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Tatort aus Münster

Komödiantisches mit irgendwas Kriminalistischem

18.03.2024

| Lesedauer: 3 Minuten
Man wird den Eindruck nicht los, dass hier das erfolgreichste Format der Tatort-Familie mit Mutwillen in jeder neuen Folge immer wieder gegen eine neue Wand gefahren wird, um auszuprobieren, wie lange das noch mit den Zuschauerzahlen gut ausgeht.

In der grauen Theorie der Verschwörung Geübte werden schon beim Namen der Drehbuchautorin gestutzt – Bielefeldt? – haben, und durften sich gleich darauf bestätigt sehen: Nichts ist hier so, wie es scheint, gehbehinderte alte Damen (Fleisspunkt für die Erwähnung von Vorurteilen gegenüber Alten!) sind in Wirklichkeit nahkampfgestählte, kaltblütige Killerinnen, der harmlose bunte Wagen des Eisverkäufers ein Mordinstrument.

Alles beginnt in der harmlosesten aller Gegenden, einer Kleingartenkolonie, eigentlich ein „safe-space“ für alle Malocher, die am Wochenende einmal ausspannen wollen. Im multikulturellen Münster verschwimmen dabei wie selbstverständlich die Grenzen zwischen den Laubenpiepern und internationalen Reisegruppen (bei der Besichtigung des Friedenssaals gezeigt). Garten- und Tierfreundin Sabine Schmid (Sibylle Canonica) ist die Münsterländer Variante einer untergetauchten RAF-Veteranin (Veganerin – machte tolle Dips!), verdient sich ihren Lebensunterhalt durch Auftragsterroranschläge und spielt nebenher die harmlose Aushilfe an der Tankstelle. Kurz nachdem sie in Scheveningen einen Waffenhändler (Kundschaft China, Iran, Nordkorea) eliminiert hat, aber von ihrem Parzellennachbarn (Prof. Ulrich Winer, gespielt von Hans Uwe Bauer) enttarnt wird, bricht sie beim Eichhörnchen-Füttern tot zusammen. Das Münsteraner Ermittler-Quartett übernimmt und schickt sich an, zur üblichen zotigen Form aufzulaufen.

Trotzdem wird man den Eindruck nicht los, dass hier das erfolgreichste Format der Tatort-Familie mit Mutwillen mit jeder neuen Folge immer wieder gegen eine neue Wand gefahren wird, um auszuprobieren, wie lange das noch gut bzw. sich mit den Zuschauerzahlen ausgeht. Zwar stellt man erleichtert fest, dass es diesmal nur ein Riesen- und kein Windrad ist, das sich da in der ersten Szene dreht, aber sehr schnell wird klar, woher der redaktionelle Wind hier weht. Brigitte Maria Bertele (Regie) schätzt den Münsteraner Tatort als „… Pionier, … der die Grenzen des bisher Dagewesenen ein kleines Stückchen weiter dehne …. sich immer wieder auf umstrittenes Terrain begebe … ganz im Sinne von John Vorhaus: „Machen Sie Ihrem scharfen inneren Zensor den Garaus.“

Weidlich wird davon Gebrauch gemacht, nicht im Sinne des Humors, den Frau Bentele für das „unterschätzteste Genre im deutschsprachigen Film“ hält, über den es sich „lohne, radikal in einen intensiveren und vor allem angstfreieren Austausch zu kommen“. Sondern mit der Spuuur zu viel nackter Tatsachen (Rohes Würstchen am Grill mit Nachbar Klaus Karger, gespielt von Tobias van Dieken) und aufgeschnittener Leichen (zwei Eichhörnchen, eine Killerin). Aber man soll ja nicht kleinlich sein. Außer natürlich, wenn man ein alter weißer Akademiker mit Professoren-Titel ist – der muss nun für jede schräge Bemerkung Strafe in die „Miese-Sprüche-Kasse“ einzahlen. Als Einziger, denn was wäre der Münsteraner Tatort ohne seine Sprüche, die Buch und Regie weidlich beidseits der politisch korrekten Linie verteilen: Über „Fair-Trade-Spießer“, „Pflanzen-Faschisten“ und „Wohlstandsverwahrloste, die Urban Gardening betreiben“ darf hergezogen werden.

Nachdem sich Thiel (Axel Prahl) und Boerne bereits in der Folge „Propheteus“ mit leibhaftigen Echsenmenschen und dem Verfassungsschutz (als Zwillingspaar „Muster und Mann“: Melanie und Daniela Reichert) herumärgern mussten, setzt das Duo Bentele-Bielefeldt nun noch einen drauf. Jamie-Bond Schmid hatte ihre Laube in einen Hochsicherheitsunterschlupf verwandelt und dort in aller Seelenruhe Waffen, Bargeld und allerlei streng geheime Unterlagen gebunkert. Offenbar doch vom schlechten gewissen gepeinigt, hat sie aber leichtsinnig ihrem Schwarm Prof. Winer Ansichtskarten von jedem Tatort ihrer Untaten geschickt, jeweils mit einem auf Mikrofilm festgehaltenen Fotobeweis hinter der Briefmarke. Diese ganze Konstruktion brach nun in sich zusammen, der letzte Anruf „bin aufgeflogen“ kommt nicht aus einer Kreuzberger Toilette, sondern der Münsteraner Gartenkolonie.

Boerne zu Haller: Was fällt ihnen zu Russland ein? Sie u.a.: „Matroschkas“

Bevor die scheinbare Wahrheit ans Licht kommen konnte, wurde Sabine Schmids Gehirn mit einem gigantischen Mikrowellengerät (der Eiswagen, gesteuert von Olga, gespielt von Margarita Breitkreiz) liquidiert. Boerne und Silke Haller „Alberich“ (ChrisTine Urspruch) spielen das mit einem Küchengerät nach, stoßen sogar im Schrebergarten der Agentin auf die verscharrte Leiche des Polizisten Horst Steenkamp, genannt „roter Bulle“, weil er, der Aussage von Staatsanwältin Klemm (Mechthild Großmann) zufolge, überzeugter Kommunist gewesen sei (offenbar Ende der 80er völlig okay in der Münsteraner Polizei). Der als Personenschützer eingesetzte Beamte war, so scheint es, beim Versuch, das Prozedere auf dem Weg zur deutschen Einheit auf Geheiss „der reaktionären Elite der UdSSR“ durch die Ermordung Eduard Schewardnadses bei seinem Münsteraner Treffen mit Hans-Dietrich Genscher zu torpedieren, im letzten Moment von Schmid aus dem Weg geräumt worden.

Beruhigend, aus dem Munde von Frau Klemm zu erfahren, dass Schmid „ihren Quellen zufolge“ aber weder beim BND noch beim MAD auf der Gehaltsliste stand. Die „wahren Drahtzieher“ werden nun aktiv, um die Angelegenheit ein für alle Mal aus der Welt zu schaffen. Olga wird befreit, die Münsteraner Ermittler auf geisterhafte Weise um sämtliche Beweismittel erleichtert, den so tödlichen wie mysteriösen Eiswagen können auch alle ausgeschickten Bewaffneten nicht aufhalten.

Auch in Münster muss man sich die Realität offenbar schön saufen

Thiel und Boerne nehmen es leicht, nach Dienst am Scheveninger Strand, mit den Füßen im Sand, bei einem „Moscow Mule“ (Wodka, Limettensaft und Ginger Beer) und einem Cuba Libre (Cola, Limettensaft und Rum).

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7 Kommentare

  1. Der Autor greift an einem besonders üblen Beispiel, dankenswerter Weise eine unerträgliche mediale Entwicklung auf. Der angesprochene Tatort, für sich genommen schon ein unglaubliches Stück unterschwellige politische Propaganda und Hetze, ist aber nur ein kleiner Baustein in einem in seinen politischen Folgen noch garnicht absehbaren systematischen Angriff auf unsere – nicht nur mediale – Kultur.
    Wer hat noch nicht nach dem Konsum eines dieser Tatorte, Alpträume gehabt, ohne zu wissen wer ihm diese beschert hat. Die Verursacher und Haupttäter sind Drehbuchautoren und Regisseure solcher Machwerke. Nicht nur dass sie Gott spielen, indem sie eine völlig irreale Welt herstellen in der irreale Dinge geschehen, wenn sie den Täter regelmäßig aus dem Nichts, unsichtbar, unhörbar auftauchen lassen, und eine für den Zuschauer, der mit dem Opfer fiebert und hofft, peinigende Realität schaffen. Und derselbe Zuschauer will nicht wahrhaben, dass der Autor/Regisseur – mittlerweile notorisch – sogleich die Zuschauerhoffnungen enttäuschen und sadistisch ermorden wird.
    Die Realitätsvortäuschung dieser Filme ist so stark, daß der Zuschauer sich immerzu fragt, warum hat das Opfer nicht so und so, weil rettend gehandelt, obwohl er er sich fragen müsste, warum hat der Schundautor dem Opfer das gerade und ausgerechnet so, angetan und tut es immer wieder in jeder der täglichen, Krimi genannten obszönen Gesellschafts- und Realitätsframings. Doch das ist nur der kleinere Teil der Untat.
    Ein großer Teil der Krimi-Surrealität wird mittlerweile von Serienmördern bevölkert, welche ihre Opfer auf mehr oder weniger grausame Weise quälen. Diese sind für sich genommen widerwärtige grausame Menschen, die sich an den Qualen ihrer Opfer weiden. Diese konkreten Sadisten aber, sind Waisenknaben gegenüber den medialen, den „Thriller“-Autoren, welche sich anderthalbstündige Fernseh-Obszönitäten ausdenken, in denen lustvoll, scheußlichste Bestialitäten an Unschuldigen minutiös dargestellt und breit ausgewalzt, in die dagegen wehrlose Seele des darauf nicht vorbereiteten arglosen FS-Zuschauers – großenteils auch Kinder – geschleust werden. Mit unabsehbaren Folgen für diese.
    Seit es Literatur gibt weiß man, dass der Leser oder Zuschauer sich mit den Guten, den Unschuldigen, den Opfern identifiziert, sodaß was den Opfern angetan wird, seelisch jedem Zuschauer angetan wird, es ist als würde das jedem Zuschauer selbst zugefügt.
    Das wissen auch – und vor Allem die – die Drehbuchschreiber und Regisseure, und sie handeln danach, vorsätzlich. Nun wird sichtbar, welche erbärmlichen Stümper die realen, quälenden, vergewaltigenden, messernden und verstümmelnden Serienmörder gegen die millionenfach diese Grausamkeiten an den naiven Fernsehzuschauern täglich Verübenden und sich in den Seelenqualen ihrer Opfer Suhlenden sind.
    Was unterscheidet einen konkreten Serienmörder von so einem medialen? Die Masse der Opfer. Der konkrete Täter hat vielleicht 5 oder 10 Opfer – der mediale aber Millionen. Jedes dieser filmischen Erzeugnisse ist ein Massen-Folterinstrument in den Händen von Drehbuchschreiber und Regisseur, angewendet auf den arglosen Zuschauer; was Hitchcock einmal so formulierte: “Man muss den Zuschauer quälen bis zum letzten Moment“. Man fragt sich, tun sie das auf Quotenjagd oder zur Befriedigung ihrer sadistischen Gelüste? Man muss argwöhnen, dass er sich während der Sendung dieser Folterexzesse an den Leiden der Zuschauer weidet.
    Seit dieser Sachverhalt sichtbar wurde empfinde ich Abscheu gegen diese Drehbuch-Täter und -Sadisten, sowie ihre schauspielernden Helfershelfer die sich für diesen Schund hergeben. Die einen aus Sadismus oder Einschaltquoten, die Anderen wegen Gier auf Gagen.
    Echte Kriminalfilme, in denen dargestellt wurde, wie die Ermittler die Schlinge um den Täter immer weiter zu ziehen, finden im öffentlich-rechtlichen Fernsehen schon lange nicht mehr statt.
    Wehmütig erinnert man sich an die einstigen Fernseh-Kommissare deren Arbeit auch ohne sadistische Grausamkeiten interessant dargestellt wurde. Im Gegensatz zu den heutigen blutrünstigen Darstellungen perfidester Untaten, deren Darstellung selbst wiederum Grausamkeiten gegen Zuschauer sind. Regisseure welche sich an der psychischen Quälerei und Folter, der ihnen millionenfach wehrlos ausgelieferten Zuschauer weiden, sind die eigentlichen Monstren in meinen Augen, gegen die reale Mörder oder gar Serienmörder stümpernde Amateure sind. Denn diese vergehen sich an einigen wenigen Opfern, die Drehbuchautoren aber an Millionen.
    Zu jedem dieser Autoren-Täter gibt es aber auch genügend gedankenlose Mitläufer bzw. Mittäter – die willigen „Kulturschaffenden“. Seit der unsäglichen, selbstentlarvenden Wadenbeißer-Aktion dieser „Kulturschaffenden“, mit der sie, nach oben schielend, über ihre mutigen Berufskollegen eifernd herfielen, die es wagten öffentlich den Angriff der Politik auf das Grundgesetz in der Corona-Hysterie zu kritisieren, seitdem hat der lobhudelnde Propaganda Begriff „Kulturschaffende“, Name und Beruf der Schauspieler für lange Zeit entehrt.

  2. Banale und unmotivierte Aneinanderreihung der üblichen Versatzstücke aus 3 Folgen NCIS oder sowas, runterscaliert auf Tatortniveau und in Börne-lustig gestrickt. Die scheinen so gar keinen Bock mehr zu haben.

  3. Offenbar wird das Niveau schon mal vorsorglich an die künftige Zielgruppe „Generation Bildungsnotstand“ angepasst.

  4. Ich habe den Tatort aus Münster geliebt. Und ich muß gestehen, der letzte Tatort war kunterbunter Schwachsinn.
    Die Drehbuchautoren glauben, die Zuschauer seien völlig verblödet und lassen sich jeden Unsinn aufbürden.
    Bei Amelie war es noch ein Foto vom Gartenzwerg. Es gab noch eine Handlung. Im Tatort wurden tote Eichhörnchen auf der Bahre getragen.
    Das kann man nicht mal schön saufen.

  5. Man muss wohl über 50 Jahre alt sein, um das ganze zu verstehen.

    Es ist letztendlich eine Episode aus dem Kalten Krieg, amüsant gestrickt im Geiste der 5. Kolonne der bundesrepublikanischen Zeit. (Youtube hilft hier weiter)
    Man hat auch wohl ganz bewusst ein paar lose Fäden eingebaut, die man nicht auflöste.
    z.B. wie kommt die Leiche des Roten Bullen aus dem Friedenssaal in den Schrebergarten?Wer hat die ganzen Taten fotographiert?
    Süffisant auch die Sache mit den Microfilmen. Hier macht man deutlich, dass es die Erfahrung alter weißer Männer ist, die hier weiterhalf.
    Letztendlich war dieser Tatort eine Kritik an der momentanen Eskalation des Krieges der Ukraine. Hier wurde der Kalte Krieg hervorgezogen und die Unterzeichnung des 2+4 Vertrages im Friedenssaal in den Mittelpunkt gestellt.
    Und nun kommt der Kalte Krieg zurück! Und der Abspann zeigt die Unbedarftheit und Unfähigkeit der deutschen Obrigkeit.

    • Insbesondere muss man zwingend meinen, dass es da was hintersinniges „zu verstehen“ gibt.
      Der Kerngedanke „Lieb Vaterland magst ruhig sein, es bewachen Dich die Engelein! (die von der CIA)“ darf nun echt nicht überinterpretiert werden.

  6. Es war Blödsinn und hat doch gebau hinein gepasst in das Irrenhaus Deutschland. Man konnte wenigstens mal lachen.

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