Seit den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts hat China einen rasanten Aufstieg zur Weltmacht hingelegt, was nicht wenigen Menschen im Westen Unbehagen bereitet. Aus chinesischer Perspektive handelt es sich hierbei um eine Rückkehr an die Weltspitze, an die Wiedereinnahme eines wohlverdienten Platzes in der Weltordnung, den China in der Vergangenheit bereits innehatte.
Für China war hingegen ab dem späten 18. Jahrhundert die Begegnung mit der Übermacht westlicher Grossmächte ein harter Schock. Im 19. Jahrhundert strauchelte es dann immer wieder bei Versuchen, durch Modernisierung und Reformen den damaligen Rückstand zum Westen aufzuholen.
Der in Kalifornien ansässige chinesische Künstler Jing Liu schildert in „Der Weg in die Moderne“, dem vierten Band der von ihm geschaffenen Reihe „Chinas Geschichte im Comic“, diesen schmerzhaften Weg eines in alten Traditionen erstarrten Landes in die Moderne. Westlichen Lesern bieten sich dadurch Möglichkeiten des Perspektivwechsels, Einblicke in die „Sichtweise der anderen“.
Wie der chinesisch-amerikanische Historiker Huang Renyu (Ray Huang) oder auch der britische Historiker Ian Morris ist Jing Liu der Auffassung, dass es letztlich nicht einzelne grosse historische Figuren sind, die die Geschichte von Zivilisationen prägen und diese vorwärts treiben, sondern dass es die geographischen, gesellschaftlichen und ökonomischen Umstände und Voraussetzungen sind, die auf die Geschichte einwirken und ihren Fortgang bestimmen, die geschichtliche Entwicklung in ihre Bahnen lenken.
Jing Liu äussert sich dazu in einem Interview wie folgt:
»Eines der Hauptthemen der Reihe ist es zu illustrieren, wie sich die Geschichte vorwärtsbewegt. Anders ausgedrückt, was sind die treibenden Kräfte hinter der Geschichte? Ein chinesischer Gelehrter des Altertums beschrieb in seinen Gedichten die Geschichte als einen Fluss:
„Tausende von Jahren fliessen vorbei,
gleich einem Strom, der ostwärts fliesst.
Die Wellen der Zeit reissen selbst den grössten Mann mit sich fort.“
Herrscher betrachteten sich selbst zumeist als die herausragendsten Persönlichkeiten ihrer Zeit. Chinesische Kaiser behaupteten so stets von sich, das Mandat des Himmels zu besitzen, um ihre Herrschaft zu rechtfertigen. Chinesische Philosophen glaubten dagegen, dass das Mandat des Himmels als Mandat des Volkes verstanden werden sollte. Sie argumentierten, dass ein Herrscher zwar einem gewöhnlichen Bürger übergeordnet sein mochte, aber dass er sich dem Volk als Ganzem unterzuordnen habe. Die Menschen müssten in der Lage sein, ihre Leben zu führen und innerhalb einer stabilen Umgebung nach Glück zu streben. Die herrschenden Eliten müssten eine vernünftige gesellschaftliche Ordnung aufrechterhalten, um die Bedürfnisse der Bevölkerung zu befriedigen. Allerdings führen interne Probleme wie etwa soziale Ungleichheit oder externe Bedrohungen durch feindliche Mächte häufig zur Destabilisierung von Gesellschaften. Die Menschen aller Schichten müssen sich häufig an ständige Veränderungen anpassen, was zu neuen sozialen Bewegungen führt.
Wir lernen aus der Geschichte, dass es mehrere Generationen oder sogar noch länger dauern kann, bis sich eine historische Bewegung aus ihrem Frühstadium hin zu ihrer vollständig ausgebildeten Form entwickelt hat. Was für eine Generation wie ein aussichtsloser Kampf erscheinen mag, kann einige Generationen später zu einem unausweichlichen Schritt vorwärts in Richtung von etwas Besserem werden, von dem viele Menschen profitieren werden.
Was sind also schlussendlich die Triebkräfte hinter der Geschichte? Die Reihe „Chinas Geschichte im Comic“ versucht diese Frage dahingehend zu beantworten, indem sie aufzeigt, wie die Geschichte von ökonomischen, sozialen und kulturellen Kräften angetrieben wird, wobei all diese Kräfte von ihrem geographischen und historischen Umfeld konditioniert werden. Dieses Thema galt vor tausenden von Jahren und hat bis heute nichts von seiner Aktualität verloren.«
Ian Morris spricht in seinem historischen Werk „Why the West rules – for now“ von fünf „Apokalyptischen Reitern“ und meint damit Faktoren, die zum Zusammenbruch von Zivilisationen führen können: Völkerwanderungen bzw. Invasionen durch fremde Volksstämme, Hungersnöte, Seuchen, Klimawandel und Naturkatastrophen. Das Muster dieser „Apokalyptischen Reiter“ lässt sich im Verlauf der chinesischen Geschichte vielfach nachweisen.
Traditionelle chinesische Historiker gehen gar von einem Konzept eines „dynastischen Zyklus“ aus, um den sich wiederholenden Aufstieg und Fall von Dynastien zu erklären, was Jing Liu im ersten Band der Reihe eingehend erklärt. Hauptthema der chinesischen Philosophie war es stets, wie man ein Staatswesen aufbauen könnte, das Krisen überdauert, um einen Staatszerfall abzuwenden, worauf verschiedene Strömungen wie Konfuzianismus, Daoismus oder Legalismus zu teils diametral entgegensetzten Antworten fanden.
Es zeigen sich in diesen Mustern viele Parallelen zwischen der chinesischen und der europäischen Geschichte. Die Beschäftigung mit chinesischer Geschichte kann dadurch für uns im Westen als ein Spiegel dienen, um durch einen Ausbruch aus westlichen Denk- und Erklärungsmustern unsere eigene Geschichte neu einzuordnen und vielleicht sogar zukünftige Entwicklungen prognostizieren zu können.
Viele Historiker glauben, dass China am Ende der Song-Dynastie im 13. Jahrhundert kurz davorstand, in die Phase einer eigenen industriellen Revolution einzutreten.
Dies bildet auch eines der Hauptthemen im dritten Band der Reihe von Jing Liu.
Dieser hausgemachte Entwicklungssprung, vor dessen Schwelle China damals stand, wurde jedoch durch die Invasion von Nomadenvölkern – zunächst der Jurchen, später der Mongolen – aus den Steppengebieten nördlich der Mauer abgewürgt, wodurch die Song-Dynastie zu Fall gebracht wurde und worauf hunderte Jahre relativer gesellschaftlicher Stagnation folgten. (Dies ist ein in China im Übrigen über die Jahrtausende wiederholt aufgetretenes Muster, bei dem der Zusammenbruch von Dynastien neben gleichzeitig auftretenden Naturkatastrophen oder Bauernrebellionen durch die Invasion von Nomadenstämmen aus der Steppe befeuert wurde.)
Eine langfristige Spätfolge der Fremdherrschaft durch die Mongolen war die Herausbildung eines Abwehrreflexes gegenüber allem Fremden in der chinesischen Bevölkerung. Dies sollte sich nach der späteren Begegnung mit dem Westen und der Konfrontation mit ausländischen Grossmächten, die danach dürsteten, China zu ihrer Einflusssphäre zu machen, für die Chinesen und deren Modernisierungsversuche als ein Hemmschuh erweisen.
Der gerade erschienene Band 4 „Der Weg in die Moderne“ setzt zu Ende der Yuan-Dynastie ein, also noch unter der Fremdherrschaft der Mongolen, und erzählt wie es Zhu Yuanzhang, dem Begründer der nachfolgenden Ming-Dynastie, der aus ärmlichsten Verhältnissen stammte, gelingen konnte, die Fremdherrschaft der Mongolen zu stürzen.
https://www.youtube.com/watch?v=3yAGo4TWiSM
Der US-Historiker Alam Baumler schreibt in seiner Einführung dazu:
»Während der späten Kaiserzeit der Ming und Qing hatte die Herrschaftsform durch einen Kaiser ihren Höhepunkt erreicht, stiess damit an ihre Entwicklungsgrenzen und die gesellschaftliche Entwicklung geriet in eine Sackgasse.
Diese Zeitepoche wird vom ersten Ming-Kaiser Zhu Yuanzhang beherrscht, der durch seinen Einfluss der ganzen Ära seinen Stempel eingeprägt hat, wie auf nur wenigen Seiten geschildert wird. Zhu, Chinas einziger Bauernkaiser, war ein Produkt der schrecklichen Armut, die Millionen ums tägliche Überleben kämpfende und dabei von den Eliten ignorierte einfache Leute plagte. In dieser einen klassischen Figur entwirft Jing den starken Archetyp eines revolutionären Autokraten, der die Grundlagen für die grosse Macht der späteren Ming- und Qing-Kaiser legte.«
Zhu Yuanzhang sah sich aufgrund seiner Herkunft als Beschützer der Armen. Um die arme bäuerliche Bevölkerung zu entlasten, senkte er die Steuern und zahlte seinen Beamten niedrigste Gehälter, scheiterte aber auf tragische Weise in seinen Bestrebungen nach mehr Verteilungsgerechtigkeit, da die geringen Beamtengehälter zu einer grassierenden Korruption führten. Steigende Staatsausgaben, die durch die niedrigen Steuereinnahmen nicht gedeckt werden konnten, verleiteten spätere Ming-Kaiser fatalerweise dazu, grosse Mengen an Banknoten drucken zu lassen, wodurch gigantische Inflationswellen losgetreten wurden, die die Währung letztendlich wertlos machten.
Gegen Ende der Ming-Dynastie im frühen 17. Jahrhundert traten mehrere unglückliche Umstände (oder eben „Apokalyptische Reiter “) zusammen: Ein Krieg mit Japan, eine temporäre Klimaveränderung in der „kleinen Eiszeit“ und die Expansion des Steppenvolkes der Mandschuren im Nordosten Asiens. Als eine Rebellenarmee unter dem Rebellenführer Li Zicheng die Hauptstadt Beijing belagerte und der Kaiser sich das Leben nahm, fasste ein Armeegeneral der Ming den verheerenden Entschluss, eine Allianz mit den Mandschuren einzugehen, um die Rebellen auszumerzen. Die Mandschuren ergriffen daraufhin die Macht und riefen ihre eigene Dynastie, die Qing-Dynastie, aus. China geriet einmal mehr unter Fremdherrschaft.
Bald kam es zu vermehrten Kontakten mit dem Westen. Jesuiten zählten zu den ersten Europäern, die nach China reisten.
Alan Baumler äussert sich hierzu:
»Der Abschnitt über den westlichen Imperialismus ist oft einer der am schwierigsten zu behandelnden Abschnitte in der chinesischen Geschichte. Der Autor verwendet mehrere Handlungsstränge, um ein Agrarimperium darzustellen, das von ausländischen Industriemächten in die Enge getrieben wird, und eine Bevölkerung, die völlig verwirrt darüber ist, wie sie darauf reagieren soll.«
Grossbritannien stieg im 18. Jahrhundert durch seine industrielle Revolution zur führenden Weltmacht auf, und blieb dies bis weit ins 19. Jahrhundert. Ende des 18. Jahrhunderts wies Grossbritannien aufgrund der Nachfrage der Briten nach chinesischer Seide und chinesischem Tee ein starkes Handelsdefizit gegenüber China auf. Um dieses zu beseitigen, ging die Ostindienkompanie, eine Handelsagentur der britischen Regierung, dazu über, Opium aus Indien nach China zu verkaufen. Die Qing-Dynastie brachte dies jedoch in arge Schwierigkeiten: Millionen von Chinesen wurden opiumabhängig. Das Opium wurde mit Silber bezahlt, was zu grossen Silberabflüssen aus China führte. Dies brachte insbesondere chinesische Bauern in grosse Bedrängnis, die ihre Steuern in Silber zu entrichten hatten. Als sich die Qing-Kaiser dazu entschlossen, den Opiumhandel zu unterbinden und chinesische Beamte das Opium britischer Händler beschlagnahmten und vernichteten, kam es zum Ausbruch des ersten Opiumkrieges (1839-1842).
Die Qing-Regierung musste sehr rasch einsehen, dass ihre Streitkräfte den waffentechnisch überlegenen britischen Truppen nichts entgegenzusetzen hatten.
Für die Chinesen begann damit ein „Jahrhundert der Demütigungen“ durch ausländische Grossmächte, woran sie sich bis heute bitter erinnern und womit es dem chinesischen Regime bis zum heutigen Tag stets hervorragend gelingt, nationalistische Gefühle und Ressentiments gegenüber dem Westen in der Bevölkerung zu schüren.
In der Mitte des 19. Jahrhunderts erschütterte zudem die Taiping-Rebellion das Land. Die Taiping waren eine christlich inspirierte, egalitäre Sekte, angeführt von einem Mann namens Hong Xiuquan, der mehrfach an der chinesischen Beamtenprüfung gescheitert war und sich nach einem Erweckungserlebnis in verquerer Weise als Bruder von Jesus betrachtete. Die Niederschlagung der Rebellion kostete eine enorme Zahl an Menschenleben, die Schätzungen reichen von 20 bis 30 Millionen.
Während die Qing und die Taiping damit beschäftigt waren, einander zu bekämpfen, nutzten dies westliche Grossmächte dazu, ihre Einflusssphären in China weiter auszudehnen und ihre Interessen in China immer rücksichtsloser durchzusetzen. Der zweite Opiumkrieg (1856 – 1860) gipfelte in der Einnahme von Beijing durch britisch-französische Truppen, die den kaiserlichen Sommerpalast in Schutt und Asche legten. China wurde dazu gezwungen, den Vertrag von Tianjin zu unterzeichnen, einer der ersten in einer ganzen Reihe „ungleicher Verträge“, in denen China sich verpflichten musste, hohe Reparationszahlungen zu leisten. Russland gelang es im Chaos, grosse Flächen chinesischen Territoriums zu annektieren.
Nachdem es den Qing 1864 gelungen war, die Taiping-Rebellion endgültig zu zerschlagen, wurde eine „Kampagne zur Selbststärkung“ ins Leben gerufen, die auf die Modernisierung und Industrialisierung durch Aneignung westlicher Technologie und Wissenschaft setzte, um sich aus dem Zangengriff ausländischer Mächte zu befreien.
Anhand der Figur des Amerikaners Thilo McGiffin, der als Militärausbilder und Berater dabei half, die Matrosen der sich im Aufbau befindenden chinesischen Marine auszubilden, und später im ersten japanisch-chinesischen Krieg (der in einer vernichtenden Niederlage für die Chinesen enden sollte) ein aus Deutschland importiertes Schlachtschiff der Chinesen kommandierte, erzählt Jing Liu auf tragikomische Weise, wie das Land damals an seiner Unfähigkeit litt, sich an den Wandel der Zeiten anzupassen und verknöcherte Strukturen aufzubrechen.
Zwischen 1861 und 1872 führte die Kaiserinwitwe Cixi als Regentin das Land für zwei minderjährige Kaiser, zuerst für ihren Sohn, der ohne Erben starb, und später für ihren Neffen Guangxu. Der junge Kaiser Guangxu hatte ein offenes Ohr für die Anliegen der Reformer, wie etwa die Einführung einer konstitutionellen Monarchie nach dem Vorbild Grossbritanniens, jedoch scheiterte seine „Hundert-Tage-Reform“ im Sommer 1898, da Cixi sich auf die Seite der konservativen Fraktion im Kaiserhof schlug, ihren Neffen unter lebenslangen Hausarrest stellte und führende Reformer verhaften und hinrichten liess.
Die lokalen Beamten und der Landadel betrachtete die westliche christliche Missionarstätigkeit zunehmend als Bedrohung für das soziale Gefüge ihrer Gemeinden, denn Konvertiten zum Christentum hielten sich nicht länger an konfuzianische Traditionen.
Daraus entstand die Boxerbewegung, eine Volksbewegung zur Abwehr des Imperialismus und ausländischer Einflussnahme, es kam zu Pogromen an Missionaren und chinesischen Konvertiten.
In der Annahme, sich damit der Einflussnahme der ausländischen Grossmächte entledigen zu können, taktierte die Kaiserinwitwe mit den Boxern. Als diese jedoch im Juni 1900 die ausländischen Diplomatenviertel in Beijing belagerten, bot dies den ausländischen Mächten abermals einen Anlass, militärisch zu intervenieren; eine Allianz aus acht Nationen zog in Beijing ein, wobei es zu Plünderungen und Übergriffen gegen die Zivilbevölkerung in der Hauptstadt kam.
Die anschliessend im Boxerprotokoll China auferlegten immensen Reparationen führten zu riesigen Staatsschulden. Um einen Kredit ausländischer Banken zum Begleichen der Kriegsschulden zu erhalten, verstaatlichte die Qing-Regierung private Eisenbahnunternehmen. Die Proteste der enteigneten Investoren arteten dann zu einer Anti-Qing-Protestwelle aus, die in die von Sun Yatsen (Sun Zhong-shan) angeführte Revolution und dem Sturz des letzten noch minderjährigen Qing-Kaisers Puyi im Jahr 1911 münden sollte.
Doch die junge Republik China sollte niemals richtig vom Fleck kommen und das Land immer noch keinen Frieden finden, denn es war durch die De-Facto-Herrschaft zahlreicher regionaler Warlords fragmentiert. Weitere Bürgerkriege und Invasionen durch ausländische Mächte sollten bis weit in die Mitte des 20. Jahrhunderts folgen.
Vieles deutet darauf hin, dass wir uns in Europa im frühen 21. Jahrhundert in einer tiefen gesellschaftlichen wie kulturellen Krise befinden, begleitet von einem Klima der existenziellen Verunsicherung. Diese Krise ist so gravierend wie einst im China der Qing-Dynastie im 19. Jahrhundert, als China auf äusserst schmerzhafte Weise erfahren musste, dass es nicht mehr nach seinem bisherigen Selbstverständnis das „Reich der Mitte“ und Zentrum der Welt, die fortschrittlichste Zivilisation war, sondern gegenüber dem Westen und Japan den zivilisatorischen wie wissenschaftlichen und technischen Anschluss verloren hatte.
Chinesen wissen im Allgemeinen weit besser über Europa und den Westen Bescheid, als Europäer über China, denn den Chinesen blieb in ihrer jüngeren Vergangenheit keine andere Wahl, sie mussten von Europa bzw. dem Westen lernen, um den Rückstand in der Entwicklung aufzuholen.
Wir sind in Europa heute an einem Punkt angelangt, an dem wir mehr über China und die Chinesen wissen müssen und sogar manches von den Chinesen lernen sollten, schon aus Eigeninteresse, um uns auf den unabwendbaren Aufstieg Chinas und Ostasiens einzurichten und für uns das Beste aus den geopolitischen Veränderungen zu machen.
Da sich ein tiefgreifenderes Verständnis des heutigen Chinas aus seiner Geschichte ergibt, bietet sich eine Beschäftigung mit der Geschichte als sinnvoller Ausgangspunkt an.
Es ist bewundernswert, wie es dem Autor Jing Liu in seiner Reihe „Chinas Geschichte im Comic“ gelingt, den roten Faden in der komplizierten chinesischen Geschichte ausfindig zu machen und die inneren Zusammenhänge hinter komplexen Entwicklungen aufzuzeigen. Jing Liu arbeitet gegenwärtig am fünften Band der Reihe.
Jing Liu, Chinas Geschichte im Comic. China durch seine Geschichte verstehen. Vier Bände – vom 3. Jahrtausend v. Chr. bis ins 20. Jh. nach Chr. – jeweils 18,00 €.
was ist auf dem 1. Bild zu sehen?
Lieber Herr Hans Peter,
habe ihren Kommentar mit großem Interesse gelesen. Schreiben Sie doch einen Gastkommentar.
Ich möchte hier eines noch hinzufügen. Ich bin jemand, der China kennt und Chinesisch spricht. Seit vielen Jahren. Aber sich NICHT mehr dort aufhält. Warum?
Der Text oben ist informativ und sehr anschaulich geschrieben. Ich habe ihn gerne gelesen. Doch eines ist falsch: die Passage vom „unabwendbaren Aufstieg Chinas“.
Derselbe Aufstieg wird nämlich nicht kommen, er ist vielmehr schon wieder im Abstieg begriffen, beschleunigt seit ca. 2017.
Im Folgenden ein paar ungeordnete Gedanken:
1. Brainpower
Mir ist klar, dass viele im Westen sozialisierte Chinesen sehr intelligent sind. In China werden Schüler in den Städten bis zum Gehtnichtmehr gedrillt, in „Schulen“, die eigentlich Prüfungszentren sind. Wenn ein normales Kind in China 7 Tage bis abends mit Hausaufgaben beschäftigt ist, sind – klar – die PISA-Ergebnisse in den Tier-1-Städten (Vorzeigestädte) sehr gut. Und nur dort wird getestet. Doch das trifft weder aufs Land noch auf mittelmäßige Städte zu. Chinesen im Ausland sind i.d.R. schon im Inland priviligiert. Ich behaupte, der Durchschnitts-IQ Gesamtchinas liegt nicht über Deutschland. Und obwohl in Deutschland die Unterschichtengeburten momentan noch ansteigen, darf man nicht vergessen, dass China eine Einkindpolitik betrieben hat, die gleichermaßen, teils – wegen Männerüberschus – noch hässlicher werden könnte.
2. Politisches System
Aktuell wird China regiert von einer Mafiabande gleich der DDR, oder der Sovietunion, mit ein paar Freihandelszonen, die – obwohl Privatunternehmen erfolgreicher sind – seit paar Jahren wieder zurückgefahren werden. In China herrscht so eine Art Nationalsozialismus mit technischer Totalüberwachung. Das funktioniert nicht nachhaltig, und wird demnächst kollabieren, oder vernordkoreanisieren. Warum, unten.
In China herrscht die kommunistische Partei, nicht mit Regeln, sondern mit Willkür und Polizei. Ensprechend sind Eigentumsrechte (einer der Zentralbestandteile der einzig modernen stabilen Herrschaftsform Marktwirtschaft) eingeschränkt, bzw. existieren nicht. Z.B. kann man kein Eigentum erwerben oder keine Firma besitzen. Da fummelt immer der Staat rein, und hat schlussendlich das Sagen. Wohneigentum kann man nur mit einer Art „Erbbaurecht“ begrenzt auf Zeit erwerben, aber auch eine solche Wohnung kann jederzeit enteignet werden, wenn z.B. die Straße vergrößert wird, oder wenn man ins politische Kreuzfeuer kommt, ohne dass man sich gegen Enteignung wehren kann (die Gerichte sind nicht unabhängig). Googeln Sie mal das chinesische Punktesystem. Wenn man bei Rot über die Ampel geht (überall Kameras und Gesichtserkennung) oder im Zug raucht, bekommt man Abzug, wie bei der Schufa. Dann kann man nicht mehr ins Ausland, nicht mehr mit dem Handy bezalen oder gar ins „Schulungszentrum“. In China gab es ewig, und auch nach Zusammenbruch des aktuellen Kommunismus in China, wird es wieder einen Kaiser geben (oder Könige, Vorsitzende, oder wie man sie nennt). Nie eine Gesellschaft die auf Recht, Gesetz und Gerichten basiert. Und das wird auch nicht kommen. Zu weit ist die Kultur davon entfernt. Demokraten sind verhasst, die Mehrheit wurde lange genug entsprechend getrimmt.
Blödsinn der nicht vergeht
Weil die Großeltern sich um die Kinder kümmern, verschwinden auch die dämlichsten altertümlichen Vorstellungen nicht, etwa von Gespenstern, obskuren Essensregeln, oder dem Zuoyuezi, „Monatssitzen“ (nach der Entbindung muss eine Frau 1 Monat ohne Duschen im Bett liegen und gefüttert werden). Die allermeisten Chinesinnen folgen noch heute dieser Regel aus Angst, die ihnen die Großeltern vor Nichtbeachtung eingebläut haben. Googeln sie es nach oder fragen Sie den Chinesen Ihres Vertrauens! Es ist wirklich bizarr.
3. Phlegmatisches Temperament und Konfuzianismus
Seit Jahrtausenden wurde der, ich nenne es mal Protestwille, zugunsten der Unterordnung in eine Gemeinschaft, aus den Individuen ausgetrieben. Entsprechend „unterwürfig“ sind die Chinesen im Festland. Es ist absolut Wahnsinn, angesichts dessen die Proteste in Hong Kong zu sehen, die aber auch schon wieder verstummt sind.
Ich vermute Wegen dieser Verbreitung des Konfuzianismus und dem Behaftetsein in uralten Traditionen (etwa bis zum Erbrechen Auswendiglernen alter Zeichen, Gedichte und „Weisheiten“ anstatt auf den modernen, aufgeklärten Verstand von Individuen zu setzen), deshalb wird auch nicht wirklich Wert gelegt auf Individualismus, auf individuelle Kreativität, auf individuelles geistiges Eigentum (das man dazu schützen könnte). Es gibt in China daher kein funktionierendes Patentrecht – und glauben Sie mir, es wird keines geben. Das ist dort nicht umsetzbar, schon dreimal nicht unter einer autoritären Führung, und bevor die absehbar geht, fresse ich einen Besen. Und funktionierendes Patentrecht ist ein anderer ultimativer Bestandteil zur funktionierenden Marktwirtschaft. Das wird aber von der Elite nicht verstanden, aus o.g. Gründen.
4. Kollaps der Währung, oder Insichkehrung (=Totalabschottung)
Wissen Sie, dass Chinesen ihr Geld nicht mehr ins Ausland überweisen können? Seit paar Jahren wurde dies auf 50.000 USD pro Jahr und Kopf verringert, in der Realität geht das aber seit kurzem nur noch unter massivem Papierkram und Verwendungsnachweisen (nicht etwa Immobilienkauf im Ausland!) in noch kleineren Mengen.
Warum? Weil der chinesiche Yuan-Wechselkurs zum USD fix festgelegt wurde (viel zu hoch angesetzt!) und ohne Kapitalkontrollen zu viele Chinesen ihre Ersparnisse ins Ausland überweisen würden, was den Yuan schnell kollabieren, und dann abwerten ließe. Halt mal! Abwerten? Das heißt nicht nur dass dort alles teurer würde (dazu Inflation), sondern auch, dass das aktuelle BIP Chinas schrumpfen würde um den abgewerteten Prozentsatz, ich schätze um die 50%. D.h. das reale BIP pro Kopf wäre nur grob ein Zehntel des Deutschen. Und ich glaub das kommt im Schnitt ganz gut hin, ehrlich!
Kapitalverkehrskontrollen sind übrigens notwendig, da die chinesische Regierung noch um ein Vielfaches mehr Geld druckt als die USA (!) – sonst bräuchten die USA nämlich die Kontrollen, damit die Kohle nicht nach China abflösse.
Warum drucken die Chinesen so viel Geld? Na damit jeder immer „reicher“ wird, und seine Schulden bezahlen kann. Doch dazu braucht es Wirtschaft, die kommt nicht von alleine. Und deshalb wird die Bauwirtschaft bis zum Erbrechen staatlich gefördert (staatlich = immer hochgradig korrupt). Ein Drittel der chinesischen Wirtschaft ist Bauwirtschaft. Die bauen die ganzen Geisterstädte. Es gibt hunderte Millionen leerer Wohnungen in China im Rohbauzustand (in der allermiesesten Bauqualität, Betonmischungen mit vieeeel zu viel Sand, die sich nach wenigen Jahren auflösen, „Edelstahl“ der rostet, Kunststoff der bald zerbröselt). Kein Scheiß, ich hab es selbst gesehen. Es gibt nicht genug Menschen diese zu bewohnen. Es wäre ein eigenes Kapitel zu erklären, warum das noch nicht kollabiert ist. Chinesen müssen übrigens immer reicher werden, um ihre riesigen Schulden zu bezahlen (z.B. Kredite für diese Schrottimmobilien).
Es ist ein Wunder, dass der Laden doer überhaupt noch läuft. Ich würde sagen, das steht heute, Stand 2020, ander Kippe zum Kollaps. Die EU wirkt dagegen regelrecht stabil. Könnte (ich schätze wird) aber von einem fetten Immobiliencrash, nein, Gesamtcrash im Osten auch schnell in ihre Einzelteile zerlegt. Sofern der Crash dort kommt.
Diverses
Viele Chinesen dürfen nicht reisen, bekommen keinen Reisepass. Den braucht man dort nicht. In China gibt es eine eigene ID, so eine Art Personalausweis. Das Internet ist hochgradig zensiert. Selbst VPNs werden jetzt angegangen. Viele Westler sind haben China schon verlassen, oder sind im Begriff ihre Koffer zu packen. Googlen Sie mal „why I left China“. Die Propaganda im Land ist hanebüchen, und wird immer unangenehmer, auch teils gegen Ausländer, schon vor Corona. ALLE Zahlen die aus China veröffentlicht werden, egal ob Corona, Wirtschaftswachstum, vermutlich sogar Bevölkerung, ist fake und vielleicht GANZ anders. Tatsächlich ist Chinas Wirtschaft seit spätestens 2019 schon am Schrumpfen. Seit Corona stark. Wenn die weiterhin Wachstum vermelden, ist das die pure Lüge. Das ist DDR, oder sogar noch schlimmer! Man kann sich als Externer nur sehr schwer ein vernünftiges Bild machen, weil man keinen Kontakt zu den echten Chinesen jenseits der Großstädte, oder denen auf dem Land bekommen kann. Die Studenten in Deutschland, Praktikanten oder Arbeiter sind (oder deren Eltern) oft Günstlinge mit guten Beziehungen zur Partei, und daher China-Lober, oder haben Angst um ihre Familie zu Hause, wenn sie Negatives sagen. Kein Scheiß!
Chinas Wirtschaft besteht im Wesentlichen aus Bauwirtschaft, Energie, Banken und Versicherungen, High Tech und ausländischen Fabriken. Das Ausland geht raus, High Tech hat eigentlich nur einen Namen: Huawei, und der geht gerade durch Sanktionen an den Arsch, weil sie keine westliche Mikrochips mehr kaufen können – und die können die staatlichen Firmen halt nicht selbst produzieren. Nein, die sind nicht am Aufholen, oder gar überholen – das ist Propaganda von „CCTV“ und fragwürdiger westlicher Berichterstattung. China kauft die wesentlichen Komponenten ein und schraubt im Lande nur zusammen. Echte Wertschöpfung findet in China kaum, sondern im Ausland statt. Deshalb hat Samsung auch so problemlos ALLE Handy-Produktion ins Ausland verlagern können. Alles staatliche funktioniert dort genauso schlecht wie in jedem Sozialismus. nur auf Kosten der Zukunft mit massiven Förderungen, etc. pp. Was am Ende bleibt ist ein Agrarstaat der gerade noch Plastikspielzeug und Kleidung herstellen kann. Das chinesische Miltär ist bis auf die Knochen korrupt, Vitamin B steigt im Rang auf (googlen Sie mal General Mao Xinyu, den popelnden Obergeneral der Streitkräfte). Flugzeugträger funktionieren nicht bei Nacht, und Soldaten sind oft die einzigen Söhne einer Familie = die Moral ist möglicherweise nicht die beste.
China (nicht die hübschen Touri-Vorzeige-Städte Shanghai, Beijing oder Shenzhen, sondern draußen die Realität, bspw. Wuhan, oder dessen Umland etc.) verbinde ich mit oft sehr herzlichen, lebensfrohen Menschen, einerseits sehr ehrlich und aufrichtig, aber wie gesagt auch Phlegmatismus, gewaltiger Fehlplanung an allen Ecken und Enden, großem Schlendrian, nirgends so etwas wie „Sorgfalt“ oder „Gründlichkeit“, wahnsinnige Umweltverschmutzung, konservativer Tradition, Spielsucht, Geldgier, gigantischen Reichtum und riesiger Armut praktisch nebeneinander, Ratten am Abend, Prüfungswahnsinn, Hunderestaurants (genauso wie Deutsche mancherorts Pferd essen), Nahrungsmittelskandale (weil es keine seriösen Tests gibt), Verzweiflung, teils Patriotismus bei den Jungen, obwohl ALLE Politiker ihre Kohle (und oft auch Kinder, z.B. Xi Jinping) ins Ausland schicken, zum Klassenfeind, wenigstens zum Studium. Immer das Gleiche.
Aber dem schiebt die USA jetzt immer mehr Riegel vor. Nicht unbedingt nur Trump, sondern der Senat hinter Trump, und das Militär, also der „deep state“. Die durchschauen zunehmend wie China westliche Medien beeinflusst, fast alle internationalen Institutionen gekauft hat (WHO, UN, WEF, Weltbank usw.). Man erkennt das immer gleich, wenn man auf deren Website nach „Taiwan“ sucht. Gilt Taiwan dort als „Taiwan / China“, dann ist die Institution kurrumpiert. China klaut und unterbietet kreative Erfinder mit Billigkopien. Das ist unfair, und deshalb verabschieden sich bald alle ausländischen Firmen aus dem Festland (außer die Deutschen, die hängen mal wieder hintendran), wodurch die Qualitätskontrollen dort wegfallen – und Staatswirtschaft kann keine Qualität. China steckt zu Teilen hinter der linken Antifa (zur Destabilisierung), Genderscheiß, vielleicht sogar teils hinter dem Klimahype. Und hinter Corona! Letzteres aber vermutlich unabsichtlich.
Und all dies zusamnmen dürfte den Laden entweder schon bald – unerwartet?! – entweder zum Einsturz bringen, oder sie werden sich wie Nordkorea immer mehr abschotten, alle Ausländer ausweisen (Visa nicht verlängern) und die Grenzen zumachen. Gesichert vor Eindringlingen mit eigenen Nuklearwaffen. Dann steht im Innern der nächste „Große Schritt“ bevor, bei dem es wieder gewaltige Hungertote geben könnte. Aber der Westen bekommt nichts mit, der ist dann nämlich draußen. Die Leute tun mir unendlich Leid. Wie gesagt, die meisten sind echt tolle, lehrreiche Menschen die mir tief ans Herz gehen.
So, hier höre ich mal auf. Vielleicht list das ja jemand.
Wie wäre es mit einem Gastbeitrag?
Großartiger Text – vielen Dank.
Ohne China zu kennen, um mehr zu erfahren und aus purem Interesse – habe ich „Die lautlose Eroberung“ (Olive Hamilton, Marike Ohlberg) als Hörbuch derzeit „in Arbeit“. Mein Eindruck beim Hören deckt sich mit dem von Ihnen Geschilderten.
Lieber Hans Peter, bitte mehr davon!
Unterstütze Herrn Goergen, ein Gastbeitrag wäre wunderbar!
Zitat Hans Peter: „Vielleicht ließt das ja jemand.“ — Na hoffentlich ließt das jemand!
Aus einen völlig anderen Grund heraus habe ich kürzlich das „Vergnügen“ gehabt, mir die langfristige Absichtserklärungssammlung der rot-chinesischen Regierung — auch „Dreizehnter Fünf-Jahresplan“ genannt — zu Gemüte zu führen.
Sie bzw. er stellt vielleicht für den einen oder anderen Interessierten eine Ergänzung zu dem hervorragenden Beitrag von Hans Peter dar.
Der 210-Seiten-Spaß (in englischer Version) ist (u.a.) unter der Adresse (ich hoffe, sie kommt durch)
https://www.uscc.gov/research/13th-five-year-plan
zu finden.
Noch ein Nachtrag:
Zitat Hans Peter: „China steckt zu Teilen hinter der linken Antifa (zur Destabilisierung), Genderscheiß, vielleicht sogar teils hinter dem Klimahype.“
Zu dem Thema Antifa sowie auch Unterwanderung und wo eigentlich die Eliten der DDR hin „verschwunden“ sind, hat sich kürzlich (der eine oder andere wird es verfolgt haben) ein „emotional sehr beteiligter“ (oder schlicht formuliert auch „sichtlich angefressener“) Hans-Georg Maaßen in einem Vortrag geäußert.
Eine Aufzeichnung dürfte bei YouTube unter dem Titel „30 Jahre deutsche Einheit“ zu finden sein.
Fantastischer Kommentar. Ich kann nicht alles beurteilen was Sie da schreiben, da China nicht mein geopolitischer Schwerpunkt ist, aber was ich beurteilen kann, deckt sich eins zu eins mit meiner Einschätzung.
China exerziert derzeit einen Staatskapitalismus mit Gleichschaltungssystematik, der in der Tat stark an den Nationalsozialismus erinnert.
Was letztlich nicht wundert, denn die Ausgangsbasis die dies hervorgerufen hat, ist durchaus vergleichbar, mit dem Deutschland kurz nach Reichsgründung und dem daraus folgenden wirtschaftlichen und machtpolitischen Wildwuchs. Man entwickelt sich plötzlich zu einer geopolitischen Macht, es fehlt aber an gesellschaftlicher Reife, diesen Wildwuchs in die richtigen Bahnen zu leiten.
Einfach ausgedrückt: China ist derzeit (wie damals Deutschland) ein Jugendlicher, der gerade aus der Pubertät herausgewachsen ist.
Ein „Halbstarker“ mit enormer Körperkraft, aber mangelnder Orientierung auf der Weltbühne und dem richtigen Riecher für den Umgang mit der Weltgemeinschaft.
Was im obigen Artikel ja auch genannt wird: Gesellschaftliche Entwicklungen brauchen Generationen. Wirtschaftliche und militärische Entwicklung geht bisweilen deutlich schneller. Was dann zu Problemen führt.
Ob das so wirklich schnell zusammenbricht? Ich habe Zweifel.
Wir sehen China immer durch die Filter unserer westlichen Sozialisation. Die Chinesen uns umgekehrt durch ihre.
Was bei uns nie und nimmer funktioniert, kann woanders schon funktionieren. Wo blüht schon die Kultur in einer strengen Klassen bzw. Kastengesellschaft unter einer fremdenfeindlichen, isolationistischen Militärjunta? Im japanischen Mittelalter war das der Fall.
Und China existiert auf seine verquere Weise auch schon seit Jahrtausenden. Chinesen denken hierachisch, Konfuzius sei dank. Also herrschten damals Mandarine und tun es heute wieder. Chinesen sind kollektivistischer als Westler, doch das trifft auf ganz Asien zu.
Die Chinesen sind, nochmal danke, Konfuzius, fleißig und strebsam. Und jetzt hat dieses emsige Millardenvolk eine weit verbreitete Technologie-Basis. Ob sie nun moderne Chips bauen können oder nicht, sie haben jede Menge technologisch gebildete Bevölkerung. Will sagen, der Geist ist aus der Flasche und geht nicht mehr zurück.
Kaputte Regime zerbrechen natürlich immer irgendwann wirtschaftlich, aber was heißt das schon, solange der Staat ( bzw. das Volk) zusammenhält? Höchstens ist Tibet raus, aber auch das glaub ich nicht, die wurden zu sehr kolonisiert. China wird sich nicht auflösen, wird nicht überrannt, verschwindet nicht aus der Geschichte. Daran ändert ein Immobiliencrash auch nichts. Dann wird wieder reformiert oder revolutioniert, und am Ende gibt es wieder eine Form der Mandarine, nur machen die es besser. Bis das System wieder versifft, verschlackt, und erneut implodiert. Aufstieg und Fall. Aber China gibt es am Ende immer noch.
Unser Fall dagegen tilgt uns als Volk aus der Geschichte. Es werden auch hier in Mitteleuropa noch in vielen hundert Jahren Menschen leben, aber die werden sich nicht mehr Deutsche nennen. Von uns bleibt nur ferne Geschichte, so wie wir heute gerade mal die Namen von ein paar germanischen Stämmen kennen und eine alte „Legende“ von wandernden Völkern. Aber vielleicht bleibt nicht mal das, nur ein groteskes Zerrbild der Ureinwohner.
Pardon…“ASIATISCHE“ dürfte wohl korrekter sein….
Um das zu untermalen gestatte ich mir Ihnen ein Buchtip anheim zu stellen, der das asiatische einschließlich China vortrefflich erklärt und für unsere Zukunft mit Asien interessante Überlegungen darbietet.
Parag Khanna…“Unsere ASIATICHER ZUKUNFT“
China braucht gar nicht mehr in die „Modern“. Weil die Moderne im Westen gerade den Weg Chinas zurück in die Tyrannei geht. Da trifft man sich dann bestenfalls in der Mitte. Ich fürchte aber noch schlimmer: ganz unten!
Wenn man vor 40 Jahren Asien außerhalb Chinas besuchte und des späten Abends durch ein malaysisches oder indonesisches Städtchen spazierte war in einigen Hütten noch Arbeitsgeräusche zu hören. Falls man sich dann vergewisserte wer dort werkelte, war klar das es dort Chinesen waren. Nach den schlechten Erfahrungen , vor allem beginnend 1842 durch die Europäer und speziell den Briten, ist es das Ziel der Gedemütigten, solange daran zu arbeiten bis sie uns die Hochtechnologie verkaufen , und wir ihnen die Haushaltsprodukte liefern. Sollten dann eines Tages einige chinesische Flugzeugträger zum Freundschaftsbesuch in einem europäischen Hafen vor Anker gehen, ahnen wir, das eine schwierige „ Moderne“ beginnen wird.
Als alter Tibetaktivist habe ich mich vor 20 Jahren intensiv mit China beschäftigt. Auf mehreren Tibet- und Chinareisen konnte ich auch ein klein wenig von China verstehen lernen.
Vor 15 Jahren fragte ich einen gut befreundeten, in Deutschland lebenden Exiltibeter, wie groß die Wahrscheinlichkeit (Hoffnung) sei, dass China dasselbe Schicksal erleidet, wie die Sowjetunion. Mein tibetischer Freund antwortete: Lieber W, wenn du China verstehen willst, musst du dir immer folgender Tatsache bewusst sein. China hat historisch bedingt vor zwei Dingen panische Angst. Das sind Hunger und Chaos. Jede chinesische Führung wird alles tun um diese beiden Gefahren zu verhindern.
Als jemand, den früher eine Haßliebe mit China verband, muss ich mittlerweile konstatieren, dass China verdammt viel richtig macht. Zumindest arbeitet die chinesische Führung nicht in dem Ausmaße gegen die eigenen Bürger, wie dies die deutsche Regierung macht. Zum Thema Kopieren. Gunnar Heinsohn pflegt zu sagen, China kopiert nicht nur, sondern es kapiert es auch. Spendieren sie einem x-beliebigen afrikanischen Staat mal Blaupausen komplexer Konstruktionspläne. Da besteht keine Gefahr, dass damit eine mit Europa konkurrierende Industrie aufgebaut wird, war man dort ja nicht mal in der Lage Eisenbahnlinien, die die Kolonialverwaltungen hinterließen in einem bestandserhaltendem Zustand zu warten.
Zitat askja: „war man dort ja nicht mal in der Lage Eisenbahnlinien, die die Kolonialverwaltungen hinterließen in einem bestandserhaltendem Zustand zu warten.“
Richtig! Das tun jetzt auch die Chinesen. Und sie bauen zusätzlich neue. Die westliche Welt schaut zu und wirft noch „Entwicklungshilfe“ hinterher.
Daran stimmt alleine, dass der Chinese gerne nach dem Prinzip „caveat emptor“ vorgeht. In der Pharmazie jedenfalls werden chinesische Unternehmen (Wirkstoffhersteller) regelmäßig von westlichen Offiziellen inspiziert und schneiden heute dabei üblicherweise besser ab als ihre europäischen Pendants. Ich habe etliche Jahre in dieser Branche mein Geld verdient und gesehen, dass die Chinesen sehr wohl „Qualitat können“, wenn es sich unter dem Strich für sie auszahlt.
Die Chinesen „können Qualität“, bspw. immer dann, sobald die alten verschlissenen Werkzeuge durch neue ersetzt werden. Die Kritik an mit den schlechteren Werkzeugen hergestellten Produkte samt der Fertigungserfahrung fließt in die Konzeption der neuen Werkzeuge (und des Fertigungsprozesses insgesamt) mit ein.
Zitat Onan der Barbar: „Ich habe etliche Jahre in dieser Branche mein Geld verdient und gesehen, dass die Chinesen sehr wohl „Qualitat können“, wenn es sich unter dem Strich für sie auszahlt.“
Eben! In vielen (wenn auch nicht in allen) Produktionsbereichen geht diese Entwicklung in Stufen voran. Sobald sich die Kosten für alte Anlagen etc. amortisiert haben, wird in die höherwertigen neuen investiert.
Im Übrigen muß China nicht das Prokopfeinkommen von Deutschland oder gar der U.S.A. erreichen, um seine politische Macht noch weiter auszubauen. Es ist, was das angeht (BIP), erst etwa auf dem Stand von Bulgarien. Selbst wenn es noch einen Niedergang erleben sollte, werden wir vorher noch größere Probleme bekommen, wenn die westliche Politik im Allgemeinen und die deutsche im Speziellen sich nicht bald ändert.
Bezüglich des Fazits: Nichts anderes predige ich schon seit 20 Jahren. Nur will es keiner hören. Man dünkt sich immer noch überlegen in Europa, obwohl man selbst gegenüber Teilen Südamerikas allmählich den Anschluss verliert, geschweige denn gegenüber Asien.
Und auch die europäische Geschichte in Dynastien bzw. im fernöstlichen Denken betrachtet birgt so manch interessante Idee. Es wäre es wert, dies in Buchform zu bringen …
Als das Ganze studiert Habender, asiatischer Sprachen Mächtiger und in Asien gelebt Habender möchte ich zur derzeitigen „Verfassung“ Chinas Folgendes anmerken:
Für mich ist die Herrschaft durch das Erbkaisertum (wiewohl da immer ziemlich viele potenzielle Erben vorhanden waren) einer Herrschaft durch ein Wahlkaisertum gewichen. Die Wählenden sind zu einem großen Teil tatsächliche Leistungsträger und nicht – mit Verlaub – überwiegend Vollidioten, Nichtsnutze und Nichtskönner wie in so manchen europäischen Parlamenten. Dies macht das chinesische System – derzeit! – dem europäischen gegenüber so himmelhoch überlegen. Das kann man nun gut finden oder schlecht, es ändert schlicht nichts an den Tatsachen …
Die Zeit der Streitenden Reiche dauerte gut 250 Jahre. Ähnliches könnte auch Europa blühen. Das darauf folgende politische System wird ein anderes sein.
Der Weg in die Moderne wurde von der Dummheit, und der Gier des Westens gepflaster. Da war eben ein Volk von Billiagarbeitern, denen man nicht zutraute westliche Technologie abzukupfern. Jetzt ist der Katzenjammer groß, und man sitz in wenigen Jahrzehnten am Katzentisch.
In der VR China (Hongkong ausgenommen) selber spielen heute wirkliche Oppositionelle nur eine marginale Randrolle. In der chinesischen Bevölkerung kennt kaum ein Mensch jemanden wie Liu Xiaobo. China hat im 20. Jahrhundert reichlich Experimente mit Utopien, Idealismus und ideologischen Heilsversprochungen unternommen. Diese mündeten in viele Katastrophen, etwa den Grossen Sprung nach Vorne oder die Kulturrevolution. Die Chinesen sind daher auf absehbare Zeit gegen solche Versprechungen geimpft. In vielen Chinesen steckt eine tiefe Angst vor der Rückkehr chaotischer Zustände mit einem Kampf von allen gegen alle wie in der Kulturrevolution. Zynismus ist weit verbreitet. Viele Menschen glauben etwa, dass sich Korruption kaum vermeiden liesse, denn egal wer auch immer an die Macht käme, würde dafür anfällig werden. Die Menschen in China merken, dass sich ihr Land wirtschaftlich im Aufstieg befindet und dass sie darauf hoffen können, dass es ihnen und ihren Kindern in den nächsten Jahrzehnten immer besser gehen wird. Die wenigsten sind daher an politischen Experimenten interessiert, weil man nicht weiss, wie sie ausgehen könnten, ein abschreckendes Beispiel ist etwa der „Arabische Frühling“. Machtmissbrauch der KP und fehlende freie Meinungsäusserung werden dafür in Kauf genommen. Solange die wirtschaftliche Erfolgsgeschichte anhält, wird die Mehrheit der chinesischen Bevölkerung an ihrer Regierung festhalten, und die chinesische KP (an der ausser dem Namen kaum noch etwas im ursprügnlichen Sinne wirklich „kommunistisch ist“) dürfte noch für längere Zeit fest im Sattel sitzen. Sollte das wirtschaftliche Erfolgsmodell jedoch einmal ins Stocken kommen, kann sich die Haltung in der Bevölkerung dann auch schnell radikal umkehren. In chinesischen Staatsmedien wird der Westen, allen voran die USA, bezüglich ihrer Bekundungen, für Werte wie Demokratie einzutreten, als Heuchler dargestellt. Die Chinesen merken auch, dass es in den USA letztlich nicht die Wähler sind, die ihren Präsidenten bestimmen, sondern mächtige Lobbygruppen, die über Vergabe von Wahlkampfspenden die eigentlichen Königsmacher sind.
Der Weg in die Moderne ist nur einem zu verdanken, dem Kommunisten Deng Xiaoping, der im Nachahmereffekt anderer zur Vernunft gekommen ist und mit Hilfe des Westens wurde große Aufbauleistung erbracht und als kleines Rädchen damals war ich einer davon, aber mit ungeheueren Erkenntnissen versehen, die heute eine abschließende Beurteilung zulassen, weil spätere Generationen es zwangsläufig nicht verstehen können.
Die Chinesen haben es ab dieser Zeit sehr geschickt verstanden westliche Unternehmen zu ködern, aber immer mit dem Gedanken die eigenen Hoheit zu verteidigen und der Grundtenor lag deshalb zumindest in der Anfangsphase noch darin, Know How im Lande entstehen zu lassen um es natürlich im eigenen Interesse zu fördern, auch durch stetiges abkupfern um eine eigenständige Wirtschaft aufzubauen, fern ab jeglichen Mitspracherechts durch die Minderheitsklausel unter 50%.
In diese Falle sind sehr viele westliche Unternehmen hineingetreten, indem sie ihre heimische Wirtschaft dadurch geschwächt haben und immer mehr in die Abhängigkeit der Chinesen geraten sind und das beste Beispiel ist der größte Autobauer hierzulande, der seinen größten Absatzmarkt in China besitzt und dabei hochgradig vom Wohl und Wehe der Regierenden abhängig ist.
Der Weg vom Friendship-Store und Spuknapf bis hin zu Mc Donalds war nicht nur ein weiter, er war ein sichtbarer Meilenstein in der Entwicklung eines kommunistischen Landes und sie haben schon damals in weiser Voraussicht ein Gegenzentrum am Perlenfluß zu Hongkong aus dem Boden gestampft um für die Übernahme gerüstet zu sein und nicht umsonst hat ihr Vordenker mit seinem Fünfzig-Jahresplan alles in weiser Voraussicht in die Wege geleitet und während es bei ihnen immer noch aufwärts geht, treibt uns hier die Spirale nach unten und Nutznießer werden nicht nur China sein, sondern auch andere asiatische Staaten wie Indien in ganz vorderer Reihe und wir schlafen vor uns hin und glauben noch der Nabel der Welt zu sein, was die Chinesen schon vor hunderten von Jahren für sich erkannt haben und den Himmelstempel in Peking als Mittelpunkt der Welt errichtet haben und keineswegs daran denken, sich an den Rand schieben zu lassen, das werden wir erleiden, weil wir durch stetige Fehleinschätzung uns selbst ruinieren und die anderen damit nach oben kommen, was wir auch nicht mehr verhindern können.
China ist ein Buch mit sieben Siegeln auch heute noch und keine Langnase dieser Welt wird jemals hinter ihre Stirn sehen können, das ist nicht möglich, weil ihre Jahrtausende alte Kultur, sowas von gegensätzlich zu unserer steht und auch die Öffnung nach außen zu wenig Zeit beinhaltet um sie wirklich zu verstehen, selbst in kleinsten Zusammenhängen konnten große Irritationen entstehen, die bis heute so weitergehen, zumindest nach Aussagen meiner bis heute bestehenden Verbindungen, aber durch die Art und Weise der gebotenen Höflichkeit nach außen immer übertüncht werden und eine immerwährende Fehleinschätzung aufkommen lassen und selbst die Briten haben mit dem Hongkong-Vertrag zum Schluß noch erleben müssen, was Verträge mit China bedeuten, relativ wenig nach außen, nach innen schon, aber das berührt uns nicht, weil wir es ehedem nicht verstehen.
Auch ich durfte als kleines Rädchen bereits vor über 40 Jahren am Know-How-Transfer teilnehmen.
Meine erste Arbeitsstelle als Bauingenieur habe ich in der Auslandsabteilung eines Unternehmens in Duisburg angetreten. Unsere Aufgabe bestand damals darin, für die kompletten Fundamente für ein Nahtlosrohrwalzwerk den statischen Standsicherheitsnachweis und die Konstruktionszeichnungen zu erstellen. Baustelle in Baoshan ( Shanghai ) am Yangtse. Die Anlage wurde geplant und gebaut von Mannesmann-Meer in Mönchengladbach. Damals der Spezialist auf dem Weltmarkt.
Kurz noch zur Illustration für den Laien. Das gesamte Gelände hat eine Ausdehnung von etwa 1000 x 1500 m. Alleine die Haupthalle ist 600 x 1200 m groß. Ein Fundament für einen Walzstrang kann mal leicht mehrere hundert Meter lang und bis zu 10 m hoch ( tief ) sein und mit zahlreichen Hohlräumen für Hilfs- und Nebenaggregaten versehen sein.
Schon damals haben wir im Kollegenkreis nur noch den Kopf geschüttelt, über die Naivität einem totalitären Regime, mit damals schon ausgesprochenem Weltmachtanspruch als Ziel, eine derartige Anlage zu liefern. Es kam dann ja auch wie vorauszusehen. Keine 10 Jahre später konnten nicht nur die Chinesen die europäischen Hersteller der nahtlosen Großrohre vom Markt verdrängen.
Nur ein Beispiel für viele Technologiebereiche die noch folgen sollten.
Erstaunlich jetzt, dass unsere Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft „schon“ nach 40 Jahren diese Strategie erkannt haben.
Bin zwar Wessi, habe aber gewisse Erfahrungen mit der DDR. Ihre Einschätzung kann ich voll bestätigen.
Humor, die bescheidene Darstellung eigener Kenntnisse über die chinesische Kultur sowie Geschichte und geistige Getränke können zusätzlich helfen, das gegenseitige Verstehen und die Offenheit im Dialog zu fördern. Ich glaube, da haben viele, speziell Wessis, noch einiges zu lernen.