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8. Mai 1945

Der Jahrestag der Niederlage – und die neudeutschen Narrative

08.05.2020

| Lesedauer: 12 Minuten
Wenn dieser Tage zahlreiche Narrative den 75. Jahrestag der militärischen Kapitulation begleiten, sollten diese den Bick auf die Tatsachen trotz aller öffentlich vorgetragenen Erzählungen nicht verstellen.

Sprache ist ein eigenartig Ding. Zumeist dient sie dazu, dass Menschen einander Inhalte mitteilen, die sie in dem jeweils konkreten Moment für mitteilenswert erachten. Allzu häufig verliert sie sich in Belanglosigkeiten. Die Nutzer von Sprache werden zu Plapperern – ergehen sich in dem, was Neudeutsch als „Small-talk“ bezeichnet wird. Gern wird Sprache missbraucht, um damit Sätze zu formulieren, die sich bedeutungsschwanger geben, jedoch bei genauerem Hinschauen sich als inhaltsleere Phrasologie entpuppen. Die Sprache ergeht sich in nichtssagenden Verschleierungen, Andeutungen, Ablenkungen.

Ein Meister dieser Nutzanwendung von Sprache ist Angela Merkel, die sich in Floskeln verliert, welche von ihren Zeitgenossen nur allzu gern als bedeutungsschwer interpretiert werden. Diese Phrasen erhalten dann Bezeichnungen wie „Mahnung“ oder „Appell“. Ihnen ist zumeist eigen, keine konkreten Ziele oder Perspektiven zu beschreiben, sondern eher indifferenten Bauchgefühlen den Weg an die Öffentlichkeit zu bahnen. Jüngstes Beispiel solcher Phrasendrescherei fand sich in der Regierungserklärung der Frau Bundeskanzler anlässlich der Lockerungen der Eingriffe in die individuellen Freiheitsrechte anlässlich der Gefahr einer Corona-Pandemie.

Merkel „mahnte“, verzichtete jedoch wohlweislich auf eigene konkrete Vorschläge des Vorgehens. Und dieses nicht nur, weil dieses im föderalistischen Aufbau der Republik nicht in ihre Obliegenheiten fällt, sondern weil sie damit ein anderes Ziel verfolgt. Denn sollte die partielle Rückkehr zu dem, was gern als Normalität bezeichnet wird, negative Konsequenzen zeitigen, so ist sie fein raus. Ganz im Sinne eines Pontius Pilatus kann sie dann ihre Hände in öffentlicher Unschuld waschen, als Mahnende ihre seherischen Fähigkeiten sowie die „Schuld“ anderer unterstreichen.

Sollten hingegen die in der „Mahnung“ versteckten Befürchtungen nicht Realität werden, so vermag sie sich ohne Konsequenzen für das eigene Ansehen auf die bloße Rolle der „Mahnenden“ zurückzuziehen. Es hätte ja auch anders kommen können – mehr noch: Nur und ausschließlich ihrer „Mahnung“ sei es geschuldet, dass manche „Übertreibungen“ unterblieben. Die Schwafelnde ist mit ihrer Phrasologie folglich immer auf der Gewinnerseite – es ist die klassische Verschwendung von Sprache, mit der bereits in der Antike die Orakel sicherstellten, immer auf der sicheren Seite zu sein.

Sprache als Interpretationsinstrument

Gern wird Sprache auch verwendet, um Sachfeststellungen in ihren Inhalten zu verändern, zu verkehren. Die bereits klassischen Beispiele erleben wir derzeit einmal mehr mit Blick auf die jüngere Geschichte. Dieser Tage jähren sich die Monate April und Mai des Jahres 1945 zum 75. mal. Solche „Jubiläen“ werden selbst dann, wenn es wenig zu „jubilieren“ gibt, gern genutzt, um historische Tatsachen in einen ideologisch geprägten Kontext einzubinden. Die neudeutsche Sprache hat hierfür den Begriff „Narrativ“ eingeführt. Altdeutsch können wir dieses hübsche, weil so wunderbar vom eigentlichen Kerngehalt ablenkende Narrativ als „Erzählung“ – etwas mehr im mittelalterlichen Denken verfangen auch als „Märchen“ – übersetzen. Manche dieser Märchen mögen belanglos erscheinen. Andere verfolgen sehr konkrete Ziele. Deshalb macht es Sinn, sich ein paar dieser Erzählungen etwas genauer zu betrachten.

Die „Befreiung von Konzentrationslagern“

Nebst anderen Exzessen einer kollektivistischen Ideologie, in die die Deutschen nach der verlorenen imperialen Größe und dem wirtschaftlichen Niedergang ihre Hoffnung gesetzt hatten, gehören die sogenannten Konzentrationslager zu den menschenverachtendsten Instrumenten der nationalen Sozialisten. Das Konzept hatten sie von den Briten und vom russischen Usurpator Lenin übernommen. Die Engländer hatten sie in ihrem Krieg gegen die Holländer im südlichen Afrika erstmals eingesetzt, der Kommunist sie zum Instrument seiner Herrschaft gemacht. Als im letzten Kriegsjahr 1944/45 die Alliierten ihren Siegeszug durch die vom Deutschen Reich besetzten Gebiete antraten, besetzten sie auch diese Lager.

Doch befreiten sie diese? Kann man Dinge befreien – und wenn ja – von was? Nein, die deutsche Sprache zeichnet sich durch eine erstaunliche Präzisionsfähigkeit aus. Befreit wurden nicht „die Lager“ – befreit wurden jene Menschen, die von dem unmenschlichen Regime in diese Lager gesperrt worden waren. Die Floskel von der „Befreiung der KZ“ ist insofern unzutreffend. Befreit wurden die Menschen, die in diesen Lagern um ihre Freiheit, ihre Zukunft, ihr Leben gebracht werden sollten. Gleichwohl: Auch wenn die Floskel in der Sache unzutreffend ist, mag man sie noch akzeptieren, um das Ende des Leides der Insassen damit zu beschreiben. Unzutreffend bleibt sie dennoch. Dabei ist sie im Ergebnis mehr, als nur eine beschreibende Floskel. Denn sie verbindet diese eine Folge eines erbarmungslos geführten Krieges nicht mit dem zutreffenden Begriff der Übernahme, sondern mit Befreiung. Aus dem Kriegsakt der Übernahme wird ein Akt der Befreiung. Nicht aber der Befreiung der tatsächlichen Opfer – sondern der Befreiung einer Sache.

„Am 8. Mai endete der Zweite Welkrieg“

Diese Floskel werden wir dieser Tage immer wieder hören. Dabei gilt: Nichts könnte falscher sein. Zum einen ging der Krieg im Pazifik noch einige harte Monate weiter. Doch zum anderen trifft die Aussage auch auf den europäischen Kriegsschauplatz nicht zu. Denn am 8. Mai 1945 erklärte lediglich die Deutsche Wehrmacht gegenüber dem Oberkommandierenden der Alliierten in Europa, dem späteren US-Präsidenten Dwight D. Eisenhower, im lothringischen Reims die bedingungslose Kapitulation eben dieser Wehrmacht. Der Kapitulations-Befehl erfolgte in Abstimmung mit der seit dem 5. Mai amtierenden Reichsregierung unter Johann Ludwig Graf Schwerin von Krosigk.

Für diese nun in Schleswig-Holstein tagende und laut geltendem Völkerrecht legitime Regierung entsprach die bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht einer unbefristeten Waffenruhe. Aus ihrer Sicht hatten nun die Waffen zu schweigen und die Kriegsgegner in Verhandlungen über einen dauerhaften Waffenstillstand und eine Nachkriegsordnung einzutreten, wobei der Reichsregierung bewusst war, dass die Siegermächte nach Belieben ihre Bedingungen diktieren konnten. Tatsächlich jedoch nutzten die Alliierten unter Bruch des Kriegsrechts den faktischen Zusammenbruch der Verteidigungsfähigkeit der Wehrmacht zum weiteren Vormarsch. Am 23. Mai 1945 dann nahmen die Alliierten das Kabinett Schwerin von Krosigk in Gewahrsam und stellten deren Mitglieder mit Verzug vor ein Militärtribunal. Mit diesem Akt setzten die Siegermächte die legitime Reichsregierung völkerrechtswidrig ab – eindeutig und unzweifelhaft ein gegen einen zu diesem Zeitpunkt zwar handlungsunfähigen, aber immer noch im Sinne des Völkerrechts souveränen Staat gerichteter Kriegsakt. Mit dieser Kriegshandlung liquidierten die Siegermächte das 1871 gegründete Deutsche Reich und wandelten Reichsgebiete in entsprechende Protektorate unter alliierter Hoheit um.

Wenn das Kriegsende in Europa – nicht das des Weltkrieges – überhaupt an einem Datum festgemacht werden kann, dann ist dieses der 23. Mai 1945, da zu diesem Zeitpunkt durch die Inhaftierung der Regierung das kriegführende Völkerrechtobjekt „Deutsches Reich“ aus der Geschichte expediert wurde. Ohne Kriegsgegner kein Krieg. Weshalb mit dem 23. Mai 1945 auch Friedensverhandlungen obsolet wurden: Das Schicksal der ehemals als Bürger des Deutschen Reichs zu verstehenden, nun staatenlosen Deutschen hing ab diesem Datum vom Wohl und Wehe der Sieger ab.

„Am 8. Mai ist das Dritte Reich untergegangen“

Diese gern verbreitete Behauptung ist schlicht und einfach falsch allein schon deshalb, weil es ein „Drittes Reich“ zu keinem Zeitpunkt gegeben hat. Dieses „Dritte Reich“ war eine Propagandalüge der nationalen Sozialisten – klassisches Framing im Sinne der Durchsetzung der eigenen Ideologie. Da jedoch die Weimarer Reichsverfassung unabhängig davon, dass sich Hitler und seine Schergen für diese nicht mehr interessierten, zu keinem Zeitpunkt außer Kraft und/oder durch eine andere ersetzt worden war, hieß der deutsche Staat auch 1945 immer noch „Deutsches Reich“ – und auch nicht „Großdeutsches Reich“, obgleich durch den Beitritt Deutschösterreichs die großdeutsche Idee von 1848 Realität geworden zu sein schien. Was aber nicht ist, kann auch nicht untergehen.

Dieses gilt gleichermaßen für alle anderen Versuche, eine Trennung zwischen Deutschland, Deutschem Reich und der Phase der NS-Diktatur herbeizudichten. Trauriges Faktum bleibt, dass Hitler die Macht auf legalem Wege erreicht, der Reichstag als Bürgervertretung den Ermächtigungsgesetzen mit Mehrheit zugestimmt und die Bürger in einer Volksbefragung mit deutlicher Mehrheit der Zusammenlegung von Reichspräsidentschaft und Reichskanzleramt zugestimmt hatten. Insofern gab es auch kein „Hitlerdeutschland“ oder „NS-Reich“ – der Staat, dessen Macht sich die NSDAP erschlichen hatte, blieb bis zum bitteren Ende das Deutsche Reich. Tatsache allerdings ist, dass am 8. Mai durch die normative Kraft des Faktischen die Macht der NSDAP implodierte. Fakt bleibt aber auch: Weder NSDAP noch Hitler waren Deutschland. Sie hatten dieses Land lediglich unter ihre Kontrolle gebracht und in den Untergang geführt.

„Dönitz war Reichpräsident“

Karl Dönitz, zuletzt Oberbefehlshaber der Reichsmarine, war von Adolf Hitler in einem sogenannten „Testament“ zu seinem Nachfolger ernannt worden. Manch einer zieht daraus den Schluss, Dönitz sei der letzte Reichspräsident gewesen. Faktisch jedoch ist dieses nicht der Fall. Denn die zu keinem Zeitpunkt per Rechtsakt außer Kraft gesetzte Reichsverfassung sah eine „Erbpräsidentschaft“ nicht vor. Es spricht für die Hybris des Braunauers bis in den Tod, die Auffassung zu vertreten, er selbst könne seinen Nachfolger in der propagandistisch „Führer“ genannten Doppelfunktion von Reichspräsident und Reichskanzler bestimmen. In staats- wie verfassungsrechtlichem Sinne jedoch konnte er es nicht – vielmehr ist diese Anmaßung nichts anderes als ein Akt des Hochverrats.

Tatsächlich hat sich Dönitz selbst auch nie in dieser Funktion gesehen, allerdings dem Kabinett Schwerin von Krosigk gleichsam als Vertreter des Militärs gedient. Anders kann es auch nicht sein, da laut geltender Verfassung mit dem Amt des Reichskanzlers und/oder des Reichspräsidenten diese Ämter bis zur legalen Neubesetzung vakant bleiben mussten. Insofern ist auch Schwerin von Krosigk nicht als Reichskanzler aufgetreten, sondern als einziger Minister, der noch aus der Weimarer Epoche stammte, vom Kabinett in Mürwik bestimmt als „leitender Minister“ tätig gewesen – eine Position, wie sie sich bis 1997 beispielsweise im Stadtstaat Hamburg fand, in der der Erste Bürgermeister als „primus inter pares“ von den Ministern/Senatoren bestimmt wurde.

„Das Deutsche Reich besteht fort“

Sogenannte Reichsbürger behaupten unverdrossen den Fortbestand des Deutschen Reichs, da es keinen formalen Auflösungsbeschluss gegeben hat. Nur wurde ein solcher durch die Alliierten selbst verunmöglicht und ersatzweise durch die Inhaftierung der Regierung und die Protektoratsgründungen vollzogen. Mit der Übernahme der Regierungsgewalt durch den Alliierten Kontrollrat am 5. Juni 1945 und der Überführung des Reichsgebiets in „Verwaltungszonen“ genannte Protektorate wurde das Deutsche Reich Geschichte. Eines formellen Auflösungsbeschlusses bedurfte es allein schon deshalb nicht, weil es keine staatsrechtliche Instanz mehr gab, die ihn hätte beschließen und exekutieren können.

Ein amtierender Reichstag als repräsentative Bürgervertretung hatte sich mit dem Ermächtigungsgesetz am 24. März 1933 faktisch verabschiedet. Mit der Übernahme der Staatsgewalt durch die Alliierten war auch dieses Scheinparlament, welches einzig den Auflösungsbeschluss hatte fassen können, aus der Geschichte. Die Wahl eines neuen, dann legitimen Reichstages ist zu keinem Zeitpunkt erfolgt. Das Ende des Reichs besiegelten insofern die Siegermächte – und es entstand auch nicht neu dadurch, dass 1949 auf den verbliebenen Resten des Reichsterritoriums in den Grenzen von 1933 zwei neue deutsche Klientelstaaten aus der Taufe gehoben wurden.

Der dritte Nachfolgestaat des Deutschen Reichs erklärte bereits am 27. April 1945 in einer Unabhängigkeitserklärung seine Separation von jenem Reich, dem es per Beschluss der Österreichischen Bundesregierung am 13. März 1938 im Sinne der Beendigung der Republik Österreich völkerrechtsverbindlich beigetreten war. Der österreichische Nachkriegsversuch, die Phase als „Ostmark“ des Reichs zwischen 1938 und 1945 für „null und nichtig“ zu erklären, ist zwar politisch verständlich, staatsrechtlich jedoch ohne Bedeutung. Die erste Österreichische Republik endete 1938. 1945 erfolgte eine staatliche Neugründung als erster der drei Nachfolgestaaten auf dem Boden des untergegangenen Deutschen Reichs.

„Die Bundesrepublik Deutschland ist völkerrechtlich identisch mit dem Deutschen Reich“

Geltende und ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts besagt: Die 1949 gegründete Bundesrepublik ist nicht Rechtsnachfolger des Deutschen Reichs, sondern mit diesem völkerrechtlich identisch. Einen entsprechenden Beschluss fasste das höchste deutsche Gericht 1973 in Hinblick auf die seinerzeit diskutierten Ostverträge. Politisch war diese Entscheidung nachvollziehbar: Sie beschrieb die bundesdeutsche Position des Alleinvertretungsanspruchs gegenüber dem russischen Klientelstaat DDR – das BVerfG agierte folglich politisch.

Dennoch steht diese bis heute geltende Rechtsauffassung in deutlichem Widerspruch nicht nur zum konkreten Vorgehen der Alliierten ab 1945 mit der bereits dargelegten Absetzung und Inhaftierung der nach wie vor völkerrechtlich legitimen Reichsregierung sowie der Einrichtung von Protektoraten auf dem Boden des Reichs. Tatsächlich belegt auch das spätere Handeln der Bundesregierung ebenso wie der Alliierten den Untergang des Deutschen Reichs.

Unter dem Aspekt des Fortbestands des Reichs wären beispielsweise die sogenannten 2+4-Verhandlungen ebenso unnötig gewesen wie der Volkskammerbeschluss zum Beitritt der Länder der DDR zur Bundesrepublik. Gregor Gysi stellte seinerzeit zutreffend fest, die Volkskammer habe nichts anderes als das Ende der DDR beschlossen. Spätestens durch den Einstieg in die 2+4-Verhandlungen hatten die BRD wie die Siegermächte faktisch die Eigenstaatlichkeit der sozialistischen Staatsgründung anerkannt – andernfalls wären die „neuen“ Länder zwangsläufig in der BRD als Deutsches Reich auch ohne völkerrechtsverbindliche Verhandlungen und Verträge aufgegangen.

Deutlich wurde das finale Ende des Deutschen Reichs auch durch die Handhabung von Rechtsansprüchen deutscher Bürger durch die Bundesrepublik hinsichtlich enteigneter Immobilien. Soweit diese Enteignungen durch die Siegermächte – beispielsweise die Sowjetische Militäradministration – auf dem Boden der von ihnen errichteten Protektorate erfolgt war, wies die Bundesregierung jegliche Regressansprüche mit eben genau dem entsprechenden Hinweis auf die damalige Situation kategorisch von sich. Damit anerkannte die Bundesrepublik den Protektoratsstatus nach dem Untergang des Deutschen Reichs – womit die behauptete Reichsidentität ad absurdum geführt wurde.

Bedeutsam ist diese Tatsache auch hinsichtlich gelegentlich aufgestellter Reparationsforderungen beispielsweis durch Griechenland oder Polen, aber auch durch jene afrikanischen Völker, die vor den Deutschen als von Norden kommende Invasoren zu Lasten der dortigen Urbevölkerung das heutige Namibia besiedelten. Völkerrechtlich waren solche Forderungen durch die Protektoratsmächte unter Einsatz von diesen verwalteten Eigentums des untergegangenen Staates zu bedienen – nicht aber beispielsweise durch Privateigentum ehemaliger Bürger des Reichs. Auch hier ist die Position der Bundesregierung bis heute in sich unschlüssig, da sie zwar derartige Forderungen zurückweist, gleichzeitig aber die Reichsidentität aufrecht zu erhalten sucht.

Unbenommen davon sind unabhängig der völkerrechtlichen Situation Beschlüsse des Parlaments, entsprechenden Ansprüchen durch freiwillige Wiedergutmachungen entgegen zu kommen – wie dieses beispielsweise hinsichtlich des Staates Israel erfolgte. Hinzuweisen ist hier auch auf die Rechtsposition beispielsweise Russlands, welches unter Hinweis auf die Niederlage des Deutschen Reichs die „Rückgabe“ des „Schatz des Priamos“ verweigert. Auch diese Position wird nur nachvollziehbar, wenn die Protektoratssituation – und damit das Ende des Deutschen Reichs als Völkerrechtsobjekt – als Tatsache akzeptiert wird. Ähnliches gilt hinsichtlich sogenannter Raubkunst, die durch Vertreter des Reichs aus dem Besitz der ursprünglichen Eigentümer entfernt wurde.

Die Bundesrepublik kann solche Raubkunst zwar im Sinne einer moralischen Verpflichtung zurückgeben – ein Rechtsanspruch darauf besteht jedoch nicht, soweit der Raub durch staatliche Stellen des Reichs erfolgt ist. In solchen Fällen liegt die juristische Verantwortung bei den Protektoratsmächten, welche wiederum eine entsprechende Rückgabe bei den drei Nachfolgestaaten des Reichs hätten einfordern und mit dem Ende der Protektorate als Verpflichtung der neu gegründeten Staaten vertraglich hätten festschreiben können.

Dem festzustellenden Untergang des Deutschen Reichs entsprechend hatten die Siegermächte im Potsdamer Abkommen vom 2. August 1945 – also gut zwei Monate, nachdem sie das Deutsche Reich zu Grabe getragen hatten – folgende Feststellungen getroffen: „Alliierte Armeen führen die Besetzung von ganz Deutschland durch, und das deutsche Volk fängt an, die furchtbaren Verbrechen zu büßen, die unter der Leitung derer, welche es zur Zeit ihrer Erfolge offen gebilligt hat und denen es blind gehorcht hat, begangen worden. … Der deutsche Militarismus und Nazismus werden ausgerottet, und die Alliierten treffen nach gegenseitiger Vereinbarung in der Gegenwart und in der Zukunft auch andere Maßnahmen, die notwendig sind, damit Deutschland niemals mehr seine Nachbarn oder die Erhaltung des Friedens in der ganzen Welt bedrohen kann.“

„Der 8. Mai 1945 war ein Tag der Befreiung der Deutschen vom Nationalsozialismus“

Diese Erzählung, die uns aktuell allenthalben begegnet, wurde vom damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker im Jahr 1985 erfunden. Unbestritten ist, dass die militärische Niederlage der Wehrmacht zur Befreiung der vom Reich besiegten Länder und Völker ebenso führte wie der in deutschen Lagern widerrechtlich inhaftierten KZ-Insassen und Kriegsgefangenen. Auch mag die finale Niederlage für manch einen Bürger des Deutschen Reichs, der sich in Opposition zur national-sozialistischen Herrschaft befand, als Befreiung empfunden worden sein. Tatsache bleibt gleichwohl, dass der 8. Mai 1945 von der überwiegende Mehrheit der Bürger des Reichs nicht als Befreiung empfunden wurde, sondern als das, was er war: Ein Tag der die Kriegshandlungen weitgehend beendenden Niederlage.

Nicht nur für jene Deutschen, die in der Folge aus ihren Siedlungsgebieten zwangsausgesiedelt oder sogar getötet wurden, hatte der 8. Mai mit Befreiung nicht das Geringste zu tun. Auch jene Frauen, die in Folge der Besetzung des Reichs vergewaltigt wurde, muss die Floskel der „Befreiung“ blanker Zynismus sein. Ob der Übergang von der Diktatur der Deutsch-Nationalen zur Diktatur der Sowjet-Sozialen für die Deutschen auf dem Boden der Beitrittsländer als Befreiung enpfunden wurde, darf ebenfalls bezweifelt werden. Von jenen Soldaten, die beispielsweise in den Rheinauen in Freiluftlagern konzentriert oder auch Zivilisten, die willkürlich nach Russland verschleppt wurden, soll hier gar nicht die Rede sein.

Dennoch wurde das Weizsäcker-Narrativ begierig aufgegriffen und wird bis heute sorgsam gepflegt, denn endlich konnten jene, die teilweise selbst noch Verantwortung für durch das Reich begangene Verbrechen trugen, mehr noch aber jene Nachgeborenen, die keine persönliche Schuld auf sich geladen hatten, jedoch in der moralischen Verantwortung für die im Namen ihres Volkes begangenen Taten standen, sich vom Tätervolk zum Opfervolk umdichten.

Die Tatsache, dass das Regime Hitlers trotz irregulären, innenpolitischen Drucks letztlich verfassungsgerecht die Macht an sich gerissen hatte und den Umbau zu einer totalitären Regierungsform mit deutlicher Bürgermehrheit unterstützt wurde, welche deshalb auch bis zum Ende und teilweise sogar nach dessen Selbstmord „dem Führer“ die Treue hielt, konnte endlich ausgeblendet werden. Das Narrativ vom Opfervolk wird seitdem auch dadurch gepflegt, dass jene Propagandabegriffe, die von den nationalen Sozialisten selbst oder von den Siegermächten erfunden worden waren – beispielhaft seien hier Begriffe wie „Drittes Reich“, „Nazideutschland“ oder „Hitlerreich“ genannt – in jenen fast schon inflationär verbreiteten Dokumentationen statt des juristisch korrekten Begriffs „Deutsches Reich“ genutzt werden.

Weder gab es ein „Drittes Reich“, noch ein „Nazideutschland“, noch ein „Hitlerreich“. Das Völkerrechtsobjekt, welches ab 1933 von den nationalen Sozialisten autoritär regiert wurde, welches Teile der eigenen Bevölkerung gezielt ausgrenzte und ermordete und welches im Namen der Deutschen ab 1939 die Katastrophe über Europa brachte, war bis zu seinem Ende das „Deutsche Reich“ auf der Grundlage der niemals außer Kraft gesetzten Verfassung von Weimar.

Als Bundestagspräsident Philipp Jenninger am 10. November 1988 den Versuch unternahm, das Weizsäcker-Narrativ ins korrekte Licht zu rücken, wurde er gleichsam öffentlich hingerichtet. Offensichtlich ist es für die Nachgeborenen leichter, die Zeit zwischen 1933 und 1945 als etwas zu interpretieren, das völlig ohne jegliches Zutun der deutschen Bevölkerung gleich einer Alien-Invasion über diese gekommen ist, als sich der Tatsache zu stellen, dass die Machtübernahme die Folge eines Prozesses war, der nach der Demütigung durch die Siegermächte des Krieges von 1914 bis 1918 durchaus historischer Logik entspricht und nur verstanden werden kann, wenn er in seinem historischen Kontext begriffen wird.

Weizsäcker aber gab mit seiner Erzählung dem Volk die Chance, sich aus der moralischen Verantwortung für jene Katastrophe zu schleichen, statt das zu tun, was einzig angemessen wäre: Dem deutschen Volk zu erklären, dass es eine grundlegende Verantwortung dafür trägt, totalitäre Entwicklungen nie wieder zuzulassen, gleich ob sie von rechts oder von links kommen, gleich ob sie für das Wohl einer angeblich höherwertigen Volksgemeinschaft oder anderer, ideologisch begründeter Motive wie der Herrschaft der Arbeiterklasse, eines angeblichen Gottes oder auch „des Klimas“ alternativlos seien. Diese Verantwortung liegt als unverzichtbare Konsequenz jener Jahre des Terrors auf jedem Deutschen – und sie hat nichts damit zu tun, dass zumindest die nach 1930 Geborenen kaum in der Lage gewesen sind, politische Verantwortung für das deutsche Reichshandeln ab 1933 zu tragen oder gar persönliche Schuld haben auf sich laden können.

Bei allem Gedenken die Tatsachen im Auge behalten

Wenn dieser Tage nun zahlreiche Narrative den 75. Jahrestag der militärischen Kapitulation begleiten, sollten diese den Bick auf die Tatsachen trotz aller öffentlich vorgetragenen Erzählungen nicht verstellen. Wer Fehler und Verbrechen der Geschichte nicht wiederholen will, muss sich dieser Fehler bewusst sein und sich den Tatsachen stellen. Das Verschleiern dieser Tatsachen dient diesem nicht – es bereitet ganz im Gegenteil den Boden dafür, dass sich solche Fehler und Verbrechen wiederholen können. Wer die eigene Verantwortung ausblendet, der öffnet die Tür in die Verantwortungslosigkeit. Nicht nur die Alliierten, die, wie immer in der Geschichte, als Sieger maßgeblich diese schrieben; nicht nur die Politiker, die aus politischen Motiven schnell bereit waren, von den Fakten abweichende Erzählungen als vorgebliche Verfassungsgrundlage festzuschreiben – vor allem der bis heute gefeierte Weizsäcker trägt die Verantwortung dafür, wenn die von ihm vom Täter- zum Opfervolk umgeschriebenen Deutschen ein weiteres Mal die Errungenschaften einer freien und selbstbestimmten Demokratie gegen das Diktat eines autoritären Staates tauschen sollten.

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77 Kommentare

  1. Natürlich werde ich unsicher, wenn man mir sagt, ich hätte den Autoren mißverstanden und meine Erwartungshaltung eingetragen. Ich hab’s nochmal gelesen und bleibe bei meiner Kritik: der Autor verwendet – trotz der zugestandenen „Mühen des langen Artikels“ – die Kategorien des Täter- bzw. Opfervolkes am Ende als erkennbar eigene Begrifflichkeiten.

  2. Die Befreiung aus der Gewaltherrschaft des
    Ungeheuers Hitler und seinen Helfershelfern war, wie man heute feststellen muss, ein Etappensieg der 4 Siegermächte.
    Man hat damals einen Pakt mit dem Drachen Hydra, dem Kommunisten Stalin, geschlossen.
    Nach 75 Jahren sieht es ganz danach aus,
    als würde dieser Dache nun endgültig den Kampf
    gewinnen.

  3. Addendum: Sind die 2. WK-Denkmale in Brandenburg, Sachsen etc. eigentlich erst nach 1990 aufgestellt bzw. bestehende 1. WK-Denkmale ergänzt oder vom Speicher geholt worden? Weiß das jemand?

  4. Ich möchte in diesem Kontext doch deutlicher differenzieren! Auch wenn die „Verpackungen“, also die Titel und Überschriften suggerieren, dass das deutsche Volk zu Opfern stilisiert werden sollte, so sagt der Inhalt doch ganz was anderes. Jede und Jeder in diesem Land, der politisch tätig und verantwortlich war und ist, packt doch gerne die Schuldkeule in dieses Paket und schwingt diese bei jedem denkbaren Anlass wieder einmal über die „schon länger hier lebenden“. Und es gibt auch genügend ausländische Institutionen, die heute immer noch und immer wieder damit erfolgreich sind und sich Mittel aus unserem Steuersäckel gönnen lassen, indem sie eben auch mit dieser Schuldkeule erfolgreich agieren.
    Die ganze Aufarbeitung dieses Kapitels der Geschichte in diesem Land war und ist von Anfang an darauf ausgerichtet gewesen, vieles im Unklaren zu lassen und nur das zu vermitteln, was als „Waffe“ gegen die Nachgeborenen der Kriegsgeneration immer tauglich bleibt.

  5. Ich hatte noch in den 90ern gehofft, daß sich unser Umgang mit der Zeit 33-45 nun endlich dauerhaft normalisiert hätte. Gedenktage etc. ok, aber bitte ohne ständige Selbstkasteiungen etc. Denn Leute, die damals wirklich aktiv dabei waren gibt es ja nun fast keine mehr. Was aber ist nun passiert? Je weiter die Zeit zurückliegt um so verquerer wird das ganze Brimborium was darum veranstaltet wird. Alles um die eigene politische Agenda zu pushen und damit moralische Erpressung zu betreiben und keiner wagt es da dagegen zu halten, um ja nicht von der Moral- oder Nazikeule getroffen zu werden.
    Sicherlich darf diese Zeit nicht totgeschwiegen werden, aber daraus die ewige Schuld dieses Landes und damit Verantwortlichkeit zur Linderung von allen Übeln dieser Welt wie Massenmigration über Klimawandel bis Genderwahn abzuleiten kotzt mich einfach an!!!

  6. Es schüttelt mich gerade.
    Natürlich gibt es eine gewisse Form der Schuld, die angesichts der regelrechten Völkervernichtung im 3. Reich nicht kleingeredet werden darf.

    Andererseits verweigere ich den Status, als Deutsche quasi mit meiner Geburt eine ‚Erbschuld‘ übernommen zu haben, an der selbst meine Großeltern nicht beteiligt waren.
    Meine Großeltern waren ‚es‘ nicht, meine Eltern (qua Alter) sowieso nicht.
    WARUM soll ICH jetzt via Geburtspflicht demütig mein Haupt beugen, nur weil ich ‚Biodeutsche‘ bin?

    Muss ich deswegen klaglos die halbe 3. Welt in diesem Land ertragen, weil das zu ‚unserer Pflicht‘ gehört? Als Buße, die die Schuld abtragen soll…?
    Und wie lang soll das noch gehen?

    • „Und wie lang soll das noch gehen?“

      Bis ins vierte Glied, wenn man alttestamentarisch veranlagt ist.

      Gilt allerdings nur für Sie und mich Bio-Deutsche, naturellement. Warum sollte sich ein eingebürgerter Afrikaner mit unserer Geschichte gemein machen, auch wenn der Gesteinmeierte das fordert?

    • „Und wie lang soll das noch gehen?“

      Bis es keine Bio-Deutschen mehr gibt. Es soll Menschen geben, die im Kreise der 68er sozialisiert wurden und während dieser Zeit eine obskure Lehre übernommen haben, nach der es sich bei den Deutschen um ein biologisches Tätervolk handele, dass zum Wohle aller zu vernichten sei. Der Schuldkomplex treibt bei so manchem absurde Blüten, doch so lassen sich vielleicht linke Parolen wie „I love Volkstod“ erklären : )

  7. Befremdlich ist der Begriff „Befreiung“.

    War die Regierung, die diesen Krieg begann, etwa nicht (zumindest formell)
    demokratisch gewählt worden?

    Wollte das Volk nicht den totalen Krieg?

    Mussten die Allierten die Deutschen von der Demokratie oder nur von
    einem formell demokratisch legitimierten Regierungswahnsinn befreien?

    Mit der Kapitulation waren die Deutschen zumindest vom
    Begriff „Nazi“ befreit.

    Es hat schlicht keine gegeben.

    Als ob Freisler, Filbinger, Globke usw bei den Führenden, das gemeine Volk
    als Blockwarte, Denunzianten oder sonstige Mitläufer jemals diesen
    Wahnsinn unterstützt hätten.

    Schaut man tiefer in Details, urteilen deutsche Juristen immer noch
    nach §§, die der damalige Starjurist R.F. des VGH in Berlin maßgebend
    mitgestaltet hat.

    Geltendes NS Recht nicht nur im Strafrecht, sondern in allen Rechtsbereichen
    nahtlos übernommen.

    Die Handelnden gleich mit.

    Soviel zur Befreiung.

  8. …wie immer, ein hervorragender Artikel, Herr Spahn, danke.
    ..nun aber zum Thema: es war Carlo Schmidt, der 1948 die, auf Anordnung der Siegermaechte, die aus den Tri-Zonen zu gruendende BRD als ein STAATSFRAGMENT klassifizierte.
    …die bis Juni 1945 bestehende Reichsregierung wurde nach dem Treffen der DREI in Potsdam auf Anweisung von Eisenhower abgesetzt und die Mitglieder dem Tribunal in Nuernberg zugefuehrt und mit Siegerrecht- und willkuer bestraft. Und das Deutsche Volk wurde in seiner Gesamtheit als Mitlaeufer und -taeter bezeichnet und behandelt. Es wurde das Entnazifizierung-Theater initiiert (Die mit den als „Narrative“ verbraemten Geschichtsklitterungen sind mit den bekannten Ergebnissen und Konsequenzen bei den nachfolgenden Generationen in unserem Land ueber Schulbuecher, Geschichts- und Gesinnungsunterrichte NT-V-Serien u.a. und dem Politkergefasel bis heute wirksam).
    …das Verfassungericht hat, wie Sie richtig sagen, bestaetigt: Die BRD kann nicht Nachfolger des Reiches sein(siehe oben: Carlo Schmidt). Also was ist nun:
    Besteht es weiter? Und wenn ja, warum haben die heute Herrschenden eine derartige Angst vor den Fragen, die sich auf diese elementaren Fragen des Staatsverstaendnisses
    und die der Identifikation mit dem Staatssubjekt beziehen?

  9. Wo wir gerade bei der Geschichte sind. Gucken wir uns mal die Vorgeschichte an.

    Stellen wir uns einen Mann vor, geboren Anfang der 1890er Jahre irgendwo im Deutschen Reich, im gehobenen evangelischen Bürgertum aufgewachsen, konfessionell wenig gebunden, Vater Akademiker, Progymnasium und Gymnasium besucht, die Universität bezogen.

    Mit Arbeiterbewegung und SPD wirklich gar nichts am Hut, weil einfach nicht betroffen von deren Rhetorik und kein Aufsteiger.
    Kriegsfreiwilliger, an Westfront verwundet, aber überlebt, 1918 als Oberleutnant oder Hauptmann auf der Straße. Keine Aussicht auf Anstellung oder Rückkehr in die Reichswehr. Keinerlei Identifikation mit der Kieler Matrosenrevolution, den folgenden Umwälzungen.
    Wählt 1919 nationalkonservativ zur Nationalversammlung, kann sich mit Proletariern wie Ebert als Repräsentanten der Republik innerlich nicht identifizieren. Unverständnis oder Ablehnung des Siegfriedens von Versailles. Keinerlei Verständnis für irgendeine Kriegsschuld, schon gar nicht die alleinige des Reiches. Lehnt Anerkennung von Gebietsverlusten des Reiches ab.
    Hat das väterliche Vermögen in Form von Kriegsanleihen und durch Währungsreform wegschmelzen gesehen. Schlägt sich durch in den 1920er Jahren mit Anwaltskanzlei, Apotheke, Verwaltungsposten oder als Handlungsreisender. Bringt mit Ach und Krach seine kleine Familie durch. Lehnt die Schreihälse von Links und Rechts ab. Hasst die Aufmärsche der Prolls, sei es die SA in Braunhemden oder die Kommunisten mit Schalmeienlärm.

    Was, zum Teufel, soll diesen Mann davon abhalten, hinzuhören, wenn jemand von der Revision von Versailles spricht?

    • @ Max Hermann, ergänzend gemeint ♦ Meine beiden Großväter (*1879/1881) waren Weltkriegsteilnehmer, beide verwundet und beide selbständige Landwirte. Mit größter Selbstverständlichkeit kaisertreu. Sie kehrten aus dem Krieg zurück in ein Land, dessen Bewohner nicht einmal das Geld hatten, um landwirtschaftliche Produkte direkt vom Hof oder auf dem Wochenmarkt zu erwerben, so dass die Bauern selbst zwar nicht hungerten, aber praktisch kaum Einnahmen hatten. Die Kostensituation der Bauern war weitaus günstiger als die der Gutsbesitzer, die, um den Betrieb aufrecht zuerhalten, auf fremde Arbeitskräfte angewiesen waren, die sie bestenfalls mit Naturalien bezahlen konnten – viele Gutsbetriebe gingen in dieser Zeit in Konkurs, weil laufende Kosten nicht mehr getragen werden konnten. Viele Arbeitslose fielen (wie viele Flüchtlinge nach dem 2. Krieg) über die Felder her und stahlen unreife Früchte, um satt zu werden; es wurde auf den Dörfern auch viel eingebrochen und alles nur Erdenkliche gestohlen. Auf dem Lande waren die Leute über die Vorgänge auf den Straßen in den Städten über Radio und Zeitungen durchaus informiert, durch Augenschein natürlich nur in den seltensten Fällen. Und daher wusste jeder erwachsene Deutsche, egal welcher Couleur, dass JEDE Reichsregierung gegen das Versailler Diktat war und die bürgerlichen Parteien wie auch die SPD in berechtigter Empörung nicht im entferntesten daran dachten, die Dinge auf sich beruhen zu lassen: Revision (möglichst) mit friedlichen Mitteln war das Anliegen praktisch aller Parteien und Hauptthema ihrer Propaganda, die verfing, weil praktisch JEDER unter den Folgen des Versailler Diktats und des von den „Siegermächten“ verübten Verrats an ihren eigenen Versprechungen zu leiden hatte. Jeder Politiker, der die Revison auf seine Fahnen geschrieben hatte, fand bei den national gesinnten Deutschen – also der überwältigenden Mehrheit der Landsleute – ein offenes Ohr. ♦ Der Amerikaner Patrick J. Buchanan stellt in seinem Buch „Churchill, Hitler und der unnötige Krieg“ sehr schön und ohne Zorn und Eifer dar, welche Maßnahmen des Auslands die Situation der Deutschen verschärften, welchen Gang die Ereignisse nahmen und wer die Drahtzieher im Hintergrund waren, die letztlich den Weg in den nächsten Krieg vorzeichneten.

    • Allenfalls die Einsicht, daß die strategische Lage des Reiches 1913 wesentlich besser war, als 1930 und der Krieg dennoch aussichtslos verloren war. Schlieffen hat das übrigens bei Vorlage seines Planes 1905(?) bereits gesagt. Aber diese Erkenntnis nach 100 Jahren historischer Forschung ist natürlich wohlfeil. Was er hätte bedenken können ist, daß die Profiteure des Krieges niemals diejenigen sind, die ihn führen und erleiden müssen. Aber das haben die Menschen ja bis heute nicht recht begriffen.

  10. Ein hervorragender Artikel. In Formulierung und Inhalt auf den Punkt gebracht. Jeder Satz hat es in sich und begeistert mit voller Zustimmung.

    „Warnen“ ist auch so ein bizarrer Begriff im Berufspolitikerdeutsch: „Er/Sie warnte darvor“…. Da fühlt man sich gleich so richtig entweder wie im Kindergarten oder mal widder ordentlich eingeschüchtert und hirnmanipuliert.

    Darüberhinaus fällt in diesen Tagen wieder besonders auf, wie der „Tag der Kapitulation“ – wie man diesen Tag jahrzehntelang nannte – mit zunehmender Verbissenheit im links dominierten und linksextrem tolerierenden Merkeldeutschland zu einem „Tag der Befreiung“ umbenannt und umgedeutet werden soll.

    Vielleicht ist das aber auch nur ein Zwischenschritt in der fortwährenden Umerziehung der Deutschen hin zu einem „Tag des Geschenks“ (an Deutschland).

    Für den linken Mainstream ist ein solcher Tag der Befreiung und des Geschenks sicher ein innerer Reichsparteitag, der die 2 Millionen Tonnen Bomben (Geschenke Englands und der USA) auf Deutschlands Städte mitsamt den darin zerfetzten und verbrannten hunderttausenden Greisen, Frauen und Kinder sowie die nochmal fast 1 Millionen mit der Vertreibung ermordeten, vergewaltigten und verhungerten Greisen, Frauen und Kinder sowie die 5,2 Millionen gefallenen Männern, davon hundertausende noch keine 22, 23 Jahre alt, in wilden, jubelnden Orgien, Festen, Umzügen und Techno-Raves ordentlch abfeiern will.

    Dann, spätestens dann, hieße es endgültig Auf Wiedersehen Deutschland – oder was davon übrig ist – zu sagen. Auswandern. Aber noch besteht Hoffnung auf politische Normalität, wie sie vor Merkel einmal war.

  11. Das ist ein äußerst komplexes Thema und auch schwierig in der Beantwortung um allen Seiten gerecht zu werden.

    Eines aber ist sicher, die Veränderung der letzten Jahrzehnte durch Zuzug vieler Fremder wird auch diese Frage dahingehend klären, indem sie immer mehr in den Hintergrund rückt und über ein paar weitere Generationen vermutlich in Vergessenheit gerät.

    Alle Grausamkeiten dieser Welt haben über die Jahrhunderte an Gewicht verloren und auch nicht alle waren grundsätzlich bereit sich zu ihren Schandtaten zu bekennen und deshalb wird auch hierzulande diese Art der Erinnerungskultur nicht zu halten sein, weil schlicht und einfach der zukünftige Boden fehlt um darauf eine weitere Begründung aufzubauen.

    Das hat auch nichts mit Verdrängung oder Ablehnung zu tun, die Realität wird das Land in einigen Jahrzehnten einholen und die Betroffenen und deren Kinder von damals werden nicht mehr da sein und die zukünftigen neuen Generationen werden ihre eigenen Katastrophen haben und deshalb wird das Verständnis und die Trauerarbeit früherer Verbrechen keinen großen Stellenwert mehr besitzen, auch wenn es mit heutigem Verständnis immer noch opportun erscheint.

  12. Wozu all die Mühe des langen Artikels, wenn am Schluß als Alternative „Täter“-„volk“ versus „Opfer“-„volk“ übrig bleibt ? Halten Sie das für Begriffe, die Geschichte erhellen und verständlich machen ? Ich nicht !

    • So habe ich Herrn Spahn nicht verstanden. Übertragen Sie da nicht vielleicht Ihre Erwartungshaltung in den Text?

  13. Danke dafür! Habe viel gelernt. Genau so muss man sich mit diesem Thema beschäftigen: Sachlich, nüchtern, präzise.

    • Den verantwortlichen Politikern gefällt das aber gar nicht. Damit würden sie ja eines probaten Mittels beraubt, mit dem man „die schon länger hier lebenden“ doch so förderlich kujonieren kann!

  14. Ich war heute (08.05.) nachmittags am Gefallenendenkmal unserer Gemeinde; es ist in die Chorwand der Pfarrkirche eingelassen.

    Die Namen auf dem Denkmal (inkl. eines Herrn Tichy!) aus dem 1. und 2. Weltkrieg sind aufgemalt (in einer Art, die eine 3D-Einhauung simuliert) und hier und da nur noch schwer zu lesen. Im Dorf sind noch zwei oder drei Männer im hohen Alter, die als Soldaten am Krieg teilgenommen haben.

    Aufgrund der vielen falschen und trotzedem geglaubten Narrative…nein, falsch angefangen… Beide Großväter waren bei der Wehrmacht, beide sind gottlob am Leben geblieben und waren schon im Sommer ’45 wieder bei ihren Familien bzw. im Heimatort. Eine davon mußte im Februar ’45 aus Stettin vor der Roten Armee und schaffte es nach Flensburg, wo fünf Wochen nach Kriegsende mein Vater geboren wurde.

    Letzten Oktober starb – ich habe es andernorts schon geschrieben – ein 96-jähriger Freund, gebürtig aus Ostpreußen, und ab Barbarossa mit dabei. Gefolgt von über fünf Jahren in sowjetischer Gefangenschaft. Seiner Meinung wurden aus dem Krieg, und den auf allen Seiten erbrachten Opfern, nur falsche Schlüsse gezogen. Dem stimme zu, auch in Hinsicht auf die gegenwärtigen Entwicklungen in diesem Land.

    Zurück zum Kriegerdenkmal im Dorf…die Namen werden undeutlich, die Buchshecke ist von einem Pilz / Insekt befallen und weiß überzogen, die eine Hälfte der Stiefmütterchen ist verwelkt, das Grablicht ist leer, Weihwasser ist da. Auf dem Weg von der Arbeit habe ich einen Satz weiße Rosen gekauft und lege diese nun ans Denkmal. Weil keine Kerze da ist, hole ich einer aus Mariengrotte, ich hoffe, die Gottesmutter versteht’s. Mache das Kreuz mit Weihwasser und bleibe einige Minuten still stehen. Andere Leute, die auf dem Friedhof beschäftigt waren, gehen hinter mir vorbei, aber keiner hält an. Ich gehe nicht davon aus, daß es irgendein Gedenk-Läuten der Kirchenglocken gegeben hat.

    Ob vor/nach mir andere Dörfler da waren, weiß ich nicht. Ob es einen von ihnen, besonders den „Nachgeborenen“, überhaupt in den Sinn kam, weiß ich auch nicht. So bleibt mein Gedenken persönlich und still. Mir reicht das, und ich würde gerne denken, daß es den Gefallenen da oben auch reicht.

    Auf dem Denkmal steht: „WIR HABEN DIE HEIMAT GELIEBT – WIR HABEN IHR ALLES GEGEBEN“

    Dafür habe ich mich bedankt.

    • Ich fühle genauso wie Sie und befürchte, daß bei der völlig überzogenen Stimmung hier im Land, vor allem was dieses Thema betrifft, die Zeit nicht mehr weit ist, wo man alle diese Denkmäler einebnen wird nach dem Motto: Waren ja alles Nazis, die für Hitler die Welt erobern wollten! Man hätte eben nicht zulassen dürfen, daß sich die Erinnerungskultur in diese fatale Richtung entwickelt, aber nun dürfte es zu spät sein, da dort niemand mehr gegenhalten kann ohne sofort moralisch vernichtet zu werden und in den Schulen etc. auch nur eine radikale Richtung gepredigt wird.

  15. Ihr Text ist seit ewigen Zeiten der erste,der mit diesen vielen Narrativen ein für allemal gründlich aufräumt Herr Spahn!.
    Immer wenn irgendein „Staatsdiener“ den Mund öffnet,um zu einer widerlichen Tat,oder zu einem Gedenktag u.s.w. zu sprechen,dann kann man böses erwarten,aber in den meisten Fällen keine Wahrheiten!.

    Wer heute nicht Meinungskonform von „Befreiung“ spricht,der gerät sofort unter einen schlimmen Verdacht,hat eventuell die „Luftpumpe“ Haldenwang am Hals,oder die Antifa,oder oder…..!.

    Sie haben mit allen ihren Fakten Recht,dagegen kann niemand „anstinken“.

    Ihre Arbeiten haben immer eine sehr solide Grundlage,sind sachlich korrekt,haben nichts reißerisches und allein schon deshalb ist es ein Genuss ihre „Werke“ zu lesen.
    Aber dieses hier,das hat ganz besondere Klasse,das sollte sich manch einer ausdrucken,und schon morgens zum Frühstück lesen,auf das er/sie es nie wieder vergisst!!.

  16. Dieser Artikel eignet sich hervorragend zum Gegenlesen der Rede Steinmeiers.
    Neben den üblichen tabuisierten historischen Unwahrheiten Moralisieren vom hohen Ross.
    Wer das Eingeständnis der Schuld nicht ertrage….der verleugnet den Wesenskern unserer Demokratie, sagt er und meint damit, dass die Nichtschuldigen schlechte Demokraten sind.
    Nicht das Erinnern ist eine Last – das Nichterinnern wird zur Last“ sagt er und erdreistet sich, jenen ein schlechtes Gewissen einzureden, die sich nicht erinnern können, weil sie zu jung sind, Täter zu sein.
    „Wenn Europa scheitert, scheitert auch das ‚Nie wieder!'“ sagt er, der täglich an der Demontage des Rechtsstaats beteiligt ist.

    • Vielleicht möchte dieser komische Mann auch nur vertuschen,das irgendjemand in der Geschichte buddelt,und dabei darauf stößt,das 1922 im Bayrischen Landtag beschlossen werden sollte Adolf Hitler nach Österreich zurück zu schicken,was aber von der SPD verhindert wurde!.

      Was dann mit und durch Hitler in Deutschland geschah,das könnte man wenn man bösartig ist der SPD als „Erbschuld“anhängen,den ohne die damaligen „Spezial Demokraten“ wäre dann alles was geschah niemals geschehen!!.

      Das könnte auch einer der Gründe dafür sein,warum gerade „sozial“ benannte,wobei die politische Farbe zweitrangig ist sich so vehement gegen das „Vergessen“ einsetzen,um davon ab zu lenken,das es eigentlich „ihre“ Schuld ist??.

      Und das gerade dieser komische Mann solche Reden schwingt,das mag mich belustigen,wobei Ich zugeben muss,das mir dieser Mensch eigentlich leid tut.

  17. Wie kann es eine Vergangenheitsbewältung geben, wenn viele Alt-Nazis direkt nach Kriegsende wieder in Wissenschaft, Verwaltung und Justiz zurückgekehrt sind, nachdem die Amerikaner es den Deutschen überlassen hatten, über Kriegsverbrecher zu urteilen? In der Adenauer-Ära wurden dann großzügig „Persilscheine“ ausgestellt. In den fünfziger Jahren drehte man lieber Heimatfilme und berauchste sich am beginnenden Wirtschaftswunder. – Seltsamerweise wurde auch beim „Untergang“ der DDR nicht anders verfahren: die ehemaligen SED-Kader kehrten unbeschadet in die neue Republik zurück. Auch hier war keiner dabeigewesen, keiner hatte „Heil Honecker!“ geschrien. Ganz offentsichtlich reichte es schon, sich ein demokratisches Deckmäntelchen umzuhängen; der Sozialismus sollte plötzlich in der Demokratie aufgehen. Ja, wie sich die Bilder gleichen! Wie sich die Geschichte wiederholt!

    • Da fehlt einiges an Geschichtskenntnissen. Verschont und zu neuen Staatsbürgern sogar der Alliierten, wurden diejenigen, die für die Alliierten hohen Nutzen brachten. Da wurde nur abgeschätzt wie hoch der Nutzen. Was sie schlimmes auf dem Kerbholz wurde verdrängt. Als erste waren die AMIS sehr gut drin. Es waren auch nicht alle Deutsche Nazis. Selbst in den KZ war alles Deutsche inhaftiert, was Widerstand leistete. Und es waren nicht wenige deutsche Opfer und nur der harte Kern des Widerstandes. In der Sowjetzone wurden Hunderttausende ehemalige NSDAP Mitglieder und sogar nur Mitläufer oder völlig unschuldig an Nazi Verbrechen, von Juni1945 bis in den Anfang der Fünfziger, verhaftet in ehemalige KZ oder nach Sibirien verbracht. Zigtausende sind da zu Tode gebracht worden. Allein im ehemaligen KZ Sachsenhausen sollen mehr als zwanzig Tausend Tote gegeben haben. Über die Gesamtzahl dieser zivilen Opfer noch wie weit überhaupt eine Inhaftierung durch begangene Verbrechen gedeckt, gibt es keine genauen Zahlen. So traf es aus meinem eigenen Umfeld sogar aufrechte Widerständler gegen die Nazi Diktatur. Darüber spricht man nicht und deckt alle diese ebenfalls unmenschlichen Handlungen bis heute noch, durch eine angeblich erworbene und vererbbare Kollektivschuld aller damals lebenden Deutschen. Hoffen wir nur, dass Geschichte sich so nicht wiederholt.

  18. Man sollte noch ergänzen, dass ein wesentlicher Grund für den Erfolg der NSDAP war, dass zuvor eine Mitte/Links Regierung ohne Beteiligung konservativer und rechter Stimmen das Land regiert hat. Das öffnete kommunistischen Schlägertrupps Tür und Tor. Eine Situation also, wie viele sie heute wieder zu erkennen glauben. Viele Bürger haben das geschluckt, bis sie dann in die Arbeitslosigkeit und den wirtschaftlichen Ruin getrieben wurden. Auch hier Parallelen zu heute. Hitler ist mit seiner NSDAP da auf fruchtbaren Boden gestoßen. Nach dem 2. Weltkrieg war die BRD solange stabil, wie eine breite politische Parteienvielfalt von links bis rechts, das Lands regiert hat (extreme Parteien natürlich ausgenommen). Mit Merkel und dem von ihr initiierten Linksruck der CDU/CSU, haben wir wieder eine ähnliche Situation wie vor 1933. Eine Mitte-Links regiertes Land, in dem breite Bevölkerungsschichten unzufrieden sind und jetzt durch Corona Maßnahmen in den wirtschaftlichen Ruin getrieben werden. Auch die politische Rhetorik nähert sich wieder der von damals. Statt politischer Diskussion, findet man nur noch offene Feindschaft und es wird ständig das Verbot des politischen Gegners gefordert. Diejenigen die immer so laut schreien, dass es niemals wieder zu einer Situation wie damals kommen darf, tun alles, damit genau das passiert.

  19. Wenn man annehmen würde, daß die Deutschen tatsächlich befreit worden wären, würde dies eine Unterdrückung der Deutschen durch die nationalen Sozialisten bedingen, woraus sich ergeben müsste, daß weder von einer Schuld der unterdrückten Deutschen noch von einer historischen Verantwortung ausgegangen werden kann. Erstaunt stellt man fest, daß die Befreiung Deutschlands eine sog. Kollektivschuld oder Variationen davon, wie etwa die „immerwährende Verantwortung“, vollständig ausschließt. Beides zugleich kann es rein logisch nicht geben. Ich kann nicht unterdrückt werden und gleichzeitig für die Handlungen des Unterdrückers verantwortlich sein.

    Wäre ich ein Linker, würde ich jetzt sagen der Bundespräsident relativiert die immerwährende Verantwortung und übt sich in Revisionismus! So, da ich aber kein Linker bin, glaube ich, dass Steinmeier nur mal wieder den üblichen Unsinn redet.

    • Sehe ich auch so. Und als Feiertag würden den Tag teilweise mehr Beachtung schenken als beispielsweise die Briten, für die es nur ein besonderer Tag, aber kein Feiertag ist. Deutschland würde sich umso mehr von der Hilterdiktatur distanzieren und sich sukzessive auf an die Spitze der Opferhierarchie setzen.

      Nicht von ungefähr war ja schon in der DDR der 8. Mai ein Feiertag, und die sagte klipp und klar: Verantwortung für die Verbrechen der Nazis, wird nicht übernommen. Juden als Opfergruppe kamen nur beiläufig im Geschichtsunterricht vor. Gegenüber Israel war man auch ganz unverkrampft antisemitisch.

      Also, den 8. Mai zum Feiertag zu erheben zu wollen, ist eine intellektuelle Minderleistung, und inbesondere 75 Jahre nach Kriegsende.

      Und es sind die gleichen Leute, die zum 17. Juni schweigen, die Verschwörer vom 20. Juli nicht ehren wolle, die auch noch die Montagsdemonstrationen madig machen.

      • Für die Briten ist der Great War 14-18 nach wie vor das prägende Trauma, wegen der hohen Verluste und dem Anfang vom Ende des Empire. Seit Mai 1945 sind sie nur der „poodle“, wenig Anlaß also, ein solches Datum auch noch zu feiern.

  20. Dem Artikel stimme ich zu, eine stringente demokratische Grundauffassung wäre die Konsequenz aus der Geschichte. Das haben aber schon beide Besatzungsmächte verhindert, indem sie sich nach ihrer eigenen Interessenlage Besatzungsgebiete geformt haben.
    Zur DDR Diktatur muss nichts weiter gesagt werden. Was die BRD angeht, ist die Sache komplizierter. Unter alliierter Kontrolle ist ein merkwürdiger Staat entstanden, indem dem Volkswillen Verachtung entgegengebracht wird und sich wieder eine abgehobene
    Elite herausbilden konnte, die ihr eigenes Ding macht. Die Gewaltenteilung ,die demokratische Grundlage überhaupt, die zeitliche Begrenzung der Macht und ihre konsequente und scharfe Kontrolle, lösen sich langsam auf. Narzisstisch aufgeblähten Hirngespinsten
    wird wieder zugejubelt, der Verstand ausgeschaltet. Landesweite Schlägertrupps werden nicht nur geduldet, sondern auch gefördert. Für viele heißt es wieder:
    Denk ich an Deutschland in der Nacht, dann bin ich um der Schlaf gebracht.

    • Der Staat unter Kontrolle der Westalliierten, also die Bonner Republik, war gewiß nicht perfekt, aber funktional. Aus heutiger Sicht kann man da schon Sehnsucht empfinden. Und 1990 waren wohl alle mit Ausnahme von Lady Margarete naiv. Ich übrigens auch, was natürlich nichts heißen muß. Drei oder vier deutsche Staaten, statt derer zwei, wie heute, wären m. E. besser.

      • Apropos Lady Margarete .. ihre Reaktion und Ablehnung stand ganz in der Tradition der britischen Kriegszielpolitik seit 1914 ( „wir (sic!) haben die Deutschen zweimal geschlagen, und jetzt sind sie wieder da“).

        Im übrigen haben sich die Ergebnisse ihres Seminars Punkt für Punkt bestätigt dank unserer roten und grünen Sozialisten (was das Gleiche ist).

  21. Der Herr Meier (oder so) hat heute ein paar weitere grobe Maschen am Neuen Narrativ gestrickt, so unter anderem: „Wir denken an diesem 8. Mai auch an die Opfer von Hanau, von Halle und Kassel“.
    Darauf muß man erst mal kommen! Ich könnte das auch so interpretieren: Gut, daß wir den Führer haben, der ist unsterblich! Dem können wir auch das noch auf den schon ewig toten Buckel laden, und gleich auch noch denen, die solche Texte wie Herr Tomas Spahn schreiben oder solchen Leuten, auch nur näherungsweise dessen Meinung sind. Ich bin mir sicher: Da ist noch Stoff für hunderte von Meiers im Schwange, denn das Leben geht unentwegt weiter und richtet sich nicht gutmenschelnden auf ewig festgetackerten Entwürfen.

  22. „Ein Meister dieser Nutzanwendung von Sprache ist Angela Merkel, die sich in Floskeln verliert, welche von ihren Zeitgenossen nur allzu gern als bedeutungsschwer interpretiert werden.“

    Sehe ich völlig anders! Das dumme Geschwätz dieser Frau ist für Leute, die noch des Nachdenkens mächtig sind, zum fremdschämen. Mir jedenfalls bereitet es körperliche Schmerzen…

    • Sie macht das schon ganz gut. Haben sie mal versucht, dieser Frau länger als 5 Minuten zuzuhören? Es ist ein Sumpf aus Allgemeinplätzen und Phrasen, die nichts bedeuten und einzig den Zweck haben, den Zuhörer zu sedieren. Nebenbei streut sie noch spaltende Rhetorik ein. Gern gewählt wird das Wort „Solidarität“, denn wer möchte schon gern ein unsolidarischer Mensch sein? Und wer dagegen ist, ist asozial und Feind der Gemeinschaft. Zuletzt zu beobachten bei ihrer Ansprache zur Coronakrise. Merkels ist Rhetorik ist ein Fall für sich.

      • “ Merkels ist Rhetorik ist ein Fall für sich“.

        Ich nenne diese Frau seit ihrem auftreten nur die „rhetorische“ Wüste!.

      • Sie könnten auch ein ‚Bullshit-Bingo‘ daraus machen.
        Schlagworte:
        Solidarität, Bekämpfung, Miteinander, Gleichverteilung, Respekt, Abstand, Maßnahmen, Lockerung, Pflicht, Humanität, Bußgeld, Helden, Vorsicht, Quarantäne, Urlaub, … etc.

        Immer die gleichen Begriffe aus dem Bausatz.

  23. Eines der besten Beiträge, die ich je zu diesem Thema gelesen habe. Prägnant, kurz, knapp, faktisch auf den Punkt. Und vor allem wahrheitsgemäß. Insbesondere Letzteres ist der deutschen Nachkriegsgeschichtsschreibung und den meisten der sog. „Historiker“ abhanden gekommen. Geschichtswissenschaft wird in diesem Lande nicht mehr als das betrieben, was sie sein müßte, neutral und wahrhaftig beschreibend, sondern ist zur Indoktrination und Umerziehung verkommen. Wie wohltuend, das man dazu solch einen schon im reinen Sinne wissenschaftlichen und nicht nur journalistischen Artikel lesen kann. Das Schlimme ist, daß in der Tat nicht nur immer die Sieger die Geschichte (um)schreiben, daran hat sich in der Menschheitsgeschichte nichts geändert und wird es auch nie, sondern wie willfährig das eigene Volk sich seit Jahrzehnten hat sagen und aufzwingen lassen, was angeblich war und in vorauseilendem Gehorsam und mit schon missionarischem Eifer sich weiter in absurdesten Unterwürfigkeitsgesten aller Art ergeht. Solch ein Volk verliert nicht nur die Achtung der anderen Völker, solch ein Volk wird früher oder später einfach verschwinden.

    • Da möchte ich insoweit widersprechen, als es Binliotheken füllende Fachliteratur zur historischen Forschung des 20. Jhdt. gibt. Wer wissen will und sich die Mühe macht, kann sich schon ein an Tatsachen und Promärquellen orientiertes Bild machen. Schulbücher und -weisheit taugen natürlich wenig bis nichts.

      • Es gibt sicher Fachliteratur, aber ich meinte nicht die vielen Arbeiten der politisch-korrekten Auftragsschreiber, die sich hierzulande „Historiker“ nennen. Historiker wie Scheil, Magenheimer & Co. können Sie an einer Hand abzählen und wurden bekanntlich sofort in die rechte Ecke gestellt und diskreditiert. Wie schon gesagt, das hat alle mit wahrer Geschichtswissenschaft nichts zu tun, das ist Geschichtsklitterei und Umerziehung.

  24. Herr Spahn, ihr Artikel ist sehr interessant und hat mich Neues gelehrt. Ich bin in der DDR aufgewachsen und hier wurde das Narrativ gelehrt, dass die DDR antifaschistisch ist und mit zu den Siegern des 2. WK gehört, weil eben die Antifaschisten mit der Sowjetunion Seite an Seite für die Befreiung Deutschlands gekämpft hätten. War nicht einleuchtend, da in Leipzig zuerst die Amis einrückten, aber so war es eben.

  25. Heiko Maas heute auf Facebook:
    „Deutschland allein hat .mit dem Überfall auf Polen den 2.Weltkrieg begonnen.“

    Falsch, Herr Aussenminister:
    1. Deutschland, Slowakei und Russland haben gemeinsam Polen „überfallen“

    2. Mein Vater musste im Rahmen der polnischen Mobilmachung gegen Deutschland am 23.03 1939 ins polnische Militär einrücken. Überfall setzt zumindest ein Überraschungsmoment voraus.

    3. Japan hat am 07.07.1937 bereits einen Krieg mit China vom Zaun gebrochen.
    Falls das nicht als Beginn des Weltkrieges gewertet wird, so begann der 2.Weltkrieg mit dem Überfall Japans auf Pearl Harbour am 07.12.1941.

    Alles Andere ist lediglich ein „hindsight bias“

    • Nein, der 2. Weltkrieg begann mit dem Überfall Nazi-Deutschlands auf Polen!!!!! Keine Geschichtsklitterung und Verfälschung!

      • Das mag ihr „hindsight bias“ sein.

        Es gab weder 1939 noch 1940 irgendjemanden, der von einem Weltkrieg sprach.
        Erst ab 1942 mit Russland und USA kann man von einem Weltkrieg sprechen….

  26. „Man kann dieses Land nur mit gebrochenem Herzen lieben“. Steinmeier heute.

    Mei, wer solche Protagonisten an führender Stelle duldet, der hat es wirklich nicht besser verdient. Die Rede von Richard v. Weizsäcker zum 8. Mai konnte ich ja noch verstehen, aber dieser unsägliche Pfau der am roten Rad dreht?

    Mei, die Leitmedien. Es muß doch einen Weg geben die deutschen Volldeppen dazu zu stupsen bis zum Sanktnimmerleinstag für Oyrooba (phonetisch uckermärkisch) zu blechen. Dann arbeitet mal schön bis 70+, Janis Lachtsichnastis aus Athen wird zumindest nichts dagegen haben. Der weitere Drift von Oyro und Oyrooba? Spaltpilze! (für Deutschland ein grosses weites Feld von grünen Knollenblätterpilzen).

    • »Iannis Lachtsichnastis« muß ich mir merken, klasse. ?

  27. Die BRD und die Deutschlandfahne ist ein Konstrukt der Alliierten und hat mit unserer Deutschen Idendität nichts gemein.
    Deutschland ist somit immer noch ein unfreies Land..ein besetzes Land in dem andere das Sagen haben…aber nicht die gewählte Regierung…die deutsche Regierung war schon immer eine Marionette von Interessensgruppen aus aller Welt…nicht nur Bill Gates hat starken Einfluss in die Deutsche Scheinregierung…auch die Demokraten von den Clintons über Obama oder auch die Bushs haben die Deutsche Regierung beeinflusst/gelenkt…genauso sind die GEZ Medien in den USA mit denen in Deutschland einen Packt eingegangen um die Deutsche Scheinregierung zu kontrollieren.
    EU und UN haben die Deutsche Scheinregierung mehr bestimmt als der Wille des Deutschen Volk!
    Solange kein Friedensvertrag mit Deutschland von den Siegermächten unterschrieben ist solange wird Deutschland und die Welt nicht zur Ruhe kommen. Wird es immer das Spiel der Herrschenden sein…die die Gesellschaft aufspaltet…in Gut und Böse um damit ihre eigenen Vorteile/Machenschaften daraus zu ziehen.
    Die BRD und das Grundgesetz sind Konstrukte der Siegermächte aber nicht der Freie Wille des Deutschen Volk. Und ich hoffe, dass die Jalta Konferenz am morgigen 09.05.2020 an dem Punkt in der Geschichte zurückkehrt an dem Deutschland die Kapitalition unterschrieben hat, damit diese Kapitaltion in einen Friedensvertrag umgeschrieben wird…erst dann kann Deutschland wieder frei und selbstbestimmt in seine Zukunft gehen…das was wir jetzt haben ist eine Marionettenveranstaltung aber kein Souveräner Staat/Volk!

    • Der souveräne Staat der Deutschen verschwand zwischen dem 07.05. – 23.05. – 05.06.1945 aus der Geschichte. Und es war erklärte Absicht der Sieger, einen solchen nicht wieder entstehen zu lassen. Ehrlich gesagt, sind mir unsere Groß-, Haupt- und Obervorturner in Berlin eindeutig zu souverän in ihrem von Wahnideen getriebenen Handeln. Ich fände es ganz gut, wenn sie von einem alliierte Kontrollrat gelegentlich auf Normalmaß zurechtgestutzt würden. Auf unsere Kontrollinstanzen ist ja heute so wenig Verlaß wie früher

  28. Meine Familie kommt aus Ostpreußen. „Befreiung“ als Bezeichnung für die totale Niederlage und mörderische Vertreibung aus der Heimat ist da mehr als zynisch……

    • Die allg. und insbesondere politische und historische Verdummung und Umerziehung der Deutschen ist genauso schlimm, wie die Verlogenheit, Geschichtsklitterung-und Fälschung und die Ideologisierung und Propaganda der Herrschenden. Wobei man bei den Letzteren nicht sicher sein kann, das bei diesen nicht auch beides vorhanden ist. Wie auch immer, wenn Besiegte ihre eigene totale Niederlage und das danach erfolgte bestialische Wüten der Sieger, ihre völlige Rechtlosigkeit und Willkür, Terror, Mord und Vertreibung auch noch Jahrzehnte und Generationen danach feiern, dann hat der Sieger alles richtig gemacht.

  29. Das deutsche Volk ist m.E. psychisch gestört und schwer traumatisiert. Das hat mit einem nicht verarbeiteten Trauma nach der Niederlage in zwei Weltkriegen zu tun, wobei letzter am schwersten wiegt. Es hat m.E. auch nie eine wirkliche Aufarbeitung des Zweiten Weltkriegs gegeben, da nach der Verdrängung ein direkter Übergang in die Glorifizierung der Besatzer begann (Der große Bruder beschützt uns). Dieses o.g. Trauma war auch gewollt und wurde durch Bombenterror und Vertreibung noch weiter verstärkt, um nach der Niederlage Deutschlands und durch die anschließende Besatzung eine Art Reset der Nation zu erzwingen und ein neues Betriebssystem aufzuspielen, wenn man es bildlich beschreiben möchte. Man hat die Deutschen bewusst ihrer Wurzeln beraubt, die Städte und damit auch die Kultur verbrannt, militärisch/preußische Traditionen ausgelöscht.
    Ich wünsche jedem Deutschen einen schönen Tag der Besatzung und rate dringend, den Medien am Wochenende aus dem Weg zu gehen, wenn wieder Wettbewerb im Speichellecken und Kniefallen stattfindet.

    • Von Preußen generell und Berlin als gewählte Hauptstadt speziell ging m.E. noch selten was Gutes für dieses Land aus. Dazu kann man natürlich gegenteiliger Meinung sein, das ist nicht verwerflich.
      Den II. Weltkrieg gab es auf Grund der verheerenden sozialen und wirtschaftspolitischen Folgen des I. Weltkrieges. Ende der 20er ging es auf den Straßen der Großstädte (insbes. Berlin) schon richtig rund. Geduld, läuft. Der Mensch ist einfach unbelehrbar.

      • Nein, nein, ich gebe Ihnen im Bezug auf Preußen völlig recht. Auch ich halte nichts von preußischem Militarismus, wenn man es so nennen möchte, jedoch war der Einfluss Preußens auf das Deutsche Reich von enormer Bedeutung. Gerade bei der Bundeswehr sieht man doch, dass die Wurzeln fehlen, denn wenn ich mir die Truppe anschaue (und ich habe selbst freiwilligen Wehrdienst geleistet), so fällt mir nur der Begriff „Söldnerarmee“ ein. Was die Sache mit Berlin betrifft, so kann ich dazu nicht viel sagen. Was wäre denn die Alternative? Um ganz ehrlich zu sein – meinetwegen hätten sie auch in Bonn bleiben können. Berlin ist aktuell ohnehin rettungslos verloren.

      • »Legio Patria Nostra« muß nicht grundsätzlich etwas Schlechtes sein. Für den Heimatschutz (oh Gott, hab‘ ich „Heimat“ gesagt?! geißelt mich!) ist sie aber weniger geeignet. Wobei, die letzten Verteidiger des Führerbunkers waren Soldaten der Charlemagne, und die sprachen fließend Französisch.

    • @ Enrico, MajorTom:

      Dann bringen Sie doch bitte mal ein paar Beispiele für den verderblichen Einfluß von Preußen und Berlin auf das „Land“. In der Zwischenzeit erlauben Sie mir den Hinweis auf Friedrich II, Hardenberg, Bismarck und Wilhelm II (Vorsicht beim Letztern, der Link ist vergiftet).

      Und was Berlin angeht – absolut richtig. Berlin war und ist eine tiefrote Klamotte, die von den nationalen Sozialisten erst erobert werden mußte, damit die neuen Machthaber (pardon, aus Österreich und Rheinland, voll katholisch) die Wirkung entfalten konnte, für die Berlin immer noch bekannt ist – unter anderem wohl auch bei Ihnen)

  30. Ohne bezweifeln zu wollen, was Autor Spahn schreibt: Mir fehlt die seelische Dimension. Es geht bei der Anerkennung des Vergangenen nicht darum, ob es „Drittes Reich“ oder „Deutsches Reich“ heißt. Es geht um die Anerkennung des unerträglichen Schmerzes der Niederlage, der materiellen und seelischen Verkrüppelungen der Heimat, wenn diese je wieder als Heimat akzeptiert werden soll.

    Genau Letzteres verweigern sich die Deutschen. Die emotionale Wärme, die sie wegen der verleugneten Heimat nicht finden, suchen sie jetzt (inbrünstig, aber vergebens) in Ideologien.

    • Wunderbar geschrieben. Eine Wunde muss verheilen, wenn sie verarbeitet werden soll. Wenn sie immer wieder aufgerissen wird, bleibt auch die seelische Narbe. Und ich habe das Gefühl, dass wir vor 30 Jahren mal weiter waren, was Vergangenheitsbewältigung angeht, was aber auch mit der zunehmenden Unwissenheit der politischen Klasse in historischen in Zusammenhang stehen kann. Bei so manchen Politikern überkommt mich das Gefühl, dass sie historische Kenntnisse auf dem Niveau der fünften Klasse besitzen.

      • Ein Vergleich unserer politischen Elite mit Fünftklässlern ist eine unangemessene Herabsetzung unserer minderjährigen Jugend.

      • Es ist seitens der akt. politischen Regierungsparteien und Protagonisten m.E. ein absolut bewusstes Aufreissen der mittlerweile verunstalteten 33′-45’er-Wunde. Vor 30 Jahren begann mit der Wende der neue Weg (Drift) nach einem vereinten „Europa“. Der muß jetzt vollends bis zum (bitteren) Zielende beschritten werden, seitens der Politkaste in Deutschland gibt es kein Zurück mehr (der Euro ist ein pol. Projekt). Die Zahlmichels dazu sind auch schon in kuschelnder Berlin-Brüsseler Einigkeit bestimmt, diese müssen lediglich noch gestupst und überzeugt werden. Eine wichtige Facette der Überzeugungsarbeit leistet der leitmediale „Erinnerungskult“ in Dauerschleife. Wir sind alle Zeitzeugen (manche wissen es nur noch nicht). Es gäbe eine Möglichkeit für uns Bürger: konsequent dagegen wählen! (und wenn nicht, dann eben nicht).

  31. In einem souveränen und selbstbewußten Land wäre dieser Artikel als Einführungsvorlesung vor Jura- und Journalismus-Studenten für vorurteilsfreie, unpolitische Rechtsprechung und objektive Berichterstattung zu empfehelen. Aber zu den souveränen und selbstbewußten Ländern gehört die Bundesrepublik Deutschland nicht. Schade. Zumindest für mich war die Lektüre allerdings ein Genuß.

  32. Wenn man es mal genau betrachtet, kann man sagen, dass für die Völker Osteuropas der Zweite Weltkrieg erst mit dem Fall des Eisernen Vorhangs 1989, spätestens mit dem Zerfall der Sowjetunion 1991 endete. Natürlich haben die Sowjets Osteuropa von der NS-Barbarei befreit und ich persönlich habe durchaus eine Sympathie für das Land Russland, sein Volk und seine Kultur. Was man in Russland auch heute noch überhaupt nicht gerne hört, ist die Feststellung, dass die Sowjets in den Ländern von der Ostsee bis ans Schwarze Meer das braune, menschenverachtende Regime durch ein rotes, ebenso menschenverachtendes Regime ersetzt haben. Insofern fallen die Sichtweisen in Osteuropa auf das, was die Russen heute ausschließlich als Befreiung von den Nazis ansehen, doch sehr unterschiedlich aus.

  33. „Am 8. Mai ist das Dritte Reich untergegangen“

    Diese gern verbreitete Behauptung ist schlicht und einfach falsch allein schon deshalb, weil es ein „Drittes Reich“ zu keinem Zeitpunkt gegeben hat.

    Die Aussasge mag falsch sein, daraus läßt sich m.E. aber nicht schlussfolgern, dass deswegen die Bundesrepublik Deutschland auch gegründet wurde!

    M.e. ist ein Land ohne eine Volksabstimmung über eine Verfassung nicht gegründet.

    Vgl. Rousseau: Woraus sonst entstünde ohne eine vorausgehende Übereinkunft die Verpflichtung für eine Minderheit, sich der Wahl der Mehrheit zu unterwerfen? Und woher haben 100 die einen Herren wollen, das Recht für 10 zu stimmen, die keinen wollen. Das Gesetz der Stimmenmehrheit beruht selbst auf Übereinkunft und setze mindestens einmal Einstimmigkeit voraus. => d.h. Verfassungen sind Verträge zu Lasten Dritter, Verträge zu Lasten derjenigen, die nicht zugestimmt haben.

  34. Wie lernen wir Geschichte? Leute die das Glück gehabt haben noch einen Opa aus der Kaiserzeit gehabt zu haben, dazu noch einen Offizier, der hat auch einen anderen Betrachtungswinkel kennengelernt, als denjenigen der heute angesagt ist. Einen Betrachtungswinkel , der sich aus der Zeit ergab, an oder in dem Geschichte passiert ist.
    Laut meinem Opa ist es dem „Pack“ nur durch Lügen und „Angstmacherei“ gelungen an die Macht zu kommen. Die Schlägertruppe (SA) wurde massiv von einigen Industriellen unterstützt und man bekam Geld dafür die Scheiben der Nachbarn einzuschlagen.
    Nachbarn, mit dem man nicht vor allzu langer Zeit im Schützengraben gesessen hat.
    Man beschuldigte sie auch der Verschwörung.
    Das war auch der Punkt, den jeder im Reich kannte und wußte. Deshalb war die Scham nach dem Krieg auch so groß!
    Was den Rest angeht, war Deutschland nicht besser oder schlechter als die anderen, eher besser, wenn man die Toten im Kongo und Indien und Sonstwo zusammenzählt.
    Aber das Bürger des Reichs bereit waren die Türen der Nachbarn einzuschlagen, ist auf Hetze und Verleumdungen zurückzuführen.
    Das waren die Hauptwerkzeuge der Nazis und sie werden heute noch von unseren Politikern angewendet, weil man mit dem streuen von Emotionen wunderbar über die Runden kommt.

    • Ein Versagen der Zivilgesellschaft, was immer das auch ist und wie immer man die auch definiert. Citoyen adieu. Damals wie heute. Mein Vater selig, Jhg. 1916, auf dem Land, Steinmetz Lehre, dann 10 Jahre lang Lebensabschnittsinfanterist, sagte mir, daß die Landbevölkerung damals nur den Volksempfänger und gleichgeschaltete Zeitungen als Meinungsanstupser hatten. In den Städten ging es dann Anfang der 30er bereits auf den Straßen ziemlich rund (Schläger- und Helfertrupps). Wie sich die Dinge (fast) wiederholen… (fast wg. Internet).

    • Da hatte ihr Opa wohl die rote Brille auf der Nase, oder? Die Tatsachen stellten sich ganz anders dar. Es war das rote „Pack“, das schon 1919 mit Waffengewalt Deutschland in eine Reihe von Räterepubliken Leninscher Prägung zu verwandeln suchte und nur durch Einsatz von Reichswehr und Freikorps unschädlich gemacht werden konnte. Damit hörten die Gewaltakte der Kommunisten aber noch längst nicht auf. Eine Liedzeile aus dieser Zeit spricht von den „von Rotfront … erschossenen Kameraden“, und ein gewisser Mielke („Ich liebe Euch doch alle!“), der in Berlin zwei Polizeioffiziere auf offener Straße erschoss und danach in Moskau untertauchte, ehe er bei Ulbricht zu neuen Ehren als Chef der Killerkommandos im Generalsrang kam, und diverse Bluttaten in vielen anderen Städten zeigen, was im Reiche wirklich los war, ehe die SA auf diese vielen Gewaltakte ihrerseits mit Gewaltanwendung reagierte.
      Hätten die Kommunisten sich durchgesetzt, wären die Lager nicht vom RSHA, sondern von einer kommunistischen Hauptverwaltung der Lager (GULag) eingerichtet und betrieben worden. Die Sowjets übernahmen 1945 die meisten dieser Lager und führten sie in Eigenregie weiter – neben den in Russland bereits von Lenin installierten Lagern für politische Häftlinge. Diese deutschen Kommunisten wurden übrigens von Lenins Partei finanziell unterstützt, die die dazu nötigen Gelder ganz gewiss nicht durch eigene Arbeit erworben hatte..

      • GULAGs sind genauso Schize wie KZs. Vielleicht kann man sich darauf verständigen? Und Ihre Kenntnisse um den blutjungen Mielke aufm Bülowplatz. Chapeau. Warum? Wenn Sie wüssten wie wenig Menschen diese Vorgeschichte des sozialistischen Sicherheitsdienstlers kennen…

      • Mein Opa hat seine Knochen für uns ALLE hingehalten, daher habe ich großen Respekt für alle die das getan haben.
        Wenn sie allerdings glauben, dass eine 100.000 Mann starke Reichswehr nicht mit den Roten fertig geworden wäre, ist das nur eine abweichende Geschichtsmeinung.
        Jedenfalls hat die Reichswehr nicht die Scheiben ihrer Kameraden eingeschlagen.
        Wer das macht, muß sich eben zum „Pack“ rechnen. Bei den Scheiben hat es ja auch nicht aufgehört.

  35. Großvater geriet im September 44 in Aachen in amerikanische und Vater im Mai 45 bei Ludwigslust in britische Gefangenschaft. Mal unabhängig davon, ob sie den 8. Mai hinter Stacheldraht als Tag der Befreiung empfanden, sind sie nach dem neudeutsch „Narrativ“ Besetzer, Okkupanten oder wasauchimmer, keinesfalls aber Verteidiger der genannten Städte gewesen. Schon schräg…

  36. Dieser Aufsatz sollte Pflicht sein im Geschichtsunterricht sein.

  37. Man sollte auch erwähnen, dass die SS noch nach dem 8. Mai 1945 Soldaten gehenkt hatte, die in Freude über das Kriegsende die Waffen weggeworfen hatte.

  38. „Die Tatsache, dass das Regime Hitlers trotz irregulären, innenpolitischen Drucks letztlich verfassungsgerecht die Macht an sich gerissen hatte und den Umbau zu einer totalitären Regierungsform mit deutlicher Bürgermehrheit unterstützt wurde, welche deshalb auch bis zum Ende und teilweise sogar nach dessen Selbstmord „dem Führer“ die Treue hielt, konnte endlich ausgeblendet werden. „…….. warum kommt mir das heute im Jahre 12 der der linken Merkeldiktatur nur so vertraut vor?

    • Es sind schon fast 15 Jahre, nicht 12. In Worten: fünfzehn verdammt lange Jahre. Ansonsten Zustimmung. Und sie will nachlegen. Die Hilfstruppen sind schon in Stellung. Spürt denn das keiner?

    • Na gut, 12 Jahre ist fast richtig, denn die ersten 3 Jahre unter der unsäglichen Frau verliefen ohne wewsentliche Rechtsbrüche und Düppierung des Parlaments. Wenn man Letzteres überhaupt noch als solches bezeichnen möchte.

      • Deswegen nenne ich es auch Staats-Schleich. Wie ein Reptil arbeitet sich dieses Mensch auf sein Ziel zu. Schlängelnd, Züngelnd, Zischend und eingehüllt in Schleim. Das scheint im wohltemperierten Terrarium Berlin aber nicht aufzufallen, das dort noch viele weitere solcher Kriechtiere und Urweltechsen beheimatet sind. 🙂

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