Seit jeher organisieren sich menschliche Gemeinschaften durch die Übertragung von Macht auf kleinere Gruppen aus ihrer Mitte. Ganz gleich durch welchen Prozess dies geschieht, ob friedlich oder gewalttätig, freiwillig oder erzwungen, selbstbestimmt oder imperativ, das Resultat ist immer eine Staatsform, in der wenige über viele entscheiden, in der nur einige die Regeln des Zusammenlebens für alle festlegen.
Jedes der zur Etablierung einer derartigen Führung umgesetzten Konzepte lässt sich einer der beiden Gattungen Demokratie oder Autokratie zuordnen. Erstere sieht im Gegensatz zur letzteren ein Mitspracherecht der Bürger vor. Zwar ist die verbreitete Auffassung korrekt, eine Demokratie sei die grundsätzlich bessere Alternative. Die naive Begründung aber, sie führe automatisch zu größerer politischer Weisheit, stimmt nicht.
Entscheidungen einer Regierung können ohnehin nicht entlang eines allgemeingültigen und dauerhaft beständigen Maßstabs als gut oder schlecht, als falsch oder richtig bewertet werden. Jedes Gemeinwesen zerfällt in eine Vielzahl unterscheidbarer Gruppierungen mit unterschiedlichen Interessen, die alle aus Sicht ihrer Vertreter gut begründet und sinnvoll sind. Politik mag als Handwerk der Vermittlung zwischen diesen divergierenden Ansprüchen angesehen werden, der Suche nach einem ausgleichenden Kompromiss und dessen Inkraftsetzung. Aber dies trägt nicht notwendigerweise zu intelligenteren oder effektiveren Beschlüssen bei. Zumal es ausdrücklich auch in Demokratien die Option einschließt, ein spezifisches Interesse gegenüber allen anderen zu bevorzugen, es gar zu einem Dogma und zur alleinigen Maxime des Handelns zu erheben.
Direktwahl gab es schon mal
Der Einwand, man dürfe nicht eher kurzfristiges und vergängliches autokratisches Gedeihen gegen die langanhaltenden Erfolgsgeschichten nahezu aller Demokratien aufrechnen, hat seine Berechtigung. Dieses Argument enthüllt den entscheidenden Vorteil der strukturierten, nicht zufälligen und regelmäßigen Einbeziehung der Bürger in die Regierungsfindung. Natürlich ist die Masse nicht klüger als der Einzelne und selbst ein diktatorischer Alleinherrscher kann sich als überaus fähiger Anführer erweisen. Aber der aufsummierte Wille größerer Gruppen gleicht einerseits allzu radikale randständige Vorstellungen aus und vermag andererseits vergleichsweise einfach einen Richtungswechsel einzuleiten. Die Demokratie reduziert das Ausmaß der allen politischen Entscheidungen zwingend innewohnenden Irrtümer und ermöglicht sogar rasche grundlegende Kursänderungen ohne den Einsatz von Gewalt. Demokratien übertreffen Autokratien nicht deswegen, weil sie in strittigen Einzelfällen schlauer entscheiden, sondern weil sie auf lange Sicht weniger, vor allem geringer ausgeprägte Fehler machen und sich flexibler an neue Rahmenbedingungen anpassen.
Da das Wahlrecht die Demokratie konstituiert, muss sich das Alleinstellungsmerkmal dieser Regierungsform als effektiver Mechanismus zur Fehlerkorrektur in diesem abbilden. Allein der Anspruch jedes volljährigen Bürgers auf geheime Abgabe einer freien Stimme garantiert dies nicht. Es kommt vor allem auf die Regeln an, nach denen diese Stimmen gezählt werden und in die Formierung repräsentativer legislativer und exekutiver Gremien eingehen. Kurz und bündig zusammengefasst hat das Wahlrecht einen friedlichen Regierungswechsel so einfach wie möglich zu machen.
Und dies ist in Deutschland nicht der Fall. Ganz im Gegenteil trägt das hiesige Wahlrecht entscheidend zur Erstarrung der Gesellschaft und zu deren Hilflosigkeit gegenüber einem dogmatischen, moralisch begründetem Absolutheitsanspruch mancher Ideologien bei.
Die Priorisierung des Verhältniswahlrechts zementiert die hegemoniale Stellung von Parteien als Räume einer dem demokratischen Wettbewerb weitgehend entzogenen und der Regierungsfindung vorgeschalteten elitären Willensbildung. Denn allein größere Einheiten mit entsprechender Kapital- und Personalausstattung verfügen über eine für den Erfolg in bundesweiten Wahlkämpfen ausreichende Mobilisierungskraft. Um als einzelner Politiker in einer Partei Ämter und die Aussicht auf ein Mandat zu erlangen, ist ein hohes Maß an Anpassung erforderlich. Die mit der Perspektive auf langfristige Planbarkeit einer Laufbahn als Berufspolitiker belohnt wird, sofern die eigene Position eine andauernde Absicherung über eine Wahlliste garantiert. Parteivorstände allein definieren in der Praxis diese Listen und entscheiden damit über die Zusammensetzung der Parlamente. In die schlussendlich nur Personal gelangt, das sich durch ein hohes Maß an Opportunismus sowohl gegenüber der Partei, als auch gegenüber dem vorherrschenden gesellschaftlichen Zeitgeist auszeichnet, um sowohl im internen wie auch im externen Wettbewerb zu bestehen. Die Ergänzung durch für die Machtverteilung unerhebliche Direktwahlkreise schafft keine Abhilfe. Zumal deren Zuschnitt und personelle Bestückung ebenfalls den Parteien obliegt. Der Vorschlag der Ampel-Koalition zu einer Wahlrechtsreform, die manchen direkt gewählten Kandidaten das Mandat sogar verwehren würde, belegt die Irrelevanz der sogenannten Erststimme.
Vom Versagen des Westens und seiner Demokratie
So gestattet das Verhältniswahlrecht den Parteien, eine Form demokratisch legitimierter Autokratie zu errichten, die als beständig und verlässlich verkauft, was in Wahrheit nur Lähmung und Sturheit darstellt. Es ist hierzulande fast nicht mehr möglich, etwas abzuwählen. Es ist fast nicht mehr möglich, einen einmal eingeschlagenen Irrweg wieder zu verlassen. Derzeit geben vor allem grüne Dogmen den Bereich akzeptierter Debattenbeiträge vor. In vielen grundlegenden Fragen wie Klima, Energie oder Migration wird aufgrund der geschilderten Mechanismen schon lange nicht mehr über das „ob“ diskutiert, sondern nur noch über das „wie“.
Die ältesten und beständigsten Demokratien der Welt, Großbritannien und die USA, haben aus offensichtlich guten Gründen von Anfang an auf ein sehr strikt umgesetztes Mehrheitswahlrecht gesetzt. Ausgehend von dem Ansatz, die Aufblähung des Parlaments durch Überhang- und Ausgleichsmandate einzuschränken, kann dieses auch für eine sehr grundlegende Wahlrechtsreform in Deutschland als Vorbild dienen.
Ein Ansatz wäre, die Bundesrepublik in sechshundert Wahlkreise aufzuteilen. Diese sind dann nur noch halb so groß wie gegenwärtig und würden es allein deswegen unabhängigen Bewerbern oder solchen kleinerer Parteien einfacher machen. Wer in seinem Wahlkreis die Mehrheit erringt, ist im Parlament. Und sonst niemand. Der Bundestag wäre ohne weitere mathematische Kunststücke für immer in seiner Größe festgelegt. Der Wahlvorgang selbst hätte einen sehr viel stärkeren lokalen Bezug und die Persönlichkeit der Kandidaten wäre weit ausschlaggebender als ihre Parteizugehörigkeit. Auch der Kanzler müsste durch die Bevölkerung direkt gewählt und legitimiert werden. Er wäre dann frei darin, seine Regierungsmannschaft nach Gutdünken zusammenzustellen, ohne Rücksicht auf Koalitionspartner und innerparteilichen Proporz. Wenn man die beiden Wahlvorgänge entzerrt, also im zweijährlichen Wechsel den Kanzler und das Parlament für jeweils vier Jahre bestimmt, wären Exekutive und Legislative endgültig entkoppelt und könnten sogar unterschiedliche Mehrheitsverhältnisse aufweisen. Was natürlich das Regieren selbst nicht einfacher macht, aber das soll es ja auch gar nicht sein.
Einfacher und effektiver kann ein Werkzeug für einen häufigen und friedlichen Machtwechsel, für eine häufige und grundsätzliche Änderung der Denkrichtung kaum gestaltet werden. Jedenfalls solange es noch gebraucht wird. Schließlich greift eine solche Wahlrechtsreform implizit den Trend der immer ausgeprägteren individuellen Autarkie in fortgeschrittenen Gesellschaften auf. Sobald jeder Bürger selbst über die vor allem technischen Mittel zur Befriedigung seiner grundlegenden Bedarfe verfügt, diese vollumfänglich kontrolliert und dadurch der Zwang zur Kooperation mit anderen zur Absicherung des eigenen Überlebens entfällt (was den Freiraum für freiwillige Kooperationen enorm erhöht), sind Staaten im herkömmlichen Sinne überflüssig. In solchen fragmentierten Gesellschaften, in denen keine zentrale Regierung mehr existiert oder zumindest nur noch über geringe Autorität verfügt (Außenpolitik, innere Sicherheit, einige ordnungspolitische Rahmensetzungen), regiert jeder sich selbst und die Übertragung von Macht und Verfügungsgewalt auf Obrigkeiten im gegenwärtigen Umfang ist schlicht nicht mehr notwendig. Dies ist weit weniger dystopisch und weit weniger fern, als manche glauben. Es beschreibt im Grunde ein Parlament, das nicht nur aus sechshundert, sondern aus achtzig Millionen Repräsentanten besteht. Ein Gebäude müsste dafür nicht errichtet werden, dieses Plenum trifft sich dann im Metaversum.
Der Ansatz Umstellung auf ein Mehrheitswahlrecht ist zwar per se richtig, allerdings bei weitem nicht ausreichend. MMn müsste eine reine Persönlichkeitswahl statt finden, d.h. eine offene Liste auf die sich jeder der will eintragen lassen kann. Wer die meisten Stimmen erhält ist gewählt, Parteien sind dann nur noch Vereinigungen, die beratend bei der politischen Willensbildung mitmischen, so wie das GG es eigentlich vorsieht. 300 Wahlkreise sollten vollkomen ausreichen, zudem sollte es kein Berufs- sondern ein Milizparlamanet sein, welches max. 2-3x pro Jahr zusammentritt. Gesetze bedürfen grundsätzlich einer Volksabstimmung, zudem sollte der Staat dezentral organisiert sein, d.h. Steuerhoheit auf Gemeindeebene und Gesetze brauchen die Mehrheit der Stimmen und die Mehrheit der Gemeinden. Der Bund selbst erhält nur eine MWSt von ca. 5-6%, damit wird die innere und äussere Sicherheit garantiert.
Demokratie ist nicht, eine Wahl zu haben
Demokratie ist demos kratos – die Herrschaft des Volkes
Sonst nichts
Vor allem unser Wahlrecht – jedoch nicht allein – führte dazu, dass v.Arnim zu recht feststellte: „Die Parteien haben sich den Staat zur Beute gemacht.“ Karl Popper, entschiedener Befürworter des Mehrheitswahlrechts, hat zum Proporz-System bereits vor Jahrzehnten trefflich geschrieben, dass sich dieses „auf eine überholte Theorie der Demokratie als Volksregierung berufen muß (die ihrerseits auf die sogenannte Souveränitätstheorie des Staates zurückgeht). Diese Theorie ist moralisch verfehlt und sogar unhaltbar. Sie ist durch die Theorie der Entlassungsgewalt der Majorität überholt.“ Der fehlbare Mensch wird die perfekte Demokratie wohl kaum errichten. Viel wichtiger als Theorien und Institutionen erscheint mir aber die Verfasstheit der Menschen, die jene zustande bringen wollen. Was ist Demokratie und welche wollen wir? Hinter der Versessenheit alles und jedes – auch das Wahlrecht – bis ins kleinste Detail zu regeln, steht die Furcht vor Freiheit und Eigenverantwortung. Die Eltern unseres GG haben (siehe Wahlrecht) in uns (nicht nur in den Nachkriegs-Deutschen) wohl keine Bürger gesehen, denen ein tiefes inneres Bewusstsein von Werten eignet, die um jeden Preis zu verteidigen sind. Dazu gehören vor allem die persönliche Unabhängigkeit, die persönliche Freiheit. Wir haben die Werte der Demokratie nicht erkämpfen müssen. Ob wir sie in ihrer Tiefe zu erfassen vermögen ist die Voraussetzung für das Gelingen aller Reformen. Die Verantwortung liegt bei jedem Individuum. Haben wir den Mut zur Ehrlichkeit: Welche „Demokratie“ wollen wir?
Es ist nicht die Verhältniswahl, die den Bundestag aufbläht. Es ist die Murkskombination aus Mehrheitswahl UND Verhältniswahl. Ich bin immer noch für eine Aufteilung des Bundestags in 2 Kammern, eine nach dem Mehrheitswahlverfahren bestimmt, die andere nach der Verhältniswahl. Da gibt es auch keine aufblähenden Überhang- , Ausgleichs- oder sonstige Mandate mehr. Der jetzige Bundesrat kann ersatzlos entfallen.
Mit das Wichtigste wurde nicht angesprochen: die Finanzierung und die Medien.
Der Staat ist in Deutschland zum Selbstbedienungsladen der Parteien und der öffentlichen Medien verkommen. Die Medien, NGOs und Parteien sind ein Kartell.
Auch ein Kandidat im Mehrheitswahlrecht wäre auf das Kartell angewiesen,
selbst wenn er seinen Wahlkampf selbst finanzieren und Klinken putzen müsste wie in den USA.
Zuerst müssen also die öffentlichen Medien entpolitisiert und den NGOs die
staatliche Finanzierung entzogen werden.
Die Lehren aus der Zersplitterung der Parteienlandschaft der Weimarer Republik war die Einführung der 5%-Hürde. Nun sehen wir aber, dass durch diese die politischen Zustände ebenfalls zementiert werden.
Ein radikales Mehrheitswahlrecht ist wohl aber auch nicht die Lösung: Wie wir in den USA sehen, führt dies letztlich zu zwei etwa gleich großen Blöcken, welche die Bevölkerung in zwei Lager polarisieren.
Die eigentliche Krux liegt *in den Parteien selbst* : Wir haben doch deshalb keine echte Demokratie mehr, weil die Parteien dies verhindern! Parteien sind zu streng hierarchisch organisierten Kaderorganisationen mutiert, die sich den Staat zur Beute gemacht haben und von oben nach unten bestimmen, wem erlaubt wird, etwas mitzubestimmen und wer nicht. Daher gilt auch: Erst die Partei, dann die Personen -und dann vielleicht noch ein paar Brotkrumen und Floskeln für den Pöbel.
Demokratien, welche diesen Namen wirklich verdienen, sind Länder wie die Schweiz. Hier wird durch den Mechanismus der direkten Demokratie die Macht der Parteien so wirkungsvoll beschnitten, dass diese tatsächlich noch volksnahe Politik machen müssen -weil das Volk ansonsten per Volksinitiative und Referendum dazwischengrätscht.
Unser Wahlsystem ist ungerecht und ineffektiv. Viele Köche verderben den Brei. Es wir niemals funktionieren eine vernünftige Politik auf die Beine zu stellen, wenn 3 oder 4 Parteien eine Regierung bilden. Mehr als 2 Parteien dürften keine Koalition bilden, und das Verbot das bestimmte Parteien aus einer Koalition ausgeschlossen werden ist sowieso rechtswidrig. Alle Parteien, die zu einer Wahl zugelassen sind, sind in eine Koalition aufzunehmen, ob es den Politikern nun passt oder nicht. Gewinnen sollten die beiden stärksten Parteien mit den meisten Stimmen. Sollten dabei die Linke und die AfD (fiktives Beispiel) die meisten Stimmen bekommen, müssen sie sich eben zusammenraufen, klappt in Schweden auch. Ansonsten gibt es nur noch Einheitsbrei, da im jetzigen System jeder sich politisch anbiedert/angleicht in der Hoffnung mit wenig Stimmen in eine 3/4-er Koalition zu kommen. Es ist keine Demokratie keine politischen Unterschiede oder Oppositionen zu haben. Dadurch wurde erreicht, dass wir nun eine Regierung haben, in der eine Minderheit, die gar nicht vom Volk erwünscht/gewählt wurde, politisch das Sagen hat. Davon abgesehen werden Wahlen massiv dadurch geschädigt, dass Briefwahlen durchgeführt werden, und Wahlunterlagen doppelt ausgegeben werden und der Pfusch bei Auszählungen und ungültig machen von Wahlscheinen immer mehr zugenommen hat. Noch schlimmer ist es, wenn, was oft vorgekommen ist, eine bestimmte Partei die meisten Stimmen hatte, und dann 3 andere mit jeweils wenig Stimmen sich zu einer Koalition zusammengeschlossen haben, um mehr Stimmen zu bilden und die vom Volk am meisten gewählte Partei dann gar nicht mit regieren konnte. Das ist antidemokratisch und erfüllt nicht den Willen des Volkes,
Nota bene
Dem Volk – dem Souverän – verboten, nicht dem Parteiensystem
Die dargelegten Vorschläge orientieren sich offensichtlich an den USA (Midterms, Direktwahl des Präsidenten/Oberhauptes etc) und der Schweiz (sehr autarke Kantone, auf allen Ebenen Volksentscheide möglich, viel weniger Machtbündelung beim Bund, als zb Deutschland o Frankreich)
Daran ist nichts utopisch oder dystopisch, es sind existierende Staaten, Gesellschaften etc die im internationalen Vergleich hervorragend funktionieren. Niemand beinTrost und halbwegs funktionierendem Demokratieverständnis käme auf die Idee, diesen beiden Staaten deren Rechtsstaatlichkeit abzusprechen, die breite Bürgerbeteiligung und die breiten, garantierten Bürgerrechte (sei es zum Wahlrecht, der Meinungsäußerung, den beruflichen und ökonomischen Möglichkeiten oder dem Recht auf legalen, privaten Waffenbesitz uvm) als negativ darzustellen etc
Der Haken an solchen Überlegungen ist, dass sie bei uns vollkommen unrealistisch sind, in absehbarer Zeit jemals Realität werden zu können, egal wie gut oder erstrebenswert solche Reformen wären.
Roger Klöppel rät Deutschland ja schon lange „mehr Schweiz zu wagen“ und die USA hätten sicher auch nichts dagegen, wenn wir ihr System deutlich stärker hier kopieren und implementieren würden, die Schweiz natürlich auch nicht. Auch breiten Teilen unserer Bevölkerung traue ich zu, solche Reformen zu begrüßen.
Also warum dennoch „unrealistisch“? Eben weil alle Gruppen, die aktuell die politische Macht sehr konzentriert besitzen, gegen ihren Macht- und Einflußverlust zumindest medial Amoklaufen würden.
Wer die wenigen Fäden der Macht bei uns in Händen hält, ist schon mehrfach und breit diskutiert worden (zb von Achim). Der Begriff „Parteienstaat“ scheint einigermaßen etabliert, trotz der historischen Nähe zu „Staatspartei“. Die Parteiführungen halten faktisch alle Fäden in der Hand, bestimmen dadurch Regierungen und Gesetzgebung (Parlamente), alle politisch besetzten Spitzenämter der gesamten Staatsverwaltung, staatseigener Gesellschaften, Stiftungen, Institute, Staatsmedien/ÖRR, des ganzen staatlichen Bildungssektors, des staatlichen Gesundheitswesens von gesetzlichen Krankenkassen bis zu Medikamentenbeschaffung/Zulassung/Vertrieb/Apotheken), der gesetzlichen Rentenversicherung, Arbeitsverwaltung/Arbeitslosenversicherung, usw usw
Viele Sektoren der „Privatwirtschaft“ sind staatlich massiv reguliert, dessen Ausmaß der Regulierung faktisch ebenfalls von den Parteifürsten definiert wird. Von Energiewirtschaft bis Wohnungsbau, über Industrie bis Handwerk können (und werden) deren „Rahmenbedingungen“ ihrer Tätigkeiten bis zu deren Existenz politisch ständig manipuliert werden, sei es durch Besteuerung, Umweltgesetze, Arbeitnehmerschutz/Mitbestimmung/Inklusion/Pariät etc,
Die staatlichen aka politischen Eingriffe in die „Privatwirtschaft“ können bei uns so weit gehen, daß sich manche Tätigkeiten, Produktionen oder Berufe bei uns schlicht nicht mehr „auskömmlich“ möglich sind, also faktisch indirekt verboten werden, staatlich unmöglich gemacht werden können.
Die Verstaatlichung von Uniper mag als Beispiel dienen, die Schwierigkeiten der Regierung, noch „Betreiber“ für Kraftwerke zu finden, auch. Wer investiert schon noch eigenes oder kreditiertes Geld in einem Umfeld, was nicht mehr langfristig verläßlich ist, niemand heute wissen kann, welche Schnapsideen morgen oder übermorgen im Hinterzimmer ausgebrütet und einfach zu Gesetz erklärt werden. Insb das grüne „Wünsch dir was“ nimmt mittlerweile groteske Ausmaße an. Einerseits wissen sie selbst, dass sie es nicht umsetzen können, alles staatliche regelmäßig sündhaft teuer, langsam und wenig effektiv ist, andererseits wollen sie alle Privaten faktisch engmaschig reglementieren und „an die politische Kette“ legen, insb durch Umwelt/Klimavorgaben, die regelmäßig der Umwelt oder dem Klima nur wenig bis nichts bringen, aber das Ausmaß politischer Kontrolle ständig vergrößern (der Wirtschaft und aller Privatpersonen)
Eben diese Steigerung staatlicher (aka politischer) Macht macht „Klimapolitik“ so reizvoll für alle „Etablierten“ Parteien“, also ihre Vorstände/Parteifürsten. Klimapolitik erlaubt wie „Pandemiepolitik“ faktisch jede noch so engmaschige, kleinteilige staatliche Einmischung, das Regulieren von Allem und Jedem.
Wie bei „Corona“ verlangte keine Institition mit echter Macht den Nachweis von Wirksamkeit (also klassischer Verhältnismäßigkeit: erlaubt, geeignet und minimalinvasiv wirksam) einer „Corona-Maßnahme“ bevor sie von der „Ministerpräsidenten-Konferenz mit Merkel oder Scholz an deren Spitze über das Land ausgeschüttet wurde. Man beschloß einfach selbst, dass alles toll und notwendig sei und ihre Kritiker Idioten, Leugner oder Nazis seien. Die gleiche „Logik“ läuft wieder zu „Klima“ und was Klima „Verlangt“, definieren wenige Parteifürsten in ihren gewohnten Hinterzimmern. Alles Öffentliche darf noch etwas am “wie“ rumfummeln, aber das „ob“ ist schon geklärt. Und auf den „bewährten“ Medientross kann sich die „Berufspolitik“ verlassen. Die Ideen der wenigen Parteiführer werden (immer bis AfD natürlich) medial stets wohlwollend verstärkt, als staatliche Wohltaten verkauft, die nur noch mit Dankbarkeit der Untertanen gerühmt werden brauchen.
Dieses verfestigte Gefüge noch „mittelbare Demokratie“ zu nennen, braucht sicher einige Dickfelligkeit (oder ausgeprägte Staats/Parteien/Mediennähe)
Im EU (und Welt) Vergleich wird man sich schwertun irgendein ein Land zu finden, in dem die Bevölkerung weniger Mitsprache also politische Teilhabe besitzt, als in Deutschland, solange wir noch über „Demokratien“ reden. Weder Staatsoberhaupt noch Kanzler werden direkt gewählt, Volksentscheide auf Bundesebene will keine Partei (aus die Unaussprechlichen natürlich) wollen nicht mal mehr die Grünen oder die ExSED, obgleich sie sich eben das jahrelang auf ihre Fahnen geschrieben hatten, Rotationssysteme an ihrer Parteiführung medienwirksam betrieben haben etc
Sobald die Teilhabe am Machtkartell erreicht war, erwies sich alles „basisdemokratisches Fordern als Geschwätz von gestern, was heute nicht mehr zählt. Teilhabe der Bürger ist bestenfalls „störend“, hinter jedem Busch droht der Populismus, der strukturelle Hang des Pöbels, der regelmäßig einfache Antworten auf politisch schwierige Probleme verlangt, was nur „rechts“ sein kann.
Die Bevormundung der Bevölkerung durch „Parteien“ ist derart in Gewohnheit übergegangen, dass es nicht einmal „Journalisten“ noch irritiert oder gar stört.
Dass sich Presse mal als Kontrolleur der Mächtigen (zb Parteifürsten/Parteien) gesehen hat, muß lange her sein – in Deutschland ist diese Polung oder berufliche Ethik nicht ansatzweise noch erkennbar, außer evtl noch in dunklen Nischen wie hier.
Die strategische Allianz aus Berufspolitik und Massenmedien ist in Deutschland allgegenwärtig, extrem tiefgehend und extrem „einseitig“. Was bei uns noch ernsthaft als bürgerlich oder konservativ genannt wird, wäre in vielen Ländern der EU und der Welt schon klar linke Politik. Unsere linke oder grüne Politk gilt wohl in der Mehrheit aller Länder dieser Welt als linksextrem oder sozialistisch. Selbst in totalitären/autokratischen Systemen/Ländern wie Russland, China oder Saudis-Arabien existieren zumindest partiell mehr Freiräume für gesellschaftliche Gruppen, teile der Wirtschaft etc als hier, teilweise sogar größere private Freiräume mit weniger staatlichen Einmischungen.
Das ist ein „demokratischer“ Offenbarungseid, ein liberales Fiasko – kurz: Deutschland
Daß jeder wählen darf, hängt eng mit der gewaltigen Aufblähung des Sozialstaates zusammen,
Die Mächtigen kaufen sich einfach die Stimmen der Leistungsempfänger. Heute schon die Mehrheit.
Meiner Meinung nach ist unsere Wahlrecht nicht reformierbar. Jede Veränderung des gegenwärtigen Rechts bringt zwangsläufig Verwerfungen an anderer Stelle hervor. Ich sehe die Lösung wo ganz anders, im Verbot Koalitionen einzugehen. Warum? Erst durch Koalitionsverträge werden Wahlversprechen zu Schall und Rauch. Wer die meisten Stimmen bzw. Sitze erhält stellt die Regierung. Für jedes Vorhaben muss sich diese dann die Mehrheit im Parlament suchen. Es gibt immer Mehrheiten zu Vorhaben mal rechts mal links. Ich sehe den Vorteil darin, es muss und kann gestritten werden um den besten Weg. Wer sagt dann kann die Regierung nicht ihre Agenda durchsetzen, ja genau, nicht die Regierung ist der Souverän, sondern das vom Volk gewählte Parlament.
Ich weiß, mein Gedanke löst nicht die Aufgeblähtheit des Parlaments, aber aus meiner Sicht ein signifikantes Demokratieproblem.
Ich halte diese auf TE wiederholt geäußerte Schwärmerei für ein Mehrheitswahlrecht für vollkommen naiv. Ein Mehrheitswahlrecht bringt Parteien keineswegs zu Verschwinden, in keinem Land der Welt. Im Gegenteil läuft es dann auf ein 2-Parteien-System wie in den USA oder UK hinaus (im UK gibt es zusätzlich regionale Splitterparteien, die aber faktisch keinerlei Rolle spielen). Minderheitenmeinungen (wie zB zu Coronapolitik) hätten so gut wie keine keine parlamentarische Relevanz mehr. In D wäre die dann prozentuale Sitzverteilung im Bundestag nach den Ergebnissen von 2021 übrigens: CDU/CSU 48%, SPD 41%, Grüne 5%, AfD 5%, LP 1%; wir hätten also eine schwarz-grüne Koalition und ich wüßte nicht, was daran nun besser sein sollte.