Norbert Bolz hat der Autorin Cora Stephan ein treffendes Kompliment gemacht. Sie habe, so der emeritierte Medienwissenschaftler und Twitter-Aphoristiker, „das zentrale Problem unserer politischen Kultur thematisiert: den Krieg der Hysteriker gegen das Normale.“
Wie kann das sein, dass man das Normale loben, ja, es sogar verteidigen muss? Ist das Normale nicht per se das, was in Gesellschaften als den jeweils vorherrschenden Normen entsprechend, also so etwas wie der Mainstream ist? Und muss man daher nicht eher stets das Nicht-Normale verteidigen, das immer in der Minderheit und dadurch gefährdet ist?
Haus, Auto? Schämen Sie sich!
Natürlich, in normalen Zeiten muss Normalität nicht besonders gelobt und verteidigt werden. Die „Normalos“, wie Stephan sie nennt, erwarten wohl auch gar nicht, dass man sie für ihr Normalsein lobt. Aber wir leben eben in Zeiten, in denen normal zu sein nicht den vorgegebenen Normen entspricht.
Also was ist normal? Cora Stephan definiert: „Normal ist, was Gewohnheit begründet, etwas, das man nicht erklären muss. Auf das man sich verlassen kann. Normal ist das, was funktioniert., weil es sich im Laufe der Zeit bewährt hat. Das Wiederkehrende, das Alltägliche, Ordnung und Sicherheit. Beruhigende Gewohnheit. Routine, die nicht zum ständigen Nachdenken nötigt. Normal ist alles, was Orientierung schafft. Was uns dazu befähigt, es miteinander auszuhalten, weil wir einen gewissen Konsens erwarten können. … Es ist das, was ein ganzes Leben hält.“
Jene von Bolz genannten „Hysteriker“, die der Normalität den Krieg erklärt haben, sehen sie stattdessen gemäß der abstrakten Theorie des Konstruktivismus als einen aus Machtinteressen konstruierten und installierten Unterdrückungsapparat. Eine der zentralen Theorien für diese Normalitätsfeindschaft ist Johan Galtungs These der „strukturellen Gewalt“: Demnach steckt in den Strukturen der Gesellschaft eine unterdrückerische Gewalt – etwa ungleiche Besitzverhältnisse oder die vermeintliche Behinderung der Emanzipation von Minderheiten – und diese rechtfertige den Einsatz von „Gegengewalt“ zur Zerstörung der Strukturen und zur Befreiung der Menschen.
Von jenen selbsterklärten Befreiern, die mit Eifer und erstaunlichem Machtinstinkt die rasche Abwicklung des Bewährten zu Gunsten des Erträumten betreiben, und den dies meist passivgleichmütig hinnehmenden Normalos, handelt der Rest des Buches in den Kapiteln „Krieg der Geschlechter“, „Heimat“ (eigentlich geht es da vor allem um verlorene Heimaten), „Das Eigene und das Fremde“ und „Diktatur der Moral“. Stephans Buch ist in weiten Teilen eine Erklärung dafür, wie das Normale im Westen und besonders in Deutschland zu einer verteidigungsbedürftigen Lebensform wurde – und es dennoch vermutlich noch von einer Mehrheit der Bürger gelebt wird.
Nach der Lektüre dieses fesselnden und festigenden Buches kann man den Schluss ziehen: In diesem „Krieg der Hysteriker gegen das Normale“, den Norbert Bolz ausgemacht hat, geht es weniger um den Gewinn einer neuen, besseren, gerechteren Welt, sondern, wie Cora Stephan zeigt, vor allem um die Zerstörung dessen, was bewährt ist, was funktioniert, was von Menschen gelebt werden kann, die so sind, wie sie nun einmal sind (und nicht so, wie die Hysteriker sie sich wünschen).
In der gegenwärtigen Krise übrigens kann sich Stephan besonders bestätigt sehen. Wie sie im Prolog schreibt: „Sie werden gern übersehen, das Normale ist nicht schlagzeilenträchtig, nur in Krisenzeiten sieht man, dass es ohne sie nicht geht: ohne Handwerker und Bauern, Polizisten und Feuerwehrleute, Postboten und LKW-Fahrer, Verkäufer, Apotheker, Reinigungskräfte, Pfleger – die Liste ist unvollständig, sie wäre zu lang. Verzichtbar ist eher der Meinungshabende, der Intellektuelle, die Plaudertaschen in den Medien oder gar die Influencer im Netz. Oder all jene, die eine mehr und mehr ausufernde Bürokratie bedienen, die vielen in den weit nützlicheren oder gar lebenswichtigen Berufen das Leben schwermachen, etwa den Hausärzten und Apothekern.“
Ein bißchen Demut der „Meinungshabenden“, zu denen Stephan ebenso wie der Rezensent gehören, vor denen, die den Laden in seinen Grundfunktionen am Laufen halten – auch das gehört zur Verteidigung der Normalität.
Cora Stephan, Lob des Normalen. Vom Glück des Bewährten. Edition Tichys Einblick im FBV, 240 Seiten, 16,99 €.
Spätestens seit der Lektüre dieses äußerst lesenswerten Buches – man legt es ungern zur Seite – sollte man sich stolz zur eigenen Normalität bekennen, wenn Corona das noch möglich macht.
“ … nur in Krisenzeiten sieht man, dass es ohne sie nicht geht: ohne Handwerker und Bauern, Polizisten und Feuerwehrleute, Postboten und LKW-Fahrer, Verkäufer, Apotheker, Reinigungskräfte, Pfleger ….“
Schon richtig, aber genau darin liegt auch das Problem: Würden sich all diese Normalen dazu aufraffen, sich mal – sagen wir: drei Wochen – krankschreiben zu lassen, hätte dieser ganze Spuk ganz schnell ein Ende.
So aber halten sie nicht nur den Gesellschafts-Laden am laufen, sondern ermöglichen genau dadurch auch den politischen Bruchbuden ihr unseliges Treiben.
Insofern eine zweischneidige Sache. Und mit irgendwelchen Appellen wird man bei diesen hartgesottenen Ideologen um Merkel & Co nicht weit kommen.
Ich fürchte, das ist Wunschdenken. Die allermeisten Normalen werden das tun, was ihre Vorfahren schon unter den Nazis und in der DDR getan hatten: Klappe halten, mitlaufen, gelegentlich denunzieren und bei Bedarf in den politischen Phrasenbausteinkasten greifen.
Sie tun es ja jetzt schon.
Ich habe mir das Buch noch schnell bestellt, denn wenn Baerbok Kanzler:in wird und den Umbau der Gesellschaft einläutet, werden solche Bücher vielleicht nicht mehr gedruckt. Dann haben wir eine andere Normalität: häufigere Stromausfälle, E-Autos, die in der Kälte streiken, Kinder, die in der Schule so bearbeitet werden, dass sie die Mülltrennung ihrer Eltern kontrollieren, das Fleich vom Speisezettel streichen und dergleichen mehr. Außerdem wird das Fach Deutsch um eine Lehrstunde erweitert: nämlich die korrekte Aussprache von Kolleg:innen, Ministerpräsident:innen, Speichellecker:innen. Bin gespannt, wie sich die Englisch- und Französischlehrer da anpassen.
um diese Roboter zu betreiben, braucht man Höchstqualifizierte, die sich mit Hardware und Software auskennen.
Die kommen weder aus unseren Bildungssystemen noch paddeln sie über irgendwelche Gewässer zu uns …
Der Betrieb erfordert keine Kenntnisse, das ist ja der Sinn von dieser Technologie. Der erweiterte Sinn ist die Herstellung von Abhängigkeit. Wir sind heute schon in Bereichen der kritischen Infrastruktur von anderen Ländern und Firmen abhängig. Wenn hier die Industrie sukzessive verschwindet, geht uns auch die entsprechende Technologie verloren. Das nächste deutsche Kernkraftwerk nach dem Großen Blackout werden wohl die Chinesen bauen, während wir deren Arbeitern die Pizza mit dem Fahrrad liefern.
wenn ich Kinder hätte, müsste ich um derenwillen auswandern …
Es gibt in diesem Land eine Partei deren Wahlslogan lautet“Deutschland aber normal“! So falsch kann der ja wohl nicht sein. Besser gesagt, treffender geht es nicht.
Pflegeroboter könnten eine enorme Entlastung für das Pflegepersonal sein. Es ist das Pflegepersonal selbst, das gegen Roboter ist.
LKW Fahrer muss man nicht austauschen, das sind Billigstkräfte aus osteuropäischen Ländern und wenn die zu teuer werden: Albanien, Montenegro etc. klopfen schon an die EU Türe.
Apotheker sind auch nur Verkäufer und bieten immer das teuerste Produkt an. Meine negativen Erfahrungen mit hiesigen Apothekern ließ mich zur Internet Apotheke wechseln.
»Die Normalen halten den Laden am Laufen«
und oft stelle ich mir vor, sie würden nur in einen klitzekleinen Streik gehen. Im Rahmen der persönlichen Möglichkeiten z.B. Arbeitszeit reduzieren ist netto nicht wirklich viel weniger Gehalt. Veranstaltungen und alles mögliche im Lande boykottieren, den Konsum zurückfahren … hatte ich nach 2015 gehofft. Selbst nach den Übergriffen auf Frauen in Konzerten, Großveranstaltungen, rannten gerade die jungen Frauen genau auf diese Veranstaltungen.
Tja, sie hätten die Macht nur leider nutzen sie diese nicht.
Frueher konnte ich mir das Abdriften der Gesellschaft auch nicht erklaeren. Ich wunderte mich, dass Selbstverstaendlichkeiten wie zB die Abschiebung von wiederholten Straftaetern, von den meinungsbildenden Medien, durchweg kritisiert wurden. Zu der Zeit dachte ich immer, dass es halt nur eine kleine Menge extrem denkender Menschen ist, die halt einfach lauter schreien und daher mehr Gehoer bekommen, aber der Rest der Menschen ja normal denkt.
Auch an der Uni in Frankfurt habe ich mich gewundert, wie es sein kann, dass die Studentenvertretung trotz mehrheitlich normal denkender Studenten eigentlich eine Sammlung Linksextremer war und wie es sein kann, dass diese Gruppe von den ganzen Studiengebuehren finanziert wird.
Mit der Zeit viel mir aber auch auf, dass immer mehr Leute in meinem Umfeld ihre Meinung langsam immer mehr den Meinungsbildenden Medien anpassten, schliesslich muss es ja richtig sein, wenn 90% der Medien, plus Meinungsbeinflussende Persoenlichkeiten, wie Schauspieler und Musiker, etc. alle das gleiche sagen. Mitlerweile hatte ich das Gefuehl, dass man mit rationalem Denken schon am rechte Rand kratzte.
Erleuchtung kam erst als ich mich mit dem Kultur Marxismus und kommunistischer Subversion, also der Unterwanderung von Gesellschaften, befasst habe. Dort wird eigentlich alles genau Erklaert warum die Medien und Politik sich nur noch mit Unsinn befassen und rationales logisches Denken ein relikt aus der Antike zu sein scheint. Erschreckend war eigentlich nur, wie weit man schon mit der Unterwanderung gekommen ist und wie Einflussreich die entsprechenden Gruppen sind. Allerdings musste ich auch wieder an die ASTA der Uni Frankfurt denken, wo man sehen kann, dass eine kleine extreme Gruppe, das Desinteresse der Mehrheit ausnutzt und die finanziell und politisch entscheidenden Stellen besetzt um das Geschehen zu diktieren.
Zitat:
…wenn 90% der Medien, plus Meinungsbeinflussende Persoenlichkeiten, wie Schauspieler und Musiker, etc. alle das gleiche sagen…
Also von diesen Persönlichkeiten habe ich mich noch nie beeinflussen lassen.
Was mich aber tatsächlich beeindruckte waren die letzten Verbalattacken gegen alles vermeintlich Rechte (Grölemeier etc.)
Und warum die aber so agieren ist schnell erklärt, denn sie wissen schlicht nicht, wie ihr GESAMTES Publikum tickt.
Da kann man ja nichts falsch machen, wenn man sich für das „Gute“ einsetzt, oder?
Was dabei aber nervt ist, dass die sich ständig völlig ungefragt äussern, wo man doch nur deren Film sehen, oder Musik hören möchte…
Naja, bei mir hat das nur dazu geführt, dass ich umschalte, wenn ich so manchen Protagonisten sehe, oder höre.
Aber wie gesagt: die wissen eben nicht, wie ihr gesamtes Publikum tickt 😉
„Normal“ grenzt die Anormalen aus!
Buhuu, Schluchz, Kreisch, Heul!
Und das ist nur noch ein Schritt zur Selektion an der Rampe!
Buhuu, Schluchz, Kreisch, Heul!
Nein, das Entsetzliche ist, dass unsere Kultur des Fortschritts PERVERTIERT ist. Wer hätte das je erwartet, dass die Gefahr nun von den Guten kommt. ich nicht.
Ich würde es ja nicht wagen den Begriff PERVERTIERT zu benutzen, wenn nicht gerade mehrere Alt-Linksgrüne (Eva Quistorp, Walter Otte, Boris Palmer) genau das gesagt hätten.
Nun, wir „Normalos“ sollten die Corona-, Klima-, Gender- und Sonstwas-Hysteriker endlich auch so bezeichnen. Alternativ können wir auch auf ihre „Sucht“ hinweisen. Also: Coronalkis (Coron-Alkis), Klimalkis usw.
Mein Großvater hat immer gesagt: „Passt auf, dass die Dummen nicht aussterben, sonst geht keiner mehr Arbeiten!“
…der Klügere gibt solange nach, bis er der Dumme ist…