klassisch ist diese Vorstellung, da sie eine fast schon unvermeidbare, psychische Reaktion auf die Unfähigkeit zur Erkenntnis des eigenen Versagens ist – wer gesteht sich schon gern ein, sein Leben lang einer irrigen Vorstellung angehangen zu haben?

Die Theorien des Konstruktivismus schienen hier den idealen Ausweg aus dem Dilemma des Selbstzweifels zu weisen. Aus der banalen Erkenntnis, dass Politik maßgeblich durch politische Prozesse bestimmt werde und nicht auf strukturellen „Gesetzmäßigkeiten“ beruht, entwickelte sich das Theorem, dass es im Bereich der politisch-sozialen Interaktion keine Wahrheiten gäbe, sondern lediglich gedachte oder gefühlte Wirklichkeiten. Zwar ist, wie ich vor einiger Zeit in „Wahrheit, Religion, Wirklichkeit“ dargelegt hatte, auch dieses keine neue Erkenntnis mit Blick auf die Selbsterklärung des Individuums, welches notwendig in selbst geschaffenen Wirklichkeiten lebt, doch führte der neomarxistische Elfenbeinturm zu der Annahme, dass alles, was als real und faktisch bezeichnet wird, nichts anderes als ein Konstrukt menschlicher Vorstellungskraft sei.

Die neomarxistische Konstruktion des Nicht-Realen

Wenn es nun jedoch keine Wahrheiten – und schon gar keine ewigen – gibt, dann ist alles, was an menschlicher Interaktion geschieht, letztlich nur eine Frage der jeweiligen Wahrnehmung. Da Marxisten mit ihrem begrenzten Erkenntnishorizont jedoch nicht ohne das Denken in Strukturen existieren können, folgte aus dieser These der unvermeidbare Schluss, dass gesellschaftliche Strukturen entgegen protomarxistischer Theorie allein durch eine Veränderung der gesellschaftlichen Wahrnehmung zu überwinden sind.

Der Konstruktivismus wurde damit zum Rettungsanker jener „neuen Linken“ aus europäischer Denkschule, die angesichts ihres revolutionären Scheiterns 1967/68 hatte erkennen müssen, dass der Versuch des gewaltsamen Umsturzes in modernen Wohlstandsgesellschaften chancenlos ist. Die Wahrnehmungstheorie der Neunziger paarte sich gleichsam mit dem postrevolutionären Ansatz der Sechziger, die angestrebte Systemüberwindung durch einen „Marsch durch die Institutionen“ zu bewirken.

So übernahmen nun jene neomarxistischen Maoisten die Führung, deren klassischer Anspruch der Überwindung des reaktionär-bürgerlichen Systems nebst der kapitalistisch-imperialistischen Strukturen seit eh davon ausging, sich nicht darauf beschränken zu können, die Produktionsmittel in die Hand einer Arbeiterklasse zu geben und damit die Machtstrukturen umzukehren. Vielmehr könne – so auch belegt durch das sozialistische Scheitern Ende der Achtzigerjahre – die Revolution nur dann nachhaltig Erfolg haben, wenn sie von einem neuen Menschen getragen wird. Diesen zu schaffen, was sich Marxisten wie Mao und Pol Pot noch mit brachialer Gewalt und Massenvernichtung vergeblich bemüht hatten, schien nun gewaltfrei über den Weg der Veränderung der gesellschaftlichen Wahrnehmung möglich.

Hatte Karl Marx noch den Satz geprägt, wonach das Sein als individuelle Existenzerfahrung das Bewusstsein als Wahrnehmung und Reflexion der Wirklichkeit präge, kehrte sich dieser Lehrsatz faktisch um. Im neomarxistischen Konstruktivismus prägt das Bewusstsein das Sein. Nicht durch die Veränderung oder Überwindung bestehender Strukturen wäre demnach das utopistische Ziel zu erreichen, sondern die Überwindung „des Reaktionären“ wird nun als Konsequenz durch die Veränderung des Bewusstseins unvermeidbar herbeigeführt.

Die sozialistische Revolution verließ damit scheinbar ihren ursprünglichen, gewalttätigen Ansatz der Vernichtung des „Klassenfeindes“ als Synonym des bestehenden Systems. Ihr Instrument wurde die kontinuierliche Umerziehung der Köpfe. Sind in den Köpfen des Menschheitskollektivs die vorrevolutionären, „reaktionären“ Strukturen überwunden und durch „progressives“ Denken ersetzt, ist das revolutionäre Ziel auch ohne die Anwendung physischer Gewalt erreicht. Die Tatsache, dass das angestrebte Ziel nur über psychische Gewalt als Vergewaltigung der Individualität des zum bloßen Objekt degradierten Menschen zu erreichen ist, spielt dabei keine Rolle – sie hatte es auch nicht gespielt, als die Macht der Revolution noch aus den Gewehren kam.

Gesellschaftliche Gewissheiten müssen zu Ungewissheiten werden

Soll das Bewusstsein des Objekts nachhaltig verändert werden – womit wir nun zum wiederholten Male einen der klassischen Begriffe der Bewusstseinsänderung verwendet haben, denn „Nachhaltigkeit“ synonymisiert das Ewig-Positive des Progressivismus –, müssen gleichwohl notwendig bestehende Strukturen überwunden werden. Denn auch wenn der Konstruktivismus in der Theorie letztlich selbst das Vorhandensein solcher Strukturen als bloße Konstrukte verneint, so bleiben Konstruktivisten in ihrer geistigen Enge dennoch gefangen in den alles ordnenden, strukturellen Grundprämissen sozialwissenschaftlich-mechanistischer Gesellschaftsbetrachtung.

In der Sprache der Theoretiker bedeutet dieser Prozess, angebliche „Wahrheiten“, die sich über logische Ja-Nein-Beziehungen als „wahr“ oder „unwahr“ feststellen lassen, durch Wirklichkeiten als dem, was das Individuum als „die Welt“ betrachtet, zu ersetzen. Konkret: Gesellschaftliche Gewissheiten müssen zu Ungewissheiten werden, bei denen es keine Bedeutung hat, ob sie von „der Reaktion“ als wahr oder unwahr bezeichnet würden. Das totalitäre Ziel liegt auf der Hand: Eine Gesellschaft, die ihre bestehenden Gewissheiten verloren hat, agiert wie ein Schwamm, der alles aufsaugt, was mit einem „richtig“ oder „falsch“, „gut“ oder „böse“-Label ersatzweise angeboten wird. Damit kann es sogar gelingen, den zu prägenden Menschen von morgen derart von der Natur seines Seins zu entfremden, dass er in der Perfektion des Mechanistizismus zu einer fremdgesteuerten Schablone im Menschheitsprozess wird: das willige Opfer als beliebig und uneingeschränkt manipulierbare Nicht-Identität anstelle des selbstbewussten, schwer steuerbaren Individuums.

Ein neomarxistischer Konstruktionsfehler des Konstruktivismus

Neomarxistische Konstruktivisten unterliegen dabei allerdings einem in der naturfremden Mechanistik weit verbreiteten Denkfehler, welcher die mathematische Logik von Ja-Nein-Prozessen der Wahrheitsfeststellung ausblendet und stattdessen von konkurrierenden „Wahrheiten“ ausgeht, welche selbst wiederum nichts anderes sind als individuell konstruierte Wirklichkeiten, welche tatsächlich seit ewigen Zeiten als gesellschaftliche Konstruktionen festzustellen sind. In dieser Fehlannahme ersetzt jedoch notwendig „Haltung“ als Bekenntnis zum ideologisch korrekten Konstrukt in der Abgrenzung zu anderen, nicht haltungsgerechten Konstrukten die Wahrheitserkenntnis und es ergibt sich die Möglichkeit, Begriffe, die bestehende Strukturen oder Wahrheiten definieren, entweder zu diffamieren oder mit neuen, konstruktivistisch geprägten Inhalten zu füllen, welche positiv im Sinne der angestrebten Systemüberwindung zu besetzen sind.

Die politische Faszination der damit zwangsläufig einhergehenden Überwindung der Wissenschaftlichkeit, in der haltungsgerechte „Modellierungen“ den empirischen ebenso wie den hermeneutischen Erkenntnisprozess ersetzen, ergibt sich allein schon aus der Tatsache, dass damit jedwedes bislang als Erkenntnis geltendes, wissenschaftliche Faktum als Konstrukt ausgeblendet und jedwedes utopistische Ziel als pseudowissenschaftliches Faktum konstruiert werden kann. Dieser Prozess läuft in der konkreten Phase der gesellschaftlichen Umgestaltung maßgeblich über das „Framing“, mittels dessen Ereignisse in sogenannte „Deutungsraster“ eingebettet werden. Diese basieren auf konstruktivistischen  „Narrativen“ – zielorientiert konstruierte Erzählzusammenhänge, in denen die zuvor gezielt konstruierten Ungewissheiten neu und scheinlogisch sowie sozial „gerecht“ eingebettet werden.

Angriffsfeld Jugend

Um ein in soziale und historische Gewissheiten eingebettetes Individuum neu zu konstruieren, reicht es jedoch nicht aus, aus narrativen Erzählgeschichten Ersatzgewissheiten zu produzieren. Denn die Erfahrung lehrt, dass ein in sich selbst ruhender, selbstgewisser Mensch solche Ersatzgewissheiten an sich abprallen lässt. Der neomarxistische Anspruch des Konstruktivisten muss daher darauf ausgerichtet sein, die Selbstgewissheit des umzuerziehenden Individuums zu zerstören. Folglich gilt es, das, was das Individuum als sich selbst ausmacht und was wir gemeinhin als Identität bezeichnen, zu vernichten. Das wiederum lässt sich nur erreichen, wenn jene Träger der Identitätsbildung ausgeschaltet werden, welche diese Funktion seit Jahrtausenden übernommen hatten.

Das vorrangige Ziel der konstruktivistischen Neugestaltung musste insofern der noch nicht geprägte, junge Mensch sein, dessen existenzielle Bedeutung durch Verweigerung des Prozesses des Erwachsenwerdens in der dauerpubertären Gesellschaft deutlich über die biologisch festgelegte Zeitphase hinaus verlängert werden kann. So ist beispielsweise der selbst von der katholischen Kirche mitgetragene Angriff auf das tradierte Modell der heterosexuellen Familie nur scheinbar Folge eines gesellschaftlichen Wandels. Vielmehr wurde dieser angestrebte Wandel zuvor konstruiert, um dann mit den Instrumentarien der Manipulation als scheinbar unwillkürlich eingetretene Entwicklung durchgesetzt zu werden. In diesem konkreten Fall galt es, dieses erfolgreiche und tradierte Modell bei allen individuellen Mängeln als systemrelevantes Konzept gezielt zu ersetzen durch Modelle rudimentärer und unvollständiger Identitätsbildungsmöglichkeiten, in denen die Aufgabe der Identitätsbildung zunehmend mehr von der familiären Individualbetreuung auf die Kollektivbetreuung und -beeinflussung verlagert wird. Ob Erwerbszwang bei Familien oder besser noch Alleinerziehenden – die Verlagerung des Betreuungsschwerpunktes aus dem familiären Sektor in den öffentlichen der staatlichen Kinderbetreuung von der Krippe bis hin zur Ganztagsschule entzieht die kindliche Identitätsbildung den als potenzielle Widerstandsfelder erkannten, angeblich reaktionären Feldern der bürgerlichen Identitätsbildung und schafft damit die ideale Voraussetzung des manipulierbaren, dauerhaft Nicht-Erwachsenen.

Geschlechtsverwirrung in der Pubertät

Perfektioniert wird die Erziehung zur identitätsgehemmten Individualität durch gezielte Verwirrung in der für die Individualentwicklung maßgeblichen Phase der Pubertät. Die biologisch absurde Leugnung einer natürlichen, geschlechtlichen Prägung als angebliches Ergebnis sozialer Konstrukte mit der darauf aufbauenden Pseudosexualisierung über nonbinäre, genderfluide und sonstige Geschlechter, die längst und zumeist von der Mehrheitsgesellschaft zumeist unbemerkt tief vor allem in die universitären Betriebe ebenso wie in die von jungen Menschen genutzten (Internet-)Medien eingedrungen ist, zerstört gezielt die in der kindlichen Entwicklungsphase noch als selbstverständlich empfundene, biologisch vorgegebene Selbsteinordnung als Junge oder Mädchen und damit die unverzichtbare Basis einer erwachsenen Identität.

Behauptete Geschlechterrollen werden unabhängig davon, ob das Kind sie aus eigener Veranlassung gewählt hatte oder ihm diese tatsächlich von den Eltern aufgegeben wurden, im Narrativ einerseits zum vergewaltigenden Eingriff in die sexuelle Selbstbestimmung und gleichzeitig zur Begründung gefühlter, vom biologischen Geschlecht abweichender Orientierung: Spielt ein Mädchen mit Puppen, ist dieses die soziale Vergewaltigung durch eine nach Geschlechterrollen organsierte Gesellschaft – stellt ein der Pubertät jüngst entwachsener Mensch mit männlichen Geschlechtsmerkmalen fest, dass er als Kind eine Affinität zur Farbe rosa hatte, denkt er sich selbst als non-binär oder transsexuell (was nicht ausschließt, dass biologische Fehlschaltungen jenseits der politisch bezielten Konstruktion tatsächlich transsexuelle Personen schaffen).

Sexualverwirrung als Einfallstor der Manipulation

Da die Geschlechtszuordnung ein, wenn nicht das zentrale Element der identitären Selbstgewissheit eines erwachsenen Menschen ist, wird die Verursachung sexueller Ungewissheit zum idealen Einfallstor der konstruktivistischen Gehirnsteuerung. Darauf aufbauend sowie parallel dazu gilt es, die individuelle Selbstgewissheit maßgeblich zudem über die Vernichtung klassischer Identitätsgruppenzuordnungen zu zerstören. Eine Gesellschaft, die mit ihrer Genderfluidität beschäftigt ist, verliert den biologischen Bezug zu Geschlecht und familiärer Bindung als schützender Hort der Eigenreproduktion. Die Vernichtung der identitätsbildenden Gewissheiten beginnt hier bereits in dem Moment, in dem gleichgeschlechtliche Beziehungen für sich tradierte Begriffe binärer Beziehungen okkupieren und damit sinnentleeren. Aus der genderfluiden Gesellschaft wird eine zielfluide, deren Mitglieder sich durch steuernde Eliten nach Belieben manipulieren und für die eigenen Zwecke einsetzen lassen.

Ähnliche Versuche hat es in der Menschheitsgeschichte schon immer gegeben und sie reduzieren sich nicht auf jene marxistischen Umerziehungsradikalismen eines Stalin, Mao oder Pol Pot. Auch die Scheinwissenschaft des Rassismus funktionierte nach ähnlichem Muster, indem sie sämtliche Ebenen des gesellschaftlichen Diskurses übernahm und dominierte und jede von ihren Scheinerkenntnissen abweichende Tatsache und Annahme als gesellschaftsschädlich diffamierte. In der aktuellen Dominierungsphase des neomarxistischen Konstruktivismus eingesetzte Begriffe wie „transfeindlich“ und „Biologismus“ korrespondieren auf fast schon perfekte Weise mit seinerzeit eingesetzten Begriffen wie „volksschädlich“ oder „Verjudung“.

Ihr Ziel ist es, jeglichen von der eigenen Haltung abweichenden Diskurs zu verunmöglichen und deren Vertreter als Feinde dessen, was seinerzeit „Volkskörper“ und heute nicht minder irreführend als „demokratische Gesellschaft“ bezeichnet wurde und wird, aus der gesellschaftlichen Wahrnehmung auszugrenzen. Standen derartige Begriffe damals für konkrete Ausgrenzungs- und schließlich physische Vernichtungsmaßnahmen „zur Säuberung des deutschen Volkskörpers“, beschränken sie sich derzeit noch darauf, wissenschaftliche Grundlagenerkenntnisse als „längst widerlegte Thesen“ aus dem öffentlichen Bewusstsein zu verbannen.

Das Dogma des Welteinheitskollektivs

Für die neomarxistischen Konstruktivisten steht das Modell einer elitär gesteuerten Welteinheitsgesellschaft als unvermeidliches Dogma fest – so wie Marx einst die „klassenlose Gesellschaft“ als deterministisch definierte (und damit lediglich die physische Vernichtung aller Nicht-Arbeiterklassen meinte), gilt den Konstruktivisten das auf der One-World-One-People-Philosophie basierende, über sogenannte „Zivilgesellschaften“ organisierte Eine-Welt-Prinzip als zwangsläufig. Hierbei gilt es, neben den haltungsabweichenden, individuellen Identitäten auch deren Träger zu überwinden – was konkret auf den Europäer als „weißen“ Mann zielt, dessen ebenfalls als Konstruktion zulasten einer unterdrückten Mehrheit betrachtete Realität der globalen Wirklichkeit als allein verantwortliche Ursache globaler Ungerechtigkeit und behaupteter Vernichtung der Lebensgrundlagen, für die sich das Attribut „natürlich“ angesichts des Mechanizismus des neomarxistischen Konstruktivismus per se verbietet, konstruiert wird. 

Um den Prozess zu beschleunigen, müssen weitere, „reaktionäre“ und die Individualidentität prägende Gewissheiten vernichtet werden. Hierzu zählt neben der klassischen Biologie der Geschlechter und der darauf basierenden Idee der menschlichen Familie als identitätsprägende Erziehungsgemeinschaft vorrangig die Idee von Nation und Nationalstaat, die, ausgehend von Europa, die weltgeschichtlichen Abläufe in den vergangenen zwei Jahrhunderten maßgeblich in Folge des napoleonischen Universalstaatsgedankens bestimmten. Die Bestrebungen der neomarxistischen Konstruktivisten sind geprägt von der als unweigerlich begriffenen Utopie, aus der Divergenz zahlloser Ethnien, Völker und Nationen diese einheitliche „One-People-World“ im Sinne des marxistischen Gleichheits-Begriffs zu schaffen, welche einer globalen Führung bedarf. Diese liegt in den Händen einer Gruppe „wohlmeinender Diktatoren“, deren Machtanspruch sich aus der unterstellten Tatsache generiert, dass sie über die notwendige Erkenntnis verfügen, die neukonstruierte Wirklichkeit zu schaffen und zu bewahren.

Das konstruktivistische Paradoxon

Einmal abgesehen davon, dass wir von einem konstruktivistischen Paradoxon sprechen können, weil dann, wenn alles menschliche und politische Handeln letztlich nur auf konstruierter Wahrnehmung basiert, auch der Konstruktivismus selbst ein Konstrukt ohne jegliche Bedeutung ist, weil er gleich einem Perpetuum mobile sich selbst auf der Grundlage einer sich aus dem Irrealen geschaffenen Konstruktion selbst konstruiert und dabei mangels realer Fixpunkte in einem selbst konstruierten Universum nur noch um sich selbst kreist, hat die Geschichte mehr als einmal bewiesen, dass ehedem als Visionen oder Utopien bezeichnete Konstrukte menschlicher Zukunftsperspektive an den Fakten des Realen zerborsten sind. Bewiesen allerdings hat sie auch, dass dieses Scheitern in der Regel mit zahllosen Opfern verbunden ist – zumindest ist kein Fall bekannt, in dem das nicht der Fall gewesen wäre.

Dem neomarxistischen Konstruktivismus wird es auf mittlere Sicht nicht anders ergehen – bis dahin allerdings wird er noch dermaßen viel Unheil anrichten, dass die dann vielleicht überlebende Menschheit als geheilt von Utopismen jeglicher Art eine neue Seite in ihrer Evolutionsgeschichte aufschlagen könnte. Wobei, das soll nicht unterschlagen, dass auch diese Erwartung nichts anderes als ein geistiges Konstrukt ist, welches mit der Realität nicht das Geringste zu tun haben muss.


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19 Kommentare

  1. Sehr schön, Herr Spahn, wirklich!
    Ich bin vor über 20 Jahren eher zufällig in eine Heidelberger Tagung zum Thema Konstruktivismus geraten (eine Rose ist eine Rose ist eine…), welche von Psychologen organisiert war und eine Art „gesamtheitlichen Ansatz“ versuchte. Neurologe wie Mathematiker, Biologen und Chemiker waren auf der Suche nach der Realität.
    Bekanntlich sah schon Platons Höhlengleichnis Probleme bei Wahrnehmung und Wirklichkeit, ein altes Thema. Ich würde Konstruktivismus als eine gewisse Mode betrachten, die evtl in der Psycholgie eine gewisse Blüte erlebte, wenn auch eher in einer Nische.
    Das theoretische Problem des Regresses ähnelt Kants apriorischer Aussagen oder Feststellungen. Mögen allerlei Phänomene „Konstruiert“ sein, selbst Wahrnehmungen, letztendlich gibt es dennoch „Wirklichkeit“, nicht nur als sozialen Konsens, sondern ganz losgelöst von menschlichen Betrachtungen, Meinungen oder Theorien. Ebensowenig wie Charlie surft, interessiert es einen Baum oder einen Berg oder Planeten, wie gut menschliche Wahrnehmung von ihnen funktioniert, ob sie zu richtigen oder absurden Annahmen gelangen. Sie sind.
    Und natürlich sind wir auch. Nicht als Gefühl oder Konsens, sondern als biologisches Wunderwerk, daß zu Gefühlen und Wissen in der Lage ist. 1+1=2 ist ein ziemlich guter Einstieg ins Sammeln von Wissen, eine echte logische Leistung und Erkenntnis.
    Seit diversen Jahren erfreuen uns viele US-Universitäten mit vielen Ideen zur Weiterentwicklung des Feminismus, struktureller Unterdrückung, Marginalisierung, Identitätspolitik und natürlich dem unvermeidlichen Kulturmarxismus, der sich überall bedient. Der von ihnen verwendete Begriff des neomarxistischen Konstruktivismus dürfte weitgehend Synonym sein.
    Kulturmarxismus ist ein Sammelsurium, sein konstruktivistisches Fundament ein neuer Name für alten Wein. Der marxistische Materialismus ist nicht nur mechanistisch und deterministisch, er selbst ist schon Konstruktivistisch und wie jede klassische Religion selbstreferenziell. Das ständige Nichtwissen belegt den Glauben, der Gott belegt, also beweist der Glaube die Annahme, ohne zu Wissen zu werden. Aristoteles hätte mit einer solchen Logik vermutlich seine Probleme, Sokrates wohl auch.
    So interessant auch immer diese akademischen Fingerübungen sein mögen oder auch nicht, wir können an der Medienoberfläche zahllose Kulturmarxistische „Anwendungen“ wahrnehmen, ebenso in zahllosen politischen Äußerungen aus rotgrünen, also typisch linken Adressen.
    Es wird sehr typisches Vokabular genutzt, fast alles emotionalisiert, die Stuhlkreise und küchenpsychologischen Selbsterfahrungsgruppen rempeln einen überall an, insbesondere in Politik und Medien, wenn auch offensichtlich in vulgären Varianten. Es muss halt gut klicken, Aufmerksamkeit und Reichweite generieren. Das setzt zwingend radikale Verflachung und möglichst gute Eingängigkeit voraus, wie gute Lieder oder Ohrwürmer. Intelligent oder gar richtig muß nix davon sein. Führt der falsche Glaube zur richtigen Wahlentscheidung, hat die offensichtlich praktizierte Massenmanipulation ihren Dienst getan, das Ziel wurde erreicht.
    Dass sich Politik immer mehr und offener massenpsychologischer Werkzeuge bedient, ist insb bei Corona offensichtlich geworden. Was früher noch als Demagogie tabu war, ist heute als nudging völlig ok – Hauptsache ihr geht Euch impfen, bleibt von den phoben Leugnern fern, wählt uns wieder etc.
    Kaum ein westliches Land wird derart offensichtlich nach kulturmarxistisch orientierten „Methoden“ regiert, wie Deutschland aktuell. Zwar kollidieren die schönen Ideen überall mit der unschönen Realität, aber niemand wird kognitive Dissonanzen souveräner wegschieben können, als moderne, zeitgeistige „Linke“, mal in rot, mal in grün daherkommend.
    Leider sind dort keine weiteren Erkenntnisgewinne zu erwarten, nur ein Zusammenbruch wenn die innere Spaltung nicht mehr auszuhalten ist. Ein überzeugter Kulturmarxist ähnelt dem Hedonisten, der sich für mehr oder weniger vollkommen hält, für den es nur Fans oder Feinde gibt. Was auch immer Feinde sagen, es kann noch so richtig sein, es ist belanglos. Fans sind die große Ego-Echokammer, die die Großartigkeit bestätigen.
    Ein kurzer Blick insbesondere in linke Blasen auf Twitter zeigt diese Freund-Feind-Denke in Reinform bei der Arbeit. Ein überzeugter Klimaaktivist mag zusätzlich noch Kulturmarxis sein, jedenfalls ist er auf dem besten Weg zur Immunisierung, wie jeder schnöde Fanatiker. Eine distanzierte, selbstkritische Methode ist dort nicht mehr möglich, die drohende baldige, kaum noch anwendbare Klimakatastrophe ist gleich Gewissheit und bare Münze wie 1+1=2.
    Sollte ein Dritter diese Gewissheiten erschüttern, wäre ein ernsthafter Zusammenbruch der Persönlichkeit keinesfalls undenkbar, eher naheliegend.
    Wie bei allen Radikalen, Fanatikern, Fundamentalisten, stark religiösen Menschen, Sektenmitgliedern etc. sind massivste Verzerrungen zu befürchten, man redet zwar mit bekannten Worten, aber nicht mehr die gleiche Sprache.
    Vielleicht skizziert das auch etwas unser Heute.

  2. Ein insgesamt sehr guter Artikel, den ich so zusammenfassen würde:
    Der moderne Mensch ist wohlstandsverwöhnt und hat keine Herausforderungen mehr, welchen er sich stellen muss und an denen er wachsen und seinen Charakter (= seine Identitä) bilden könnte. Durch Faulheit sowie manipulative äußere Einflüsse wird er zusätzlich verwirrt und dazu verführt, auch noch seine kulturell-religiösen Wurzeln aufzugeben. Nunmehr ist es für den Menschen besonders schwer, noch in irgendeiner Form selbst zu denken, geschweige denn eigene Moral (= Lebensregeln) zu erschaffen & zu befolgen. Daher braucht der moderne Mensch jemanden, der ihm sagt was er zu denken & zu tun hat.

    Die Globalisten, die schon befürchtet hatten sich mit ihrem Geld nichts mehr kaufen zu können, versuchen diese Gelegenheit zu nutzen, um alle Menschen in die absolute Sklaverei zu treiben und ihre persönliche Herrschaft für alle Zeit zu festigen.

    Was in dem Artikel allerdings fehlt sind positive Alternativen für die Zukunft. Das Problem besteht ja ausschließlich deshalb, weil wir vergessen haben wer wir sind und unsere Verbindungen untereinander verloren haben. Deshalb gilt es, sich selbst zu fragen woran man glaubt, woran man glauben möchte, und wofür es sich lohnen würde zu kämpfen. Es gilt außerdem, das tägliche Leben so lokal wie möglich zu gestalten und wieder persönliche Beziehungen aufzubauen, zum Beispiel mit dem Bauern am Wochenmarkt, im Yogakurs, Jagdclub etc. Ein bisschen Überlebenstraining und das Einlagern von Nahrungsmitteln und Gegenständen des täglichen Bedarfs, eventuell auch Waffen, gibt innere Sicherheit und reduziert den mentalen Druck. Die Vernetzung mit Gleichgesinnten schafft das Gefühl, nicht alleine zu sein. Das ist besonders wichtig, denn die Globalisten möchten ja, dass wir uns alleine fühlen – nur so können sie in uns die Verzweiflung wecken, die für eine Aufgabe unserer Freiheit nötig ist.

  3. Vielleicht zeigen uns die Italiener demnächst, wie das geht…

  4. So gesehen beruht seit jeher jedes Glaubenssystem, Ideologie oder Religion auf Gehirnwäsche, emotionaler Manipulation und Bewusstseinskontrolle, ganz gleich ob es sich um Christentum, Vodoo oder Aufklärung handelt. Der Mensch ist ein Wesen, das „Identität“ benötigt und deshalb auch gemeinschaftsbasierte Werte, die dieser Identität zugrunde liegen und zwar in jedem Kulturkreis und zu jeder Zeit.
    In der Neuzeit haben sich zwei Philosophen mit dem Problem der geistigen Unfreiheit und der Werteabhängigkeit beschäftigt und zwei gegensätzliche Lösungen gefunden: Friedrich Nietzsche mit dem Übermenschen, der mit seinem Hammer alle Tafeln zerbricht und Giordano Bruno mit dem lebendigen Gott, der sich jedem einzelnem unabhängig von jeder Religion in einer anderen Gestalt zeigt.
    Diese Werteabhängigkeit und geistige Unfreiheit aufzuheben oder zu relativieren war auch Inhalt antiker Geheimlehren und anderer esoterischer Kulte, die als Einweihung bezeichnet wurden. Sie waren nicht umsonst geheim, weil ihre Verbreitung bestehende Machtstrukturen gefährdet hätte.

  5. De-Konstruktivismus !
    Konstruktivismus ist Teil des De-Konstruktivismus. Das „Dekonstruieren“ und das (Neu-)“Konstruieren“ bilden die Einheit des polit-philosophischen „Modells“.

    Das De-konstruieren (einst „Revolution“ als Zielbegriff…) wird richtet den Schaden an – verändert-zersetzt-zerstört-beseitigt-ächtet-verfolgt-bestraft-verleumdet-etikettiert, verslumt, wiegelt auf …: A l l e s , Staat, Gesellschaft, Kultur, Individuen; Alles, das ist das Ziel (und das Ergebnis, die Wirkung) des „Dekonstruktivismus“, um darauf „konstruktivistisch“ aufzubauen.
    Den Zusammenhang der „Philosophie“ D e k o n s t r u k t i v i s m u s musseine wehrhafte freiheitlich-soziale Demokratie D kennen und erkennen.
    Es ist bereits 5 nach 12 in D, die Dekonstruktion wirkt mit beiden Theorievorgaben überall – teils zielgenau, teils konträr – immer aber experimentell (…).

    • In meiner Wahrnehmung ist Dekonstruktion eher eine Methode, die auch im Konstruktivismus angewendet wird.
      Um zu der vermeintlichen Erkenntnis zu gelangen, Geschlechter, Identitäten etc. seien soziale Konstrukte, muß ich diese zunächst dekonstruieren, sie auf irgendwas zurückführen, um sie von dort wieder herleiten zu können.
      Dieser Regress ist auch das große Problem des Konstruktivismus. Sehe ich ihn „nur“ als Evolution der Psychoanalyse, mag ich das als Werkzeug nutzen, wenn es nützt.
      Vermutlich dient es eher nicht, wenn ich jedes Dasein incl Problemen erst einmal auf Quantenebene zurückführe und bei den Elementarteilchen anfange, bis ich irgendwann mal bei komplexen Gebilden wie dem Lebewesen Mensch ankommen. Wenn ich ein Dreieck betrachte, muß ich auch nicht erst jedes Mal Euklids Elemente durcharbeiten, um mich zu vergewissern, dass ich ein Dreieck betrachte.
      Das Dilemma droht allerdings bei der praktischen Anwendung von Konstruktivismus, wo er eigentlich nix verloren hat, meiner Meinung nach zb in der Politik.
      Wenn ich Social Engineering oder große Transformationen betreiben will, bin ich vermutlich gar kein Politiker. Vielleicht bin ich Fantast oder jemand, der eine Mission verspürt, aber ziemlich sicher niemand, der für andere Leute Probleme lösen will. Das setzt in meinen Augen auch eine Art fachlicher Bescheidenheit voraus, eben das man sinnvollerweise realistische Ziele verfolgt und eben keine phantastischen. Falsche Hoffnungen oder Illusion wecken, finde ich eher unethisch.
      Ich fürchte, vieles an unserer zeitgeistigen Politik ist sehr unethisch.

  6. Ich vermisse die Erwähnung der Subversion, die zur Erzeugung des revolutionären Chaos unerlässlich ist, d.h. neben der Infantilisierung durch Verwirrung auch den künstlichen Hype der wissenschaftlich nicht beweisbaren anthropogenen Klimänderung. Ebenso wie der Strippenzieher, vermutlich Soros, Gates, Schwab etc., für die die Grünen nur nützliche Idioten sind.

  7. „Wenn es jedoch keine Wahrheiten….gibt, dann ist alles….nur eine Frage der jeweiligen Wahrnehmung.“ Ich habe festgestellt, dass Zeitgenossen, vor die Frage gestellt, wieso ein solcher Satz beanspruchen kann, wahr zu sein, wenn es gar keine Wahrheit gibt, keine befriedigende Antwort wissen. Vielleicht kann mir jemand helfen.Die Alternative wäre, Theorien, die mit solchen Sätzen arbeiten, von vornherein nicht ernstzunehmen.

    • Ergänzung: Die Kritik richtet sich hier natürlich nicht an Tomas Spahn, sondern betrifft die Theorien, die er hier seziert.

  8. Die Menschheit ist wohl nicht mehr als eine von zahllosen Arten, die auf der Erde erscheinen, ein Zeitalter prägen und dann wieder verschwinden. Was uns besonders auszeichnet, ist die wohl einzigartige Fähigkeit, uns als Art selbst auszulöschen. Aber im Evolutionsmaßstab gesehen spielt es keine Rolle, wodurch wir wieder aussterben. Es ist daher auch kein Drama und kein Dilemma, sondern lediglich Entwicklungsgeschichte.

    Der Intellekt erweist sich in evolutionärer Hinsicht letztlich als dem Instinkt unterlegen. Die Konsequenz ist logisch: Der Intellekt verschwindet wieder aus dem evolutionären Prozess, indem seine Träger aussterben.

    Es ist ohnehin nichts von ewiger Dauer. Wie kommt man zur irren Erwartung, dass die Menschheit von diesem universalen Gesetz ausgenommen sei?

  9. Es versteht sich von selbst, dass die Elite hinter dem Konstruktivismus, an dessen Ende eine neue Form des homo steht, auch mit Demokratie ieS, Recht ieS und Freiheit ieS nicht nur nichts anfangen kann, sondern diese, hierzulande als FDGO bekannt, abschaffen muss. Die Narrative dazu spaetestens seit Merkel, die hier verbal einiges dazu offenbart hat, sind bekannt. Besonders typisch ist allerdings die bemerkenswerte und aktuell immer noch erfolgreiche Begruendung oder besser Umkehrung, man müsse so die „Demokratie“ vor ihren Feinden retten, also denen, die Freiheit und Recht zu woertlich nehmen.

  10. Es handelt sich beim Dekonstruktivismus aber lediglich um einen europäischen und US-amerikanischen Wohlstandsauswuchs, den autoritäre, archaische und hierarchisch konstruierte Gesellschaften wie Inder, Chinesen oder Muslime nicht annähernd teilen. Das heißt, der Kampf wird nur mäßig blutig verlaufen, es wird gehen wie die Römer gegen die Etrusker: eine ehemals hochstehende Zivilisation wird von praktisch veranlagten Bauern mit guten Waffen so lange in die Enge getrieben, bis sie sich nach ein paar Scharmützeln freiwillig ergibt. Die Eroberer sacken die restlichen Erkenntnisse der alten Zivilisation ein, klauen deren Kunstwerke, bewundern „die Alten“ ein bisschen, vielleicht lernen sie (wie eins Claudius) sogar ein bisschen Italienisch oder Französisch, bis von unseren Kathedralen und unseren Gemälden nur noch ein paar zerstörte Schatten übrig bleiben und Europa im Abgrund der Geschichte verschwindet.

  11. Ganz grundsätzlich: die Gesellschafts- & Politikmodelle, die heute vorherrschen, sind alle in der Vergangenheit beheimatet und haben die heute vorherrschenden Strukturen und Entwicklungen niemals absehen und berücksichtigen können. Heute ist ein Punkt erreicht, an dem wir Grenzen und Hürden durch religiöse Blockaden in den Köpfen der Menschheit überwinden müssen. Wir sind in einer globalisierten Welt angekommen, die Welt ein Dorf, nur hinken wir noch immer Grenzen, Stasten und Kulturen sowie veralterten Riten, Kulten und Religionen nach. Das ist der Knackpunkt. Wir bräuchten tatsächlich eine KI, die keine Moral oder Skrupel besitzt und die großen Entscheidungen unserer Zeit löst. Das ist die Zukunft, ansonsten haben wir es bald hinter uns…

    • Eine KI ohne Moral und Skrupel wäre die mit großem Abstand verheerendste Möglichkeit. Die KI kann nur das berechnen, was man ihr an Daten füttert. Von Perfektion ist nicht auszugehen, auch wenn das gerne so verkauft wird. Eine KI bräuchte einen Zweck, den im Menschen der Überlebenstrieb erfüllt, man müsste Moral programmieren, die in Ermangelung von Skrupeln oder Empathie aber nicht simulierbar ist. Die KI könnte also eines Tages berechnen, dass die beste Entscheidung die Detonation aller Atombomben ist. Es könnte sich um eine tatsächliche Berechnung handeln oder einen Fehler im System – letzten Endes völlig egal.

      Der Mensch und der freie Markt arbeitet besser als jede KI es jemals könnte. Wir sollten nur weniger zentralisieren, und mehr lokal lösen, sonst ist unser größter Trumpf absolut nutzlos. Freunde der Globalisierung versuchen immer zu argumentieren, gegen die negativen Effekte der Globalisierung hilft nur noch mehr Globalisierung, oder selbiges Beispiel mit Zentralisierung. Das ist natürlich absoluter Blödsinn. Das Abgeben persönlicher Verantwortung & Moral ist es doch gerade, was uns in diese Situation gebracht hat. Ob wir diese nun an eine KI abgeben, deren Berechnungen wir nicht mehr durchschauen können, oder an einen reichen Globalisten ist völlig nebensächlich – beide treffen keine Entscheidungen, die für uns gut sind. Denn das können wir nur selber tun.

  12. Gibt es nicht, weil die Masse Mensch die davon ausgehende Gefahr entweder zu spät oder nie wahrnimmt. Solche Prozesse enden zwangsläufig im Zusammenbruch – und dann werden die Karten wieder einmal neu gemischt.
    Deswegen habe ich mich auch darauf reduziert, das Phänomen zu beschreiben. Alles andere wäre lediglich konstruiert …

    • Kommt immer drauf an, wie man Zusammenbruch definiert. Führt die zunehmende Inkompetenz, Verweichlichung und Selbstsucht der allgemeinen Bevölkerung zu einem Verlust einstmals funktionierender Systeme? Ja, ohne Zweifel. Das heißt aber nicht dass es aussehen muss wie im Sovietreich oder in Altdeutschland. Zumal sich die „Wokies“ hauptsächlich durch negative Eigenschaften hervortun, was viele Menschen auch wiederum aufweckt. In den USA hat sich schon eine lebhafte Gegenszene entwickelt – Florida ist z.B. ein krasses Gegenbeispiel zu dem krankhaft woken Kalifornien.

      Wir können nur hoffen, dass auch hierzulande irgendwie Vernunft und gute Manieren zurückkehren – am einfachsten wäre das durch ein Wiedererstarken der (christlichen) Religion, die unser einziges Bollwerk gegen eine materialistisch orientierte, technokratische „Weltordnung“ wäre. Wie man an den Falun Gong und der CCP momentan sehr gut sieht.

  13. Danke Herr Spahn, ganz trivial: wieder was gelernt!

  14. Nicht zu vergessen: Auch die Sprache wird neu konstruiert! Auch damit will man Identitäten vernichten.

  15. „…sondern um die Interessen von Personen“:
    Das ist richtig. Wenn eine Annalena schön Haltung zeigt, geht es erst einmal um sie, um sie und nochmal um sie. Dass die Medien schöne Bilder transportieren. Dass die Westler von links wie rechts sie hochleben lassen. Und um etwas Verschwörungstheorie ins Spiel zu bringen: Es wird ihren Kontakten zu verschiedensten US-Kanälen auch nicht schaden. Und wie ein Josef F. zeigt, kann man mit guten Kontakten zu den USA sehr viel Geld machen. (Ein Gerhard S. machte mit Kontakten zu Russland sehr viel Geld. Aber im Westen bleiben gute Kontakte zu den USA unter dem medialen Radar, was das Leben angenehmer macht.)
    Aber es ist immer die Frage: Welche Interessen setzen sich durch. Ich vermute mal, dass Frau Merkel keine großen inhaltlichen Interessen in der Politik hatte. Sie hatte rein machtpolitische. Den Atomausstieg hat sie z.B. sicher nicht gemacht, weil er ihr ein Herzensanliegen war, sondern weil sie an der Macht bleiben wollte.
    Oder nehmen wir einen Boris Johnson: War er für den Brexit, weil er ihn selbst wollte, oder hat er ihn nur benutzt, um selbst erfolgreich zu sein.
    Oder einen Bismarck: Ich glaube nicht, dass Bismarck die deutsche Einigung wollte. Aber er hielt sie für unvermeidlich. Und wenn sie das schon war, sollte sie Preußen unter seiner Führung gestalten.

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