<
>
Wird geladen...
POWAY/NEW YORK

Antisemitismus: Wie eine gefährliche Epidemie

24.01.2020

| Lesedauer: 4 Minuten
Antisemitische Vorfälle in den USA nehmen zu. Beobachter sprechen von einer gefährlichen Entwicklung, die die ganze Gesellschaft erfasst habe. Die Zunahme von Gewaltbereitschaft bei afro-amerikanischen Antisemiten gilt als Tabu.

„Wir müssen das Problem als das erkennen, was es ist: eine Epidemie“, erklärte David Harris vom American Jewish Commitee, nachdem es im vergangenen Jahr zu einem rasanten Anstieg antisemitischer Gewalttaten in den USA gekommen ist. „Wir sprechen nicht mehr von vereinzelten, gelegentlichen Aktionen – so schlimm diese auch sind –, sondern von einem regelmäßigen Phänomen.“ Im April stürmt ein 19-Jähriger eine Synagoge in Poway, Kalifornien und eröffnet das Feuer, um – wie er es formulierte –, ein Zeichen zu setzen gegen den jüdischen „Genozid an der weißen Rasse“. Eine Frau starb. Anfang Dezember erschossen zwei Afro-Amerikaner drei Menschen in einem koscheren Supermarkt in New Jersey. Einer der Täter hatte Verbindungen zu den Black Hebrew Israelites – einer rassistischen Gruppierung, die Juden als „weiß“ und „falsch“ ansehen und sich als „echte Juden“ definieren; sie verstehen sich als wahre Nachfahren des biblischen Israel.

Vielzahl antisemitischer Gewalttaten zum Jahresende

Und zum Jahresende ereignete sich eine Vielzahl von antisemitischen Gewalttaten in den Straßen der Stadt New York. Der tragische Höhepunkt: Am siebten Tag von Chanukka stürmt ein Mann in der nahegelegenen Ortschaft Monsey mit einer Machete bewaffnet in ein Haus eines Rabbiners, mit der Absicht diesen und weitere fünf dort anwesende Personen zu töten. Sie werden schwer verletzt.

„Das tägliche Leben ist immer noch dasselbe, aber die ständigen Vorkommnisse antijüdischer Gewalt in Pittsburgh, Poway, New York, Monsey und Dutzenden anderer Städte sind alarmierend. Zwar sind es nur wenige Opfer, aber wir alle sind betroffen“, erklärt Matthew Austerklein gegenüber der „Tagespost“. Er ist Kantor in der jüdischen Gemeinde Beth-El in Akron, Ohio und bildet konfessionsübergreifend junge Kantoren aus. „Als ich in den 80er und 90er Jahren in den Vorstädten von Washington DC aufwuchs, war Antisemitismus mehr Geschichte als Realität. Aber die Dinge sind jetzt anders. Antisemitismus ist ein drohendes Gespenst in der amerikanisch-jüdischen Alltagspsyche. Es ist etwas, das wir bekämpfen werden und müssen, bevor es schlimmer wird – um unserer selbst willen, um unserer Kinder willen und um Amerikas willen.“

„Ich habe Angst, mit meiner Kippa nach draußen
zu gehen. Ich habe Angst, in der Öffentlichkeit
Hebräisch zu sprechen. Ich habe Angst, in die Synagoge zu gehen“
Max Rose, Vertreter des Bundesstaates New York im Repräsentantenhaus

Noch im Jahr 2014 erschien im Nachrichtenmagazin „Time“ ein Artikel unter der Überschrift „Antisemitismus: Keine Bedrohung für amerikanische Juden“, nachdem es im vorhergegangenen Jahr so wenig Vorfälle registriert worden sind wie selten seit sie seit 1979 erfasst werden. Seitdem steigen die Zahlen jedoch kontinuierlich. 2018 kam es landesweit zu 1.879 antisemitischen Straftaten und 39 Gewaltvergehen – in jenem Jahr ereignete sich auch das gravierendste antisemitische Attentat in der Geschichte der USA, als elf Personen in der Tree-of-Life-Synagoge in Pittsburgh erschossen worden sind. Die neue antisemitische Gewaltwelle in der Stadt New York fügt dieser Entwicklung eine neue Dimension hinzu. Max Rose, Vertreter des Bundesstaates New York im Repräsentantenhaus, schilderte bei einer Pressekonferenz die Folgen dieser Entwicklung. In Gesprächen mit jüdischen Bürgern bekomme er immer häufiger zu hören: „Ich habe Angst, mit meiner Kippa nach draußen zu gehen. Ich habe Angst, in der Öffentlichkeit Hebräisch zu sprechen. Ich habe Angst, in die Synagoge zu gehen.“

Dass diese Ängste nicht unbegründet sind, zeigt ein Blick in die Statistik: Nur 13 Prozent der Bewohner der Stadt New York habekennen sich zum jüdischen Glauben, doch 54 Prozent der aus Hass verübten Straftaten im vergangenen Jahr betrafen Juden. Die abstrakten Zahlen rufen Ängste hervor. Denn hinter der Statistik stehen konkrete Vorfälle aus dem Alltag, wie etwa dieser: Eine 42-jährige Frau, eine orthodoxe Jüdin, die mit ihrem dreijährigen Sohn spazieren geht, wird ins Gesicht geschlagen. Der Täter brüllt: „Du verdammte Jüdin. Dein Ende wird kommen!“

Gewalt gegen Juden durch Afro-Amerikaner

Eine Besonderheit der Situation in New York: Die Gewalt geht nicht vorwiegend von Anhängern der sogenannten White Supremacy-Ideologie aus, die an eine „Überlegenheit der Weißen“ glauben, oder wird von Islamisten verübt. Vor allem unter Antisemiten aus afro-amerikanischen Bevölkerungsteilen schlägt deren Hass gegen Juden zunehmend in Gewalt um. Dies ist kein neues Phänomen. Seit Jahrzehnten ist der Ortsteil Crown Heights, in der zum Großteil chassidische Juden und Afro-Amerikaner wohnen, ein Epizentrum des Antisemitismus in der Stadt. Als 1991 bei einem Autokorso, der von einem Rabbiner angeführt wurde, bei einem Unfall ein Kind guyanischer Einwanderer tödlich verletzt worden ist, kam es zu gewaltsamen Ausschreitungen gegen Juden. Jedoch ist der Antisemitismus in den afro-amerikanischen Bevölkerungsschichten bisher nur wenig erforscht worden und die US- Gesellschaft tut sich insgesamt schwer, den Rassismus einer benachteiligten Minderheit zu thematisieren. So wurde zum Beispiel im Magazin „New Yorker“ der Versuch unternommen – er erntete viel Kritik –, vor dem Hintergrund sozialer Spannungen, die Schießerei in einem koscheren Supermarkt in New Jersey zu erklären.

Aufgrund von Wohnungsknappheit und Lebensunterhaltskosten ziehen chassidisch-jüdische Familien seit den 1970ern aus der Stadt in die Vorstädte und so wurde in dem Artikel die Frage gestellt: „Hat ein Zustrom chassidischer Bewohner im Stadtteil Greenville in Jersey City zwei Attentäter zu einer Schießerei angestiftet, bei der sechs Menschen getötet wurden?“ Diese Frage insinuiert eine Schuld der Opfer. Die zunehmende antisemitische Gewalt ist jedoch weder die Schuld der Juden und Jüdinnen, noch einer spezifischen Gruppierung in der US-amerikanischen Gesellschaft. Betrachtet man demografisch die ethnische Herkunft der Täter, spiegeln sich in den Zahlen die jeweiligen Bevölkerungsanteile der Tatorte wider. Die antisemitischen Straf- und Gewalttaten werden von Personen unterschiedlicher ethnischer Herkunft begangen, die zum Teil durch persönliche Judenfeindlichkeit und in einigen Fällen durch psychische Erkrankungen motiviert sind. Auch in der sogenannten „Neuen Welt“ ist der Antisemitismus ein altbekanntes Problem, das die gesamte Gesellschaft betrifft.

Nicht in goldenem Käfig abgeschirmt werden

Die reflexartigen Reaktionen auf die zunehmende Zahl antisemitischer Gewalttaten sind die vorgeschlagene Vervierfachung der vom Kongress zur Verfügung gestellten Mittel für gemeinnützige Sicherheitszuschüsse, um jüdische Einrichtungen zu schützen. Und es soll eine Sondereinheit des FBI zur Bekämpfung des Antisemitismus gegründet sowie die Polizeipräsenz erhöht werden. Solche Maßnahmen werden jedoch von jüdischer Seite zum Teil kritisch gesehen: Man wolle nicht in einem goldenen Käfig abgeschirmt werden. David Harris vom American Jewish Commitee fordert umfassendere Maßnahmen: „Trotz der Bemühungen vieler gewählter Amtsträger und Strafverfolgungsbehörden, unsere Sicherheit zu gewährleisten, muss mehr getan werden – einschließlich einer verbesserten Datensammlung, einer härteren Verfolgung und Bestrafung und einer verstärkten öffentlichen Aufklärung – um auf antisemitische Angriffe in unseren Gemeinden zu reagieren.“ So ist es zum Beispiel unverständlich, dass nur in zwölf der 50 US-Bundesstaaten der Holocaust ein vorgeschriebener Bestandteil der Lehrpläne an den öffentlichen Schulen ist.


Der Beitrag von Dr. Till Magnus Steiner ist zuerst bei Die Tagespost erschienen

Unterstuetzen-Formular

WENN IHNEN DIESER ARTIKEL GEFALLEN HAT, UNTERSTÜTZEN SIE TICHYS EINBLICK. SO MACHEN SIE UNABHÄNGIGEN JOURNALISMUS MÖGLICH.

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

16 Kommentare

  1. Wenn wie in der ersten Klasse des Enkels eines Freundes 70% der Schüler der deutschen Sprache nicht mächtig sind, wie soll man solch einer Klasse später den Holocaust erklären? Und in der Koranschule bekommen dann einige von denen etwas ganz anderes erzählt!

  2. Antisemitismus ist ohne wenn und aber und bedingungslos zu verurteilen.
    Aber nicht alles was als Antisemitismus bezeichnet wird ist auch dieser.
    Gerade in München passiert.
    Da wird Protest gegen Kinder- und Säuglingsbeschneidung als Antisemitismus deklariert.
    Wenn Eltern ihren Kindern einen Klaps auf den Hintern geben werden sie wegen Körperverletzung belangt.
    Wenn Eltern ihre Säuglinge vorsätzlich verletzen und ihnen teilweise ohne Betäubung die Vorhaut abschneiden lassen, und das von medizinischen Laien, dann soll das Religionsfreiheit sein?
    Ich bin ein absoluter Freund des israelitischen Volks und der Juden, aber nur weil diese sogenannte Tradition über 3000 Jahre alt sein soll, so muss sie in unserer heutigen Zeit nicht mehr richtig sein.
    Die Christen haben sich auch weiter entwickelt.
    Auge um Auge wurde durch liebe deinen Nächsten ersetzt.
    Das alte Testament ist doch mittlerweile obsolet.
    **

  3. Die Bibliotheken dieser Welt sind voll mit Werken über den Antisemitismus und warum es gerade die jüdische Religion und ihre Mitglieder so getroffen hat ist nicht eindeutig zu klären und es gibt sicherlich eine ganze Reihe von Vermutungen die dann zu einem Schluß führen können und waren früher die Juden mehrheitlich den Exzessen durch Christen ausgesetzt, sind sie heute auch durch den Islam in Gefahr geraten und der Urgrund könnte in der Zerstörung Jerusalems 70 nach Chr. liegen, die durch Titus erfolgte und danach die Juden in andere Länder geflüchtet sind und dort wiederrum als Störenfriede betrachtet wurden und das gipfelte dann ganz besonders nach Jahrhunderten im christlichen Abendland in den Höhepunkt der gezielten Judenvernichtung durch die Deutschen und der Hass als solcher in Europa ist schon vorher in nahezu allen Ländern vorhanden gewesen und ist auch mit ausgewandert über den großen Teich, wobei der islamische Antisemitismus erst viel später erwachte, vermutlich erst bei der Gründung des Staates Israel, wo sich wiederum die Muslime verdrängt fühlten und seither ihren antisemitischen Kampf führen und der widerrum ist überall dort vertreten, wo sich Muslime breit gemacht haben und wie man jemals aus diesem unerträglichen Zustand wieder heraus kommt, das ist schwer zu sagen, denn hier haben sich über Jahrhunderte Meinungen gebildet und die sind nicht per Order abzustellen und wie alles ausgeht ist schwer vorherzusagen, bleibt nur noch die Vernunft als Ratgeber, sonst wird diese Problematik niemals enden.

    • Faktenchek ;o)
      Die ersten größeren Judenpogrome im mittelalterlichen Europa ereigneten sich im islamisch geprägten, maurischen Teil der Iberischen Halbinsel. Im christliche Europa kam es zu ersten großen Judenverfolgungen zur Zeit des Ersten Kreuzzugs. Wobei die Täter von Kaiser Heinrich IV. später zur Rechenschaft gezogen wurden.

      Geschichte gehörte einst zum Bildungskanaon ;o)

  4. Die Globalisierung entzündet längst gelöschte Brände neu, indem unterschiedliche Kulturen aus Ost und West, sehr viel Geld aus verschiedenen Lagern und krude Ideen ungehindert ineinander fließen und sich so gegenseitig neu befruchten. Was in den 90ern nach Zusammenbruch der Mauer kaum noch ein Thema war, holt uns seit 9/11 immer mehr und immer penetranter wieder ein.

    Das Hauptproblem der Juden ist ihre geringe Anzahl und ihre Friedfertigkeit.
    Ja genau, ihre Friedfertigkeit. Trotz ihrer enormen militärischen Schlagkraft schlagen sie immer nur so weit zurück und halten so weit gegen, als es zwingend nötig ist, um als Volk nicht selbst von dieser Erde gefegt zu werden.
    Dem Gegner einen so massiven Schlag zu verpassen, dass er völlig demoralisiert freiwillig auf Distanz bleibt, ist bisher anscheinend noch nicht in Erwägung gezogen worden.

    Man kann nicht alles mit Geld regeln. Das sollten wir in Europa und den USA so langsam begreifen, denn der Nahostkonflikt ist bei uns angekommen und findet im Westen viel fruchtbaren Boden vor, denn da ist seit etwa 80 Jahren immer noch etwas in den Hinterköpfen, was nun wieder befruchtet wird.
    Und zwar nicht nur in Deutschland, bei uns ist das Problem bisher eher gering, sondern im ganzen Westen. Was durch den medialen Popanz, den die deutsche Politik bei diesem Thema auffährt, aber nicht so scheint.
    In anderen Ländern ist das Problem weit ausgeprägter und wird nun durch die offenen Grenzen in den gesamten Westen hineingetragen.

    Der Nahostkonflikt muss gelöst werden. Wenn nötig, auf die harte Tour.
    Andernfalls werden wir aus den Problemen nicht mehr herauskommen.
    Und das gilt mitnichten nur für die Juden, die im Westen leben, sondern auch für alle anderen.

  5. In den USA sind definitiv durchgeknallte Alt-Right-Neofascists vorhanden, die allen Ernstes schwadronieren, die Juden hätten die Moslems nach Europa und den USA geschickt, um beides zu unterwandern. Diese Exemplare laufen an jedem 20. 4. mit steifem rechtem Arm rum und schicken dem Gröfaz Grüsse ins Jenseits bzw. die Hölle. Ich habe mal einen entsprechenden Screenshot gesehen, der Inhalt war Rassismus und Bösartigkeit in Reinkultur. Mir wurde augenblicklich speiübel. – Vielleicht sollte man mal eruieren, ob in den betreffenden Staaten und Counties, in denen Juden angegriffen wurden, strenge Waffengesetze herrschen. Mit diesen würde den Opfern / Juden das im Second Amandment der USA verbriefte Recht zur bewaffneten Selbstverteidigung genommen. Das wissen die Täter natürlich. Die Aushöhlung des Second Amandment wird fleißig propagiert von den US-Leftists und den sie propagierenden Medien. Merke: zuerst sind die Juden entwaffnet worden, dann kam der Gröfaz und nahm ihnen erst das Eigentum, dann das Leben, und sie durften und konnten sich nicht wehren. JPFO propagiert intensiv die jüdische Self-Defension. http://www.jpfo.org

  6. In der gesamten christlich-europäischen Geschichte seit 1600 Jahren ist Antisemitismus eine Konstante von Intoleranz, Diskriminierung, Verfolgung und auch Vernichtung von Minderheiten. Die Gründe sind vielschichtig religiös, machtpolitisch, sozial und immer in einem latent oder offen gefährlichem Mix. Die USA waren auf der Grundlage der aufgeklärten Staatsphilosophie und Verfassung seit mehr als 150 Jahren ein safe haven für religiöse Minderheiten. Die soziale Wirklichkeit war aber immer in weiten Teilen anders, weil die europäischen Einwanderer auch den europäischen Antisemitismus mitgebracht haben. Diesbezüglich erscheinen die USA von heute unseren Gegebenheiten nicht gleich aber ähnlich. Es gibt die alten Verschwörungstheorien von der jüdisch-kapitalistischen Weltverschwörung, es gibt die meist blinde Wut auf die wohlhabenden, liberalen Eliten von Wallstreet bis Hollywood. Es ist nachweisbar, dass in den letzten 10 – 20 Jahren der militante, gewaltbereite Antisemitismus sichtbar zugenommen. Dort wie hier. Dafür gibt es länderspezifische und globale Ursachen. Es brodelt in weiten Teilen der Gesellschaften. Trump gießt auf seine Weise Öl ins Feuer, Steinmeier, wenn er zum Auschwitz-Gedenktag in Yad Vashem auf Deutschland bezogen sagt, dass “ Nie wieder “ keine Selbstverständlichkeit mehr sei. Damit elektrisiert und motiviert er die tatsächlichen Antisemiten zu neuen Schandtaten, er beleidigt aber auch die große Bevölkerungsmehrheit die es nicht ist. Ein Teil der jüdischen Gemeinden hat verstanden, dass es positive Erzählungen über die jüdische Religion, Kultur und Geschichte braucht um Ressentiments zu reduzieren. Bei besserer Kenntnis und genauerem Hinsehen stellt man leichter fest, dass eine jüdische Minderheit eine unproblematische ist. Ein Rabbi am Simon-Wiesenthal-Museum in Los Angeles, mit dem ich vor einigen Wochen darüber sprechen konnte, sieht dies ähnlich.

  7. Der Beitrag beleuchtet leider nicht den Hintergrund des Antisemitismus in den USA, der, wie inzwischen auch in Deutschland, kein homogener nnd multikausaler mehr ist.
    In Deutschland gibt es einerseits den „alten“ deutschen Antisemitismus, der soziale, kulturelle und der Herkunft nach (heute aber von Antisemiten kaum noch realisierte) religiöse Gründe hat. Dazu kommt der Anitsemitismus der Muslime, der sich aus der Konkurrenz um Jerusalem und den Aufstieg Israels speist, und auch nicht minder stark aus islamischen Minderwertigkeitskomplexen, die es in der islamischen Welt spätestens seit der erfolgreichen Vertreibung aus Spanien durch die Reconquista gibt. Dazu tritt häufig noch eine Verbindung mit Antiamerikanismus auf, die es gibt, seit Juden in größerer Zahl in die USA ausgewandert sind.

    Die in die USA kommenden Juden waren nicht reich, sie waren durchweg sehr arm. Sie kamen entweder wegen der Armut in ihren Herkunftsregionen, oder sie flohen vor Pogromen in Osteuropa. Wie alle neudazukommenden Ethnien in den USA (die kein Sozialstaat sind) bedeutete das, dass sie auf der unteresten Hierarchiestufe der Gesellschaft in diese eintraten und damit in unmittelbare Konkurrenz zu denen „die schon länger da waren“ – das waren in New York, Chicago oder den anderen Städten wo sie sich niederließen, Iren, Italiener, Russen – und Schwarze. Die Geschichte dieser Migration wird dann regelmäßig so weitererzählt, dass diese Einwanderer mit harter Arbeit von den Tellerwäschern zu den Millionären aufstiegen (einige) oder in die Mittelschicht (die meisten). Das war auch bei den Juden nicht anders. So gab es den aus Frankfurt am Main stammenden Juden Marcus Goldmann, der 1841 in die USA kam und später mit Goldman Sachs die größte Investmentbank der Welt schuf – und viel Neid. Wer sich die großen Anwaltskanzleien in den USA anschaut, wird feststellen, dass jede zweite einen Namen wie „Feinstein“ oder „Rosenfeld“ oder „Shapiro“ trägt, versinnbildlichend für den Aufsteig der Juden in die Mittelklasse.
    Man findet dort auch Namen wie Rossi, McNamara oder Ivanov – aber sicher sehr viel seltener. Auch die Italiener und Iren haben Hells Kitchen irgednwann hinter sich gelassen und damit die fünf Familien oder Al Capone. Doch der rasche Aufstieg der Juden erweckte Neid, so wie es nicht anders in Deutschland war. Noch meine Großmutter hat mir zu Lebzeiten erzählt, dass es damals (vor dem 2. Weltkrieg) unmöglich gewesen sei, im besseren Teil Berlins (Charlottenburg) einen Zahnarzt zu finden, der kein Jude gewesen sei. Oder Rechtsanwalt. Ich konnte das natürlich nicht überprüfen, was aber wäre, in Berlin heute gäbe es nur türkische und rumänische Zahnärzte? Und naja, schaue ich mir die Nachnamen der in meiner Umgebung praktizierenden Ärzte und Anwälte an, so nehmen die mit den vielen Üs oder auf u endenden Namen rasch zu. Und ich gestehe freiweg – eigentlich möchte ich einen deutschen Arzt und fahre lieber etwas weiter, als zu der eingewanderten rumänischen oder deutsch-russischen Hausärztin zu gehen. Bei letzterer war ich einmal und dachte in ihrem Wartezimmer, ich wäre in Swerdlowsk. Bin ich also schon ein Nazi? Oder auf dem Weg dahin?

    Doch das ist keine Rechtfertigung für Judenhass. In den USA sollte man auch dazu erwähne, dass es in der Breite seit 350 Jahren nur einer Ethnie nicht gelingt, den Status der untersten Hierarchiestufe zu verlassen: Den Schwarzen. Und so geraten diese immer mit denen zusammen, die mit ihnen um Wohnraum konkurrieren oder Jobs. Die chassidischen Juden sind selbstgewählt meist sehr arm. Sie können sich die teuere Suburbia auf Long Island so wenig leisten wie Arpartments in Manhattan. Und: Sie sind weiß. Und so vermischt der amerikanische Schwarze also seinen Neid auf „den jüdsichen Rechtsanwalt“ und seine Haß auf alle Weißen, wie das der deutsche Antiamerikansist mit George Soros tut. Die jüdische Verschwörung, da ist sie. Ich könnte hier auch noch um Opferkonkurrenz in der identitären Gesellschaft schreiben, das führt zu weit.

    Moralpredigenden mit Auschwitz, so wie aktuell gerade wieder zelebriert, helfen nicht das geringste. Sondern einfach kräftig auf die Finger gehauen denen, die Judenhass verbreiten und gegen Juden vorgehen. Denn bekehren – das schafft Ihr nie.

  8. Das Problem des anwachsenden Juden- und Israelhasses in den USA besteht schon länger. Dazu habe ich auch einige weitere diesen Artikel ergänzende Quellen, in denen das Thema von interessierter Seite weiter vertieft werden kann:

    FBI: Jews Subject to 60 Percent of Religiously Motivated Hate Crimes in 2017, Despite Being Just 2 Percent of U.S. Population

    Jews continue to be the most targeted religious group in America
    By Yair Rosenberg
    November 13, 2018 • 1:46 PM

    https://www.tabletmag.com/scroll/274937/fbi-jews-subject-to-60-of-religiously-motivated-hate-crimes-in-2017-despite-being-just-2-of-u-s-population

    Why are African Americans silent amid anti-Semitism ?

    https://www.christianpost.com/voice/why-are-african-americans-silent-amid-anti-semitism-234656/

    You can’t solve anti-Semitism. American Jews, meet Jewish history.
    Ari HoffmanJanuary 2, 2020Getty Images

    https://forward.com/opinion/437552/anti-semitism-is-not-right-or-left-it-is-a-political-orientation-of-its/

    Rabbi Lord Jonathan Sacks: The keys to understanding American anti-Semitism — and fighting back

    Rabbi Lord Jonathan Sacks
    January 2, 2020 3:01 pm

    https://www.jta.org/2020/01/02/opinion/rabbi-lord-jonathan-sacks-the-keys-to-understanding-american-anti-semitism-and-fighting-back

    An Early Analysis of Black Anti-Semitism

    https://mosaicmagazine.com/picks/politics-current-affairs/2019/12/an-early-analysis-of-black-anti-semitism/

    Why No One Can Talk About The Attacks Against Orthodox Jews
    Batya Ungar-SargonDecember 29, 2019

    https://forward.com/opinion/437373/why-no-one-can-talk-about-the-attacks-against-orthodox-jews/

    Jewish security group issues guidelines for synagogues on guns, hired guards

    https://www.israelhayom.com/2020/01/16/jewish-security-group-issues-guidelines-for-synagogues-on-guns-hired-guards/

    Es ist nur eine kleine Auswahl an aktuellen Artikeln, man sieht aber, dass das Thema immer stärker um sich greift und nach vorne drängt.

    Auch möchte ich in diesem Zusammenhang auf das aktuelle preisgekrönte Buch von Bari Weiss zu dieser Thematik mit dem Titel “How to Fight Anti-Semitism” verweisen:

    https://www.jewishbookcouncil.org/book/how-to-fight-anti-semitism#body-text

    Pittsburgh native Bari Weiss wins book award for work on anti-Semitism

    Stephen Huba | Wednesday, January 15, 2020 4:08 p.m.

    Pittsburgh native Bari Weiss won a 2019 National Jewish Book Award for her book “How to Fight Anti-Semitism.”

    Weiss, who grew up in Squirrel Hill and graduated from Shady Side Academy, won the Myra H. Kraft Memorial Award in the category Contemporary Jewish Life and Practice. Hers was one of two 2019 books on anti-Semitism cited as “important and timely” in the Jewish Book Council announcement.

    Weiss, 35, of New York, wrote the book in response to the 2018 attack on the Tree of Life synagogue, where she celebrated her bat mitzvah 21 years earlier.

    “Weiss’ cri de coeur is an unnerv­ing reminder that Jews must nev­er lose their hard-won instinct for dan­ger, and a pow­er­ful case for renew­ing Jew­ish and Amer­i­can val­ues in uncer­tain times from one of our most provoca­tive writ­ers,” according to her publisher, Crown.

    An editor and writer for the New York Times opinion section, Weiss spoke about the book at Chatham University in November.

    Quelle:

    https://triblive.com/local/pittsburgh-allegheny/pittsburgh-native-weiss-wins-book-award-for-work-on-anti-semitism/

    Für Leute, die sich vertiefend mit der Problematik des ansteigenden Judenhasses beschäftigen wollen, sei das Buch von Bari Weiss anempfohlen.

    Hier habe ich auch einen Vortrag von Frau Bari Weiss im Video:

    November 4, 2019

    How to Fight Anti-Semitism

    New York Times editorial writer Bari Weiss talked about her book, How to Fight Anti-Semitism, in which she argued there is a rise in anti-Semitism in America.

    https://www.c-span.org/video/?465619-1/how-fight-anti-semitism

    Weitere Hintergründe zum Buch:

    https://www.jpost.com/Diaspora/Book-review-Antisemitism-and-the-return-of-history-603483

    https://www.jpost.com/Diaspora/What-Bari-Weiss-misunderstands-about-America-and-the-Jews-604145

    Vielleicht kann ja die BRD einiges daraus erlernen, um dem ansteigenden Judenhass auch in der BRD effektiver und besser in Zukunft begegnen zu können ?

  9. Nach Aussage des jüdischen Weltkongresses sind 25% der Deutschen Antisemiten.
    Mit anderen Worten:
    20 Millionen Deutsche sind nach deren Definition Antisemiten.
    Ich halte das für eine Ungeheuerlichkeit.

    Ich will nicht bestreiten, dass es in Deutschland auch heute noch Antisemitismus gibt, obwohl ich in meinem bald 70jährigen Leben keinen einzigen getroffen habe.

    Ich habe unseren Bundespräsidenten aufgefordert diese Ungeheuerlichkeit klar zu stellen bzw. gerichtlich dagegen vorzugehen.

    • Zu dem geheuchelten salbungsvollen Worten von Frank Walter den Spalter habe ich auf Twitter geschrieben, daß ich mich ausdrücklich von den Worten des Mannes distanziere! Es gibt die Ewiggestriegen, die die ihren Haß nicht verbergen können und auch Juden angreifen aber wie sie sagen, ich werde 60 und habe nie einen kennengelernt. Er sprach von der Schuld die WIR Deutschen tragen in Ewigkeit amen. Wer sind denn WIR Deutschen? Die die irgendwo deutscher Abstammung sind, was immer das bedeuten mag, oder jeder der einen deutschen Perso besitzt? Was haben die Nochnichtsolangehierlebenden mit dem Holokaust zu tun? Ich finde diese Gelaber Abscheulich und Verachtenswert aber der Typ bekleidet unser höchstes Amt! Leute wie Walter importieren die die Judenhaß schon mit der Muttermilch aufsaugen, für die Adolf ganz in Ordnung war nur seine Aufgabe nicht zuende gebracht hat.
      Vielleicht täusche ich mich aber wird der Judenhaß nicht mehr, je mehr sich Sozialistisch/Kommunistisches Gedankengut weiter verbreitet? Spielt das nicht auch in den USA eine Rolle? An den Unis dort macht sich das sozialistische Gedankengut breit so wie in den Medien auch. Ich glaube auch nicht, daß die Schwarzen dort von Judenhaß zerfressen sind, eher angestachelt von weißen Intellektuellen die widerum an sozialistischen Unis studiert haben. Bei uns werden die Juden harten Zeiten entgegen sehen müssen, das ist für dieses Land beschämend.

      • Exakt so ist es. Je stärker sich der Kommunismus verbreitet, desto stärker wird der Antisemitismus. Dschugaschwili erschlägt Kamenew und Sinowjew, dann Bronstein.

    • Alle Miglieder der SED, alle Mitglieder der SPD und ein Großteil deren Wähler sowie alle Mitglieder und Wähler der Grünen sind Antisemiten. Sie nennen es „Antizionismus“. Der Antisemitismus steckt im Anrizionismus wie das Gewitter in der Wolke. Am liebsten haben sie tote Juden. Für die kann man Denkmäler bauen und goldene Steine in den Boden einlassen. Dabei weint man vor Rührung über sich selbst.

      • Ja, ja. Es gibt Juden, welche Israels Existenz für Blasphemie halten. Ein paar religiöse Fanatiker ohne Gehör.
        Heute richtet sich Antisemitismus gegen ebendiese Existenz. Und da liegt das Problem. Nur der Staat Israel kann die Existenz der Auslandsjuden garantieren. Wer listig sagt, Antizionismus sei harmlos gefährdet deren Sicherheit.

    • Auf eine Antwort oder Reaktion von Frank-Walter Steinmeier, unseren Bundespräsidenten mit der gespaltenen Zunge, können Sie lange warten, lieber BOESMENSCH.

  10. Ziemlich genau heute vor 31 Jahren erschien „New York“ von Lou Reed. Man hört nach langer Zeit „Good evening Mr. Waldheim“ und ist erstaunt wie alt das aktuelle Thema schon ist. Neu sind die Attentate.

    „And here comes Jesse Jackson
    He talks of Common Ground
    Does that Common Ground include me
    or is it just a sound“
    (…)
    „Jesse you say Common Ground
    Does that include the PLO?
    What about people right here right now
    who fought for you not so long ago?
    The words that flow so freely
    falling dancing from your lips
    I hope that you don’t cheapen them
    with a racist slip“

Einen Kommentar abschicken