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Teil 3: Parteienstaat und Partitocrazia

CDU: Die Macht reibt den auf, der sonst nichts mehr im Sinn hat

04.12.2019

| Lesedauer: 2 Minuten
Die italienische Democrazia Cristiana (DC) ging den deutschen Christdemokraten nur voran: weg von den christlichen Wurzeln hin zum reinen Machtverein.

Für diese Folge hatte ich die Geschichte angekündigt: Wie die Macht aus den Parteien in die Fraktionen gewandert ist und wie die CDU, ohne es zu merken, den Grünen ihren Weg in die Macht gebahnt hat. Heute konzentriere ich mich auf die Rolle der CDU, den Grünen zur Macht zu verhelfen. Über die Entmachtung der Parteien durch die Fraktionsführungen demnächst.

Die einstmalige Schwesterpartei der CDU, die Democrazia Cristiana (DC), schritt den deutschen Christdemokraten nur voran: weg von den christlichen Wurzeln hin zum reinen Machtverein. Mit einem System von schwarzen Kassen, undurchsichtigen Begünstigungen und Personennetzwerken hatte die DC den italienischen Staat überwuchert und in Besitz genommen. Mitte der 1990er Jahre löste sich die DC auf: moralisch erledigt, politisch korrupt und finanziell am Ende. Die DC hatte den Parteienstaat Italiens geschaffen und ging an ihm zugrunde. Partitocrazia nannten Kritiker die nicht mehr entflechtbare Durchdringung von Staat und Partei.

In der Bonner Republik vollzog sich die durchaus vergleichbare Entwicklung nur langsamer, war aber beim späten Helmut Kohl auch schon weit geraten. Doch die aufkommende Kritik in der alten Bundesrepublik wurde vom Beitritt der DDR zur Westrepublik übertüncht. Ohne den Wiedervereinigung genannten Vorgang wären Kohl und die CDU 1990 abgewählt worden (die FDP aus dem Bundestag geflogen).

Die DC ging genau daran zugrunde, was auch der CDU das Ende bereitet: Sie opferte dem Machterhalt schließlich bedenkenlos alles. Giulio Andreotti ist das Gesicht der Democrazia Cristiana im Niedergang wie kein anderer (seine Verbindung zur Mafia eingeschlossen). Andreotti hat 33 Regierungen angehört und war sieben mal Ministerpräsident. Er hat Talleyrand so oft mit einem Satz zitiert, bis er für einen von Andreotti gehalten wurde: „Die Macht reibt nur den auf, der sie nicht hat“. Zitierter und Zitierer irrten gleichermaßen. Die absolute Macht der Partitocrazia zerstörte die DC. Angela Merkel hat die deutsche Partitocrazia nicht geschaffen, aber ihren Vorgänger Kohl mit ihrer Ignoranz jeder politischen Herkunft der CDU weit hinter sich gelassen, Sie vollendet den Parteienstaat bis zu seinem Kollaps wie ein Andreotti einst die Partitocrazia.

Die DC und die CDU wurden am Neubeginn nach 1945 als Bollwerke gegen den Kommunismus installiert, beide Parteien standen für eine erkennbar konservative politische Haltung, die DC als Partei der Katholiken, die CDU als christliche Partei. Davon blieb bei der DC durch ihre Verkommung in der selbst geschaffenen Partitocrazia ebenso wenig übrig wie von der christlichen Partei CDU im Parteienstaat.

Für den Parteienstaat ist die CDU (CSU eingeschlossen) mehr verantwortlich als alle anderen Parteien. Dass er am Ende die Grünen an die Macht bringt, statt die CDU an dieser zu halten, ist Thema meiner nächsten Folge über die Entmachtung der Parteien durch die Fraktionsführungen.

Fußnote: Die italienische Justiz hat Politiker immer wieder verfolgt und verurteilt, wo diese sich nicht an Recht und Gesetz hielten. In Italien, anders als in Deutschland, ist der Rechtsstaat weitgehend intakt.

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21 Kommentare

  1. Wann geht‘s weiter lieber Herr Goergen? Bin schon ganz gespannt. LG

      • Prima, freue mich.

  2. Der Verlust des Engagements für das Allgemeinwohl im Staat ist der erste Stein, der aus dem Fundament eben jenes Staates bricht. Und wenn im Grundgesetz festgelegt wurde, dass die Parteien zur Meinungsbildung, sozusagen als die Grundlage des daraus abzuleitenden Willens des Volkes eben die Dinge eben jenes Staates besorgen sollen, und statt dessen zu Selbstversorgungsapparaten werden, ist diese Art der Politik wohl hinreichend konterkarriert und nicht mehr glaubwürdig.
    Immer mehr Leute haben bemerkt, dass dies nur so sein kann und ziehen daraus ihre Konsequenzen, bzw. wenden sich von dieser Art der Organisation von Politik ab.
    Die Rechnung am Ende bezahlt jeder Bürger!

  3. Sehr schönes Format lieber Herr Goergen, spannend wie ein Fortsetzungskrimi. Bin neugierig wie es weitergeht und „wer“ oder besser „was“ am Ende der „Mörder“ ist.

  4. CDU – Türöffner für die GRÜNEN.

    Nicht zu vernachlässigen ist, dass A. Merkel, sozialisiert und politisch fest geprägt durch ihre kommunistischen DDR-Herkunft, gerne und aktiv mitgeholfen hat, diese Tür hin zum Sozialismus/Kommunismus zu öffnen. Denn diese Tür öffnet ihr den Eingang zurück nach Hause, dahin wo sich wohlfühlt, denn Daheim ist da wo man sich wohlfühlt. Helmut Kohl hat ihr hierfür (vermutlich gerne) den Weg bereitet.

  5. Nun ja, die Justiz ist schon teilweise recht agil zum Beispiel im Familienrecht , sprich bei Scheidungen. Aber da braucht man sie nicht wirklich, genau so wie bei Eheschließungen. Womit sollten sich Richter und Anwälte aber sonst beschäftigen?

  6. Den Links-Grünen ist es gelungen, durch puren Quatsch dem Begriff „konservativ“ etwas Angseinflößendes einzuhauchen. Ein Beispiel: Angeblich durfte eine Ehefrau bis 1977 nur mit Zustimmung ihres Mannes berufstätig sein. Dieses „Narrativ“ findet sich sogar in der BBC-Reportage „Make Me A German“ wieder – dort wird dies sogar als geltendes Recht in Deutschland beschrieben.
    Genau auf solche Lügen begründen die Grünen (die SPD zählt ja nicht mehr) einen Teil ihrer Macht, weil sie damit das Märchen von KKK glaubhaft machen, Männer wollten für Frauen nur „Kinder, Küche, Kirche“.
    Richtig ist, dass diese Rechtslage bereits seit 1949 verfassungswidrig war. Richtig ist, dass es von 1953 – 1957 Richterrecht gab, welches sich über verfassungswidrige Normen hinwegsetzte, richtig ist, dass diese Rechtslage der entmündigten Frau bereits seit 1957 passé war. Die 20 Jahre sind wichtig – die SPD war nämlich nicht an der Macht.

    Dies ist nur ein Beispiel von vielen. Konservativ ist ein Begriff der von Linken dämonisiert wird, liberal haben sie gestohlen. Man wird nicht müde, der Jugend dies zu erklären. Eine Sendung wie Kuhdamm `53 und alles war für die Katz.

    So wie die SPD auf ihre Leistungen nicht stolz ist, war die CDU nie stolz, wenn sie modern war und dabei konservativ blieb. Selbstvergessenheit ist der Weg in die politische Demenz.

  7. „Die DC und die CDU wurden am Neubeginn nach 1945 als Bollwerke gegen den Kommunismus installiert, beide Parteien standen für eine erkennbar konservative politische Haltung, …“

    Sehr geehrter Herr Goergen, sind Sie da so sicher?
    Wenn ich mir das Ahlener Programm der CDU von 1947 – das erste – durchlese, habe ich mehr den Eindruck, die CDU wurde als sozialistische Partei gegründet. Somit wäre heute zu konstatieren, die Merkel-CDU ist nur zu ihren Wurzeln zurückgekehrt.

  8. Ach wissen Sie: Ich bin zwar Pessimist aus Überzeugung, glaube aber nicht an eine ökosozialistische Phase. Dafür ist einfach kein Geld da und die Überzeugung derjenigen, die die Kohle dafür ranschaffen, fehlt auch.
    16jährige kann man vielleicht verblenden, aber die Leistungsträger nicht. Und man sieht ja an den Wahlergebnissen, dass viele Leute auf Opposition setzen.

  9. Der Rechtsstaat als Fußnote! Der Verfassungsschutz des Parteienstaates inklusive. Ab wann kann man von Mafia sprechen. Wenn politische Entscheidungen zur verschleierten Selbstbegünstigung werden? Oder erst dann, wenn die Bürger die nicht „Familie“ sind, aus finanzieller und moralischer Selbstbegünstigung mit Kriminalität mafiöser Strukturen überzogen werden? Der Pate ist weiblich.

  10. „Fußnote: Die italienische Justiz hat Politiker immer wieder verfolgt und verurteilt, wo diese sich nicht an Recht und Gesetz hielten. In Italien, anders als in Deutschland, ist der Rechtsstaat weitgehend intakt.“

    Hierzu wäre interessant zu wissen, ob und wenn ja, in welchem Maß die italienischen Strafverfolgungsbehörden (Staatsanwaltschaften) Weisungen unterworfen sind.
    In Deutschland sind einem Staatsanwalt seine direkten Vorgesetzten und der Justizminister des jeweiligen Bundeslandes übergeordnet und damit weisungsbefugt.
    Das erklärt eigentlich schon alles.

  11. Der letzte Satz ist der Punkt an dem man alle Hoffnung fahren lassen kann.
    In Deutschland gibt es keine Instanz (mehr) die den korrupten Vertretern der Regierungsparteien in die Parade fahren kann, oder will.
    Hier kann man nur auf die natürliche Erosion warten. Hoffnung möchte ich das nicht nennen, denn am Ende bleibt für alle nur noch Staub.
    Auch auf den Bürger, als angeblichen Souverän, kann man hier nicht setzen. In Deutschland wird sich niemals eine breite bürgerliche Phalanx finden, die für ihre eigenen Interessen auf die Strasse geht.
    Auch da sind uns die Italiener voraus.

    • In der Tat, man kann an diesem Land und seinen Bürgern nur noch verzweifeln. Entweder naiv, gutgläubig, ideologisiert oder feige, faul und obrigkeitshörig. Der kleine Rest dazwischen hat aufgegeben oder steckt einfach den Kopf in den Sand, unter dem Motto, das wird schon irgendwie gutgehen. In diesem Volk ist nichts Mutiges, Starkes und Wehrhaftes, daß bereit und willens ist, sich das nicht länger gefallen zu lassen, was Politik, Parteien und Regierung mit diesem Land anstellen und seinen Bürgern zumuten, und darüber mit den Füßen abzustimmen. Wieder einmal wird bis 5 nach 12 einer politischen Führung hinterhermarschiert, auch wenn umher schon alles in Scherben liegt.

  12. Es gibt eine Verfilmung des Lebens Andreottis: „Il Divo“. Kann ich nur empfehlen.

  13. Das Thema des versagenden Parteienstaates gehört zum Wichtigsten in der heutigen Diskussion. Denn mit dem jetzigen politischen System ist der Niedergang Deutschlands nicht aufzuhalten.

    Dies in den Vordergrund zu rücken, und zwar nicht nur polemisch, sondern sachlich fundiert, ist ein großes Verdienst von Ihnen, Herr Goergen. Vielen Dank für diese Artikelreihe!

  14. „Die italienische Justiz hat Politiker immer wieder verfolgt und verurteilt, wo diese sich nicht an Recht und Gesetz hielten. In Italien, anders als in Deutschland, ist der Rechtsstaat weitgehend intakt.“

    Danke für diese Bemerkung, Herr Goergen.

    • Ja, das ist der entscheidende Satz. Politik ist überall schmutzig, mehr oder weniger korrupt und so manches mal sogar auch kriminell, allein wenn man das Thema Steuerverschwendung bedenkt. Entscheidend für demokratische Verhältnisse ist aber, ob die Justiz eines Staates noch so unabhängig und auch willens ist, daß Politiker von dieser für solche Fälle verfolgt und bestraft werden. In der Tat scheint dies bei uns praktisch nicht mehr möglich zu sein.

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