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30 Prozent weniger Ausgaben im Januar

Argentinien: Milei schafft erstmals seit zwölf Jahren Haushalt ohne Schulden

22.02.2024

| Lesedauer: 5 Minuten
Während sich internationale Medien schon in schwarzen Szenarien für Javier Milei üben, schafft es der neue Präsident Argentiniens im Januar, einen ausgeglichenen Staatshaushalt vorzulegen. Nach einem Vierteljahrhundert Krise haben die Argentinier genug von den alten Lösungen. Ihr Beispiel könnte in Südamerika Schule machen.

Die argentinische Armutsrate soll in diesem Jahr noch einmal gestiegen sein, so schreiben einige deutsche Medien fleißig aus einer neuen Erhebung der Katholischen Universität Buenos Aires ab und spitzen noch zu: Die Rate sei auf dem höchsten Stand seit 20 Jahren. Traulich vereint sind hier das katholische Domradio und die linke taz, die beide nicht wissen, woher diese Armut kommt. Auch die heutzutage undefinierbare FAZ mischt mit und sieht Argentinien wegen der immer noch hohen Inflation am Abgrund taumeln. Doch was als Milei-Vorführung und Skandalisierung geschrieben ist, belegt eher die Unfähigkeit seiner Vorgänger, mit einer jahrelangen Krise fertig zu werden. Eigentlich ist es ja schlicht absurd, zu behaupten, dass die reale Armut in einem Land durch die Regierungsentscheidungen eines Monats wesentlich beeinflusst werden könnte.

Eine konkurrierende Studie der Universität Torcuato di Tella hat übrigens keinen relevanten Anstieg der Armut festgestellt. Das Seltsamste ist aber, dass die schon vor der Wahl Mileis hohe Armutsquote von 45 oder 46 Prozent nie eine Rolle in deutschen Medien spielte. Nun gab es damals keinen Politiker „neuen Typs“ dort, dem man einfach rechte oder gar autokratische Umtriebe nachsagen konnte. Alles verlief im Einerlei von Peronismus, Staatssozialismus und Mitte-Rechts-Kontrastprogramm. Tatsächlich liegt inzwischen ein Vierteljahrhundert Krise hinter Argentinien.

Man muss sich den Wahnsinn dieser argentinischen Hyperinflation noch einmal vergegenwärtigen: Allein zwischen 2019 und 2023 stieg der Preis eines handelsüblichen Hamburgers von zwei auf mehr als fünf US-Dollar. Und das war, bevor die Inflationsrate Ende des Jahres die 200-Prozent-Marke erreichte und überschritt.

Die Argentinier hatten genug von den alten Lösungen

Seit 2001 erfuhr Argentinien immer wieder Wirtschaftskrisen, aus denen weder linke Peronisten noch ein konservativer Präsident wie Mauricio Macri das Land befreien konnte. 2018 erlebte Argentinien eine weitere Krise nach der Großkrise von 2001/2002, als Gerhard Schröder den Argentiniern eine Siemens-Investition im Tausch gegen Kredite aufdrücken wollte.

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2018 verlor der Peso die Hälfte seines Außenwerts. Die Regierung schlüpfte erneut beim Internationalen Währungsfonds (IWF) unter. Seitdem fiel die Inflationsrate nicht mehr unter 50 Prozent. Im Jahr 2020 folgte einer der längsten Lockdowns weltweit – mit den erwartbaren Folgen einer noch tieferen, maßnahmenbedingten Corona-Wirtschaftskrise. Hohe Preise, geringer Konsum und niedriges Wachstum gaben sich die Klinke in die Hand. Plünderungen und Proteste gegen die hohen Lebenskosten wurden die Regel. Die Armut näherte sich den 50 Prozent. Eine ganze Generation war in der Krise aufgewachsen und hat schlicht genug davon.

Nun wird auf die Abwertung des Pesos verwiesen und auf die angeblich schwierigen Folgen. Tatsächlich wirkt der Schritt sich nur auf den Außenhandel aus und begünstigt mittelfristig das Wachstum im Land. Milei hat den offiziellen Wechselkurs an den realen angepasst oder die Differenz zwischen beiden verkleinert. Dazu musste er den Peso um 54 Prozent abwerten – eigentlich war die Währung aber schon vorher genauso wenig (oder weniger) wert gewesen. Nur bezahlte die Differenz jemand anders. Im Land selbst verändert sich dadurch nichts. Aber kolumbianischer Kaffee soll zum Luxusgut geworden sein. Das war er irgendwann schon einmal gewesen. Und lokale Produkte sind doch heute so im Trend.

Ausgeglichener Haushalt, zwei Monate früher als erwartet

Durch seine libertären Reformen will Milei „Freiheit und Fortschritt“ in seinem Land wieder ermöglichen. In einem Notdekret mit rund 300 Artikeln hat er die Privatisierung der meisten öffentlichen Betriebe angekündigt: „Alles, was in den Händen des privaten Sektors sein kann, wird in den Händen des privaten Sektors sein.“ Dazu könnten auch die öffentlichen Sendeanstalten des Landes gehören, die Milei im Wahlkampf als „verdecktes Propagandaministerium“ bezeichnet hatte. Daneben geht es in dem Dekret um die sofortige Abkehr von Preiskontrollen, die Streichung von Subventionen, das Ende von Einfuhrbeschränkungen.

Im Januar, seinem ersten vollen Monat im Amt, gelang Milei zudem der erste Überschuss in einem Monat seit August 2012 und der erste Überschuss in einem Januar seit 2011. Das sind gefühlte Ewigkeiten. Im Januar war eigentlich nur ein Primärüberschuss geplant gewesen, also abgesehen von Zinszahlungen. Der vollständig ausgeglichene Haushalt sollte im März folgen. Nun gelang er schon zwei Monate früher. Die Staatseinnahmen deckten damit im Januar alle Ausgaben, eingeschlossen die Zinszahlungen. Man könnte es – mit Verweis auf die Farbe von Mileis libertärer Partei – die „violette Null“ nennen, aber Mileis Pläne gehen im Grunde schon jetzt über dieses Ziel hinaus. Um den Bürgern möglichst viel zurückzugeben, ist er zu echten Einschnitten in die Staatsausgaben bereit. Er liefert den Argentiniern angesichts der Krise einen Überschuss.

Dass man das hervorheben muss, zeigt, wie sehr unser Begriff vom guten Haushalten heute keynesianisch überformt ist. Beständiges Schuldenmachen, egal ob in guten oder schlechten Zeiten, gilt als normal, die damit einhergehende laufende Enteignung der Bürger und Steuerzahler als kleineres Übel. Was würde passieren, wenn der Staat seine Ausgaben plötzlich zurückführte? Argentinien zeigt: nicht viel. Milei hat die Hälfte der Ministerien eingespart und konnte so auf vermutlich tausende Staatsdiener – 50 Prozent der höheren Beamten und 34 Prozent der politischen Beamten – verzichten. Auch die Sekretariate wurden von 106 auf 54 fast halbiert. Im Januar reduzierte er so die Staatsausgaben um 30 Prozent im Vergleich mit dem Vorjahresmonat (inflationsbereinigte Angabe).

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Milei: Wir verhandeln nicht mit den Zerstörern des Landes

Natürlich meckern da die einstigen Staatsbediensteten, von denen auch das ZDF eine für seinen Report auflas: „In 45 Tagen hat dieser Typ unser Leben vermasselt“, schimpft da eine gewisse Inés Rodriguez, die ihre Stunden vor kurzem noch beim Katastrophenschutz absitzen durfte. Und sicher ist das „sonst so freundliche Gesicht der 47-Jährigen“ von Zornesröte betroffen, wenn sie an ihren verlorenen, einst betonsicheren Job denkt. Doch die von den Gewerkschaften angezettelten Massendemonstrationen konnten der Regierung nicht schaden.

LIBERALISIERUNG UND PRIVILEGIENABSCHAFFUNG
Argentinien: Klare Mehrheit im Parlament für Javier Mileis Grundlagengesetz
Derweil hat das zunächst mit großer Mehrheit angenommene Grundlagengesetz Mileis einen Rückschlag erlitten: Im Streit um einzelne Maßnahmen, die Milei besonders wichtig waren, schlugen sich die grundsätzlichen Ja-Stimmen aus anderen Parteien ins Lager der Neins. Das Gesetz geht damit zurück in die Ausschüsse des Kongresses. Milei kommentierte das aus Israel als eine vorübergehende Blockade durch die „Kaste“ von Berufspolitikern, die noch nicht von ihrer Macht lassen wollen: „Die Kaste hat sich gegen die Veränderung gewandt, für die wir Argentinier an den Wahlurnen gestimmt haben. Wir wissen, dass es nicht einfach sein wird, ein System zu ändern, in dem Politiker auf Kosten der Argentinier reich geworden sind, die jeden Tag aufstehen, um zu arbeiten. Unser Regierungsprogramm wurde von 56 Prozent der Argentinier befürwortet, und wir sind nicht bereit, es mit denen zu verhandeln, die das Land zerstört haben.“

Ein Politiker der konservativen Oppositionspartei PRO kritisierte die Auslandsreisen Mileis nach Israel und Rom – zur Kanonisierung einer argentinischen Heiligen –, aber das sind eher oberflächliche Angriffspunkte, auch wenn Milei natürlich im Lande selbst viel zu tun bleibt. Man hatte bisher keinen Zweifel, dass er die vor ihm liegenden Aufgaben mit hoher Energie angehen will. Das wird vermutlich so bleiben, zumal auch die Skandalisierung seines Wirtschaftskurses durch Medien und Kasten-Establishment wohl nicht abreißen wird.

Schon ist die Rede davon, dass Mileis libertärer Kurs andere Länder in Südamerika anstecken könnte. In Bolivien, Chile, Kolumbien, Peru, sogar in Brasilien und Venezuela soll es derzeit mehr Anhänger der Wirtschaftsfreiheit geben als jemals zuvor. Die sozialistischen Stammhirsche leiden meist unter niedrigen Zustimmungsraten von 30 bis 40 Prozent – so der Chilene Boris und der Brasilianer Lula –, während Milei sich noch in der Frühlingssonne der 60 Prozent aalen kann.

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46 Kommentare

  1. Wenn es aufgrund der Misswirtschaft in den Vorjahren nicht mehr zu verteilen gibt, dann ist diese Rosskur ein schwerer Anfang. Ich denke, daß der Erfolg sich einstellen wird . In Deutschland nach dem Krieg war es ja auch so . Danach gibt es auch wieder Geld für die sozialen Dienste. Aber erstmal sind die Familien selbst dran sich zu helfen. Das ist das normalste der Welt. Wenn sich dann Unternehmen gründen oder vorhandene wachsen können, da die Schranken abgeworfen wurden, dann werden auch die Löhne wieder steigen, nachdem erst einmal die Arbeitsplätze entstanden sind. So läuft das echte Wirtschaften. Alles andere sind kommunistische oder sozialistische Träumereien die leider immer wieder auftauchen, da es in einer Gesellschaft immer wieder Benachteiligte gibt. Es ist ja auch nicht so, daß Argentinien ein armes Land ist. Es steht billige fossile Energie grenzenlos nach dem Ausbau der Infrastruktur dafür zur Verfügung, die dann auch von grüner Kernernergie abgelöst werden kann. Und dann stehen die Investoren Schlange und Argentinien wird schneller als wir heute denken, zu alter Blüte auferstehen.

  2. Ich bin mit den Verhältnissen in Argentinien schon lange etwas vertraut da wir dort Verwandte haben und wünsche dem wirtschaftliberalen Javier Milei von Herzen Erfolg.
    Der Beitrag banalisiert die Probleme des Landes und der Lösungsansätze der neuen Regierung aber in einer Weise die nicht akzeptabel ist.
    Wie kann man auf die Idee kommen, dass die Abschaffung einiger Ministerien und die Entlassung von ein paar tausend politischen Beamten innerhalb einiger Wochen einen ausgeglichenen Staatshaushalt schafft?
    Die Ausgaben des Staates für die Armee, den Verkehr, das Gesundheitswesen, die Polizei und natürlich vor allem auch die Sozialausgaben wie Rente und Sozialhilfe sind das um was es geht – diese Themenfelder waren dem Autor noch nicht mal ein Erwähnung wert…
    Ein oberflächlicher und damit nichtssagender Beitrag über die ersten Amtstage eines guten Politikers in einem zerrütteten Land.

  3. Für heutige westliche Komintern wird Milei noch viel gefährlicher und verhasst sein, als Trump, diese Defactokommunisten werden alles machen, damit er scheitert.

    • Wir sollten den zu uns holen. 1. Sparmaßnahme sollte das Ende der Finanzierung aller NGOs sein. 2.Sparmaßnahme: Zuwanderungsstopp, dann Remigration aller Illegalen.

    • Sehr geehrter Herr Gutmann, dieser Verbündeter ist genauso rechts wie die Paria selbst und wird von allen westlichen Demokratinnen und Demokraten auch kompromisslos bekämpft. Ebenso hochachtungsvoll

  4. Bei wem ist Argentinien verschuldet? Wie Japan, also im Inland? Oder wie wir, beim internationalen Kapital? Haben die Gläubiger in der Vergangenheit das Schuldenmachen befeuert? Wie lässt Milei, der mit Chabad tanzt, die Schulden zurückzahlen? Mit welchen Deals? Warum kündigt BackRock groß Investitionen in Argentinien an? Warum sollte ein Libertärer sich diese ausgewiesenen Korporatisten ins Land holen (die das „Woke-sein“ erfunden haben)?

    Diese internationale Oligarchen-Mafia hat nach dem Zerfall der SU (unter anderem) auch die übriggebliebenen Länder überfallen und für Elend gesorgt. Die sehen Demokratie an wie einen orientalischen Dämon, der nur auf Einladung („demokratische Wahlen“) ins Haus eindringen kann.

    Ich kann die Reden und Interviews von Tucker Carlson, Träger des roten Armbandes, sehr gut finden. Ebenso die Aussagen von Milei. Und dennoch skeptisch bleiben. Ich kenne die Glaubenssätze von Chabad, die sie sogar sehr laut und unverhohlen in die Welt posaunen. Und die sich keiner traut, zu wiederholen. Bitte wachsam bleiben! Und den Tag nicht vor dem Abend loben.

  5. Das ist das , was Dr. Markus Krall vorgeschlagen hat und von dem zutiefst verinnertlichen Beamten Herrn Dr. Maaßèn abgelehnt wurde.

  6. Der Zustand der diesen Präsidenten mit seinen Notverordnungen ermöglichte, wird auch in der EU erreicht werden. Es sei denn die natürliche Sparsamkeit einer Hausfrau wird bis dahin nicht als Vorbild anerkannt. Danach sieht es leider aus und deshalb ist das was wir jetzt in Argentinien sehen der steinige Weg, der auch uns bevorsteht.

  7. Und das in neun (9) Wochen! Man stelle sich vor, unsere Regierungsdarsteller kämen auf den Trichter, bloß mal jede „Entwicklungshilfe“ einzustellen. Von unnötigen Ministerien, wie es Milei tat, gar nicht zu reden.

    • Kein unbekanntes Problem in Deutschland, Das hatten wir schon mal – die Auflösung des Entwicklungshilfe-Ministeriums. Allerdings bräuchten wir ein neues Ministerium; das zur Abwicklung bürokratischer Hemmnisse und nicht notwendiger Strukturen in allen Ministerien. Auch auf Länderebene.

  8. Der Zustand ist in Deutschland noch nicht ganz erreicht, aber es wird heftigst daran gearbeitet. Wir schaffen das.

  9. Das Beispiel ist suboptimal. In Dolar Blue dürfte der Preis eines handelsüblichen Hamburgers ziemlich gleich geblieben sein. Von dem profitierten aber nur die reichen Argentinier mit Dollarkonten im und Dollarbezug aus dem Ausland. Das wurde nun „abgeschafft“, mit Inkaufnahme einer ziemlich krassen Inflation – wahrscheinlich letztmalig -, und nun rentiert es sich nicht mehr so dolle, ins Nachbarland zum Shoppen zu fahren, weil sich die Preise ebenfalls angeglichen haben. Zweiter Nachteil: Die Argentinier sind diese Urlaubssaison so ziemlich ausgeblieben …

  10. Das Dilemma Südamerikas hat mir ein guter Freund, Professor in Sao Paulo, aufgezeigt: „Wie kann es sein, dass ein Kontinent, gesegnet von der Natur mit Rohstoffen, besten Böden, Zugang zu den Weltmeeren und einer jungen, wachsenden Bevölkerung derart am Boden liegt, von Kriminalität und Drogen zu Grunde gerichtet wird?“ Besonders im Hinblick auf Brasilien und Argentinien lautete meine Antwort: „Könnte es vielleicht doch etwas mit den Menschen zu tun haben, die dort leben?“

    • Nun ja, ich denke, das Problem ist etwas breiter gefächtert. Man ist dem Wahn sozialistischer Ideen gefolgt – als es weltweit in Mode war, gerade in Argentinien -, zu einem Zeitpunkt, zu dem der Protektionismus des „Wertewestens“ für einen Zusammenbruch der Exportmärkte sorgte und ein weiteres Anwachsen der eigenen Industrie verhinderte. Zudem kümmerte sich der „Wertewesten“ nur stiefmütterlich um seine eigene Westentasche, was ihm gerade komplett auf die Füße fällt, der MERCOSUR hat eigentlich überwiegend gar keine Lust mehr auf ein Freihandelsabkommen mit der EU. In Argentinien und Brasilien kam es just zum obigen Zeitpunkt und aufgrund der Intensivierung der Landwirtschaft auch zu einem sehr starken Zuzug von mittel- und perspektivlosen Landarbeitern aus dem Norden in den Städten, was die Kriminalität enorm befeuerte. Die weit verbreitete Korruption war natürlich auch nicht gerade von großem Nutzen. Das sind nur einige Gründe. Im Moment kehrt sich das gerade um, Kapital und Produktion suchen nach Auswegen aus dem zunehmend totalitär und sozialistisch werdenden „Wertewesten“. Milei kommt für Argentinien eigentlich genau zum richtigen Zeitpunkt. Sollte er erfolgreich sein, was ich sehr hoffe, steht Argentinien wahrscheinlich binnen Rekordzeit wieder da, wo das Land schon mal war: An der Weltspitze. Die Menschen, die dort leben, wollen überwiegend nicht viel – in Ruhe arbeiten, sodass es zum Leben reicht und sonntags ein ordentliches Stück Rind auf dem Grill.

      • Es bleibt aber die Frage, warum die Südamerikaner so sehr dem Sozialismus zuneigen, es immer und immer wieder damit versuchen, obwohl das Scheitern allzu offensichtlich ist. Irgendwie sind die Europäer und Nordamerikaner da doch ein bisschen besser.
        BIP-pro-Kopf Brasilien 7 000 $, Argentinien 10 000 $ (beiden Ländern blieb der 2. Weltkrieg erspart), Deutschland 50 000 $.
        Warum funktionieren die Deutschen praktisch ohne Rohstoffe fünfmal besser als die Südamerikaner?

      • Die Gründe sind die von mir angeführten zusätzlich eines relativ bildungsfernen Prekariats, das in die Städte zog, und das für sozialistische Ideen empfänglich ist. Argentinien war zeitweise das reichste Land der Welt und hatte damit „plötzlich“ ein riesiges Problem, die Verstädterung erfolgte ja weit später als in Europa. Da das Prekariat ja inzwischen nicht mehr so ganz bildungsfern ist (durchaus ein Erfolg!), ist man durchaus auch für Ideen eines Milei empfänglich, Macri war der erste in der Reihe, konnte sich aber noch nicht so ganz durchsetzen. Bei BIP-Angaben pro Kopf sollte man vorsichtig sein und lieber die Angaben in KKP verwenden, da diese die Realität weit besser abbilden, und da liegt Argentinien bei gut unter der Hälfte vom besten Deutschland aller Zeiten. Wie genau das in Argentinien gerade läuft, kann Ihnen ein dort Lebender bestimmt besser sagen, ich kann nur für das Nachbarland sprechen: In gewissen Bereichen – natürlich nicht in allen! – funktioniert vieles inzwischen ebenso ohne Rohstoffe fünfmal besser als in Deutschland.

      • Heiner Rindermann ist in „Cognitive Capitalism“ diesen Fragen nachgegangen: Danach korreliert das sozioökonomische Funktionieren einer Gesellschaft mit der durchschnittlichen Intelligenz der Bevölkerung und der Präsenz einer kognitiven Elite. Richard Lynn gibt für Argentinien 96 und Brasilien 87 IQ-Punkte an, Deutschand 102 (Lynn, Vanhanen „Intelligence and the wealth and poverty of nations“).

      • Weil irgendwann mal Weichen falsch gestellt wurden. Ein sozialistisches System erzieht die Menschen entsprechend, je länger umso mehr. Das hätte mit Deutschland auch passieren können, hätte nicht Ludwig Erhard die sozialistische Kriegswirtschaft über Nacht abgeschafft. Es gab damals fast zwei Generationen, für die es selbstverständlich war, dass der Staat die Preise festsetzt. In der CDU wie in allen anderen Parteien gab es heftigen Widerstand gegen Erhard, auch auf der Straße. Erst als die Reformen, die keine Reformen, sondern die Kettensäge a la Milei bedeuteten, ihre Wirkung enfalteten, machte sich in der Bevölkerung eine Zufriedenheit breit. England und Frankreich dagegen verfuhren nach der Devise – what’s good in war is good in peace. Mit den bekannten verheerenden Ergebnissen.

      • Und warum wurden/werden die Weichen falsch gestellt?
        Heiner Rindermann ist in „Cognitive Capitalism“ diesen Fragen nachgegangen: Es liegt an der durchschnittlichen Intelligenz der Bevölkerung und einer kognitiven Elite.

      • Nur sonntags Fleisch ist für den Argentinier ein bißchen selten. Im übrigen hoffe ich, daß Sie recht behalten.

        Eine Anmerkung nur: in Argentinien wurde über Jahrzehnte Riß mit Sozialtransfers und ÖD-Stellen zugekleistert, den die Diktatur und dann der verlorene Falklandkrieg durch die Gesellschaft hinterlassen hatten.

    • Auch, aber wesentlich ist die geopolitische Lage dieser Länder. Die USA haben da schon immer ihre Interessen zu wahren gewusst. Erst wenn diese Staaten sich nukleare Streitkräfte zulegen, werden sie eigenverantwortlich agieren können. In spätestens 10-15 Jahren werden die ersten dieser Länder entsprechend ausgerüstet sein. Mexico, Brasilien, Argentinien und Chile werden es versuchen. Das werden wir auch in Afrika und Europa erleben. Japan, Taiwan und die Philippinen werden sicherlich schon planen.

  11. Ich fürchte, dass diese Rosskur ähnlich wie in UK unter Thatcher nicht nur Gutes hervorbringt.

    Einige Abenteurer und Leute mit guten Kontakten werden sich die Staatsbetriebe unter den Nagel reißen.

    Vielleicht gibt es keine perfekte Lösung – aber wenn ich bedenke, wie effektiv die auf den ersten Blick sehr überschaubare Agenda 2010 in Deutschland war, dann gibt es vielleicht auch einen Mittelweg um sus Bürokratie und Sozialismus hersuszukommen.

    • Der „Mittelweg“ wäre vielleicht ganz einfach: zu schleifen, d.h. alle unnötigen staatlichen Institutionen, und dann mit Kernkompetenz den wirtschaftlichen Ordnungs- und Gestaltungsrahmen DURCHZUSETZEN, und nicht dabei zuzusehen, wie Großinvestoren durch Erwerb der Melkkühe weiter die Unternehmenskonzentration auf immer weniger Anbieter und dadurch eine Aushebelung des Wettbewerbsmarktes vorantreiben. Dazu darf man auch gerne Erwerbungen von Unternehmen durch zu große andere verbieten und bereits zu große aufspalten. Die Aufsicht darüber führt eine Wettbewerbs- und Wirtschaftsaufsicht — eine liberale Erfindung! Das funktioniert sogar, wenn der Staat nicht überall Mikromanagement mit unqualifiziertem Personal betreibt. Deutschland ist dafür zur Zeit also kein Beispiel, es sei denn als Abschreckung.
      Herrn Milei drücke ich jedenfalls alle Daumen.

    • Es gibt keinen Mittelweg zwischen Marktwirtschaft und Planwirtschaft, zwischen Freiheit und Befehl.

      • Es gab in Deutschland die soziale Marktwirtschaft. Das war vor Jahren —

      • Ja, die gab es. Aber unter völlig anderen Rahmenbedingungen.
        Das waren die Aufschwungjahre, ohne Dekadenz, mit Vollbeschäftigung, mit einer Bevölkerung, die noch Fleiß und Eigenverantwortung kannte, ohne Anspruchsdenken, ohne ausufernden Sozialstaat, ohne sozialistische Planwirtschaft.
        Anders ausgedrückt, jeder hat zunächst einmal versucht, sich selbst zu helfen, nur die wirklich in Not geratenen wurden vom Sozialsystem aufgefangen und auch nur unter kräftiger eigener Mithilfe.
        Das ist heute anders, heute wird jeder, ob in Not oder nicht, vollalimentiert.

  12. Dass man das hervorheben muss, zeigt, wie sehr unser Begriff vom guten Haushalten heute keynesianisch überformt ist.“

    Keynes schrieb nicht nur vom Schuldenmachen sondern auch davon diese in Zeiten guter Wirtschaftsdaten zurückzuzahlen. Den Teil vergessen Politiker nur immer.

    • Es ist nicht möglich den Konjunkturzyklus mit Fiskalpolitik zu beeinflussen, die Folgen von diesem keynesianischen Blödsinn killen unsere Wirtschaft und lassen die Schulden ins Uferlose wachsen.
      Schwankungen der Kaufkraft des Geldes sind in einem unbeeinflussten freien Markt etwas normales, die Crashs und Booms jedoch sind ursächlich auf die Inflationäre Geldschöpfung der Geschäftsbanken und im Rahmen der „Bankenrettungen“ und „Wirtschaftsrettungen“ auf die inflationäre Geldschöpfung der Zentralbanken zurückzuführen. Der Staat sollte möglichst von beidem die Finger lassen, von der Geldschöpfung und von seinen „Rettungsbemühungen“.

    • Es gibt immer Gründe, in Zeiten guter Wirtschaftdaten NICHT zurückzuzahlen. So wurden in keynesianisch dominierten System nie substantiell Schulden zurückgezahlt. Zumal das Verhindern von Bereinigungen mittels Schulden und Inflation mittelfristig keine guten Wirtschaftdaten hervorbringen KÖNNEN.

  13. Diese Kärrnerarbeit der wirtschafts- wie gesellschaftspolitischen Entrümpelung ganzer Nationen, die faktisch seit Jahrzehnten in ein Art keynesianistischen Sozialismus hinabgesunken sind, ist nicht zuletzt in Deutschland und Europa überfällig.

  14. „die Hälfte der Ministerien eingespart…“ Strike, genauso geht das! Wenn man davon etwas merkt, dann, dass dort nicht mehr so viel Unsinn verzapft wird. Wäre bei uns dringend nötig.

    • Scholz lässt das Kanzleramt gerade großzügig ausbauen, für viele, viele neue Beamte.

      • Kann man dann zu Dienstwohnungen für das Viertel an Beamten umbauen, die nach der Aktion Afuero tatsächlich benötigt werden.

      • Es schwirrt die Zahl von 1300 Stellen insgesamt durch die Medien. Dann wären wir wieder in den Zeiten Ludwigs IV angelangt, als mehrere Personen am Hof für seinen Nachttopf zuständig waren.

  15. Davon abgesehen, dass in Argentina eher die Herbst- als die Früjahrssonne scheint 😉 ist mir der Artikel ein wenig ZU positiv.
    Aber ich wünsche ihm und seinem Land „alles Glück der Welt“ – das er zweifellos brauchen wird – in einer Welt voller Woke-linken. –

  16. Man kann die Argentinier nur zu diesem Mann beglückwünschen und hoffen, dass er lang genug leben wird, um dieses Land endlich in geordnete Bahnen zu führen. Das Potential ist auf jeden Fall da und das Imperium, dass sonst sofort eingreifen würde ist in diesem Jahr mit sich selbst beschäftigt, gute Voraussetzungen also für ein Super Jahr da unten.

    Allein zwischen 2019 und 2023 stieg der Preis eines handelsüblichen Hamburgers von zwei auf mehr als fünf US-Dollar.

    Also wenn ich mir die Preise bei den Dönern in Deutschland anschaue… Auch würde ich nicht von Hyperinflation sprechen wenn sich der Preis in 2 Jahren verdoppelt… Hyperinflation ist dann doch noch eine andere Hausmarke!

    Seit 2001 erfuhr Argentinien immer wieder Wirtschaftskrisen, aus denen weder linke Peronisten noch ein konservativer Präsident wie Mauricio Macri das Land befreien konnte.

    Ich muss man wohl einwenden, dass diese Menschen es nicht wollten, denn das man es kann, so man denn will wird ja gerade gezeigt! Aber gut dafür konnten die „Nichtkönner“ in saus und braus leben…

  17. Die entscheidende Frage wird sein, ob er solange durchhalten kann bis seine Reformen auch für den einfachen Mann von der Straße Wirkung zeigen. Falls das klappt könnte es einer ganzen Generation die Augen öffnen, wie Wohlstand für Alle geschaffen wird – nämlich durch Markwirtschaft. Wird er aber vorher weggeputscht, wird es wie weiland bei uns mit Merkel und der Agenda 2010. Seine linken Nachfolger werden die Ernte einfahren und dem Volk weismachen, dass der Aufschwung auf ihrem Mist gewachsen ist. Und dann wird ihre erneute sozialistische Stümperei die nächste Krise verursachen.

    • Ein Rundumschlag kann sehr schnell wirken. Siehe die Einführung der D-Mark. Zwar stieg kurzfristig die Arbeitslosigkeit, danach machten die Preise einen Satz nach oben. Aber es war vorher derart verkorkst, das wollte auch keiner wiederhaben. Und die ganze Energie, die vorher in den Schwarzmarkt und das Besch… der unzähligen Regulierungsbehörden versickerte, stand für legales Unternehmertum zur Verfügung, zu dem es keiner zwanzigtausend Zettel mit Stempeln mehr bedurfte.

    • Das wäre der Ludwig-Erhard-Momentum. Auch diesem schlug heftiger Widerstand von der Straße und allen Parteien entgegen. Dann jedoch zeigten die Reformen, besser gesagt, die Abschaffung der sozialistischen Kriegswirtschaft, ihre Wirkung und die Lebensbedigungen verbesserten sich zusehends.

  18. Die Linken nannten damals noch Venezuela als Vorzeigebeispiel dafür, dass Sozialismus super funktioniere – wir sehen ja, wo das 20 Jahre später endete.
    Milei hingegen zeigt, wie man den Karren wieder aus dem sozialistischen Dreck ziehen kann, denn rechtsliberale Marktwirtschaft funktioniert eben wirklich!

  19. Kein Vorbild – wir brauchen doch dringend unsere vielen Ministerien und Sekretariate zur Bewältigung der von ihnen geschaffenen Bürokratie.
    Und wir sind stolz auf das zweitgrößte Parlament der Welt – auch wenn regelmäßig, wie heute bei der Haushaltsdebatte, zwei Drittel der Abgeordneten durch Abwesenheit glänzen.
    Die ‚anstrengenden‘ Nebenjobs nehmen hat viel Zeit in Anspruch …

  20. Argentinien ist nicht erst seit 25 Jahren in der Krise. Seit der Übernahme durch die Peronisten geht es in dem Land bergab, weil die Sozialisten nichts anderes taten, als das, was das Land erwirtschaftete umzuverteilen und alle Reformen und Entwicklungen blockierten, so dass Argentinien mehr oder weniger in der ersten Hälft des vorigen Jahrhunderts feststeckte . (Auch die zwischenzeitliche Diktatur hat nur die Empfänger der staatlichen Pfründen geändert, sonst nichts). Man kann Milei nur viel Glück wünschen. Allerdings ist das Risiko enorm groß gegen einen über Generationen gefestigten Machtapparat ohne echte Vollmachten anzutreten. Das einzige Mal, in dem es gelungen ist, marktwirtschaftliche Reformen in Südamerika dauerhaft durchzusetzen, war unter Pinochet in Chile, der sehr autoritär aber nur wenige korrupt war und sich quasi die „Vollmachten“ mit dem Gewehr selbst gab. Davon profitiert das Land noch heute. Aber ähnlich wie in Deutschland Merkel und die Hampel, verspielen die Sozialisten in Chile das Vermögen für ihre ideologischen Experimente.

  21. > „In 45 Tagen hat dieser Typ unser Leben vermasselt“, schimpft da eine gewisse Inés Rodriguez, die ihre Stunden vor kurzem noch beim Katastrophenschutz absitzen durfte.

    Ich freue mich auf das Gejammer der staatlichen Klima-Hysterisierenden:innen, Gender-Beratenden:innen oder welche Posten auch immer für die Absolventen und Abbrecher der Woken Murks-„Studien“ geschaffen wurden. Die Linksgrüne Nomenklatur, dem Ostblock ähnlich.

  22. Es wäre so schön, wenn dieser Kurs auch DEUTSCHLAND „anstecken“ würde. Staatsausgaben runter, 30-40% aller Ministerien können weg. Einen total aufgequollenen Verwaltungs-Wasserkopf, wo die jeweilige Regierung nur ihre Günstlinge parkt, haben wir nämlich auch hier in D.

    • Nach dem Prinzip Milei könnten weg:
      Wirtschaft (Abteilung im BMF reicht), Arbeit und Soziales (dto), Wohnen/Bauen (dto), für Gedöns, Bildung und Kultirsekretär – sowieso Ländersache -, Verkehr, Umweltschutz und für Gesundheit können als Abteilungen ins BMI, Entwicklungshilfe kann ins AA und Bundeskanzler hat eine Riesenhütte und braucht keinen eigenen Minister.

      In D würden allerdings die Taschen allein schon dadurch überlaufen, daß man dem gesamten Haltungsvorfeld die Steuermittel streicht und das Wetter in hundert Jahren in Indien eben Wetter in hundert Jahren in Indien sein läßt.

  23. Es wird auf Wochen- oder Monatsbasis wahrscheinlich keine belastbaren statistischen Daten aus Argentinien geben – man könnte aber trotzdem mindestens monatlich, oder wöchentlich, mit Wirtschaftsanekdoten aus Jahrzehnten, oder besser 100 Jahren, über die Großartigkeit des jungen Präsidenten berichten. Milei ist seit Dezember im Amt. Die Kettensäge hat er noch nicht ausgepackt, und die Zentralbank hat er auch nicht niedergebrannt. In 6, 12 Monaten, und darüberhinaus, werden wir mehr wissen.

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