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Kein Bissen ohne schlechtes Gewissen

Bauern und Verbraucher: Anmerkungen zu einer Beziehungskrise

26.10.2019

| Lesedauer: 3 Minuten
Der Verbraucher ist keineswegs König Kunde, so wenig wie er als Wähler von den Parteien als mündiger Bürger behandelt wird. Er muss fortlaufend beschützt werden vor sich selbst. So kommt es, dass er als Verbraucher oft anders handelt, als er als Bürger denkt.

Bauernproteste in deutschen Städten. Gleichzeitig beschließt der Bundestag neue Bekehrungsversuche der Verbraucher mittels unsinniger Warnhinweise auf Lebensmitteln. 

I.

Zu den zunehmenden Spaltungen in dieser Gesellschaft zählt auch die zwischen Erzeugern und Verbrauchern. Beide haben ein eigenes Ministerium, die gegeneinander arbeiten. Das Verbraucherministerium finanzierte aus Steuermitteln vor zwei Jahren zum Beispiel eine seltsame Hetzkampagne gegen die Bauern. „Steht das Schwein auf einem Bein, ist der Schweinestall zu klein“, hieß es. Der Spruch ist in jeder Hinsicht Mist. Ist es den Bauern vorzuwerfen, wenn die Verbraucher von Ackerbau und Viehzucht keinen Schimmer haben?

II.

Heute sind die Bauern nur noch ein Rad in der globalen Maschinerie des Agrobusiness. (Den hässlichen Ausdruck verwendet sogar der Bauernverband.)  Es ist Big Business. Dazu zählt alles zwischen Farm and Fork, Pflug und Pfanne. Wenige Großkonzerne kontrollieren die Saatgut-, Agrarchemie- und Landtechnikindustrie. Und am Ende stehen ganz wenige Handelsketten im Einzelhandel. Die Lebensmittelkonzerne diktieren die Preise. Die Bauern sind zwar keine Leibeigenen mehr, stecken aber im Schwitzkasten des Kapitals und der Konzerne. Dazu reglementieren EU und Staat und machen sie mit Subventionen abhängig.

III.

So wird der Landmann in den unseligen Wettbewerb um immer höhere Produktivität eingespannt. Rekordjagd auf dem Acker, Rekordjagd im Stall. Wer aus Not oder Gier nur die rentabelsten Pflanzen anbaut, und die biologischen Bedingungen ignoriert, statt die Böden zu schonen und etwa zwischen Weizen, Raps und Gerste abzuwechseln, muss sich über die Folgen nicht wundern. Den Preis für die Agrarwende aber wollen die deutschen Verbraucher nicht zahlen. Artgerechte Tierhaltung verteuert das Fleisch um vierzig Prozent. Und die Bio-Label gaukeln eine Lösung nur vor. Bei vielen Bioprodukten ist die Ökobilanz nicht besser als im konventionellen Landbau. Längst diktieren die Konzerne auch hier die Preise – und auch bei Bio gilt bereits: Hauptsache billig. Auch die meisten Bio-Bauern sind  abhängige Lieferanten von Riesen, denen es nur um Renditen geht, nicht um Tierwohl und  schon gar nicht um Bauernwohl.

IV.

Der Verbraucher wiederum ist keineswegs König Kunde, so wenig wie er als Wähler von den Parteien als mündiger Bürger behandelt wird. Er muss fortlaufend beschützt werden vor sich selbst. So kommt es, dass er als Verbraucher oft anders handelt, als er als Bürger denkt. Der Bürger lehnt Massentierhaltung ab, kauft jedoch als Verbraucher bedenkenlos 600 Gramm Nackensteak für 1.99 Euro. Die Freiheit der Auswahl wird als Konsumterror denunziert, aber im Laden lässt sich der Verbraucher den Geschmack uniformieren, begnügt sich mit drei Sorten Äpfel oder Kartoffeln, wenn er nicht ohnehin lieber zu Fertigprodukten greift. Selbstredend hält sich der Verbraucher für einen kritischen Verbraucher. Also glaubt er an Verbraucheraufklärung. Die Verbraucheraufklärung aber ist längst selbst ein Markt. Lifestyle, Mainstream, Propaganda: Wie frei ist er noch, der Konsument? Früher war der Verbraucher vor allem Versorger. Versorger hatten Angst vor dem Mangel. Verbraucher haben nur noch Angst vor falscher Ernährung. Statt besser zu essen, lassen sie sich Schuldgefühle einreden. Sie sollen bei Tisch jetzt auch noch das Klima retten. Kein Bissen ohne schlechtes Gewissen.

V.

Vor allem aber ist es die deutsche Geiz-ist-geil-Mentalität, die sich nicht verträgt mit notwendigen Reformen. Und wieder sitzen die Bauern in der Klemme zwischen Industrie und Verbrauchern, und die Politik nimmt auf sie kaum noch Rücksicht – ist ja nur noch eine kleine Minderheit. Die Bienen werden mittlerweile besser geschützt als die Bauern.

Mehr zu diesem Thema in meinem neuen Buch: Vorwiegend festkochend. Kultur und Seele der deutschen Küche, gerade erschienen im Penguin-Verlag.

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33 Kommentare

  1. Vernünftig denken und vernünftig einkaufen.

    Saisongemüse kaufen
    Lieber dicke Rippe vom Schwein aus artgerechter Haltung als Turbo-Filets. Kostet in etwa dasselbe.
    Wildsaison nutzen.
    Öfter Suppen aus frischem Gemüse mit „Einlage“, z. B. Bio-Bauchfleischscheiben
    Bauernhof mit Laden suchen und gezielt einkaufen, Gemüse und Obst.

    Muss alles nicht teuer sein. Faustregel: Lieber gesund erzeugtes Randfleisch als billiges Luxus-Kernfleisch. Kochen, dünsten, schmoren. Zwiebeln nicht vergessen.

    Aber bei Leuten, die es nicht schaffen, eine Fertigpizza aufzubacken, ohne das diese verbrennt, ist es schwierig. Motivationsschub: Gutes Essen kochen macht Spass – und hält den Arzt fern.

    Geldsorgen? Mary Hahn, Kriegskochbuch 1916 – online zum Lesen -, da steht alles drin.

    Es geht, man muss es nur versuchen … .

  2. Jede gesellschaftliche Spaltung wird von den ‚herrschenden Eliten‘ bewußt betrieben. Teile und herrsche ist als Prinzip so alt, wie die Menschheit. Theoretisch müßte es jeder wissen und dagegen handeln. Es funktioniert aber immer wieder. Verbraucher gegen Erzeuger, Städter gegen Landleute, Jung gegen Alt, Mann gegen Frau etc. p. p. Der Verbraucher ist als amorphe Masse das schwächste, weil unorganisierteste Glied in der Kette. Ich habe jedenfalls noch nicht erlebt, daß jemand an der Kasse im Supermarkt anfängt zu feilschen oder einfach weniger zahlt, als aufgerufen wird. Und die Preisauszeichnung macht auch nicht der Kunde. Wer bietet denn das zitierte 600 Gramm Nackensteak für 1.99 Euro an?
    Das sind doch Angebote, mit denen der Kunde in den jeweiligen Markt gelockt werden – und wenn er dann schon ‚mal da ist – den Rest auch gleich dort kaufen soll. Wäre es richtig, er ließe das Fleisch liegen, damit es verdirbt? Und ist es verwerflich, wenn sich ein Rentner, der zwar Zeit aber wenig Geld hat, die Angebote gezielt herauspickt und dazu verschiedene Läden abklappert? Wem schadet er damit, dem Bauern? Mit Verlaub, das ist Quatsch. Die Gestaltung der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ist die Aufgabe unserer Bundes- und Landesregierungen wie auch der kommunalen Vorstände. Eine andere Daseinsberechtigung haben sie nicht, und wenn sie diese Pflicht erfüllen, tun sie ein gutes Werk. Aber genau daran hapert es, sie dienen nicht dem Land, nicht dem Volk, nicht dem Bürger, nicht dem Souverän. Sie dienen mit Masse ausschließlich sich selbst und ihrer Klientel. Ein bißchen Spaß bei der Arbeit soll ihnen gerne vergönnt sein, aber das rechte Maß ist uns an allen Ecken und Enden abhandengekommen. Und das nennt man üblicherweise Dekadenz. Der Verfall der Sitten, die Vernachlässigung der ‚mores majorum‘, von mir aus auch der Respekt vor Gott oder den Göttern oder vor wem weiß ich…. Und Puritanismus ist nichts anderes als Dekadenz auf links gezogen, keinen Deut besser in seinem Fanatismus.

    • @Herrn oder Frau Schukow: Absolut perfekt auf den Punkt gebracht. Danke schön dafür.

  3. „Vor allem aber ist es die deutsche Geiz-ist-geil-Mentalität, die sich nicht verträgt mit notwendigen Reformen.“

    Hauptsache gegen „deutsch“…
    Oder sind Bauern, Tiere, Pflanzen, Böden im Rest der Welt „glücklicher“?

  4. Ob teures Bio-Fleisch besser schmeckt als das billige von Aldi, ist ein beliebtes Streitthema, wenn auf der Terrasse gegrillt wird. Beliebt auch deshalb, weil sich Unterschiede nur selten verifizieren lassen. Nicht selten wird in solchen Diskussionen der Tierschutz mit ins Feld geführt. Aber das hat mit dem Geschmack ja nichts zu tun. Oder doch? Wie kann es herrlich schmecken, wenn das Gewissen quietscht? – Zu wenig beachtet wird meiner Meinung nach die Rolle der Soßen (Saucen); sie sind der große Gleichmacher. Dazu muß man bedenken: Relativ wenig Fleisch wird pur konsumiert; das weitaus meiste gerät in die Fertiggerichte (Sugo al Bolognese z.B.) oder wird spätestens auf dem Teller in einer Barbecue-Tunke ertränkt. Wofür da noch einen Bio-Aufschlag zahlen, wenn man zudem eh nicht weiß, wofür genau der eigentlich ist? Ich bin so frei und bekenne: ich kaufe Bio, aber nur wenn es deutlich billiger ist als das Normale.

  5. +

    Bauern und Verbraucher sind nicht gespalten, sie haben zumindest eines gemeinsam:

    *Wir sind die O.P.F.E.R. und – schuldig sind die anderen*

    +

    an diesem Punkt besteht Einigkeit im Lande – durchgehend in vielen Bevölkderungsschichten:

    bei denen

    der Rentenempfänger

    der Euroskeptiker

    der Steuerzahler

    der Migrationsüberforderten

    der Übergewichtigen und Kartoffelesser

    der Lohnempfänger und HartzIV-Berechtigten

    der Sparer und Notenbankbenachteiligten

    den Deutschen schlechthin:

    stellt sich die Frage:

    Ist Deutschland noch zu retten!?

    steht es auf dem Index Bedrohter Völker?

    oder ist es

    Deutschlands Kultur und Seele

    *etwas zu tun, das man in seinem Innersten ablehnt?*

    +++

  6. Der Verstand ist im Allerwertesten. Von dieser Tatsache werden weder Lehrer noch Oberlehrer verschont. Ganz egal ob pensioniert oder auch nicht.

  7. Wenn man sich die Lohnentwicklung in den letzten 20 Jahren und die gleichzeitige Entwicklung von Preisen, Steuern und Abgaben zu Gemüte führt, weiß man, von wo die Geiz-ist-geil-Mentalität her kommt. Es ist das Ergebnis von ebenso unfähiger wie dümmlicher Politik. Lieber Herr Herles, für viele Rentner in Deutschland zum Beispiel ist Geiz-ist-geil eine Frage des Überlebens geworden, weshalb sie auch mit Fleiß Mülleimer durchforsten.

  8. Regional ist in. Naturbelassen ist in. Selber kochen kommt wieder.

    Vllt. wäre es ja die Arbeit wert wenn die Bauern sich auf ihre Direktvermarktungsmöglichkeiten besinnen. „everything unprocessed“ + unverpackt + frisch und steuerbegünstigt ab Hof zu Preisen die mal mindestens nicht über dem Einzelhandelsniveau liegen.

    Zuviel Arbeit? Gründet Vereine, wechselt Euch ab im Laden, arbeitet doch endlich mal ZUSAMMEN gegen die großen Abnehmer!

  9. Der derzeitige Klimawahn ist eine biologische Folge einer nicht mehr vorhandener Sozialen-Marktwirtschaft.
    Wenn ein Erzeuger sein Produkt unter dem Entstehungspreis verkaufen muss, ist dieses für mich ein unwürdiges, unmoralisches Verhalten der gesamten Gesellschaft.
    Jedoch welcher deutscher Konsument, kauft heute noch ein Erzeugnis oder Fabrikat zu einem rechtschaffenen und ehrlichen Preis? Er erwerbt es nur – und ist auch noch stolz dabei – bevor er nicht vorher, um jede Menge Prozente gefeilscht hat.
    Was zum Teufel geht ihm die Existenz des Erzeugers an.
    Wie ein Drogenabhängiger bettelt er um Rabatt. Fieberhaft jagt er hinter jedem Schnäppchen her. Was kümmert ihm das der Bauer, Handwerker oder Händler abends mit dem Gedanken einschläft, wie der am nächsten Tag die Lieferanten, Löhne und Unkosten bezahlt.
    Falls “Geiz ist geil“ „ich bin doch nicht blöd“, „billig will ich“ weiterhin zum Kult erhoben wird, hat der Verbraucher den letzten Rest an gutem Geschmack, Kultur und Einkaufs-Moral verloren.

  10. Der laut ausgesprochene Satz „Geiz ist geil“ war genial!
    Er holte aus dem Unterbewusstsein was man schon immer wusste indem er ein „tief sitzendes Gefühl“ ENDLICH und l a u t aussprach. „Gesellschaftsfähig“ machte!
    Bravo: Von nun an muss man sich für Geiz nicht mehr schämen. –
    Übrigens, und im Hinblick auf eine andere wesentliche „Eigenschaft“:
    Ich warte drauf, dass – ganz analog – Selbiges auch mit dem Begriff NEID passiert.
    Längst ist er – noch(!) unausgesprochen – aber längst gesellschaftsfähig geworden.
    – All das passiert in deiner Gesellschaft in der das sogenannte „Fremdschämen“ zu den fürnehmsten Tugenden zu gehören scheint. Ein Fremdschämen das eine Form von „psychologischer Entlastung“ für nichts als „elementare Dummheit“ dastellt.
    – Eine wirklich SCHAMLOSE, eine wahrhaft „proletarische“ Gesellschaft. –
    Noch ein „Übrigens“:
    Im Marxismus-Leninismus wird der Prolet/das Proletariat als essentieller Teil der Gesellschaft regelrecht „hofiert“. (Selbtverständlich zum Zwecke der Erlangung der Macht durch den Manipulator.) Plato bezeichnet eine Gesellschaft in der „die Macht“ Solches tut als „Herrschaft des Pöbels“ (Ochlokratie). Ein wesentlicher Baustein einer solchen Strategie/Gesellschaft ist die – von aller Last befreiende, entantwortlichende – Schuldzuweisung (die selbstverständlich keinerlei Problem beseitigt). Siehe dazu Max Weber „Verantwortungsethik-Befindlichkeitsethik“. Auch Konfuzius: „Der Edle verlangt alles von sich selbst, der Unedle verlangt alles von den Anderen“. –

    • Wo fängt der Bürger an? Bei Wilhelm beim Soldaten, bei den Städten des Mittelalters beim Hausbesitz. Wer also im Mittelalter und der früher Neuzeit keinen Grundbesitz hatte gehörte zum Pöbel, war nicht wahlberechtigt und erst recht nicht wählbar: im Mittel 90% der Bewohner.

    • Es geht nicht um „Geiz“, sondern um Sparsamkeit.
      In anderen Zusammenhängen würde von Wirtschaftlichkeit gesprochen, von Schonung der Ressourcen oder gar Nachhaltigkeit – alles gefordert und gerühmt.
      Nur wenn der Endverbraucher mit dem Geld, was ja seine Ressource ist, wirtschaftlich und schonend umgeht, wird das Geiz geschimpft.
      Sehr merkwürdige Wortwahl.

  11. Ich muss gestehen, daß ich mich in einem Zwiespalt befinde: Einerseits haben die Landwirte eine große Lobby, beziehen Subventionen und beherrschen, so lange ich denken kann, die hohe Kunst des Klagelieds. Gab es eigentlich mal eine Zeit, in der Bauern nicht geklagt haben? Entweder waren die Ernten schlecht oder die Preise, irgendwelche Gründe, die Subventionen zu erhöhen fanden sich ja immer.
    Ich bin auch Unternehmer und habe noch nie einen Cent Subventionen erhalten. Und auch in meiner Branche gibt es immer weniger Betriebe und die Konzentration schreitet voran.
    Andererseits kann ich den Verbraucher nicht verstehen, warum Lebensmittel immer billiger und billiger sein müssen?
    Warum kann der Staat nicht einfach Rahmenbedingungen setzen, die bestimmte Exzesse verhindern und die Bauern dann einfach ihre Arbeit machen lassen?

    • Es sind doch eben gerade die sich teilweise sogar rasch aufeinander in Gesetzesform gegossenen und oftmals sogar widersprechenden Rahmenbedingungen durch Staat und EU, die den Bauern den Hals zuschnüren und nicht mehr Herr im eigenen Haus sein lassen.
      Der „Staat“ und Politiker, die keinen Schimmer von dem haben, was da in Realität auf dem Acker geschieht, scheint sich auf zu vielerlei Art „einzumischen“ und am Arbeiten zu hindern.
      Wohin das führt, wenn ein Staat ganz eigene Ziele verfolgt, auch über den Kopf der Bevölkerung hinweg, sollte hier doch hinlänglich bekannt sein. https://www.zeit.de/wissen/geschichte/2010-02/stalin-enteignung-holodomor
      Die Zeit war 2010 tatsächlich noch ein Blatt, das Hintergründe gut recherchiert dem Leser darbrachte…

  12. Wenn ich eines nicht mag, dann sind es solche Verallgemeinerungen. Da schließt auch der Autor von den Großstadthamstern auf alle Einwohner Deutschlands. Klar sagt der Bürger bei einer Befragung, dass er für Bio, für Tierwohl etc. ist, jedoch, der Kauf von anderem zeigt sehr deutlich, dass es ihm am Allerwertesten vorbei geht. Nur wagt das heute eben niemand mehr laut zu sagen. Aber maßgeblich ist eben letztenendes, dass am Ende des Monats noch genug Geld da ist, dass man satt wird.
    Während es auf dem Land immer noch üblich ist einen Mindestvorat an Lebensmitteln im Haus zu haben, ist das in größeren Städten aus der Mode gekommen. Wobei ich davon ausgehe, dass auch in Großstädten die Alten nach wie vor einen Voratsschrank haben, in dem sich einiges befindet. Desweiteren bin ich davon überzeugt, dass es außer mir noch Millionen gibt, die schlicht das kaufen, was ihnen schmeckt. Die weder eine Ampel noch sonst was auf dem Essen brauchen. Die wissen wann welches Gemüse Saison hat und es trotzdem schön finden, wenn man mitten im Winter frische Paprika und Tomaten kaufen kann.

    Wir führen in Deutschland andauernd Wohlstandsdiskussionen, die mind. 20 Prozent der hier lebenden schon mal gar nicht betreffen, da sie nah an der Armutsgrenze leben. Das bedeutet allerdings nicht, dass es die restlichen 80% tatsächlich betrifft, denn viele von diesen 80% drehen auch noch den Euro zwei mal um bevor sie ihn ausgeben.

    Sorry, aber es sind die Kuchenesser, die heute dem Volk sagen, es solle keinen Kuchen sondern besser Brot essen, während das Volk darüber nachdenkt ob es sich das Brot für 4 Euro vom Bäcker leistet, oder doch lieber das für 2 Euro vom Aldi nimmt.

    • Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, das es vielen am Allerwertesten vorbei geht, weil sie sich gar nichts anderes leisten können. Mir scheint, eine der herausragendsten Eigenschaften der Deutschen zur Zeit ist es, sich gnadenlos in die eigene Tasche zu lügen.

      • genau das hab ich doch geschrieben 🙂

        manchmal wäre lesen und verstehen doch ganz sinnvoll …

  13. „Vor allem aber ist es die deutsche Geiz-ist-geil-Mentalität,…“
    Kann das wirklich so pauschal gesagt werden? Da frage ich mich, weshalb bei den wenigen Metzgern, die es noch gibt, Samstags so lange Schlangen anstehen. Weshalb auf den Marktplätzen, an denen Bauern ihre Produkte verkaufen, ein reges Treiben herrscht.
    Und wenn es die deutsche Geiz-ist-geil-Mentalität tatsächlich noch gibt, weshalb sind dann die Menschen nicht auf der Straße? Die Subventionen an die Agroindustrie bestehend aus Ausgleichszahlungen der EU, jährliche Entschädigungen bei Missernten, EEG-Umlagen für Solarzellen auf Scheunendächern und Biogasanlagen, steigenden Wasserkosten, Rettungsmaßnahmen für Bienchen und Wälder u.v.m. sind enorm hoch und werden von den Verbrauchern gezahlt.
    Die Kosten für die Migranten aus Afrika, denen die Existenzgrundlagen durch hochsubventionierte, billigste Lebensmittel aus der Überschussproduktion der EU entzogen werden, müssten auch noch zu Buche schlagen.
    Viele Leute können leider nicht (mehr) rechnen und die gesamte Kette betrachten.
    Richtig ist schon: die „normalen“ Bauern interessieren die Politiker in Berlin und Brüssel nicht, die Agroindustrie aber sehr wohl. Die kleineren Betriebe haben sich (zu) lange auf den Bauernverband verlassen, der sie nie im Blick hatte. Der Bauernverband ist ein Lobbyistenverband wie der BDI auch und der BDI hat nie die Arbeitnehmer im Fokus.
    Ich kaufe meine Lebensmittel inzwischen in Österreich, die sind da zwar etwas teurer auch wegen der höheren MWST, aber von erheblich besserer Qualität.

    • Ja, kann es. Ich habe es sehr begrüßt, dass Aldi und Lidl endlich Tierwohllabel Logos aufgedruckt haben, nachdem jahrelang darüber debattiert wurde. Diese Aktion ist ein Beispiel dafür, dass Landwirte bereit sind, bei Vergütung der Mehrkosten auch mehr zu tun. Und wir sprechen nicht von der ständig unterstellten Tierquälerei sondern über ein Wellness plus für Nutztiere. Aber es war nie genug Geld ( zugesagt von Handel und Schlachtereien ) vorhanden, um allen teilnahmebereiten Landwirten den Mehraufwand zu erstatten. Subventionen der EU gibt es in allen Mitgliedsstaaten , oft noch ergänzt durch lokale Gelder, auch in Österreich und besonders für den Ökolandbau. Auf die Straße gehen die Bürger erst, wenn sie wirklich hungern und genau das soll verhindert werden. Eine exakte Steuerung der Produktion kann es in der Landwirtschaft nicht geben. EEG etc. sind eine rein deutsche Spezialität und Solaranlagen stehen auch auf vielen Innerstädtischen Dachflächen. Das miese Spiel mit dem Nitrat im Grundwasser müsste mittlerweile jedem bekannt vorkommen : wir suchen die schlechtesten Proben aus und verallgemeinern – NOX und Feinstaub lassen grüßen, die Vorgehensweise ist dieselbe. Und das publikumswirksam vermarktete angebliche Bienensterben ? Eigentlich sollte doch mal nachgefragt werden , warum unser ebenfalls mit viel Steuergeld gestützter Naturschutz nur Wölfe und nicht auch Insekten hervorbringt, aber die heiligen großen Naturschutzverbände sind sakrosankt ( und neugierige Journalisten eine aussterbende Spezies ).

  14. Ich habe noch Landwirtschaft im Sinne des Wortes in der Nachkriegs-
    zeit erlebt. Da gab es Fruchtwechsel, Ackerraine, Kartoffeln wurden ein-
    gekellert. Ein Bauer hatte ein paar Schweine, je nach Größe des Hofes
    eine oder mehrere Kühe, er hielt Gänse, Enten und Hühner. In unse-
    rem Dorf fuhr ein einziger Traktor. Fleisch gab es sonntags, die Woche
    über Kartoffel- und Eiergerichte mit viel Sauce und natürlich Suppen
    aller Art. Mit Freude denke ich an diese Zeit zurück, auch wenn wir als
    Kinder die Nachmittage nicht immer spielend verbrachten, sondern den
    Bauern für ein kleines Entgelt (1 Mark für den Nachmittag) auf ihren
    Äckern halfen. Das Rad zurückdrehen will sicher niemand, aber Nahrung
    ansehen als das, was es sein sollte: Den Körper am Laufen zu halten
    und nicht mit Billigware der Verfettung preisgeben, ist nicht schwer.
    Ihre Werbung, geehrter Herr Herles, paßt aber nicht so recht zu den
    Handeslsgewohnheiten von Lidl, Aldi und co.

    • Lidl, Aldi und co. sind nicht die Ursache sondern das Symptom! Es kann eben nicht jeder bei Edeka oder tegut einkaufen, angesichts der vielen prekär Beschäftigten und der vielen H4-Empfänger in unserem Land.

      Was Sie beschreiben, Herr Herles, ist die unselige Seite des Kapitalismus, in dem sich alles rechnen muss. Würde den Bürgern nicht die Hälfte oder sogar mehr von ihrem Einkommen von der Steuer oder staatlichen Institutionen abgepresst, so könnte sich so mancher auch bessere und teurere Nahrungsmittel leisten. Glauben Sie denn wirklich, dass es den Leuten Freude macht, billigen Sch*** zu essen, Hackfleisch und Wurst, von dem/der man nicht weiß, was da alles reingemengt wurde? Tomaten, die nach nix schmecken, billiges Weißbrot, das schon nach zwei Tagen anfängt zu schimmeln?

      Ich persönlich glaube nicht an die Parole Geiz-ist-geil, ich glaube eher daran „Entweder billig oder nix“. Diese Krise ist eine, die durch eine skrupellose Lohn- und Abgabenpolitik, unterstützt von den Herrschenden in diesem Lande, künstlich herbeigeführt wurde, die den Leuten erhebliche Teile ihres Einkommens für andere Zwecke enteignet, die nicht den Steuerpflichtigen dienen. Es müsste so nicht sein!

      Aber wie sagte schon Brecht? „Erst kommt das Fressen, dann die Moral!“ Das gilt besonders im Nahrungsmittelsektor. Die Moralscheißer in unserem Land versuchen jedoch, dies umzudrehen und sagen damit im Prinzip: Bevor ihr billige Lebensmittel kauft, verzichtet lieber und (ver)hungert. Das ist ethischer!

      Welche A****l*****! Sie stehen damit auf der Stufe von Marie Antoinette, der (allerdings wohl fälschlicherweise) der Ausspruch zugeordnet wird „Sollen Sie doch Kuchen essen, wenn sie kein Brot haben!“, nachdem ihr gesagt wurde, dass die Bürger Frankreichs hungern.

      • Da kann man ihnen nur zustimmen, als Kind vom Dorf kenne ich in jedem größeren Ort eine Zehntscheune, in dem der herrschende Adel den Bauern ein Zehntel ihres Ertrages als „Steuer“ eingezogen hat, 10% von einer damals überschaubaren Ernte. Da mussten dann die 90 % für die eigene Familie reichen… und taten das auch mehr schlecht als recht. Wenn heute bei vielen am Ende des Geldes noch Monat übrig ist sind gewisse Parallelen zu erkennen…

      • Edeka ist im wesentlichen auch nicht teurer als die anderen. In meiner Gemeinde kaufen z.B. viele bei Edeka, weil es gar keinen anderen Supermarkt in der Nähe gibt.

      • Daraus:
        „Es ist interessant zu sehen, wie sich die Erkenntnis immer mehr durchsetzt, dass wir es in der Tat mit einer Strukturkrise zu tun haben, die meines Erachtens das gesamte Gesellschaftsmodell unseres Landes gefährdet. Die konsequente Erosion der ökonomischen Grundlagen, gepaart mit steigenden Belastungen aller Art, erreichen den Punkt, an dem es kippt. Sobald das der Fall ist, beginnt ein Kollaps, der wohl nicht mehr umkehrbar ist.“
        Ökonom Dr. Daniel Stelter

    • Auch daraus:

      „Aber keiner hört zu. Keiner will zuhören. Manchmal kam mir schon der ketzerische Verdacht, es will keiner hören, weil die Verantwortlichen schlicht keine Lösung wissen. Vielleicht ist es nicht so, dass sie es nicht besser wollen, sondern es tatsächlich nicht besser können. Sie sind Gefangene ihrer Ideologien, die zwar erkennbar nicht mehr funktionieren, aber aus denen sie keinen Ausweg finden.“

      Oder wie es Reinhard Mey bereits 1998 ausdrückte:

      Sie rüsten gegen den Feind, doch der Feind ist längst hier.
      Er hat die Hand an deiner Gurgel, er steht hinter dir.
      Im Schutz der Paragraphen mischt er die gezinkten Karten.
      Jeder kann es sehen, aber alle sehen weg,
      Und der Dunkelmann kommt aus seinem Versteck
      Und dealt unter aller Augen vor dem Kindergarten.
      Der Ausguck ruft vom höchsten Mast: Endzeit in Sicht!
      Doch sie sind wie versteinert und sie hören ihn nicht.
      Sie zieh’n wie Lemminge in willenlosen Horden.
      Es ist, als hätten alle den Verstand verlor’n,
      Sich zum Niedergang und zum Verfall verschwor’n,
      Und ein Irrlicht ist ihr Leuchtfeuer geworden.

      Reinhard Mey – Das Narrenschiff

      https://www.youtube.com/watch?v=8Lz_qPvKCsg

  15. Bauern und Verbraucher, steckten schon immer in einer Beziehungskrise. Seit ich, Ü60, mich an Nachrichten erinnern kann, jammerten & klagten die Bauern. Der Bauernverband ist einer der mächtigsten Lobbyistenverbände im Lande. Das Wetter war immer zu warm, zu kalt, zu nass, zu trocken und führt zu Ernteeinbußen, die den Verbrauchern höhere Preise bescherten und den Steuerzahlern Entschädigungszahlungen aufbrummten, denn Verbraucher und Steuerzahler waren schon immer als alleinig Schuldige / Verantwortliche definiert. Inzwischen bleibt den Verbrauchern das Lachen im Halse stecken, wenn die alljährlichen Klagen über das Wetter und die schlechten Ernten veröffentlicht werden. Es glauben immer weniger Menschen, dass ihr Sonntagsbraten die Ursache für Gülle verseuchtes Grundwasser ist.
    In den 1980er-Jahren schockten die Begriffe „saurer Regen“ und „Waldsterben“ und wir Verbraucher & Steuerzahler mussten viel Geld zur Rettung der Wälder bereitstellen. Dennoch wurde weiterhin mit schnell wachsenden, also schnell zu vermarkteten, Kiefern und Fichten aufgeforstet. Jetzt stirbt der Wald schon wieder und wieder sind es die Steuerzahler, denen die Verantwortung in die Schuhe geschoben wird.
    Hartnäckig hält sich die Mär vom umweltbewussten Landwirt. Da werden familiäre Kleinbetriebe in Szene gesetzt, um diesen Mythos zu stützen. Ja, viele familiäre Kleinbetriebe handeln tatsächlich umweltbewusst und sorgen sich ums Tierwohl. Nur sind diese in der Minderheit.
    Niederbayern war einmal das Armenhaus Bayerns. Wer heute in den bayerischen Wald fährt und die Augen offen hält, sieht inzwischen ein ganz anderes Bild. Riesige Schweinemasthallen und riesige Hühnerfarmen sind einfach so in die Landschaft gestellt. Große Biogasanlagen die mit Monokulturen gefüttert werden müssen, riesige Solarzellenfelder prägen inzwischen das Bild – die EEG-Umlage machts möglich. Vom Armenhaus ist nichts mehr zu sehen.
    Und wer die Bilder der Bauerndemonstrationen genau betrachtet hat, konnte auch die großen Trecker sehen. Kein Vergleich mehr zu Traktoren von einst. Das harte Bauernleben ist inzwischen sehr bequem geworden, Dank der Automatisierung und Industrialisierung die Einzug in Ställe und auf Felder genommen hat.
    Und jetzt frage ich mich, warum muss ich als Verbraucher die technische Aufrüstung bei Trekkern finanzieren? Weshalb muss ich mit meinen Steuern die Exportförderung mitfinanzieren? Weshalb muss ich Zeit meines Lebens das unternehmerische Risiko der Landwirte zahlen? Weshalb muss ich Ernteausfälle mit Entschädigungen ausgleichen? Weshalb muss ich ein Geschäftsmodell bezahlen, das zu 50-60% auf öffentlichen Transferleistungen basiert? Und vor allen Dingen frage ich mich, weshalb sich die familiären Kleinbetriebe vor den Karren der großen Agrarindustrie spannen? Noch mehr öffentliche Gelder bedeutet nicht, dass die kleineren Betriebe gefördert werden.
    Nein, liebe Bauern Wertschätzung und Respekt kann man nicht per Demo erzwingen.

    • Darum ging es den Bauern am Dienstag im Wesentlichen:
      Das umstrittene Agrarpaket: Das gefährde gerade die bäuerlichen Familienbetriebe, die erhalten werden sollen, so die Verantwortlichen von „Land schafft Verbindung – wir rufen zu Tisch“. Das Aktionsprogramm zum Insektenschutz sei ein Affront gegen den kooperativen Naturschutz.
      Die verschärfte Düngeverordnung: Sie führe unter anderem zu Unterdüngung. In den „roten“ Gebieten würde die Schuld für sämtliche Nährstofffrachten den Landwirten in die Schuhe geschoben. Die neuen Regeln seien zum Teil fachlicher Unsinn und verursachten wirtschaftlich enorme Einbußen.
      Das ständige Bauernbashing: Der Buhmann der Politik und vieler Nichtregierungsorganisationen (NGOs) zu sein bedeute permanente negative Stimmungsmache. Das führe zu Ärger und Frustration im Berufsstand, weiter zu Diskriminierung, Benachteiligung und Mobbing von Familienangehörigen.
      Das unerträgliche Mercosur-Handelsabkommen: Das gefährde durch Billigpreise importierter und eher wenig nachhaltig erzeugter Waren die Versorgung mit sicheren, qualitativ hochwertigen und geprüften Lebensmitteln aus der eigenen Region.
      https://www.agrarheute.com/politik/bauern-gehen-strasse-kernanliegen-560440?amp&__twitter_impression=true

      Ihr Kommentar liest sich wie ein Rundumschlag und bestätigt den Spruch, den die Bauern auf einem Schild geschrieben mit sich führten: „Sie säen und sie ernten nicht, aber sie wissen alles besser“.

      • Das sogenannte Klimapaket, wie z. B. die Forderung nach der Halbierung vom Tierbestand, ist für viele Bauern schlicht existenzgefährdend, weshalb sie auch völlig zu Recht auf die Straße gehen bzw. fahren. Auch das Geschwafel vom Insektenschutz erscheint mir als völliger Schwachsinn, wenn ich daran denke, das in meiner Gegend die Obstbäume unter der Last der Früchte beinahe zusammengebrochen sind.

  16. Moralisch gut muss es sein und billig muss es sein. Gilt für das Fleisch an der Metzgertheke wie für die deutsche Außenpolitik, wie für das Internet wie für vieles andere. Und dann wundern wir uns, dass die Welt nicht mehr so ist, wie wir sie uns wünschen.

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