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Der Tod des Exzentrikers

09.01.2019

| Lesedauer: 7 Minuten
Exzentriker gedeihen in ungleichen Gesellschaften, die Ungleichheit als normal oder sogar als wünschenswerten Zustand empfinden. Wo Gleichheit als höchstes gesellschaftliches Gut gilt, haben Exzentriker keinen Platz. Mit der heute so endemischen egoistischen Sucht auffallen zu wollen, sollte Exzentrizität unter keinen Umständen verwechselt werden.

Der von Nietzsche zutiefst verachtete Philosoph und Ökonom John Stuart Mill schrieb einst, dass es überall dort Exzentriker gebe, wo starke Charaktere beheimatet seien. Daher ist es wahrscheinlich nicht überraschend, dass sich heute Exzentrizität in dramatischem Niedergang befindet, insbesondere in einem ihrer früheren Hochburgen, dem Vereinigten Königreich. Das moderne Leben ist weder für starke Charaktere noch für Exzentriker besonders förderlich.

Der wahre Exzentriker sucht nicht die Öffentlichkeit, folgt nicht dem eitlen Wunsch, um jeden Preis bemerkt zu werden, um so aus der großen Menschenherde hervorzustechen. Der wahre Exzentriker benimmt sich in einer Art, die zwar als bizarr erscheinen mag, aber er tut es nicht deshalb, weil er den Drang verspürt, anders zu sein, sondern weil er tatsächlich anders ist. Er verhält sich so, weil dies für ihn die natürliche Verhaltensweise ist. Wenn die Welt das für sonderbar hält, so ist das ein Problem der Welt. Die Welt ist aus dem Takt, nicht er.

Wenn es stimmt, dass Exzentriker unter den starken Charakteren zu finden sind, so lohnt es sich zu fragen, welche sozialen und anderen Bedingungen für die Entstehung von starken Charakteren förderlich sind. Im Falle von Großbritannien stammt ein großer Teil der bemerkenswertesten Exzentriker aus der Aristokratie – und ebenso trifft es zu, dass ein großer Teil der Aristokraten exzentrisch war. Und da die Aristokratie eine so machtvolle kulturelle Anziehungskraft auf die ganze Gesellschaft ausgeübt hat (sie tut es heute nicht mehr, ganz im Gegenteil), gediehen dort starke Charaktere und Exzentriker gleichermaßen. Die Exzentrizität sickerte von der geistigen wie auch der erblichen Aristokratie von oben nach unten durch.

Wer zur Aristokratie gehörte, war in Großbritannien über eine lange Zeit von einer merkwürdigen Mischung aus ererbten Privilegien und Aufstieg durch Leistung bestimmt. Die meisten aristokratischen Titel waren nicht uralt, sie waren vielmehr Anerkennung für die Leistungen eines Vorfahren in einer nicht allzu fernen Vergangenheit. Manche Adelstitel entstammten dem Umstand, dass monarchische Eltern illegitime Kinder zeugten, andere waren tatsächlich Belohnungen für wahre, herausragende Fähigkeiten. John Churchill, der erste Herzog von Marlborough, war der Sohn eines Kleinadligen, der durch politischen Scharfsinn und militärische Genialität den höchsten sozialen Rang gerade unterhalb des königlichen erobern konnte. Die Institution der Aristokratie war in Großbritannien ein Katalysator der sozialen Mobilität.

CINEASTISCHES MEISTERWERK
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Der Sinn des Aristokraten für sein Geburtsrecht auf Respekt, Gehorsam und die Freiheit zu tun, was er wollte, oder was er für das Beste hielt, entwickelte sich sehr schnell, egal wie flach die Wurzeln seines Adelstitels gewesen sein mochten. Er war ein Modell der Freiheit, die sich jeder wünschte, und viele nahmen an, dass es sich lohnte, auf ein ähnliches Leben zu hoffen und es zu imitieren. Natürlich hatte diese Freiheit auch ihre finstere Seite: dass man nämlich andere Menschen verächtlich und grausam behandeln konnte, ohne auf ihre Gefühle Rücksicht nehmen zu müssen. Die grausame aber auch amüsante Seite der aristokratischen Exzentrizität zeigte Lord Berners, der einmal seinen Hund aus dem Fenster warf, um ihm das Fliegen beizubringen, und eine Notiz auf dem Turm seines Landhauses mit dem Text anbringen ließ: „Wer von diesem Turm Selbstmord begeht, tut es auf eigene Gefahr“.

Natürlich ist es einfacher, exzentrisch zu sein, wenn man reich ist, aber Reichtum ist weder eine notwendige, noch eine ausreichende Bedingung. Reichtum ist keine ausreichende Voraussetzung, weil die Reichen sich nicht als solche zu erkennen geben müssen. Wir leben in paradoxen Zeiten: In dem Maße, wie der finanzielle Abstand zwischen den Reichen und Armen wächst, fühlen sich die Reichen verpflichtet – zumindest in der Öffentlichkeit –, dem Geschmack der Armen zu folgen, unabhängig davon, ob sie den teilen. Warren Buffet bevorzugt Cherry Cola und isst wie ein arbeitsloser amerikanischer Stahlarbeiter, Mark Zuckerberg läuft in Jeans und T-Shirts herum. „Die Reichen sind anders“, sagte Ernest Hemingway zu Scott Fitzgerald. „Ja“, antwortete der, „die haben mehr Geld als wir“.

So lange die Reichen sich darauf beschränken, mehr Geld zu haben und es für Dinge auszugeben, für die es der Rest der Menschheit auch ausgeben würde, dürfen sie es unbehelligt behalten. Sie dürfen sich aber nicht in irgendeiner Weise verschieden zeigen – zumindest nicht in der Öffentlichkeit.

Reichtum also ist nur ein Förderer der Exzentrizität in einer ungleichen Gesellschaft, die Ungleichheit als normal oder gar als löblichen Zustand der Dinge akzeptiert. Nur in einer solchen Gesellschaft konnte Lord Lionel Rothschild furchtlos sein Sechsergespann von Zebras zum Buckingham Palast lenken. Er tat es nicht, weil er die Aufmerksamkeit auf sich lenken wollte (das hatte er nun wahrlich nicht nötig), sondern weil er Aufmerksamkeit für seine zahmen Zebras wollte. Er musste sich nicht entschuldigen, indem er mit den Massen fraternisierte. Er trug die größte Sammlung zoologischer Arten zusammen, die ein einzelner je zusammengetragen hatte, unter anderem 2.250.000 Schmetterlinge. Seine Nichte Miriam war die größte Floh-Expertin weltweit. Sie erbte das Interesse an Flöhen von ihrem Vater, der starb, als sie erst 15 war, und seinerseits 500 neue Spezies beschrieben hatte. Bank und Flöhe. Könnte es einen merkwürdigeren Spannungsbogen geben? Die selbstlose Erforschung von etwas, was die meisten Leute für pure Esoterik halten würden, was jedoch trotzdem zum intellektuellen und geistigen Reichtum der Menschheit beiträgt, kommt häufiger in Gesellschaften vor, in denen nicht alles im Namen der sozialen Gerechtigkeit gerechtfertigt werden muss – was ja heute der wichtigste Maßstab allen Handelns ist.

Wahre Exzentrizität existiert heute noch in kleinen Enklaven, aber sie wird in dem Maße immer seltener, wie extravagant egoistisches und exhibitionistisches Verhalten immer mehr den öffentlichen Raum erobert. Lassen Sie mich von einigen wenigen Beispielen aus einem schwindenden Teil der Welt berichten, in dem ich mich gerne aufhalte und in der ich viel Zeit verbringe: aus der Welt der antiquarischen Bücher.

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Hin und wieder besuche ich zwei Buchhändler in Wales. Eine Antiquarin verkauft Bücher in ihrem Haus, der andere Händler in einem winzigen Geschäft. Sie ist sowieso schon eine Seltenheit in der Welt der antiquarischen Bücher, denn diese Welt ist fast ausschließlich männlich. Sie kauft viel mehr Bücher ein, als sie je wird verkaufen können. Sie sammeln sich deshalb in ihrem Haus und drängen sie auf einen immer kleineren Raum zurück. Die Berge ihrer Bücher sind in permanentem Wachstum begriffen wie ein Monster aus einem Horrorfilm, dessen Raumgewinn nicht aufzuhalten ist. Sie ist der Tatsache vollkommen bewusst, dass man sie eines Tages tot und mumifiziert unter den Bücherbergen auffinden wird. Ihre Nachbarn ahnen nichts von den Vorgängen im Haus. Aber für sie ist das die einzige vorstellbare Lebensweise.

Den zweiten Antiquar besuche ich meistens nicht, um Bücher zu kaufen, sondern um mich zu vergewissern, dass sein kleines Unternehmen in dieser sicherheitsversessenen, regulierten und vereinheitlichten Welt immer noch existiert. Er häuft seine Bücher in Berge übereinander auf, so, dass beim Entnehmen eines Buches die ganze fragile Struktur zusammenzubrechen und den Interessenten wie eine Lawine unter sich zu begraben droht. Nur wenn man ein Buch von ganz oben nimmt, ist man in Sicherheit, und so kommt es, dass sich das Angebot in den vielen Jahren, in denen ich den Laden immer wieder besucht habe, kaum geändert hat. Das Geschäft ist so klein, dass man sich nur seitwärts, mit eingezogenem Atem in der Schlucht zwischen Bücherbergen bewegen kann. Ich brauche kaum hinzuzufügen, dass er – wenn überhaupt – nicht groß im Geschäft ist.

Das Auffallendste an diesem Laden ist, wie der Besitzer darüber herrscht. Er sitzt an seinem Schreibtisch in einer winzigen Ecke mit einem kleinen zufriedenen Lächeln im Gesicht, ganz offensichtlich ahnungslos über die Absurdität der Situation. Er ist ein wahrer Exzentriker, denn er ist davon überzeugt, dass seine Geschäfts- und Lebensführung absolut normal, und jede andere seltsam sei. Es ist für mich beruhigend, dass bisher keine Behörde auf die Idee gekommen ist, ihn aufgrund von Sicherheitsproblemen schließen zu lassen – allein das Aufwirbeln des angesammelten Staubes durch das Betreten des Ladens dürfte eine erhebliche Gefahr für die Gesundheit bedeuten.

Der dritte Buchhändler aus meinem Bekanntenkreis hasst und verachtet seine Kunden dermaßen, dass er sich öfter weigert, ihnen etwas zu verkaufen. Er fragt sie aus, warum sie das ausgewählte Buch überhaupt haben wollten, und sollte er die Gründe nicht für ausreichend gut befinden, was häufig der Fall ist, verkauft er es ihnen nicht. Wenn er von seinen Kunden insgesamt genug hat, vertreibt er sie mit lauter Musik von Arnold Schönberg. Das wirkt meistens schneller als Tränengas. So wird man nicht reich. Er ist furchtbar, aber ich habe das Gefühl, dass er unbewusst zur Heiterkeit des Lebens beiträgt.

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Ein anderer Buchhändler, nicht weit von diesem entfernt in einer ärmeren Gegend angesiedelt, ist ein Anhänger von Enwer Hodscha, dem kleinen albanischen Stalin. Für ihn war Albanien als einziges Land ein Leuchtturm für die ganze Menschheit. Seine Anstrengungen, die unverdaulichen Memoiren Enwer Hodschas seinen Kunden nahezubringen, waren unermüdlich. Keine Zurückweisung konnte ihn entmutigen. Es machte ihn wütend, dass alte Bibeln besser weggingen als die Werke Hodschas, obwohl er nicht aufhörte zu erklären, dass Religion das Opium des Volkes sei.

Merkwürdigerweise hatte er viele wertvolle Bücher in seinen Regalen, aber er war als Marxist der Überzeugung, dass der innere Wert wichtiger als der Marktwert sei. Er glaubte daran, dass der Preis nichts mit Angebot und Nachfrage zu tun habe, und so absurd es auch war, er lebte tatsächlich nach diesem Prinzip. Die Preise seiner Bücher richteten sich danach, welchen intrinsischen, nicht kommerziellen Wert er ihnen zumaß. Wenn ich ihm sagte, dass ein Buch, das ich kaufen wollte, mindestens hundertmal so viel Wert sei wie der von ihm verlangte Preis, bestand er weiterhin auf den niedrigeren Preis. So konnte ich das Beste von beiden Welten genießen: ein Schnäppchen und das Bewusstsein, mich anständig benommen zu haben.

Er weigerte sich standhaft, das Internet zu befragen, da er überzeugt war, dass sowohl das Internet als auch Computer generell Instrumente der Bourgeoisie seien, um das Proletariat zu versklaven. Seine einzige Konzession an das Gesetz von Angebot und Nachfrage war ein Band mit dem Titel Current Book Prices in einem Regal über seinem Schreibtisch, herausgeben vor dreißig Jahren. Aber niemals ist er so weit gesunken, ihn zu konsultieren.

Ich brauche nicht zu erwähnen, dass ich seinen politischen Helden abscheulich finde. Ich hatte Albanien in einer Zeit besucht, die er von der Ferne aus sicherlich als die gute alte Zeit bezeichnet hätte. Es herrschte dort eines der schlimmsten, barbarischsten kommunistischen Regime. Ich erzählte ihm das nie, weil es mir so sinnlos erschien. Man hätte genauso gut über Moralphilosophie mit einem islamistischen Selbstmordattentäter debattieren können.

Und trotzdem war ich froh, dass es ihn gab. Sein Überleben schien mir damals, vor etwa 15 Jahren, ein Zeichen dafür zu sein, dass unsere Freiheit zwar eingeschränkt wurde, aber alles in allem immer noch intakt war. Heute sind zwei der hier vorgestellten Buchhändler nicht mehr aktiv, und die anderen zwei werden sicherlich nicht lange überleben. Sie werden nicht durch andere Exzentriker ersetzt werden – sie werden einfach aufhören zu existieren.

DIE EUROPäISCHEN KULTURKRIEGE
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In meiner Laufbahn als Arzt habe ich miterlebt, wie der Beruf so weit standardisiert wurde, dass Ärzte zu fast charakterlosen Akteuren wurden. Sie folgen alle den gleichen abgestandenen Ideen, oder vielmehr Orthodoxien, sie wagen es kaum, aus der Reihe zu tanzen. Und wenn ja, können sie sich von ihrer Karriere verabschieden. Obwohl schon das Auswahlverfahren für das Medizinstudium so angelegt ist, dass es den Konformismus honoriert, und deshalb würde kaum noch ein Arzt der Versuchung nachgeben, aus der Reihe tanzen zu wollen.

Die Verflachung des Charakters, der die Exzentrizität verhindert, bringt natürlich einige sehr banale Vorteile mit sich. Wenn sie schon verhindert, dass keine Größen entstehen, so schützt er uns vor der Herausbildung von Monstern (obwohl sich das Böse eher verbergen lässt als der Besitz von ausnehmenden Talenten). Die Mittelmäßigkeit zu klonen ist einfacher, als die Dinge laufen zu lassen und sich auf die natürliche Vielfalt der Menschheit zu verlassen. Wenn alle aus der gleichen Gussform stammen, weiß man wenigstens, was man zu erwarten hat. Oder zumindest kann man behaupten, alles getan zu haben, um Pannen zu vermeiden. Wie hoch die Opportunitätskosten sind, wenn alle die gleichen Tugenden besitzen, werden wir nie erfahren.

Noch sind die Menschen nicht genetisch modifiziert, um gleich zu sein. Aber auch sonst führen viele Wege zu Einförmigkeit. Wenn Exzentrizität, wie John Stuart Mill sagte, das Zeichen für einen starken Charakter ist, so könnte man heute in einer Abwandlung sagen, sie sei ein Zeichen dafür, ob wahre Freiheit herrscht oder auch nicht. Gut sind die Vorzeichen nicht.

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17 Kommentare

  1. Die eine große Erkenntnis, die ich aus der Entwicklung der westlichen Welt in den letzten 15 Jahren gewonnen habe, ist folgende:
    Man bekommt keine tolerante, vielfältige und offene Gesellschaft dadurch, dass man sie mit völliger Intoleranz und Gleichschaltung zu installieren versucht.
    Liberalismus ist eine Charakterfrage. Den Charakter ändert man nicht durch totalitäre Methoden. Man unterdrückt ihn nur. Und je mehr man den natürlichen Charakter der Menschen unterdrückt, desto weniger Vielfalt und mehr Intoleranz erntet man.
    Liberalismus bedeutet leben und leben lassen.
    Wer diese Lebenseinstellung einfordert, begeht bereits den entscheidenden Fehler.

    • Sehe ich auch so. Wer von anderen Toleranz einfordert, ist selbst meist intolerant und erwartet dadurch nur die Anpassung des anderen an ihn selbst.
      Die Antwort auf das Rätsel ist: leben.

  2. Mittelmäßigkeit und Konformismus, das sind die Zeichen der Zeit. Gerade Europa lechtzt danach. Der Charakter soll etwas bestimmbares werden. Eine innerliche und äusserliche Konformität wird zum politischen, und gesellschaftlichen Ziel. Das ist ein Phänomen was wache Menschen schon !änger beobachten. Nicht nur der Exzentriker zieht sich zurüch, sondern all jene die man an ihrer Meinung und an ihrem Charakter erkennen kann. Aber das erklärt ja nicht das Phänomen. Man könnte meinen das die administrative Formalität in allen Bereichen der Gesellschaft Schubfächer geschaffen hat, die in ihrem Normierungswahn zu einer Religion erweckt wurde. Natürlich kann das nicht stimmen, aber das Formalistische in der Judikative und Exekutive ist ja nur so zu verstehen das dort wo man eine Inhaltliche Grenze schaffen will die äusseren Umstände, also die Sprache und Vorgensweise, dem Allgemeinen fremd gemacht wird. Ähnlichkeiten zu unserer Gesellschaft und ihrer Dynamik bestehen ja gerade darin das man, das ist eine zum Teil subjektive Unterstellung, in den Medien, in der Politik und in dem Verfahren mit dem man den Menschen suggeriert wie ihr eigenes Verhalten nach Aussen zu wirken hat unterstellt das sie in der Lebensführung unmündig sind. Dieses wirkt nicht revolutionär, sonder langsam und über Generationen. Profan gesagt: älterre Werbung wirbt gezielt darauf ab Menschen von einem Produkt zu überzeugen. Neuere Werbung hingegen stellt i.d.R. einen hilflosen Menschen in den Mittelpunkt. Die Politik von früher stellte die Interessen des Staates, und somit das Überleben der Bürger in den Mittelpunkt. Heutige Politik macht den Menschen Vorschriften und versucht zu indoktrinieren. Das sind Beispiele über die man streiten kann. Aber die Frage ist nicht so sehr ob meine Beobachtunge richtig sind, im Detail, sondern was die Ursache ist das die Menschen sich in ihrer mediokritären und schlichten intellektuellen Welt so zurückfallen lassen? Da denke ich sind die Gründe in der Psyschologie zu suchen. Psyschologen sind in allen Bereichen der Wirtschaft, Werbewirtschaft, Politik usw zu finden. Und wer sich ein wenig in der Verhaltensforschung auskennt weiß wie man durch Konditionierung, nicht nur Tiere davon abhält etwas bestimmtes zu tun. Wenn Nitzsche sagt das man aus jedem Trottel einen Professor machen kann, dann kann man eben auch aus jedem Professor einen Trottel machen. Er spricht genau die Konstellation an die wir heute im Extrem vorfinden in den Bereichen Politik und z.B. Werbewirtschaft. Der Normisierung der Gesellschaften in Europa muß etwas vorausgegangen sein. Um das Verhalten und die geistige Vorstellungskraft (Wille) von ganzen Völkern zu beeinflussen muß man sie in eine Überforderung führen die zu einer Art Grundtraumatisierung führt. Aus dieser geistigen Überforderung führt kein Weg heraus solange ich den Menschen nicht sage das sie für die Zustände der Überforderung keine Verantwortung haben. Diese Situation hat schon die Kirche bis zur Gänze für sich genutzt. Um einer Überforderung aber von Grund auf entgegentreten zu können muß man eine freie Willens- und Charakterbildung genossen haben. So schließt sich der Kreis. Wohin dieser willensfreie Konformismus fürt kann man nicht sagen. Aber es bestehen Zweifel das er ein Paradies erschafft.

  3. Von John Stuart Mill stammt die Idee, nach der Abschaffung der Aristokratie und (löblichen) Einführung des Frauenwahlrechts ein dauerhaftes Klassenwahlrecht nach Bildungsniveau zu etablieren. Der Weg vom Exzentriker zum Snob ist offensichtlich nicht sehr weit, wenngleich diese Forderung denklogisch natürlich zum angelsächsischen Utilitarismus passt: Auf den ersten Blick wäre es durchaus „nützlich“, wenn nur diejenigen an Wahlen teilnehmen dürfen, die nachweislich etwas wissen und verstanden haben. Vielleicht war es diese bornierte Kurzsichtigkeit bzw. der Mangel an dialektischem Denkvermögen, was Nietzsche so missfallen hat.

  4. Das Besondere am englischen Adel ist, dass die nachgeborenen Söhne und Töchter in die Bürgerlichkeit „abrutschen“. Auf dem Kontinent war und ist es üblich, dass einfach alle Kinder und Enkel von Adligen auch adlig sind. Das sorgt im 2. Fall, dass die Adligen hier unter sich bleiben. Im 1. Fall haben damit Adlige auch bürgerliche Verwandtschaft.

  5. Die Moralisten…die politische Korrektheit…das freundliche Gesicht…löste den Exentriker ab.
    Und wie ich schon mal sagte…vom Moralisten…vom Korrekten…vom freundlichen Gesicht…kann man nur eines erwarten…enttäuscht zu werden.
    Beim Exentriker hingegen kann man keine Enttäuschung erwarten…man kann nur überrascht werden.
    Die Moderne „Grün-Sozialistische Zeit“ konnt nur durch die „Grüne-Natur-Moral“ sich so stark in Deutschland und in der EU verwurzeln….im Kern führt diese „Grüne Bewegung“ jedoch das Sozialistische Böse Gesinnungsgut mit sich. Das „Grüne-Gute-Wohlgefühl“…das man der Gesellschaft in Deutschland und der EU einen per TV und Politik vorspielt, dient nur einen Zweck…die Etablierung des Sozialismus (Diktatur) in EU-Deutschland.
    Mittel zum Zweck…so zu sagen.

    • Was an den sog. „Grünen“ hat denn mit wirklichem Naturverständnis zu tun? Natur ist weder gut noch schlecht, sie ist! Der Mensch mit seinem durchaus großen Spektrum an Möglichkeiten ist ein Teil dieser Natur, spiegelt sie wider. Niemand steht außerhalb dieser Determinanten. Spätestens bei seinem Tod dürfte das auch dem Letzten klar werden.

      • @Hoffnungslos
        Sie müssen es aus dem Blickwinkel des gesättigten Wohlstand Wessi sehen…mit dem Wirtschaftsaufschwung durch den viele Bürger in Westdeutschland zu Wohlstand gelangt sind, hat sich eine andere Mentalität eingeschlichen. Man hat alles Ziele erreicht…gute Arbeit, gute Bezahlung, ein Dach über den Kopf, ausreichend zu essen, ein Auto uvm. Die Grundbedürfnisse des Menschen haben viele Deutsche im Westen vollkommen befriedigt bekommen. Und was macht man, wenn man dieses Ziel erlangt hat…man sucht sich andere Ziele.. man hat Zeit um sich Fragen zu stellen…über den Sinn des Leben…über die Umwelt und Natur…es kommen immer mehr Schuldkomplexe im Wohlstandsdeutschen auf…hat man die Natur…die Umwelt zu arg ausgebeutet…und genau hier haben die Grünen…die Linken…ihren Ansatzpunkt…der Ausgangspunkt…die Angst…das Schuldgefühl der Deutschen weiter zu steigern…zur Angst vor dem Untergang der Menschheit…Tschernobyl, Waldsterben…das waren die Anfänge der Angsthysterie mit dem der Wohlstandsdeutsche mehr und mehr in den Grünen…eine Erlösung von ihren Ängsten finden würde. Dies steigert sich immer mehr…heute ist es Die Angst vor der Klimaerwärmung durch das CO2…vor dem Microplastik,…vor dem Feinstaub….vor was auch immer….Die Angst ist das Geschäft der Grünen…um so gesättigter einer Gesellschaft ist…um so mehr Angst kann man verbreiten…schließlich hat eine gesättigte Gesellschaft immer ein Angst, die Sie nicht los wird…die Angst ALLES wieder zu verlieren. Und wer Angst hat, dass er alles verlieren könnte, der sucht sich eben eine Ablaspartei…die ihn diese Angst nimmt…die ihn ein Gutes Gewissen verschafft…auch wenn die Grünen alles andere sind als der Erlöser…der Hüter des Wohlstands…im Gegenteil..die Grünen spielen mit der Angst um den Wohlstand zu vernichten.

  6. Herr Dalrymple, Sie gehen offenbar davon aus, dass Stuart Mills Aussage stimmt, da Sie den nachfolgenden Satz mit „daher“ beginnen. Seltsam, denn Sie haben Mill schon in der Einleitung gründlich widerlegt: Der von Nietzsche zutiefst verachtete…
    Wen Nietzsche verachtet, der gehört auch verachtet.
    „Der Philosoph“ ist und bleibt der Größte.
    Klinge ich verrückt? Falls ja: Arme Leute sind verrückt. Ich bin exzentrisch!

  7. Das Ziel der „Gerechtigkeit“ ist nur möglich, wenn das Niveau entsprechend tief gesenkt wird.

    Dazu ist eine Diktatur der Kleingeister, Arbeitsverweigerer und Duckmäuser notwendig. Das Ersticken der schöpferischen Freiheit und unternehmerischen Initiativen wird den Wohlstand und wohl auch die Gesellschaft zerstören.

  8. Es tat gut, diesen unterhaltsamen, aber auch gedankenanregenden Text zu lesen – vielen Dank, Mr. Dalrymple.

    Nun frage ich mich, wie zu bewerten ist, exzentrische, vielleicht verschrobene, zum Teil skurrile Menschen zu schätzen, sich ihrer Präsenz mit einem Lächeln zu versichern, sie womöglich ausdrücklich zu mögen, selbst aber nicht als solcher wahrgenommen werden zu wollen; das nämlich dürfte für die Mehrzahl der Liebhaber einer exzentrischen Lebensweise heutzutage gelten: Sie erfreuen sich der Exzentrik, solange sie selbst als überwiegend „normal“ gelten. Zeugt es also von Charakterschwäche, die eigene Exzentrik nicht zu erkennen und ausleben zu wollen oder zeigt es den konformistischen Druck der heutigen westlichen Gesellschaften, dem zu widersetzen finanzielle Unabhängigkeit dann doch notwendige Voraussetzung über den starken Charakter hinaus ist?

    Eine Vielzahl exzentrischer Persönlichkeiten übrigens fand sich – jedenfalls aus Schülersicht und im Rahmen des Schulunterrichts – noch in den 1980er Jahren in der Lehrerschaft meines Gymnasiums. Es bedurfte keiner Feuerzangenbowle, sie vor dem geistigen Auge erscheinen zu lassen. Sie waren sehr real und jeder auf seine Weise reichlich sonderbar. Ich fand’s schon damals amüsant – und im Rückblick einfach herrlich.

    • Leopold Polodel
      Ich glaube, der Exzentriker weiß, das er anders ist, aber es ist ihm egal. Ihm geht es nicht um Abgrenzung oder Geltung, er ist, wie er ist, und er ist zufrieden mit sich. Er würde seine Exzentrik auch nach außen leben, was ihm grundsätzlich leichter fallen dürfte, wenn er Geld hat, bzw. er seine Kreativität und Neugier in Hobby und Beruf umsetzen kann. Aber nicht jeder Exzentriker kann durch Kunst oder Wissenschaft leben.
      Der konformistische Druck, insbesondere die zunehmenden staatlichen Eingriffe in die persönliche Lebensführung, die immer größer werdende Anzahl der Definitionen von psychischen Störungen, und auch die gesellschaftlichen Be- und Abwertungen von Verhalten (auch wieder abhängig vom Status/ Geld), führen dazu, dass der Exzentriker sich seine Nischen sucht. Gerade die im Artikel beschriebenen Beispiele zeigen, dass der Exzentriker seinen „Raum“ findet, wo er mit sich im Reinen ist. Er läuft dort nicht Gefahr, verspottet, als Psychiatriefall oder gar Hetzer gegen das System zu gelten.
      Die Nischen werden aber immer weniger und kleiner, und damit schwindet der Exzentriker immer mehr aus dem Blickfeld. Und mit ihm der kreative, spielerische Nonkonformis. Reiner Selbstschutz!

      • myrf
        Denken und seinen Irrtum erkennen ist „lediglich“ die Bewusstwerdeung des eigenen Seins. Exzentrik geht mMn schon noch darüber hinaus, wie der Bericht so schön beschreibt.

  9. INDIVIDUALISMUS UND EGOISMUS SIND NICHT DASSELBE
    Individualisten sind völlig zu Unrecht als Egozentriker oder sogar Ellbogenmenschen verschrien. Für den wahren Individualisten ist das Leben zu kurz und zu einzigartig um es aus zweiter Hand zu leben. Er will keine Existenz von der Stange, er will den Maßanzug. Der Individualist schätzt die Besonderheit der menschlichen Existenz, die für ihn kein Zufall sondern eine Gottesgabe ist. Der Mensch soll für ihn mehr sein als nur ein Nahrungsdurchfluss, der rein vegetativ existiert, ansonsten aber keine Akzente setzt. Er wählt den aufrechten Gang, bohrt lieber dicke Bretter, der Weg des geringsten Widerstands ist ihm eher verhasst.
    Der angepasste Massenmensch hingegen ist feige, duckmäuserisch und fährt gern seine Ellbogen aus-auch wenn er oft seine „Liebe zu den Menschen“ beteuert. Als egoistischer Pharisäer hält er sich flach am Boden, liegt wie die Schlange im Gras und wartet nur darauf, andere zu vergiften. Beiden Typen wurden literarische/filmische Denkmäler gesetzt. Der aus der Masse herausragende Individualist wird verkörpert durch den Architekten Howard Roark in dem Roamn „The Fountainhead“ von Ayn Rand. Filmisch wurde dieser in Szene gesetzt mit einem herausragenden Gary Cooper in der Rolle von Howard Roark.
    Der zweite Typ, der niederträchtige Hinterträger, der seine Karriere auf der Denunziation stärkerer Charaktere aufbaut findet sich im Roman „David Copperfield“ von Charles Dickens.

    Nun ist es interessant, die Frage aufzuwerfen, welcher der beiden Charaktere in der zeitgenössischen Gesellschaft überwiegt. Man muss nicht lange nachdenken um zu wissen: leider der zweite. Und die hinterhältigen Uriah Heeps, sie sind die wahren Egoisten, auch wenn sie sich so bescheiden geben. Es gibt heutzutage nur noch verlogene Bescheidenheit, kaum noch großartige Charaktere. Viele Filmproduktionen zeigen das schon: es werden verlogene Werte propagiert wie z.B. falsche Bescheidenheit und geheuchelte Humanität. Für all dies gibt es den zutreffenden modernen Begriff des „virtue signalling“. Unterordnung unter das Kollektiv wird als Teamfähigkeit bemäntelt, Großartigkeit und Generosität werden von der spießigen Meute diskreditiert. Hier mal ein paar Zitate großer Denker zum Thema „Bescheidenheit“.
    Goethe: „Nur Lumpen sind bescheiden, Brave freuen sich der Tat.“
    De La Rochefoucauld: „Bescheidenheit ist die subtilste Form der Eitelkeit.“
    Heine: „Es ist dem Nichtskönner wohlfeil, von Bescheidenheit zu reden, ist es ihm doch so leicht diese Tugend auszuüben.“
    Lichtenberg: „Mir ist ein Kleintuer weit unausstehlicher als ein Großtuer.“

    Nun, wir leben in einer Zeit, wo die Kleintuer, die engstirnigen Spießer, die Denunzianten die Szenerie beherrschen. Getarnt sind sie oft als Ökopäpste (in „grünen“ Parteien, denen in Wirklichkeit nichts ferner ist als die Natur) oder „social warriors“, die sich von der unterbelichteten Masse bejubeln lassen. Es sind die großen Humanitätsheuchler der Gegenwart, die linken Tugendprahler, die den Mainstream von heute überwiegend ausmachen. Man erkennt sie gelegentlich an gehässigen Kommentaren über jemand wie Donald Trump. Wie hätten den wohl Goethe, Heine oder Lichtenberg beurteilt? Nun, eines ist Trump ganz sicher nicht: ein Kleintuer.

    Individualisten haben es oft schwer: sie schwimmen meist gegen den Strom, in der Hoffnung an einer besonders guten Stelle an Land zu gelangen. Wenn sie es denn schaffen sind sie ein Held. Aber die Zeit von heute hat kaum noch Helden, die Kleingeister haben sich breit gemacht.

    Der Individualist wählt dennoch nicht den bequemen Weg. Er hat vielleicht trotzdem mehr vom Leben. Oder doch zumindest eines, das origineller ist als das der Masse.

    • ich würde Ihnen gern 10 Punkte geben, jedoch ist nur einer möglich. Aber der wurde mit Inbrunst vergeben 🙂

    • Harry Charles-, erstklassiger Kommentar. Ganz hervorragend beschrieben der heute weit verbreitete Zeitgeist. Unterwürfiges Duckmäusertum mit Hang zum denunzieren, dass ist es was heute zählt und einer Karriere förderlich ist.
      Geschichte wiederholt sich zum dritten mal.

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