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Vom Aussterben bedroht?

Sauerkrautkrise

von Gastautor

18.02.2024

| Lesedauer: 3 Minuten
Das deutsche „Nationalgericht“ wird mehr und mehr zum regionalen Exoten. Die wahren „Krauts“ sind – die Franzosen. Von Ingo Swoboda und aufgegessen.info

Auf ihre Art sind mir die Engländer durchaus sympathisch, und das nicht nur, weil sie die Beatles hervorgebracht haben, deren Songs mich von Kindheit an begleitet haben und mich noch heute in eine emotionale Hochstimmung versetzen können. Engländer haben vor allem meinen Respekt, weil sie zu ihrer schlechten Küche stehen, robusten Fußball spielen, den mutigen Schritt gegangen sind, die EU und ihre Geldversenkungsmaschinerie zu verlassen, und von ihrer politischen Elite zumindest Bildung, Stil und Patriotismus verlangen. Also genau das Gegenteil von dem, was wir Deutschen in dieser Liga präsentiert bekommen.

Weniger amüsant finde ich, dass uns die Engländer immer noch und immer wieder gerne als „Krauts“ bezeichnen. Das haben wir nun wirklich nicht verdient! Schließlich sind wir eine gestandene Bier-Nation, die dazu bemerkenswerte Weine produziert, das beste Brot der Welt backt, der Menschheit den Brühwürfel geschenkt hat, und nach deren Großstädten nicht nur international erfolgreiche Würstchen und Hackfleisch-Produkte, sondern auch gefüllte oder ungefüllte Backwaren benannt sind. Den Namen der britischen Hauptstadt tragen nur hauchdünne Markenpräservative.

Warum also „Krauts“, was hat es mit dem „kulinarischen Schimpfwort“ auf sich? Bis heute hält sich vor allem im anglophilen Sprachraum hartnäckig das Klischee, Sauerkraut sei das deutsche Nationalgericht schlechthin. Ist also Sauerkraut eine deutsche Erfindung, ein Gericht mit germanischen Wurzeln? Mitnichten. Allerdings sind die Deutschen an der Entstehung der Legende vom „Nationalgericht Sauerkraut“ nicht ganz unschuldig, wenn Ludwig Uhland in seinen Versen vom „edlen Sauerkraut als deutschem Essen“ spricht. Doch Sauerkraut kannten schon die alten Römer. Dennoch käme niemand auf die Idee, das Sauerkraut den Italienern in die Schuhe schieben zu wollen. Auch nicht den Griechen oder Chinesen, die das Säuern von Kraut als effektive Methode des Konservierens ebenfalls gekannt haben.

Auf dem deutschen Speisezettel taucht Sauerkraut erst im ausgehenden Mittelalter auf, als Mönche das aus Weißkohl gehobelte Kraut salzten, in großen Holzfässern für die Fastenzeit einstampften und abwarteten. Was nämlich jetzt in den Bottichen stattfand, war nicht nur eine natürliche und effektive Konservierung durch Milchsäurebakterien, die den Fruchtzucker im Weißkraut unter Freisetzung von Kohlensäure in Milchsäure umwandelten, sondern gab aufgrund des entstandenen Geschmacks durch die saure Gärung dem Kohl seinen Namen: Sauerkraut! Die einfache Methode, Weißkohl in Sauerkraut zu verwandeln und damit Gemüse-Vorräte für die langen Wintermonate anlegen zu können, fiel in einer von Landwirtschaft geprägten Epoche im wahrsten Sinne auf fruchtbaren Boden. Zudem erforderte der im Anbau relativ anspruchslose Weißkohl keine besonderen Kenntnisse und man konnte sich wichtigeren Dingen als der Verfeinerung einer Küchenkultur widmen.

Zum Beispiel der Seefahrt, die ansonsten in der deutschen Geschichte keine besonders rühmliche Rolle spielt und ihr maritimes Vermächtnis bis heute der Allgemeinheit in Form einer Sektsteuer aufbürdet, die einst zur Finanzierung der kaiserlichen Flotte gedacht war. Da haben die Engländer ganz andere Erfolge vorzuweisen. Doch nachdem im frühen 18. Jahrhundert entdeckt worden war, dass der Verzehr von Sauerkraut Skorbut verhindern kann, kreuzte kaum mehr ein Schiff unter deutscher Flagge ohne Sauerkrautfass an Bord die Meere. Den Briten schien das Kraut zu profan, sie setzten in ihrer Marine vorwiegend auf Zitronensaft als Prophylaxe, eine prickelnde Ergänzung zum trockenen Schiffszwieback. Was weder Deutsche noch Engländer damals wussten: Sauerkraut enthält die Vitamine A, B, C – rund 400 Gramm Sauerkraut besitzen so viel Vitamin C wie eine Kiwi, sowie Kalium, Kalzium, Eisen und jede Menge Ballaststoffe. Zusätzlich finden sich im Sauerkraut sekundäre Pflanzenstoffe, die die Blutgerinnung beeinflussen, die Verdauung fördern und vor Krebs schützen sollen.

Im Elsass feiert das Sauerkraut bis heute Triumphe, hier schmückt es als kulinarisches Aushängeschild in vielen schmackhaften Variationen die bodenständige Küche, verfeinert mit Wein oder Champagner, garniert mit Würstchen, Bauchspeck, Rippchen und Kartoffeln. Typisch deutsch? Die Franzosen, inklusive und gerade wegen der Sauerkraut-Hochburg Elsass, essen – kein Scherz! – mehr Sauerkraut als die Deutschen, deren Verbrauch seit Jahren bei etwas mehr als einem Kilo pro Person stagniert. Das meiste hierzulande verzehrte Sauerkraut stammt aus Polen, echtes deutsches Sauerkraut kommt heute vorwiegend aus dem Gebiet der Fildern südlich von Stuttgart, wo 1883 auch die weltweit erste Sauerkrautfabrik entstand.

Doch aus dem vermeintlichen deutschen Nationalgericht ist längst ein regionaler Exot geworden, der nur noch dort auftaucht, wo es richtig deftig zugeht: Bei der hessischen Spezialität „Rippchen mit Kraut“ wird gepökeltes Schweinekotelett im Sauerkraut gekocht, auf der Schwäbischen Schlachtplatte darf es nicht fehlen und in der herzhaften bayerischen Landküche ist Sauerkraut, meist mit Kümmel gewürzt, ein wichtiger Bestandteil. In Franken wird das Sauerkraut mit Bratwürsten, Leberknödeln oder Fleisch serviert, eine Heilbronner Spezialität ist der mit grober Leberwurst und Kartoffelpüree geschichtete Sauerkrautauflauf. Eisbein mit Sauerkraut lieben die Berliner und das brandenburgische Umland, Klunz ist ein mitteldeutsches Gericht mit Sauerkraut und Schweineschmalz. Reicht das aus, um eine ganze Nation als „Krauts“ zu bezeichnen?

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60 Kommentare

  1. Ich hatte mal ein T-Shirt: „Proud to be Kraut“, die Amis liebten es. Und speziell in den Bible-Belt Staaten stehen sie auch drauf. Sauerkraut ergänzt dort viele Gerichte Auflauf, Suppen, Rolls. Einer meiner Lieblingsgerichte ist Cranberry-Sauerkraut Meatballs.

    Auch in Ungarn gibt es deftige Gerichte mit Sauerkraut, gefüllte Kohlrouladen (Töltött káposzta), Krautsuppe (Káposztaleves), Auflauf mit Kraut (Rántott káposzta)….natürlich alles mit Paprikás und Tejföl verfeinert…sonst wäre es ja nicht Ungarisch..:)

    Vielleicht werden die Deutschen ja ‚Krauts‘ genannt, weil sie immer so wie sauer Eingelegtes aussehen? :))

  2. Herzlichen Dank für den appetitlichen Artikel. Ich habe das Sauerkraut (Kapusta) in Polen neu entdeckt. Seit dem bereiten wir es genau so zu.

  3. Ist womöglich die „Schwäbischen Schlachtplatte“ (mit Kartoffelpüree und Sauerkraut) der Grund dafür, dass innerhalb kurzer Zeit und im Abstand von max, 3 Wochen zwei Treffen der AfD-Prominenz in schwäbischen Besenwirtschaften im Raum Heilbronn (Erlenbach-Binswangen + Abstadt) stattgefunden hatten?
    Bin daher gespannt, wann Sauerkraut, womöglich auch Kartoffelstampf, als „voll Nazi“ eingestuft wird und in guten Häusern mit Haltung von der Speisekarte genommen wird

  4. Mir tropfte gleich der Zahn bei den guten Gerichten. Sauerkraut wurde übrigens in der DDR aggressiv beworben weil es ein günstiger regionaler Vitaminlieferant war, der Devisen einsparen half. Filderkraut ist auch als Saatgut erhältlich; man kann sich also die festen spitzen Köpfe selber ziehen und später gutes Filderkraut einsäuern. Sauerkraut selber machen ist sehr einfach und im Geschmack, wenn man es richtig macht, unvergleichlich. Da lässt man alles andere stehen. Auch als sehr gesunde Rohkost empfiehlt sich gleich am Morgen eine kleine rohe Portion mit etwas Öl und frischem Knoblauch drüber. Das danken vielleicht nicht die Bürokollegen aber sicher die Gesundheit. Das Sauerkraut verbindet uns Deutsche eng mit den Slawen, die es ebenfalls sehr schätzen und Suppen damit veredeln. I’m proud to be a Kraut.

  5. Also ich find den Ausdruck „Krauts“ sehr lustig, denn unsere brit. Kumpels hiessen „Lemmons/Leimis“.
    Und die Franzosen….?
    Die Amerikaner nannten die deutschen Migranten ein „biersaufendes tumbes Volk“, na dann möchte ich doch nicht so mit dem Bier tituliert werden.
    Oder möchten wir lieber „Kartoffeln“ genannt werden…obwohl (gender!) Dies ja eigentlich eine „kulturelle Aneignung“ ist.

    • Ich kenne für die Engländer nur den Begriff „Inselaffen“, oder vom Opa halt „Tommy“.
      Laut meinem Opa nannten die deutschen Soldaten in der Wehrmacht die Österreicher „Kamerad Schnürschuh“, und die Italiener „Spaguzzis“.

    • Ach, an „Krauts“ finde ich sogar etwas liebevolles, bissiger ist da schon das auch so gemeinte und gar nicht spaßige „boche“ unserer Erbfreunde.

  6. War letzte Woche noch im Elsass, herrliches Sauerkrautgericht gegessen, anschließend mit Sekt angestoßen auf die deutsche Flotte und unsere Sektsteuer.

  7. Im Elsass feiert das Sauerkraut bis heute Triumphe, hier schmückt es als kulinarisches Aushängeschild in vielen schmackhaften Variationen die bodenständige Küche, verfeinert mit Wein oder Champagner, garniert mit Würstchen, Bauchspeck, Rippchen und Kartoffeln. Typisch deutsch?“
    Wie lange war das Elsass deutsch und wie lange war es franzoesisch? Na also.

    • Mein französischer Freund zum Elsass „das sind unsere Deutschen“
      Namen der Bevölkerung anschauen, gerade außerhalb von Le Strasburg!

      • Genau!

      • Werter @ Timur Andre-Als die grenznahen Bewohner des Elsaß nach der Kriegserklärung an das Deutsche Reich ins Innere Frankreichs, meistens in den Südwesten (Aquitanien) evakuiert wurden, hatten sie dort kein schönes Leben und wurde „sales boches“ genannt.
        Warum schreiben Sie „Le Strasburg“ wenn Straßburg bzw. Strasbourg meinen?

  8. Den Briten schien das Kraut zu profan, sie setzten in ihrer Marine vorwiegend auf Zitronensaft.“
    Und was ist mit James Cook, der als groesster Entdecker der Briten auf seinen Schiffen Sauerkraut so hoch als Skorbutverhinderer einstufte, dass er es seinen Besatzungen dadurch begehrlich erscheinen liess, indem er es zunaechst als „Offiziersessen“ deklarierte?
    Weiter:
    „…Seefahrt, die ansonsten in der deutschen Geschichte keine besonders rühmliche Rolle spielt und ihr maritimes Vermächtnis bis heute der Allgemeinheit in Form einer Sektsteuer aufbürdet, die einst zur Finanzierung der kaiserlichen Flotte gedacht war.“
    Nanana! Die Englaender bewundern heute noch die Hamburger „Flying-P-Liners“, zumal einer von ihnen, die PRIWALL, fuer immer den Rekord der schnellsten Kap Hoorn -Umrundung haelt.
    Und wer war es, der die erste Seekarte entwarf? Der Deutsche Gerhard Kraemer, der sich „Mercator“ nannte.
    USW.usf….
     

    • Wie der Alte Fritz, der die Kartoffeln auf dem Acker von Soldaten bewachen hat lassen sollen – gelistet unter Kartoffelbefehl.
      Auch die verstanden beide schon ausreichen von der Psychologie der Massen – und wenigstens darin haben sie Meisterschaft erlangt, die Politiker mitsamt den Medien.

    • Cooks Sauerkraut hin oder her, dass die Briten doch stärker auf Zitronensaft setzen, zeigt allerdings der Spitzname für deren Matrosen: Limey.
      Die Admiralität befahl eben 1795 kein Sauerkraut, sondern den täglichen Löffel Zitronensaft. Später wurde ähnliches auch für die zivile Seefahrt verordnet.

      • Nein, das ist nicht richtig. Cook verwendete Sauerkraut schon im Jahre 1769, waehrend die RN erst ab 1795 Zitronensaft bevorzugte. „From 1795 onward, three-quarters of an ounce of lemon juice per day was mandated to be given to every sailor serving throughout the Royal Navy.“

      • Irrtum: Cook verwendete Sauerkraut schon 1769 waehrend die RN erst um 1790 den Zitronen- oder Limonensaft zur Skorbutabwehr befahl.

  9. Das Sauerkraut feiert derzeit eine weltweite Beliebtheitswelle.

    Im Zuge koreanischer Kulturgüterexporte wie des K-Pop kennen mittlerweile viele Amerikaner das koreanische Kimchi. Welches in vielerlei Hinsicht einfach nur die koreanische Variante des Sauerkrauts ist. Kimchi wird zwar meist stark gewürzt mit Chili und man verwendet Chinakohl statt Weißkohl. Insgesamt allerdings ist das schon mehr oder weniger das gleiche Produkt.

  10. Nach dem Krieg und auch noch bis in die 1990er legten meine Eltern jedes Jahr im Frühherbst ca. 100 ltr. Sauerkraut ein. Nach ein paar Wochen konnten wir dann das vitaminreiche Kraut verspeisen.

  11. Ich liebe Sauerkraut und esse es sehr oft. Zum Glück haben wir hier bei uns in der Nähe einen tollen Markt, wo man noch richtiges fermentiertes Sauerkraut kaufen kann (das in den Blechdosen enthält oft Essig und dann hat es leider keine Milchsäurebakterien mehr, die man ja eigentlich haben will).
    Selbst machen würde ich es nicht gern, denn das ist eine Wahnsinnsarbeit und sehr zeitaufwändig (meine Oma hat immer jedes Jahr noch ein großes Fass Sauerkraut hergestellt, sie hatte extra eine alte Küchenmaschine, womit das Kraut zerhäckselt wurde).
    Doch, ich finde schon, dass wir „Kraut’s“ sind. Warum auch nicht? Es ist eine gute Tradition, wenn man es richtig fermentiert auch sehr lecker und gesund. Es gibt doch Schlimmeres…

  12. Erst gestern gegessen. Sauerkraut mit gekochten Rippchen und Kartoffelbrei. Mmmh!!!? Für mich: Jederzeit!

    • Ja, Rippchen ohne Sauerkraut- das ginge gar nicht.
      Eins meiner Lieblingsgerichte…

  13. Meine Wurzeln liegen im Erzgebirge und mehr als die Hälfte meines Lebens habe ich dort gelebt. Auch dort ist Sauerkraut typisch und wird z.B. neben Rotkraut auch zu Grünen Klößen und Gans- oder Kaninchenbraten gereicht oder auch zu Kartoffelbrei, Bratwurst oder Beefsteak, einfach delikat.
    Wir machen natürlich unser Sauerkraut selbst, einer Tradition meiner Eltern folgend, nicht nur mit Salz, sondern auch verschiedenen Gewürzen. Das bringt dann viel mehr Aromen mit, als das fade und nur saure Salzkraut. Hab heute erst wieder einige Handvoll aus dem Steintopf geholt.

  14. Wie von der Kommentatorin Lara schon treffend bemerkt hat das Sauerkraut im Elsass mit dem Deutschen und weniger den Franzosen zu tun. Als „Choucroute garnie“ kommt die Die Elsässer Sauerkrautplatte französisch daher. Choucroute ist das französisch gesprochene alemanisch-elsässiche Dialektwort „Suurchrut „. Und Krautrock hat in England eine grössere Anhängerschaft ,geschrieben darüber wird aber vorwiegend in England.

    • Und zum Choucroute gehört anständiges von der Schlachtplatte oder wer lieber mag auch gern Lachs oder anderer Fisch, in einem Weißweinsößchen.
      Das sich die Deutschen in aller Scham wohl selbst von ihren Traditionsgerichten verabschieden, aus Angst, dass sie sich dadurch als „rechts“ definieren, und den Döner-Einheitsgeschmack goutieren, sei es drum! Wir hatten unser Sauerkraut vom Bauernmarkt geholt und auch Selbstversuche gestartet. Das lohnt sich allemal! Gesund ist es auch noch – mit einem hohen Vitamin C-Gehalt über die dunklen Wintermonate.
      Witzigerweise kam unsere Tochter über Räuber Hotzenplotz zum Sauerkraut und der Bratwurst. Es ist nach wie vor ihre Lieblingsspeise!

      • Als Neu-Ungar habe ich ein gehaltvolles Gericht hier kennen gelernt. 4 große rote Zwiebeln, 200 Gramm Schinkenspeck anbraten, Scharfe Paprikawurst dazu. Das Ganze mit scharfem rotem Paprika-Pulver bedecken. Dann zwei Kg Sauerkraut (Abspülen, wenn mit Essig gemacht) . Hinein in den Topf, Wasser dazu bis das Kraut bedeckt ist. Kümmel und zwei Brühwürfel dazu und gut 1,5 Stunden auf kleiner Flamme köcheln. Eine Mehlschwitze mit max. drei Esslöffeln Mehl und dem Saft des Krautes bereiten und unterrühren. Dann 3-4 Esslöffel Saure Sahne 20% einrühren und noch 10 Minuten köcheln. Danach servierfertig. Ein Gedicht ! Aufgewärmt täglich besser.

      • Für eine feinsämige Bindung geben wir kein Mehl ins Sauerkraut, sondern kurz vor Ende der Kochzeit eine fein geriebene Kartoffel.
        Probieren Sie die Variante mal aus.
        Gruß ins schöne Ungarn!

  15. Die Amis nennen uns „Krauts“, die Briten eher „Fritz“. Beiden ist gemein, dass sie gar nicht genug Sauerkraut kriegen können, wenn sie hier auf Besuch sind. Soviel Sauerkraut esse ich sonst nie. Gewissermaßen ist das self-fulfilling prophecy. Der Engländer will Bratwurst dazu, ist überhaupt ganz verrückt nach Würsten aller Arten, der Ami liebt alles Bairische. Oktoberfest halt. Bier natürlich lieben beide gleichermaßen. „Waissbeer!“ Also meine Erfahrung.

  16. Kulinarische Grüße aus den Weiten der norddeutschen Tiefebene und Dank für den unterhaltsamen Beitrag! Bei uns (d.h. in der Heimat der durch W. Busch verewigten ‚Witwe Bolte‘) galt und gilt – wenigstens in den Küchen ‚alter Schule‘ – noch immer der Grundsatz: „Ein Leben ohne Sauerkraut ist möglich, aber sinnlos“ (frei nach Vicco v. Bülow). „Kumpstkol“ (so schon 1384 in den Celler Hofhaltungsrechnungen), der seine klostersprachliche Herkunft von ‚compositum‘ nicht verleugnen kann, auch heute noch ‚lose‘ in guten Metzgereien erhältlich (und unvergleichlich gut im Vergleich zu dem abgepackten Zeugs oder der beinahe ungenießbaren Dosen-Variante), wurde in meiner Kindheit in jedem halbwegs anständigen Haushalt noch selbst angesetzt. Als ‚Hauptproduktions-Instrument‘ dabei ein riesiges und schweres Hobelgerät (eine Koproduktion der Tischler- und Stellmacherkunst), im Herbst reihum von Hof zu Hof ausgeliehen (den benötigten Auffangbottich und selbstverständlich die Fässer hatte man selber). Über den Variantenreichtum der ‚Sauerkrautküche‘ zwischen Weser und Elbe muss ich mich hier nicht groß auslassen: Neben den noch heute üblichen Versionen mit Kasseler, Eisbein oder Schweinsbraten erinnere ich mich an den herrlichen „Halben Höveskopp“ (gepökelte, geräucherte Schweinebacke) mit einigen Kochwürsten in Sauerkraut mit Zwiebeln und reichlich Butter gekocht – alle kombinierbar mit Milchreis+Zucker/Zimt als Nachtisch…

  17. Sauerkraut ist geil. Gibt es in der Pfalz ständig. Auf Schlachtfesten und Weinfesten. Zu Leberknödel, Schweinebauch/Dörrfleisch, Bratwurst, Wellfleisch.
    Blöd für mich: Seit einigen Jahren vertrage ich es nicht mehr richtig. Ich bekomme davon starke Blähungen (sollte eigentlich nicht sein). Es liegt an den unverdaulichen Anteilen. Anderes Gemüsezeug vertrage ich nämlich auch nur in kleinen Mengen. Nein, es gibt keine Abhilfe, die Wunderheiler und Esotheriker können sich ihre Kommentare sparen. Verschiedene Ärzte haben schon darüber nachgedacht. Ergebnis: wenig „gesundes Gemüse“ essen, wenig Vollkornbrot, wenig Joghurt. Dann ist alles ok.
    Das ist eigentlich Schade, das sind alles Dinge, die ich mag. Aber das ist wohl immer so.

    Und zu Kraut: Krautrock ist in den USA keine Beleidigung für schlechte deutsche Musik, sondern ein Lob für eine sehr spezielle Musikrichtung, die dort sehr beliebt ist. Leider gibt es keine schon lange keine neuen Krautrocker mehr (nein, Scorpions und Co. zählen nicht dazu!).

    • Siebeck hat gewagt, das gekochte Kraut mit Ingwer zu verfeinern. Hilft auch beim Verdauen. Getrocknet oder frisch – und so viel oder so wenig man halt mag.

  18. Ursprünglich wurde das Sauerkraut roh gegessen, und auch nur dann sind die ganzen Vitamine darin enthalten. Es wurde aber üblich, das Sauerkraut zu kochen, was die Vitamine weitgehend zerstört. Das ist auch bei den Sauerkrautkonserven das Problem. Man kann auch anderes Gemüse mit milchsaurer Gärung fermentieren. Leider bekommt man das außer in Bioläden so gut wie gar nicht im Handel. Alles ist mindestens pasteurisiert, also tot, ohne lebende Milchsäurebakterien, die ziemlich gesund sind. Man muß das alles selbst machen, und wenn man das nicht kann, hat man verloren.

    • Ich fermentiere auch alles mögliche im Herbst selbst: auch Paprikaschoten und Tomaten.
      Sehr viele Gläser und das essen wir dann über den Winter so nach und nach weg.
      Einfach reifes Gemüse klein schneiden oder hobeln, eine 2%ige Salzlösung herstellen, das Gemüse in ein Bügelglas einfüllen und dann das kalte Salzwasser darüber gießen. Ein paar Tage stehen lassen (dabei das Glas mind. einmal pro Tag entlüften) und dann ist es fertig fermentiert und kommt in den kühlen Keller oder auch in den Kühlschrank.
      Seitdem wir einen Garten haben und im Spätsommer/ Herbst so viel Gemüse haben, dass wir nicht wissen, wohin damit, wird fermentiert. Es ist auch einfach nur lecker.

    • Für 20 Pfennig gab es das Sauerkraut beim Gemüsehändler in einer spitzen Papiertüte aus dem Fass, das wurde daraus noch auf der Straße mit drei Fingern gefischt und tropfend in den Mund befördert, während der Saft aus der Tüte nach unten auf die Straße floss.

  19. Das beste und vielfältigste Brot der Welt backen die Italiener. Seit meiner Rückkehr aus der Lombardei vermisse ich das italienische Brot in seiner Qualität und Vielfalt schmerzlich.

      • Und es gibt auch immer noch ein paar tolle deutsche Bäckereien, die leckeres Sauerteig backen.
        Die Italiener backen doch eher mit lievito madre, oder? Ist das dann nicht einfach nur Hefeteig? Nichts gegen italienisches Brot, wenn wir nach Italien fahren, es ich es sehr gern.

    • Ich habe in Italien immer nur widerliches, pappiges und ungesalzenes, mithin fades Weißbrot bekommen, dazu leicht säuerliche Butter, die genauso wenig dazu schmeckte. Meine Mutter (Italienerin) sagte früher schon immer: Italiener können kein Brot und keine Butter. Über den Rest ließ sie allerdings nichts kommen.

      • Naja, die Italiener haben auch schon gutes Brot.
        Wir wohnen im Süden Österreichs und für uns ist es ein Katzensprung über die Alpen nach Udine und Triest. Da gibt es schon ein paar tolle Bäckereien (wo die Einheimischen auch Schlange stehen). Aber es ist eben immer Weizenweißbrot, ich esse aber auch gern mal Roggen, Dinkel oder auch Mischbrote als Sauerteig.
        Ich war immer der Meinung, die Italiener backen alle eher mit Lievito madre, eine Art Weizensauerteig, wo der Teig eben länger geht. Muss ich demnächst mal in der Bäckerei nachfragen…
        Lievito madre ist eine Art Weizensauerteig, aber eben nicht dasselbe wie unserer deutscher Sauerteig (mit dem ich zuhause z.B. immer backe). Aber ich bin kein Fachmann und kenne ich mit der italienischen Backkunst nicht so aus.

      • Gemeint ist der deutschsprachige Teil Südtirols zB Pustatal oder Vinschgau.

  20. Ich liebe Kraut – als Krautsalat, als gedünstetes Weißkraut, im Krautkrapfen, als Krautwickel und als Sauerkraut, ob im Szegediner Gulasch oder auf der Schlachtplatte, roh oder gekocht. Deswegen empfinde ich die Bezeichnung „Krauts“ als Kompliment.

    • Szegediner Gulasch gab es bei uns am Wochenende. Da habe ich extra frisches Sauerkraut vom Markt aus dem Fass gekauft, lecker!
      Ich mag auch alles mit Kraut…mir wird es auch nicht zu viel :-))

  21. Ja, also das mit dem Kraut ist mir ziemlich wurscht (was bin ich doch für ein Schelm ?).
    Nein, ernsthaft jetzt: Es ist mir sowas von hupe, wie irgendwas bewertet, gelabelt, verachtet, als Alternativbezeichnung für Menschen eines Landes bezeichnet wird. Ich hätte da als Gegenparts zu den ‚Krauts‘ auch gerne noch die ‚Käseköppe‘, ‚Froschfresser‘, ‚Spaghettifresser‘ oder ‚Knoblauchfresser‘ angeführt.
    Was für ein Bullshit!

    Geil ist, was den Menschen schmeckt!
    Und was interessiert mich, ob es nur noch wenige Restaurants gibt, die Sauerkraut servieren?
    Ich mache Sauerkraut zu Pfälzer Klößen, Sauerkraut als Auflauf mit gestampften Kartoffeln, Kasseler und ’ner Kartoffel-Käseschicht obendrüber.
    Wenn’s passt und schmeckt ist mir doch irgendein Drumrumgehupe oder Oldschool-Verdacht völlig egal.

    Gestern gab’s übrigens bei mir den guten alten Oldschool-Norddeutsch-Grünkohl mit Mettwurst, Kasseler und karamelisierten Kartoffeln.
    Heute dann Saag Gosht aus dem indischen Dunstkreis.

    Ich koche, was mir/uns schmeckt, unabhängig davon ob es angeblich ausstirbt, mit Vorurteilen belegt, gerade voll geil oder eben nicht ist – es ist mir egal.
    Und wenn’s passt eben auch gerne was mit (Sauer)Kraut, Kohl, sonst was.

    • Das heisst „mit süße Kartoffeln“ bei uns.

      • Ich bin Hanseatin. Also so ’ne Hamburger Deern. Versöhnt Sie das mit meiner Bezeichnung?
        Schließlich kennt nicht jeder in Deutschland ’seute Kantüffeln‘ ?

    • Einmal im Jahr gibt es Eisbein mit Sauerkraut für mindestens 12 Personen. Die Gäste müssen für Bier sorgen.

  22. Ich verwende zur Zubereitung Lorbeer, Wachholderbeeren, etwas Zwiebel und angebratene Bauchspeckwürfel. Aus Gründen der Abwechslung gelegentlich noch etwas Kümmel.

    • Aus Gründen der Abwechslung gelegentlich noch etwas Kümmel.

      Hiermit stelle ich den Antrag, daß Sie und Ihr Kümmel umgehend ausgebürgert werden. Warum steht die Verwendung von Kümmel eigentlich noch nicht unter Strafe?!

      PS: 😉

      • Kümmel ist gut für die Verdauung.
        Hat alles irgendwie seinen Sinn.

    • Auch wenn ChrK Kümmelfeind zu sein scheint, Kümmel hilft bei der Verdauung und hilft auch gegen Biogas.

  23. Wenn im Elsaß so viel Sauerkraut gegessen wird, dann deutet das historisch gesehen auch eher auf die Deutschen hin als auf die Franzosen. Pass und Kultur sind eben zwei paar Stiefel.
    Ich nutze im Winter sehr gerne Sauerkraut. Vorteil ist im Küchenalltag, dass es sehr gut haltbar ist auch in einer Plastiktüte oder Plastikbox vom Wochenmarkt. Man kann dann immer kleine Mengen entnehmen so wie man es braucht, während in der kalten Winterzeit die Zucchini aus Marokko schnell gammelig werden oder schon sind und enorme Transportwege aufweisen. Billig ist es auch.
    Sauerkraut ist bei mir nie die Hauptbeilage, die ich in großer Menge essen würde, das bläht zu sehr. Aber man kann es sehr vielen Gerichten in kleiner Menge beigeben, z.B. Eintöpfen, Gulasch oder Ofengerichten. Das bringt feine Säure rein und harmoniert oft sehr gut, einfach mal probieren.

  24. Sehr erfrischend und humorvoll geschrieben. Das zu lesen hat Spaß gemacht.

  25. Als Kind habe ich Sauerkraut verabscheut, heute ist es eines meiner liebsten „Begleitgemüse“.
    Mir ist das auch egal, ob irgendwer (im Ausland!) mich als „Kraut“ bezeichnet.

    Zu einem Detail eine Frage: „der im Anbau relativ anspruchslose Weißkohl (…).
    Gab es seinerzeit die Kohlhernie nicht? Mir mißglückte Weißkohlanbau immer. Ich wurde diese Pest nicht los, zumal ich auf Grün-, Rosen- oder Blumenkohl nicht verzichten mochte – leider wird man dann die Hernie nicht los (jedenfalls nicht ohne vermutlich sowieso aus dem Ausland zu beschaffender Wirkstoffe), und trotz sonst bester Bodenverhältnisse wurde es mit dem Weißkohl nichts.
    Hatten die seinerzeit womöglich „abgehärtetere“ Sorten?

    • Sieben Jahre keinen Kohl, so hieß es in der Kleingärtnerzeitschrift, dann sei Hernie weg. Aber blöd, wenn man eben gern Kohlrabi etc. mag, und auch die Blühlandbrache, wo dann alles munter durcheinander wächst, darunter natürlich auch Kohlgewächse.
      So eine Blühwiese wurde dann gesenst, ab damit zu den Kaninchen, dann per Küddelpost auf den Kompost, dann auf die Beete… fröhlicher Kreislauf.
      Ich hatte das mit dem Weißkohl dann auch aufgegeben, schade, aber andere Kohlsorten kamen damit halbwegs klar, vermutlich Jahreszeit bedingt.

      Was das andere Geziefer betrifft: Da empfehle ich einen möglichst naturnah gestalteten Gartenteich. (Goldfische oder Kois sind schön, aber sind Tabu! Die fressen alles weg, was ein Miniökosystem braucht.) Um die Frösche geht es. Die werden sich einfinden und nach der Quakzeit einen enormen Appetit auf Fliegen, Weißlinge und Käfer entwickeln.

      Es würde mich jedenfalls sehr interessieren, wie die Kohlanbauer seinerzeit mit dieser Problematik umgegangen sind.

      Und gleich werde ich meine Frau bitten, heute zum Sonntag irgendwas mit Sauerkraut zuzubereiten – eigentlich schade, daß man nicht einfach die Gläser aus dem Supermarkt einpflanzen kann, Dung drauf, im Herbst erntet man dann den 50Liter Bottich.

      Schönen Sonntag 😉

    • Sie dürfen dort nicht mehr anbauen. Also einen frischen Boden suchen, dann klappt es wieder.

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