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Anachronistische Musikhochschulen

Götterdämmerung der Klassik

27.07.2024

| Lesedauer: 6 Minuten
Skandale um Machtmissbrauch, schließende Institute, unzeitgemäße Lehrpläne: Die harte Realität einer Welt, in der die klassische Musik eine immer geringere Bedeutung spielt, erreicht – nachdem Absolventen schon vor Jahren mit ihr konfrontiert wurden – nun auch die deutschen Hochschulen. Veränderung tut not, aber fehlt der Mut zum radikalen Umdenken?

Unter den vielen wegbrechenden Gewissheiten unserer Zeit erscheint der Verlust der Bedeutung der sogenannten klassischen Musik im Bildungskanon zwar bedauerlich, aber nicht wirklich prioritär. Dieser Prozess ist aber nicht erst seit der Ampel und noch nicht einmal seit Angela Merkel im Gange, er begann im Endeffekt bereits nach dem Ende des Krieges, als die Musikkultur zunehmend bewahrend wurde und sich schon früh in ein Rückzugsgefecht gegen die Populärmusik begab.

Der Prozess ging dabei so langsam vonstatten, dass noch bis in die 80er und 90er Jahre des 20. Jahrhunderts Stardirigenten wie Herbert von Karajan und Leonard Bernstein Haushaltsnamen waren. Dass deren, im Vergleich zur ausgeführten Musik, disproportionale Inszenierung bereits ein Zeichen des Niedergangs war – geschenkt. Die Welt schien heil, so wie ein Haus, dessen Fundament zwar bröckelt, das aber mit einem hübschen Fassadenanstrich versehen wurde.

Doch die vielen Zeitenwenden der letzten 10 Jahre haben für einen fast schon stromschnellenartigen Umbau der Gesellschaft gesorgt, sodass wer unbedacht den Blick schweifen lässt und sich fragt, in welchem Zustand sich die klassische Musikkultur denn befindet, mit Schrecken feststellt, dass sich deren gesellschaftliche Bedeutungslosigkeit mittlerweile nicht länger verleugnen lässt.

„Machtmissbrauch“ ist das neue #MeToo

Während die Konzert- und Veranstaltungsbranche traditionell für ihre Verschwiegenheit bekannt ist, dringen in den letzten Tagen und Wochen die Hiobsbotschaften vor allem aus den Ausbildungsinstitutionen. Nachdem eine Studie bereits im Frühjahr von strukturellem „Machtmissbrauch“ an den Musikhochschulen Deutschlands berichtete, wurden nun solche Klagen auch wieder ganz konkret laut – diesmal aus der Musikhochschule in Dresden. Studenten berichten davon, Angst vor dem Unterricht zu haben, sich wertlos zu fühlen und sowohl verbal, als auch in manchen Fällen körperlich missbraucht zu werden.

Allerdings muss man dazu sagen: Die Anschuldigungen sind – vor allem was den körperlichen und möglichen sexuellen Missbrauch angeht – noch relativ vage, was natürlich auch in der Anonymität der Beschwerdeführer begründet liegt. So behauptet eine Studentin, es sei „Usus, dass man Körper kommentieren darf“, ebenso wie die Tatsache, dass „man Leute anfasst, ohne zu fragen“. Es sei „klar, dass da Übergriffigkeiten stattfinden“, ebenso wie „rassistische Dinge“.

Die Studentin ging sogar so weit zu behaupten, man müsse als Studentin „bereit sein, alles zu tun“, eine äußerst schwerwiegende Anschuldigung, auch wenn diese nur implizit ausgesprochen wurde.

Die Neuordnung hierarchischer Strukturen

Grundlage für all diese Kritik ist das vielzitierte Naheverhältnis von Professoren und Studenten an Musikhochschulen. Dabei galt gerade diese lange Zeit als eine der Stärken des Ausbildungssystems. Anstatt in der Anonymität eines riesigen Hörsaals unterzugehen, bekommen Musikstudenten Einzelunterricht mit renommierten Meistern ihres Fachs. Dass Studenten dies über lange Zeit zu schätzen wussten, zeigt sich nicht zuletzt daran, dass kaum ein Musiker in seinem Lebenslauf schreibt, an welcher Universität er studiert hat, wohl aber bei welchen Professoren.

Für die Qualität der Ausbildung ist dieser Einzelunterricht von unschätzbarem Wert. Dass er aber auch Schattenseiten hat, ist nicht erst seit den neuesten Berichten bekannt, sondern ein hinlänglich bekanntes offenes Geheimnis. Schon seit Jahrzehnten, wenn nicht sogar Jahrhunderten, sind unschickliche Beziehungen zwischen Professoren und Studenten ein bekanntes Phänomen. Diese allerdings auf einseitigen Machtmissbrauch durch die Autoritätsperson zu reduzieren, stellt eine drastische Vereinfachung der Dynamiken dar, die seit der #Metoo-Debatte vor einigen Jahren zum Standard wurde.

Nicht nur, dass Machtgefälle sich gerade in der Sexualität ganz anders darstellen können, als in rein professionellen Beziehungen, die binäre Täter-Opfer-Unterteilung lässt außen vor, dass tatsächlich viele Studenten (beider Geschlechter) solche Beziehungen oft mehr wie bereitwillig eingehen und dabei manchmal sogar ein bewusstes Karrierekalkül mitschwingt. Besonders trendaffine Musiker springen da schon mal auf den Zug auf und widmen schnell ihr Diplomprüfungsprogramm zur Mahnwache gegen Machtmissbrauch um und werden dafür mit medialer Aufmerksamkeit belohnt.

Denn eines ist deutlich: In der Musikwelt wird mit harten Bandagen gekämpft. Wer Karriere machen möchte, benötigt im gegenwärtigen System, in dem ein Überangebot auf höchstem Niveau ausgebildeter Musiker auf eine schwindende Marktnische trifft, vor allem Vitamin B – persönliche Beziehungen – oder eine politische Botschaft. Idealerweise beides.

Politisierung als letzter Strohhalm eines Marktes am Existenzlimit

Gerade die Politisierung der Kunst ist für viele Künstler in der Klassikszene der letzte Strohhalm. Aufgrund des „klassischen“ Sujets, also der Interpretation oftmals jahrhundertealter Musik, befinden sich klassische Musiker ohnehin im Nachteil gegenüber ihren Kollegen der zeitgenössischen Kunst, die sich frei von irgendwelchen ästhetischen Zwängen rein der politischen Botschaft hingeben kann.

So bleibt vielen Musikern nur die Brechstange, mit der Beethoven, Schumann & Co. irgendwie relevant gemacht werden sollen für die an Klassik vollkommen desinteressierte Wokeria. In manchen Fällen, wie bei einem Schweizer Duo, geben die Künstler selbst zu, dass ihre politische Gesinnung es ihnen erschwert, klassische Musik noch zu genießen, da die Texte der Lieder dermaßen sexistisch und überholt seien, dass das Singen eigentlich keine Freude mehr mache.

Aber gut: Wenn man nach 20 Jahren Ausbildung zu dieser Schlussfolgerung kommt und sonst keine Talente aufzuweisen hat, ist es nachvollziehbar, dass man die Flucht nach vorne – sprich: ins Politische – sucht. So werden die klassischen Werke der Vergangenheit bereits seit geraumer Zeit umgedichtet und umgeschrieben, um zumindest kurzfristig Aufmerksamkeit zu generieren und wieder ein paar Monate über die Runden zu kommen.

Denn das täglich Brot als Musiker ist alles andere als rosig. Laut Künstlersozialkasse liegt das durchschnittliche Jahreseinkommen freischaffender Musiker bei circa 16.000 Euro. Wohlgemerkt bei einem Studiengang, der meist bereits ab der Kindheit jahrelanges Training voraussetzt und der auch im Studium Spitzenleistungen vergleichbar mit denen von Topsportlern abverlangen kann.

Musikhochschulen reagieren auf die Realität wie Denethor auf die Armeen Mordors

Nachdem Künstler und Kunstmarkt über Jahre hinweg die Vogel Strauß Politik des Kopfs im Sand betrieben haben, entpuppen sie sich nun zunehmend als wirtschaftliche schwarze Schwäne. Corona war der erste Kahlschlag in der Branche, der vielen Musikern am Existenzlimit den Garaus machte. Doch die große Erholung setzte nie ein. Krieg und Energiekrise sorgen dafür, dass die Gürtel eng geschnallt bleiben. Zunehmend erreichen diese Effekte nun auch Orchester, Ensembles und Hochschulen, wie zuletzt in Weimar, wo die Schließung des Instituts für Alte Musik beschlossen wurde.

Dass parallel dazu die Abteilung für musikwissenschaftliche Genderforschung erhalten blieb, zeigt nur, dass auf dem Weg aggressiver Politisierung noch immer Geld zu verdienen ist, zumindest aus der öffentlichen Hand. Für all jene, die entweder das falsche Geschlecht, die falsche Hautfarbe, oder gar die falsche Gesinnung haben, bleibt meist nur ein steiniger Weg der Findung einer eigenen Nische, oftmals Jahre nach der Ernüchterung nach bestandenem Abschluss, der einen nicht wirklich auf die beruflichen Realitäten vorbereitet hat.

In Weimar möchte man deshalb nun Studiengänge wie Kulturmanagement, aber auch wie Musiktherapie ausbauen, da es genau diese Schnittflächen sind, an denen Musiker heutzutage abseits vom Privatunterricht noch ein Auskommen finden können und in denen ihre Expertise zumindest teilweise von Relevanz ist.

Die Hochschule in Frankfurt ging einen ähnlichen Schritt und bietet Studenten ab dem kommenden Semester Schwerpunktsetzungen an, bei denen Studenten sich je nach beruflichem Interesse auf Kammermusik, historische Aufführungspraxis, Pädagogik oder Korrepetition spezialisieren können. Die Berufsbilder seien sehr viel diverser geworden, zitiert die FAZ den für die Umstrukturierung verantwortlichen Klavierprofessor, der bestätigt, dass viele Absolventen nach dem „Patchworkprinzip“ arbeiten. Patchworkprinzip ist dabei die neudeutsche Verniedlichung von „von der Hand in den Mund leben“, oder von „spiele Noten für Nahrung“. Denn feste Anstellungen sind selbst am klassischen Auffangbecken enttäuschter Karrieremusiker, der Musikschule, schon fast unmöglich geworden.

Das notwendige Hinterfragen des Hochschulwesens

Eine solche Initiative erscheint dabei ebenso löblich wie überfällig, doch ist auch dies nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Bereits seit vielen Jahren werden in europäischen Hochschulkreisen Programme wie „Educating for Entrepreneurship“ („Ausbilden für die Selbstständigkeit“) vorangetrieben und bieten entsprechend praxisorientiertere Studiengänge an, die vor allem im englischsprachigen und skandinavischen Raum weit verbreitet sind. Andere Teile Europas, darunter auch Deutschland, hängen in diesen Entwicklungen oft um Jahre, wenn nicht Jahrzehnte hinterher.

Doch selbst dieses „Ausbilden für die Selbstständigkeit“ stellt im Endeffekt nur eine verspätete Anpassung an die bereits existierenden Lebensrealitäten dar, lässt Musiker aber nicht wirklich in die Vorhand kommen. Denn dazu bräuchte es tatsächlich eine Öffnung des Hochschulraums zur Welt. Die vermeintlichen Spezialisierungen sollten nicht den Masterstudiengängen vorbehalten bleiben, sondern vielmehr von allen Studenten bereits in den ersten Jahren ihres Studiums durchlaufen werden.

Eine wirkliche Spezialisierung würde aber bedeuten, dass die Hochschulen Kompetenzen abtreten müssten. Bei der Vielzahl von Nischen, die das Resultat des auseinander brechenden Marktes sind, beruft man sich in Hochschulen oft darauf, dass man unmöglich alles abdecken könne. Damit wiederum rechtfertigt man, dass die Wahlfächer in Masterstudiengängen oft mehr in die Kategorie „gut gemeint“ fallen und sich bei genauerem Hinsehen als Notlösung basierend auf den Nebeninteressen des Lehrpersonals entpuppen, anstatt den Studenten wirkliche Entfaltungsmöglichkeiten zu bieten.

Die Zeiten der Hochschulen als Gipfel der Ausbildung, sowie als Garant für eine berufliche Zukunft, sind vorbei und müssen notgedrungen dazu führen, dass die Musikerausbildungen sich wieder vermehrt an älteren Modellen aus dem 18. Jahrhundert und davor orientieren, als der Beruf des Musikers eher als praxisnahes Handwerk, denn als akademisches Studium vermittelt wurde. Dazu müssten Hochschulen aber von ihrem akademischen Podest herabsteigen und Kooperationen mit externen Institutionen schließen, die es Studenten ermöglichen, ihre individuellen Kompetenzen bei wirklichen Fachleuten außerhalb der Hochschule zu erlernen und dies offiziell in ihr Studium mit einfließen lassen zu können.

Solch ein Modell aber würde das Hochschulwesen als Krone der pädagogischen Schöpfung hinterfragen, weshalb es wohl nie umgesetzt wird. Solange Musikhochschulen diesen Schritt nicht wagen, werden Initiativen zur Ausbildung für die Selbstständigkeit immer nur ein dünnes Feigenblatt bleiben, mit dem die Ohnmacht angesichts des sich so rasant verändernden Klassikmarktes kaschiert werden soll. Den Rest erledigt dann der unerbittliche Gang der Geschichte.

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32 Kommentare

  1. Musiker sind in erster Linie Handwerker, mit der Ausnahme von Komponisten. ALLE anderen spielen das nach was andere geschaffen haben. Das ist 100 % Handwerk, das geht auch ohne akademischen Hintergrund.
    Allerdings gibt es einen weiteren Grund für den allgemeinen Niedergang von Kultur. Es wird nicht mehr kritisch gefragt was den wirklich Kultur und was nur ein „Hurz“ ist.
    Gab es am Beginn des 20 Jahrhunderts noch handfesten Krawall im Konzerthaus, wie bei der Premiere von Strawisky, so wird heute jeder Furz im Konzert als große Kunst gewertet. Das gleiche gilt auch für die anderen Kulturgüter wie Literatur, Malerei, Bildhauerei. Früher mussten sich Künstler vor dem Publikum beweisen, heute gilt das Publikum als ungebildet wenn es fragwürdige Inszenierungen auspfeift.
    Ich wäre sehr dafür das die staatliche Förderung von Kultur ausschliesslich im Unterhalt der Gebäude und in der Ausbildung bezahlt werden würde. Dann bliebe dem Besucher so ein einiges erspart.

  2. Muss man wirklich die Musikhochschulen und die Klassik hinterfragen, wenn Deutschland wieder in eine Gesinnungsdiktatur abdriftet?

    Totale Unterwerfung der Medien und Kulturszene ist da immer inbegriffen, und die Künstler haben da meist nur die Option mitmachen oder weg vom Fenster. Natürlich gibt es dabei auch immer den Typ der vielmehr Mitmacher als Künstler ist und sich über die Gesinnung in die Szene einschleicht.

  3. Die vermeintlichen Spezialisierungen sollten nicht den Masterstudiengängen vorbehalten bleiben, sondern vielmehr von allen Studenten bereits in den ersten Jahren ihres Studiums durchlaufen werden.

    Die ersten Semester eines Bachelor-Studiums dienen doch dazu, die Grundlagen des studierten Faches zu erlernen. Eine zu frühe Spezialisierung geht auf Kosten einer soliden Grundlagenausbildung und ist daher m.E. abzulehnen. Spezialisierung frühestens erst ab Semester 5 und dann hauptsächlich im Masterstudium. Nur mit einer breiten Grundlagenausbildung ist man gut aufgestellt und kann sich im Berufsleben innerhalb und ausserhalb der Hochschule spezialisieren. Ob man für eine Freiberuflichkeit geeignet ist oder nicht, ist eher typgebunden und weniger von Vorlesungen und Seminaren die man besucht.

  4. Ein komplexer Text aus der Feder eines Musizierenden, bei dem schlichte Gemüter wie der der Verfasser dieser Zeilen kaum mehr den Wald vor den vielen Bäumen sieht.
    Daher nur zwei rudimentäre Anmerkungen:
    Erstens: Vom ehemaligen Bundesinnenminister Otto Schily stammt die Erkenntnis: „Wer Musikschulen schließt, schadet der Inneren Sicherheit“.
    Zweitens: Wie konnten vergangene Gesellschaften, sprich vor 1945 und insbesondere ab dem 17.Jahrhundert mit nur einem Bruchteils des heutigen Bruttosozialproduktes eine „Musikindustrie“ von weltumspannender Bedeutung aufbauen, während spätestens seit den 1970er Jahren allein „Rückbau“ herrscht?
    Liegt womöglich die Antwort zumindest teilweise in Frank-Lothar Krolls Diktum: »Seit 1918 ist ohnehin alles egal«?

  5. Eine „Verfassungsrechtlerin Frauke Brosius-Gersdorf“ geiferte wohl bei diesem dauerätzenden Herrn ZDF-Lanz vor ein paar Tagen davon, dass AfD-Anhänger „beseitigt“ (sic!) werden müssten.
    Nochmal zum Mitlesen: be-sei-tigt.
    Diese Frau schimpft sich auch noch „Universitätsprofessorin“. Kein Witz.
    Da dreht sich einem doch wohl der Magen um!
    Wäre das nicht auch etwas für Sie, werter Herr Boos — da mal hinter die Uni-Fassaden zu schauen, was uns Bürgern da von solchen geistig-moralisch vollverkommenen Brosius-Gersdorfs der Republik an Juristenkonsorten herangezüchtet wird?

  6. Die schlichte Empfehlung von Kartoffelsuppe, Zwiebelkuchen und Blockflöte zu Weihnachten kommt in den Sinn.
    Zum Trost höre ich mir jetzt ein Konzert von Mendelsohn, gespielt von Itzhak Perlman an.

  7. Der soziale Aspekt ist vielerorts verschwunden. Leistungssport interessiert deshalb, weil er auf ein breites Fundament an Gelegenheitsbewegern, Ferienaktivisten, Sozialisierern auf Vereinsebene und Freizeitligisten aufbaut. Ebenso war es lange bei der Musik. Chöre, Orchester ect erholen sich aber nur langsam von Coronamaßnahmen.

    Übrigens müssen auch Populärmusiker was können. Ob Wacken oder Lollapalooza: alle die Musiker haben jahrelang unbeachtet geprobt und tun es heute weiter.

  8. Was mit der klassischen Musik verloren geht, ist nicht nur klassisches geklimmpere und geklopfe,
    sondern die Botschaft und der Geist einer Epoche der Auflärung und menschlichen Emanzipation.
    Denn die klassische Musik vermittelte immer auch eine Botschaft,
    die Botschaft von Aufklärung, Humanismus und Emanzipation ihrer Zeit 1750-1850.
    was die heutige Rock, Pop, ua. Musik nicht tut, höchstens mal ausnahmsweise.
    Die heutige Musik ist egoistischer Spaß und Rabatz.
    Die Zeit der klassischen Musik, hauptsächlich 1750-1850, war die Zeit der Aufklärung, Humanismus und Emanzipation, der französischen Revolution und der Ausbildung der heutigen Nationen und Nationalstaaten in Europa.
    Die klassische Musik war der Abschied vom Absolutistischen Mittelalter.
    Die klassische Musik trägt diese Botschaft in sich, auch die Wurzeln von Volksweisen und Volksmusik.
    Das alles ist heutzutage gleichermaßen als anrüchig verpönnt in den Köpfen ungebildeter Menschen.
    Als Gegenstück zur europäischen Botschaft von Aufklärung und Emanzipation, will man uns heute eher den Geist rückständiger Kulturen als „Fortschritt“ aufdrängen.

  9. „Anstatt in der Anonymität eines riesigen Hörsaals unterzugehen, bekommen Musikstudenten Einzelunterricht mit renommierten Meistern ihres Fachs.“
    Das war schon immer so.
    Alle Virtuosen ihres Instruments haben dies letztendlich im Privatunterricht perfektioniert. Beethoven wollte gerne bei Mozart Privatunterricht nehmen. Ob es dazu kam ist nicht überliefert.
    Das Musikstudium war nur die Grundlage dazu.
    Die Ausnahme galt nur für die absoluten Genies der Musik, wie Mozart, Bethoven und noch einige, denn sozusagen die musikalische Begabung schon in die Wiege gelegt war.
    Die klassische Musik 1750-1850 war ein musikalischer und kultureller Fortshritt durh Perfektion der Traditionen des Barockzeitalters, nur in Europa, mit den Titanen der klassischen Musik, Mozart, Bethoven, Hayden, zu denen sich weitere hinzugesellten.
    Die heutige Klopp- und Hopsmusik ist ein Rückschritt in die archaischen Kulturen, kulturell unterentwickelter Gesellschaften von ausserhalb Europas,
    die damit ihrem angeknacktes Ego schmeicheln wollen,
    in denen vorwiegend primitive Musikinstrumente der Klopf- und Zupffart vorherrschen.
    Mann kann auch tasächlich Töne mit einer Baumsäge und einem hohlen Baumstamm erzeugen. Ja sogar mit einer Kettensäge 😉

  10. Von mir aus kann die ganze elitäre, linksgrüne Klassik-Szene den Bach runtergehen. Alle bedeutenden Werke sind sowieso in zahllosen Versionen auf Tonträgern verewigt. In diesem Bereich der Musik ist alles gesagt, was es zu sagen gab.

    Für Musikstudenten, die den Zumutungen der akademischen Professionalisierung ihres Hobbies nicht gewachsen sind, gibt es mehr als genug berufliche Alternativen auf dem Fachkräftemarkt.

  11. Wenn ich „alter weißer Mann“ in meiner Jugend, an meinem Arbeitsplatz in einer großen deutschen Firma, ohne Krawatte, unrasiert, oder in Jogging Hosen erschienen wäre, hätte der Chef zu mir gesagt:
    Sie gehen jetzt nach Hause und wenn sie ordnungsgemäß hergestellt sind, dann kommen sie wieder.
    Das ist kein Spaß, sondern war Realität, denn es drückt den Respekt gegenüber seinen Mitmenschen aus, Sprache, Kleidung, Benehmen, Haltung, usw.
    Das alles hat der 68′ Nihilismus abgeschaft und wurde heutzutage zum Leitbild einer niedergehenden Gesellschaft.

  12. „Die harte Realität einer Welt, in der die klassische Musik eine immer geringere Bedeutung spielt, erreicht – nachdem Absolventen schon vor Jahren mit ihr konfrontiert wurden – nun auch die deutschen Hochschulen.“
    Ich würde es als geistig verirrte Realität bezeichen, in der die Unbildung zur Deutungshoheit erhoben wurde. „Masse“ hat über „Klasse“ gesiegt.
    Lautes schreien, Gewalt der eigenen Meinung(Straßenkleber), wurde zum Argument des sozialen Diskurses erhoben.
    Klassische Musik = Perfektion
    Es betrifft leider nicht nur die Musik, sondern Bildung im Allgmeinen. Da wo früher Latein und Griechisch Pflichtfächer waren, sind heute die Lehrer schon froh wenn ihre Schüler fließend Deutsch lesen können, wenn sie die Schule verlassen.
    Und um Gottes Willen, man darf doch diese lieben Kindlein nicht mit schlechten Noten traumatisieren. Deswegen am besten, Noten abschaffen.
    Dass damit das Schulsystem die Werte vo Leistung, Streben und Konkurenz beerdigt, ist dem deutschen Bildungssystem egal.
    Die Ignoranz der klassischen Musik, ist genau jenes Hauptsympthom welches die jetzige Epoche des kulturellen, politischen und gesellschaftlichen Niedergangs beschreibt, (der wirtschaftliche Niedergang folgt zwangsweise auf dem Fuße)
    es ist der Sieg des 68′ Nihilismus.
    Es ist der Ersatz von Perfektion, durch wichtigtuerisches Nichtskönnen.
    Ein bisschen Fake-Schule und schon ist man Expert*in im „Völkerrecht“.
    Auch ein abgebrochenes Studium ist da schon ein Markenzeichen von „Qualität“.
    Vielleicht sollte ich noch erwähnen, dass ich ein Freund der klassischen Musik bin, denn für mich ist nur die klassische Musik, Musik. Bei mir stappeln sich die CD mit klassischer Musik. Mit dem archaischen Gekloppe und Gehopse dassich Ragae, Pop, Rock, ua. nennt.

  13. Freue mich schon darauf, wenn die erste Transdame den Speer über 90 m wirft, während die anderen Frauen mit Mühe über 70 m kommen. Wie will man das eigentlich in Zukunft verhindern, bei dieser „Diversen“-Propaganda. Das alles erscheint mir wie Sodom und Ghomorra. Bei der Verhohnepiepelung des Abendmahls wurde mir plötzlich klar, worum es im Konflikt mit Russland auch gehen könnte. Schwer vorstellbar, dass Putin, Xi Jinping oder Lukaschenko solche Zustände in ihren Ländern haben wollen.

    • Es soll angeblich Hormonüberprüfungen geben und die Beurteilung physischer Merkmale ob so ein Phantasie-Wesen, Frau oder Mann ist.
      Also gilt doch nicht Frau = Mann. Da wo es gilt anzupacken muss dann doch immer der Mann her. Da gibt es dann auch den Mann, nur beim Wichtigtun da gilt dann „Weiber vor“.
      Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht.
      Früher reichte dazu ein Blick von unten zwischen die großen Zehen um es zu wissen.

    • Das Konzept der Zersetzung, mit dem zentralen Schritt der Demoralising der Gesellschaft und der Gehirne der Menschen, war aber damals schon offizielle KGB Methode (siehe Yuri Bezmenov auf YouTube), bloß mit dem Unterschied, dass der KGB feindliche Gesellschaften zersetzen wollten, „Unsere Demokratie“ – Agenten aber ihre eigene.

  14. Sehr traurig! Dasselbe kann man über Latein/Altgriechisch sagen. Was den Menschen zum Menschen macht, geht verloren.

  15. Ganz so doll ist es nicht. Die sog. ernste Musik ab Bach bis Mitte 20. Jahrhundert hat soviel innere Substanz, dass sie nie verschwinden wird. Wer statt aktuellem knarrend-schreiendem Sprechgesang die Kantaten von Bach genießen kann, dem kann nichts mehr „on top“ gelegt werden. So viel an Melodie-gewordenen tiefen Gedanken und so viel Kunstfertigkeit in der Polyphonie ist nie wieder erreicht worden. In manchem kurzen Stück von Bach stecken mehr musikalische Substanz und Erbaulichkeit als im ganzen Lebensschaffen vieler heutiger Eventkünstler. Für Schwanengesänge auf alte Musik ist nicht die Zeit.
    Klar ist, dass die Wegzapp-Mentalität heute kaum jemanden einen Satz zuende reden lässt und dass Sprachnachrichten mit Musik unterlegt werden müssen, um die Leute auch nur ein paar Minuten zu binden. Die Karikatur ist treffend, die einem Streichtrio auf youtube eine niedliche Katze unten ins Bild stellt, um mehr Zuhörer und -schauer anzulocken. Per Saldo ist man zu einer Kontemplation gar nicht mehr in der Lage. Eine pianissimo-Stelle in der Musik wird als Ausfall wahrgenommen. Und daran dürfte sich angesichts der Verdichtung unseres ständig piependen und blinkenden Umfeldes künftig nichts ändern.
    Für die Berufsmusici in spe ist die Feldverengung klar. Da wird Schrumpfung stattfinden und das älteste Prinzip des – bisher wohl vorwiegend weiblichen – Aufstieges zu den wenigen Positionen oberhalb des eigenen Vermögens wird unberührt bleiben, sofern dieses Wort nicht schon eine Kontradiktion zum Verfahren darstellt …

    • Bei ihnen ist der Wunsch, Vater des Kommentars.

    • Also mir stellen sich eher die Nackenhaare auf, wenn ich ein Cembalo Bach klimpern höre. Es klingt, als ob man ein Stöckchen über die Speichen einer rotierenden Fahrradfelge rattern lässt.

  16. Daß die klassische Musik in der Krise steckt, hat auch damit zu tun, daß ihre Interpreten immer schlechter und beliebiger werden. Nehmen wir mal die Pianisten, mein Spezialgebiet. Früher gab es großartige Spieler, u.a. Rubinstein, Richter, Backhaus, Gulda, die auch große Beethovenspieler waren. Heute sieht das ganz anders aus. Natürlich gibt es noch großartige Interpreten wie Pollini, Buchbinder und Perahia, aber die sind schon ziemlich alt. Pollini ist schon über 80, die anderen beiden weit über 70. Wenn man deren Beethovenspiel mit dem vom wesentlich jüngeren, technisch ungemein versierten Igor Levit vergleicht, hört man den Unterschied. Levit spielt die Beethoven-Sonaten eher wie Liszt-Etüden, ohne besonderen Tiefgang und Ausdruck, irgendwie beliebig und belanglos. Die Alten bieten da wesentlich mehr, nicht nur Technik, sondern auch Musik. So wie Levit spielen leider die meisten jüngeren Pianisten, sofern sie Beethoven überhaupt spielen. Und nicht nur die. Auch die Generation der 50er-Jahrgänge (Zimerman, Oppitz, Korstick) spielt ähnlich. Die Folge ist, daß immer weniger Beethovenliebhaber die Konzerte besuchen, weil sie nur Einheitskost vorgesetzt bekommen.

    • „Daß die klassische Musik in der Krise steckt, hat auch damit zu tun, daß ihre Interpreten immer schlechter und beliebiger werden.“
      Eindeutig falsch !!!

      • Sind Sie ein Fan von Levit? Ihr gutes Recht. Ich bin es jedenfalls nicht.

  17. Ich muss Ihnen leider an manchen Stellen widersprechen, verehrter Herr Boos:
    Dass die Sprüche des Professors auch mal härter ausfallen und „man angefasst wird“ (Sprich: der Prof. richtet die Finger am Griffbrett oder auf der Tastatur, anstatt minutenlang zu erklären) – geschenkt. Aber der tatsächlich stattfindende sexuelle Machtmissbrauch durch wildgewordene Stars der Szene, die die 1:1-Situation in der „Stunde“ skrupellos ausnutzen, ist ein Faktum. Die Anonymität des Whistleblowers zu kritisieren, der oder die ihre Karriere bei Bekanntwerden des Klarnamens in die Tonne treten könnte, ist Ihrer unwürdig. „Man erträgt es“, und träumt davon ihm später dann die Zähne auszuschlagen.

    Des weiteren sehe ich das größte Problem aller Universitäten und speziell der Musikhochschulen in einer wahrhaften Studentenschwemme, die zwar weiterhin Exzellenz hervorbringt, die es ins Orchester oder sogar aufs Solistenpodium schafft, während ein erklecklicher Rest aber schlicht und ergreifend in die schwer vermittelbare Arbeitslosigkeit entlassen wird. Es gab und gibt immer noch Professoren, die ihre Studenten auf den knallharten Wettbewerb vorbereiten, der sie ab dem 3. Studienjahr erwartet. Da beginnen die Probespiele. Aber vor allem die Professoren exotischer Fächer (Traversflöte, Jazzgesang, Barockposaune, Marimbaphon usw.) singen ihren Studenten das Hohelied der grenzenlosen Kleinkunstbühnen, die händeringend auf exzentrischen Nachwuchs, der vollkommen ungeeignet für die strengen Stukturen professioneller Orchester ist, warten.
    Es braucht also keine Rückkehr ins 18. Jhd. Es reicht die Rückkehr zur Ehrlichkeit.
    Handfestes Beispiel: ein mir bekannter Posaunenprofessor ermuntert alle Studenten seiner Klasse ein „echtes“ Studium parallel zur Konzertfachausbildung zu absolvieren, um für den Fall der Fälle vorbereitet zu sein. Beliebt waren BWL und Jus.

    Auch die Genderlehrstühle der Musikhochschulen werden sich totlaufen. Bei 140 Orchestern in Deutschland ist nach spätestens 140 Beauftragten Schluss mit lustig.

  18. Herr Boos, das ist alles kein Problem. Wie in den USA wird das halt dann privatisiert & die Studenten müssen Sponsoren finden, die das Studium finanzieren. Denn keine Bank wird jemanden, der Klavier & Violine am Konservatorium studiert, einen Studenten-Kredit geben. Die Suche nach Sponsoren, kann, wie das in der Politik, der Film-Branche (auch beim ÖRR) der Fall ist, durchaus zu sexuell finanziellen Abhängigkeiten führen. Schon im antiken Hellas war das Verhältnis zwischen Lehrer & Schüler nicht immer platonisch. Jetzt können wir das alles Scheiße finden. Aber verantwortlich dafür ist der Wähler, der Parteien zur Macht verhilft, die an echter Kultur sparen & dafür irre Summen für DEI-gesteuerte Kulturvernichtung ausgeben. Das ist ganz klar ein bolschewistisches Herrschaftsprinzip, welches der Wähler hier favorisiert.

  19. Die Musik war schon vor 300 Jahren eine brotlose Kunst. Sogar für W.A. Mozart war es nicht einfach, er musste um Auträge kämpfen. Heute herrscht ein Über-Angebot: zu viele Musiker, zu viele Lehrer, zu viele Hochschulen. Alles zu viel. Dazu kommt noch die Wirtschaftskrise. Die klassische Musik ist „fertig geschrieben“. Die Herren Bach, Haydn, Mozart, Beethoven, etc. haben perfekte Arbeit geleistet.

  20. Wo ist das Problem? Musikstudenten wollen ihr Hobby am Markt vorbei zum Beruf machen und stellen entsetzt fest, dass der Markt sie nur als Taxifahrer oder Kellnerin braucht, weil niemand mehr das Forellenquintett oder Beethovens Dritte hören will. Das ist wie bei Krawattenherstellern und Schmieden, die sich auf Ritterrüstungen und Hellebarden spezialisiert haben; der Markt ist klein geworden.

    Siemens baut keine Dampflokomotiven und die Papenburger Werft keine Dreimaster. Einfach mal Taylor Swift fragen, wie man mit Musik Geld verdienen kann.

  21. Kann doch alles weg. Der Islam kennt keine klassische Musik. Der Islam ist die Zukunft. Dumpfes Mittelalter.

    • …bis auf den Umstand, daß unser Mittelalter nicht dumpf war.

  22. Es gibt halt keine Nachfrage mehr. Das ist ähnlich bei Maßschneiderei zu beobachten. Wenn alle in Jogginghosen zur Arbeit erscheinen, geht Bekleidungskultur verloren. Weg macht denn heute noch Hausmusik, wie viele Kinder lernen ein Instrument?

    Dazu kommt, dass die junge Generation die Disziplin, und, sagen wir es offen: die Leidensfähigkeit für Exzellenz in diesen Bereichen nicht mehr mitbringt.

    Die Reste gehen nach Asien! Da ist die Disziplin noch vorhanden.

    • Bin alleinerziehend, weise das zurück.

      Sport und Musik sind übrigens die verbliebenen Bereiche, in denen Kinder Durchhaltevermögen, Disziplin und Selbstkritik lernen. „Hat sich so lieb beteiligt“ reicht nicht aus.

      Mir scheint eher, manche Eltern haben die Leidensfähigkeit nicht. Der Unterricht muß bezahlt, das Kind zum Üben angehalten werden – beim Sport wird halt auch gerade dann trainiert, wenn die Eltern nicht im Regen am Spielfeldrand warten mögen.

  23. „Dass deren, im Vergleich zur ausgeführten Musik, disproportionale Inszenierung bereits ein Zeichen des Niedergangs war – geschenkt.“

    Solche Sätze sind auch ein Zeichen des Niedergangs.

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