Als im Juni letzten Jahres Benedikt XVI. Deutschland besuchte, lag es in der Natur des Anlasses, dass dies kaum öffentliche Beachtung fand. Er kam als emeritierter Papst, mehr Joseph Ratzinger als Benedikt, in seine bayrische Heimat nach Regensburg, vor allem um seinen moribunden Bruder zu besuchen.
Das war 2011 anders. Der Staatsbesuch des deutschen Papstes war nicht nur ein mediales Großereignis. Benedikt XVI. hielt am 22. September 2011 vor dem Bundestag eine Rede, die in der Geschichte des deutschen Parlaments einen bleibenden Eindruck hinterlassen hat.
Der Papst sprach, wie er eingangs sagte, „vor dem Parlament meines deutschen Vaterlandes“, aber er sprach zu den Abgeordneten nicht oder nicht nur als „Landsmann, der sich lebenslang seiner Herkunft verbunden weiß und die Geschicke der deutschen Heimat mit Anteilnahme verfolgt“, sondern „als Papst, als Bischof von Rom, der die oberste Verantwortung für die katholische Christenheit trägt“. Das Parlament anerkannte damit, wie Benedikt feststellte, „die Rolle, die dem Heiligen Stuhl als Partner innerhalb der Völker und Staatengemeinschaft zukommt. Von dieser meiner internationalen Verantwortung her möchte ich Ihnen einige Gedanken über die Grundlagen des freiheitlichen Rechtsstaats vorlegen.“
»Nimm das Recht weg – was ist dann ein Staat noch anderes
als eine große Räuberbande.«
Augustinus
Natürlich werde ein Politiker den Erfolg suchen, der ihm überhaupt die Möglichkeit politischer Gestaltung eröffnet. „Aber der Erfolg ist dem Maßstab der Gerechtigkeit, dem Willen zum Recht und dem Verstehen für das Recht untergeordnet. Erfolg kann auch Verführung sein und kann so den Weg auftun für die Verfälschung des Rechts, für die Zerstörung der Gerechtigkeit. ‚Nimm das Recht weg – was ist dann ein Staat noch anderes als eine große Räuberbande‘, hat der heilige Augustinus einmal gesagt. Wir Deutsche wissen es aus eigener Erfahrung, dass diese Worte nicht ein leeres Schreckgespenst sind. Wir haben erlebt, dass Macht von Recht getrennt wurde, dass Macht gegen Recht stand … Dem Recht zu dienen und der Herrschaft des Unrechts zu wehren ist und bleibt die grundlegende Aufgabe des Politikers.“

Eine katholische Familie unter der Naziherrschaft
Der frühere Professor der Theologie Joseph Ratzinger hält den Bundestagsabgeordneten nun eine Vorlesung über die christlich-naturrechtlichen Grundlagen unserer Rechtsordnung und ein flammendes Plädoyer für die Rückbesinnung auf diese.
„In der Geschichte sind Rechtsordnungen fast durchgehend religiös begründet worden: Vom Blick auf die Gottheit her wird entschieden, was unter Menschen rechtens ist. Im Gegensatz zu anderen großen Religionen hat das Christentum dem Staat und der Gesellschaft nie ein Offenbarungsrecht, eine Rechtsordnung aus Offenbarung vorgegeben. Es hat stattdessen auf Natur und Vernunft als die wahren Rechtsquellen verwiesen – auf den Zusammenklang von objektiver und subjektiver Vernunft, der freilich das Gegründetsein beider Sphären in der schöpferischen Vernunft Gottes voraussetzt.“
Und weiter: „Für die Entwicklung des Rechts und für die Entwicklung der Humanität war es entscheidend, dass sich die christlichen Theologen gegen das vom Götterglauben geforderte religiöse Recht auf die Seite der Philosophie gestellt, Vernunft und Natur in ihrem Zueinander als die für alle gültige Rechtsquelle anerkannt haben. Diesen Entscheid hatte schon Paulus im Brief an die Römer vollzogen, wenn er sagt: ‚Wenn Heiden, die das Gesetz (die Tora Israels) nicht haben, von Natur aus das tun, was im Gesetz gefordert ist, so sind sie … sich selbst Gesetz. Sie zeigen damit, dass ihnen die Forderung des Gesetzes ins Herz geschrieben ist; ihr Gewissen legt Zeugnis davon ab …‘ (Röm 2,14f).

Peter Seewald: „Einen wie ihn wird es nicht mehr geben“
Wo die alleinige Herrschaft der positivistischen Vernunft gilt – und das ist in unserem öffentlichen Bewusstsein weithin der Fall –, da sind die klassischen Erkenntnisquellen für Ethos und Recht außer Kraft gesetzt. Dies ist eine dramatische Situation, die alle angeht und über die eine öffentliche Diskussion notwendig ist, zu der dringend einzuladen eine wesentliche Absicht dieser Rede ist. […]
Wo die positivistische Vernunft sich allein als die genügende Kultur ansieht und alle anderen kulturellen Realitäten in den Status der Subkultur verbannt, da verkleinert sie den Menschen, ja sie bedroht seine Menschlichkeit. Ich sage das gerade im Hinblick auf Europa, in dem weite Kreise versuchen, nur den Positivismus als gemeinsame Kultur und als gemeinsame Grundlage für die Rechtsbildung anzuerkennen, alle übrigen Einsichten und Werte unserer Kultur in den Status einer Subkultur verwiesen und damit Europa gegenüber den anderen Kulturen der Welt in einen Status der Kulturlosigkeit gerückt und zugleich extremistische und radikale Strömungen herausgefordert werden.

Vom virtuellen Konzil der Medien zum marxistischen Messianismus
Die Bedeutung der Ökologie ist inzwischen unbestritten. Wir müssen auf die Sprache der Natur hören und entsprechend antworten. Ich möchte aber nachdrücklich einen Punkt noch ansprechen, der nach wie vor meist ausgeklammert wird: Es gibt auch eine Ökologie des Menschen. Auch der Mensch hat eine Natur, die er achten muss und die er nicht beliebig manipulieren kann. Der Mensch ist nicht nur sich selbst machende Freiheit. Der Mensch macht sich nicht selbst. Er ist Geist und Wille, aber er ist auch Natur, und sein Wille ist dann recht, wenn er auf die Natur hört, sie achtet und sich annimmt als der, der er ist und der sich nicht selbst gemacht hat. Gerade so und nur so vollzieht sich wahre menschliche Freiheit.“
Stimmt, denn der Mensch is‘ a Viech.
Lieber Herr Knauss,
vielen Dank für diesen Beitrag und Erinnerung an diese Rede!
In diesem Zusammenhang möchte ich auf Vera F. Birkenbihl und ihre Vorträge, auf Youtube zu sehen, hinweisen. Einmal Männer und Frauen und MännerFrauen in denen sie nachweist, wie Menschen manipuliert werden sogar wider ihrer Natur. Der Mensch hat eine innenwohnende Natur die man nicht ändern kann es sei denn mit großem Leid für die Betroffenen z.B. Kinder in ein anderes als ihr biologisches Geschlecht zu zwingen. Auch die in ihm geprägte Vernunft die man nicht unterdrücken kann. Vieles was uns heute als Freiheit verkauft wird, ist wider der Natur und wider der Vernunft(Genderismus). Die Ausnahmen, die von der Evolution hervorgebracht werden, sind marginal und betreffen sehr sehr wenige Menschen werden aber werden für alle als Gemeingültig hingestellt. Darin liegt keine Freiheit. Das Recht etwas zu tun heißt noch lange nicht die Pflicht etwas zu tun. Das findet sich auch in unserem Rechtssystem was auf die christliche Lehre aufbaut und sich fundamental vom Islamischen unterscheidet. Im Christlichen darf man alles tun was nicht ausdrücklich verboten ist. Im Islamischen ist alles verboten was nicht ausdrücklich erlaubt ist. Dazu gibt es noch nicht näher definierte gesellschaftliche und sittliche ungeschriebene Gesetze. Diese beschreibt Freiherr von Knigge in seinem berühmten aber kaum gelesenen Buch Über den Umgang mit Menschen. Kaum gelesen denke ich, weil sonst die Menschen nicht so miteinander umgehen würden wie sie es tun. Eigentlich sollte das Pflichtlektüre an den Schulen sein denn grundlegende soziale Kompetenz bringt der Mensch von Natur aus mit aber gesellschaftliche Kompetenz muß erlernt werden. Menschen die andere Menschen aus den unterschiedlichsten Gründen mit Haß entgegentreten, sind nicht von Natur aus „böse“ Menschen, sie haben nur nie gesellschaftliche Kompetenz gelernt in der es auch um Verständnis des anderen, Toleranz(heißt nicht umsonst erdulden, ertragen) und vieles mehr geht. Im Prinzip, so meine Meinung, ist unsere Gesellschaft voll mit Menschen die keine gesellschaftliche Kompetenz(gelernt) haben und ihre eigene Interessen und Meinungen egoistisch über alle anderen stellen. Wenn sich diese Menschen auch noch in größeren Gruppen zusammenfinden üben sie auf die anderen Druck(Medial) aus die widerum ihre gesellschaftliche Kompetenz verteidigen müssen. Leider werden die einen immer mehr und die anderen immer weniger.
In diesem Sinne bin ich ausnahmsweise mal völlig bei Joseph Ratzinger.
Karl Popper hat im Toleranzparadoxon Ihren letzten Absatz vertieft betrachtet: „Uneingeschränkte Toleranz führt mit Notwendigkeit zum Verschwinden der Toleranz. Denn wenn wir die uneingeschränkte Toleranz sogar auf die Intoleranten ausdehnen, wenn wir nicht bereit sind, eine tolerante Gesellschaftsordnung gegen die Angriffe der Intoleranz zu verteidigen, dann werden die Toleranten vernichtet werden und die Toleranz mit ihnen.“
Wir scheinen mit der Masse schon lange da gelandet, wo es nicht mehr gut für uns werden kann.
Leider hat die Rede von Benedikt bei den Politikern wohl nichts weiter bewirkt, sonst hätten wir heute nicht die Zustände, die Augustinus schon beschrieben hat!
Ein Event für viele Politiker wie nach einem Theaterbesuch. Es wird danach 14 Tage darüber gesprochen, wo und was man anschließen gegessen hat, über das Thema auf der Bühne wird kaum mehr ein Wort verloren!
Wenn wir mehr Menschen mit der wissenschaftlichen und vor allem geistig-moralischen Bildung eines Joseph Ratzinger in verantwortlichen Positionen hätten, ginge es uns allen erheblich besser! Was dagegen unsere „staatliche Verantwortungsgemeinschaft“ so zu bieten hat, verschlägt einem nur noch die Sprache!
Benedikt benennt an anderer Stelle die Konsequenzen seiner Gedankenausführungen: „Die Diktatur des Relativismus.“ Aus dem Logos folgt kein Ethos, aus dem Sein kein Soll, aus der Falsifizierbarkeit kein positives Recht. Der heutige Zeitgeist folgt keinem von Gott auserwählten Führer, sondern erhebt jeden einzelnen Menschen zu einem Gott gleichen Wesen. Ich bin selbstbestimmt! Ich bestimme meinen Tod, mein Geschlecht, mein Pronomen. Das ganze wird pseudowissenschaftlich begründet. Ja, pseudo! Da Wissenschaft rein logisch niemals einen Ethos begründen kann. Denn der Wissenschaft fehlt schlicht das Vokabular von Gut und Böse. Es muss immer von außen, gesellschaftlich definiert werde. Nun dürfen sich Areligiöse die Frage stellen: Woher kommt dann die Begründung von Gut und Böse. Poststrukturalisten, Postmoderne haben eine simple, wie bestechende Antwort darauf: Es ist Macht! Wenn jeder selbst bestimmt, was Gut und Böse ist, so wird das unweigerlich in einen Machtkampf führen. Noch hat die Antifa einen gemeinsamen äußeren Feind. Doch wehe er ist besiegt, dann wird bis zum eigenen Untergang gekämpft.
Eine tief philosophische Analyse dieses Zeitgeistes findet sich in den Aufsätzen des Buches: „Diktatur des Relativismus, der Kampf um die absolute Wahrheit für die Zukunft Europas.“
Ich fühle mich nach zweimaligem Lesen nicht in der Lage, einen Kommentar abzuliefern, der dem Niveau der Rede angemessen wäre. Mein Vorschlag ist, dass jeder, dem es genauso geht, es ähnlich hält. Das schadet Tichys Einblick bestimmt nicht, eher im Gegenteil…
Es ist der alte, unaufhebbare Gegensatz von Recht und Gerechtigkeit, der hier zum Ausdruck kommt.
Soll das Recht „gerecht“ sein? Aber was ist Gerechtigkleit?
Das Recht soll auf etwas Absolutes gegründet werden. Dies ist die Moral. Aber daraus lassen sich keine Rechtssätze gewinnen. Man kommt dann zu so Sätzen wie „Tu das Gute, meide das Böse“… oder zum inhaltsleeren Kategorischen Imperativ.
Seit Jahrtausenden bemühen sich Philosophen, eine universell gültige Sittenlehre zu finden. Es ist der Gegensatz zwischen normativer Ethik und empirischer Moral. Man muß zuerst von den wirklichen Menschen abstrahieren und ein transzendentes Ich konstruieren. Dann klappt es mit der Theorie… Aber leider: so sind die Menschen nicht
Ein Mann, ein Mensch, der/die/das sich von anderen alimentieren lässt, der hat gut reden. Der älteste Beruf der Welt eben. Selbst wenn ich Katholik wäre, so wollte ich solchen Leuten nicht „die Verantwortung“, gar noch die „oberste“ überlassen. Schon gar nicht, wenn es mich persönlich betrifft, wo kämen wir denn da hin? Der weiß doch nichts, erzählt sonst was – natürlich stets pro domo. Mir hat mal ein katholischer Priester gesagt – nachdem ihm klar geworden war, dass mit mir nix zu machen ist: „Das Einzige, was mich interessiert ist, dass es meinem Laden (sic!) gut geht“. Ich habe ihn gelobt für seine Ehrlichkeit, mit diesem Priester konnte ich mich fortan gut unterhalten, ein Weinchen trinken, ganz entspannt. Wir wussten, was wir voneinander zu halten hatten und das war gut so. Amen. Über das, was Benedikt XVI inhaltlich gesagt haben mag, darüber kann man sich gerne unterhalten, wenn es die Zeit zulässt, wenn der Wein gut ist – ist ja nicht alles Blödsinn. Auch die Erbsünde nicht, die Jungferngeburt, die leibhaftige Auferstehung, die Trinität (also Shiva vs. Vishnu und Brahma/Sarasvati)* – so unfassbar wunderbar schöne Dinge, fast unglaublich. Und ich freue mich immer über optimistische Menschen, den Skeptiker kann ich ja selber machen. Besser als Mord und Totschlag, mit göttlichem Aufruf dazu, ist das allemal, da hat der ehemalige Papst schon recht gehabt, in seiner Regensburger Rede. *https://de.wikipedia.org/wiki/Brahma
Man muß aus der ganzen Predigt (denn eine solche ist es) die spezifisch katholische Weltsicht und Lehre herausfiltern. Wie immer geht es um die Deutungshoheit und die Etablierung einer Moral.
„Gewissen als die der Sprache des Seins geöffnete Vernunft“ – das ist ja schon beinahe Heidegger.
„Vernunft und Natur als Rechtsquelle“… aber Recht wird nicht gefunden, sondern gesetzt.
Nach dem Kriege und dem Naziregime erlebte die Naturrechtstheorie verständlicherweise eine Blüte. Das Recht sollte ein für allemal gegen Mißbrauch immunisiert werden.
Im Dritten Reich waren nicht „Macht und Recht getrennt“, wie der Papst meint, sondern die Macht bediente sich des Rechts für ihre Verbrechen.
Man gerät in heillose Verwirrung und in Zirkelschlüsse, wenn man über dem positiven Recht, das durch Setzung entsteht, noch eine irgendwie „höhere“ Quelle hypostasiert: „Natur“, „Gottheit“, „Vernunft“…
Im übrigen flüchtet der Papst sich in schöne Bilder von „Betonbauten ohne Fenster“ bis zum „Schrei nach frischer Luft“.
Man darf wohl sagen, daß er vom Wesen der Naturwissenschaft wenig bis nichts verstanden hat. Daß nämlich die Stärke und der Siegeszug der Naturwissenschaft gerade darauf beruhen, daß sie sich strikt auf ihre Sphäre beschränkt. Dagegen spricht nicht, daß heutzutage auch Naturwissenschaftler und Virologen sich den Mächtigen andienen und eine Zuständigkeit behaupten, die nicht gegeben ist.
„Daß nämlich die Stärke und der Siegeszug der Naturwissenschaft gerade darauf beruhen, daß sie sich strikt auf ihre Sphäre beschränkt.“
Fast wörtlich schreibt Ratzinger das bereits in „Einführung ins Christentum“ im Jahre 1967.
Er weiß sehr genau, was er sagt.
Das mag schon sein. Wobei ein Theologe niemals frei in seiner Beurteilung sein kann. Es geht immer um die Verteidigung des Glaubens.
Der Gläubige hat bereits eine Grundsatzentscheidung getroffen. Meistens bleiben Zweifel nicht aus. Dann beruft man sich auf innere Erlebnisse, Autoritäten oder man verfolgt Ungläubige.
Für einen Gläubigen kann es immer nur Bestätigung des eigenen Glaubens geben oder irrende Abweichung.
Da nützen auch alle noch so verklausulierten Ausflüge in andere Gebiete nichts. Das soll alles nur Objektivität vortäuschen.
Theologische Rede ist – wie politische – immer auf Beeinflussung, Überredung, Überzeugung aus. Ihre Aussagen sind grundsätzlich nicht empirisch überprüfbar, genügen also gerade der zentralen Anforderung an exakte Wissenschaft nicht.
Daran ist auch gar nichts auszusetzen, man muß sich nur bei allen religiösen Verlautbarungen dessen bewußt sein.
Der große Fehler in der Geschichte von Aufklärung und damit verbunden war die Trennung der Geistes- von den Naturwissenschaften.
Sie postulieren eine Rechtsetzung aus dem Verstand heraus. Aber was ist denn der Verstand anderes, als eingeübte Praxis aus Erleben und Denken? Nichts anderes sagt der Pabst in dieser Rede, als dass die Menschen gelernt hatten, aus ihrem Erleben im Umgang mit der Natur zu einer Vernunft gelangten, die Respekt allem zeitigte und Grundlage für die Rechtsetzung gewesen ist.
Heute wird mit Moral und Vernunft argumentiert wo es um Ideologie und Machtanspruch geht, also ganz andere Wurzeln der Rechtsetzung. Und diese, wie könnte es anders sein, ist niemals wirklich natürlich oder moralisch!
Naturwissenschaften haben mit Rechtssetzung nichts im Sinn. Recht ist kein natürliches, sondern ein gesellschaftliches Phänomen.
Recht setzt Normen. Die Verletzung dieser Normen (Unrecht) hat Sanktionen zur Folge.
Was in der Naturwissenschaft die Kausalität, ist in der Rechtsprechung die Zurechnung.
Mord ist nicht die Ursache lebenslangen Freiheitsentzuges, sondern dieser folgt aus der Verknüpfung eines Tatbestandes mit einer Norm.
Diese findet im richterlichen Urteil ihre Konkretisierung (Anwendung).
Aus allgemeinem Recht wird individuelles.
Man sollte die „Natur“ beiseitelassen. Vermutlich entsteht Recht so, daß Gewohnheiten und Sitten schließlich in Gesetzesform fixiert werden.
Erst der Staat konnte – über eine Verfassung als erste Norm – wirklich allgemeingültige Gesetze erlassen. Wozu natürlich das Gewaltmonopol gehört.
Ich kann Ihnen aber zustimmen (falls Sie es so meinen), daß Gesetze zumindest zum großen Teil der Zustimmung der Rechtsunterworfenen bedürfen.
Recht war nicht immer ein gesellschaftliches Phänomen. Die frühen Völker befolgten ein sogenanntes „Naturrecht“, das schriftlich nicht fixiert war, das jedoch jeder der Gemeinschaft kannte. Natürlich setzt Recht Normen, dazu ist es da, weil ein gesellschaftliches Zusammenleben ohne allgemeingültiges Recht schlicht nicht funktioniert sondern in Anarchie ausartet.
Wir hatten vor Jahren schon mal die Diskussion, ob alles, was machbar ist auch gemacht werden sollte. Hier wäre der Ansatz für die Naturwissenschaften, das Humane mit im Blick zu haben. Allerdings scheint das immer weiter negiert zu werden und gipfelt derzeit in den Phantasmen eines Herrn Schwab und seinen Gesinnungsgenossen, den transhumanen Mensch per künstlicher Intelligenz zu gestalten.
Es war aber kein „Naturrecht“ im heutigen Sinne. Im wesentlichen war es das Recht des Stärkeren. Trotzdem muß nicht Willkür geherrscht haben. Sitten und Bräuche gaben den stabilen Rahmen ab.
Keine Gesellschaft kann auf die Dauer ohne eine Ordnung bestehen.
In Deutschland erleben wir mit dem Clan-Wesen die Rückkehr zu dieser frühen Form des Rechts. Es gilt streng innerhalb der Gruppe. Wer nicht dazugehört oder sich keine mächtigen Beschützer sucht, wird rechtlos.
Mal abgesehen davon, daß einige Bemerkungen meine areligiösen Gefühle beleidigen, unterschlägt der Artikel einen ganz wesentlichen Fakt: der Papst hat seinerzeit nicht nur vor dem Bundestag gesprochen, er hat vor allem auch die Bundesverfassungsrichter
bei sich antreten lassenzur Audienz gebeten, um ihnen seine Vorstellungen zu verkünden und dort sein Lobbying zu betreiben. Dabei taucht der Bischof von Rom in unserem Grundgesetz genauso wenig auf wie aktuell das bizarre Gremium aus Schneewittchen und den 16 Zwergen.Auch die Aussage, der Papst trüge die oberste Verantwortung für die katholische Christenheit, ist mit dem Grundgesetz ungefähr so vereinbar wie die Scharia. Für einen deutschen Christen zählt zuerst deutsches Recht, und danach der Papst. Anderenfalls muß auch er sich fragen lassen, inwieweit er auf dem Boden der FDGO steht.
Im Übrigen widerspreche ich der Kritik am Positivismus ganz vehement. Die Behauptung, daß die Abwesenheit von Esotherikgedöns, Aber- und sonstigem Glaube „den Menschen verkleinere“ und sogar seine „Menschlichkeit bedrohe“, ist an Perfidie schwer zu überbieten. Tatsächlich ist der religiöse Alleinvertretungsanspruch in Sachen Ethik, Moral und Kultur schlicht und ergreifend: Anmaßung.
Wer wissen will, warum man den Papst vor dem Parlament sprechen läßt, warum dieser seine Verantwortung so betont, warum sogar Bundesverfassungsrichter eifrig übers Stöckchen springen und warum man Untertanen schon im Kindesalter indoktriniert, braucht nur in Röm. 13, 1-7 nachlesen.
Seltsam, nach dem „mal abgesehen von“ folgt eine ellenlange Philippka, die sich genau dem widmet, von dem doch abgesehen werden soll.
Benedikt hatte und hat völlig Recht.
Warum so gereizt – bis zur Grenze der Intoleranz? Der Papst darf einladen, wen er will und wer nicht kommen möchte, bleibt weg!
So einfach, so klar (und so wenig aufregend …?)
„Gereizt, bis zur Grenze der Intoleranz“: Nach einem Warum zu fragen, erübrigt sich meines Erachtens, wenn man in Rechnung stellt, daß der Papst Herrn Müllers „areligiöse Gefühle“ beleidigt haben soll. Jemandem, der Religionen gefühlsmäßig ablehnt, bleibt kaum etwas anderes übrig als ebenso gefühlsbedingt zu polemisieren. Gereizt verhalten sich in Diskussionen vorwiegend diejenigen, die keine sachlichen Argumente vorbringen können und daher Zuflucht in hysterischem Verhalten suchen. Man kann gegen Papst und Kirche sein, kein Problem, aber sachlich bleiben sollte man schon.
Herr Müller, ich bin froh über den noch verbliebenen Einfluss der christl. Kirchen in unserem Deutschland! Der Kampf wird auch gegen das Christentum in unserem Lande geführt, von den Machthabern in der Politik und sogar innerhalb der EKD!
Ich bin evangelisch und trotzdem habe ich Hochachtung vor dem ehem. Papst „Benedikt“. Er war und ist intellektuell und auch in seinem Glauben weit überragend, das wird doch gerade von seiner damaligen Rede vor dem Bundestag belegt!
Leider bin ich mit seinem Nachfolger „Franziskus“ aus Argentinien überhaupt nicht einverstanden, ich halte ihn für einen Kommunisten im Papstgewandt.
Das Wort Gottes (Bibel) indoktriniert niemanden, sondern lädt zum Glauben an den Schöpfer des Himmels und der Erde ein.
Das von Ihnen zitierte Kapitel 13, 1-7 aus dem Römerbrief, ist eine Aufforderung des Apostels Paulus, wie die Gläubigen Christen sich der staatlichen Obrigkeit gegenüber verhalten sollten.
Dietrich Bonhoeffer als ein Beispiel, hat als Christ und Theologieprofessor gegen den National-Sozialistischen Unrechtsstaat agiert und später mit seinem Leben bezahlt. Es gibt genügend andere Beispiele vom Widerstand gegen die NS-Diktatur auch von katholischer Seite.
Wenn Sie mit dem christl. Glauben nichts am Hut haben, dann hat Ihnen der Römerbrief ohnehin nichts zu sagen, warum dann die Aufregung?
Ihr Humor ist einfach köstlich an dieser Stelle!
„Im Gegensatz zu anderen großen Religionen hat das Christentum dem Staat und der Gesellschaft nie ein Offenbarungsrecht, eine Rechtsordnung aus Offenbarung vorgegeben. Es hat stattdessen auf Natur und Vernunft als die wahren Rechtsquellen verwiesen…“
Diesen Satz sollten all unsere Muselversteher mit ihrem Geschwätz von „abrahamitischen Bruderreligionen“ fünfmal am Tag mit Bewusstsein der Sahce laut vorlesen.
Ja. Zumal bei anderen Religionen „Offenbarungen“ in nicht veränderbaren „Scharias“ landen – und wie grausam und unmenschlich damit bis zum Ende aller Tage im Namen eines Gottes gehandelt und gerichtet werden muss ist für alle, die in das Räderwerk dieses „Gesetzbuches“ kommen, unbeschreiblich schmerzhaft.
Schlimm auch, dass die, die der Scharia als einzigem Gesetz folgen müssen, alle Welt darunter zu „unterwerfen“ den Auftrag haben und sich gar nicht an von Menschen gemachte Gesetze, also alle anderen, halten dürfen. Dennoch behauptet der jetzige Papst, dass alle Geschwister wären – und lässt das Strittige, das uns übergestülpt wird, unter den Tisch fallen.
Seltsam, dass eine „Fachkommission“ dies vorgibt nicht zu erkennen, wenn sie jeden hier im Recht sehen will, nach seiner „Façon“ selig zu werden. Das können fundamentalistische Moslems nämlich mit dem von ihrem „Gott gegebenen Auftrag“, alle Welt Allah zum Untertan zu machen, niemals: https://www.tichyseinblick.de/meinungen/fachkommission-empfiehlt-grenzenlose-zuwanderung-mit-verzicht-auf-deutsche-identitaet/
Als Katharina die Große damals tatkräftige Menschen mit know how einlud, die Weiten Russlands zu besiedeln, hat sie Muselmanen bereits explizit ausgeschlossen. Sie muss damals schon gewusst haben, dass die einen alle anderen nicht in Ruhe ihr Leben leben lassen können.
Wieviele von den „Jungen“ können diesen Gedankengängen überhaupt folgen?
Dem sollte eigentlich jeder folgen können, der Grundlagen der Ethik und der Staatsphilosophie kennt.
Das Naturrecht ist schließlich keine christliche Erfindung.
Das Problem, dass Benedikt XVI hier anspricht hat einen Namen: Rechtspositivismus! Vgl. Hayek: Recht, Gesetz und Freiheit, dort S. 203: „Der Rechtspositivismus ist […] einfach die Ideologie des Sozialismus […] und der Allmacht der gesetzgebenden Gewalt. Entstanden ist diese Ideologie aus dem Wunsch, vollständige Kontrolle über die Gesellschaftsordnung zu erlangen, und dem Glauben, daß es in unserer Macht steht, bewußt in jeder beliebigen Weise jeden Aspekt der Gesellschaftsordnung festzulegen.“
„Recht […] galt und gilt einer langen Reihe neuzeitlicher Autoren von Grotius über Locke, Hume und Banham herunter bis zu Emil Brunner als untrennbar vom Privateigentum und gleichzeitig als unerläßliche Bedingung individueller Freiheit.“
Wenn Recht also das Privateigentum schützen soll, was braucht man dann für ein Recht, damit sich die demokratische Umverteilung legitimieren läßt?
PS: Ein Ausstieg aus dem Naturzustand wäre für den Menschen nur mit einem realen und nicht mit einem fiktiven Gesellschaftsvertrag möglich.
Vgl. Anthony de Jasay: Gegen Politik
Einen Verlust an Menschlichkeit sehe ich auch in der libertären Abtreibungspraxis in Westeuropa und der entsprechenden Geisteshaltung, die sich dieser Tage z.B. auch in der Kritik – u.a. der öffentlich-rechtlichen Medien – an den strengen Abtreibungsgesetzen in Polen zeigt. Es stellt sich doch unausweichlich die Frage, warum in westeuropäischen Ländern, trotz zahlreicher wirksamer Mittel der Empfängnisverhütung, die jedermann/frau zugänglich sind, jährlich hunderttausende ungeborene Kinder getötet werden?
Und wie verträgt sich der Respekt vor behinderten Menschen mit der Tötung missgebildeter Kinder, die doch faktisch – ob gewollt oder nicht – deren Herabsetzung als lebensunwert ist? Das hatten wir alles schon mal …
Aus historischer Perspektive sind die permissiven Abtreibungsgesetze Westeuropas ein Rückfall in Barbarei. Es war ein hoher zivilisatorischer Fortschritt, dass Kindstötung – ob vor oder nach der Geburt – schließlich geächtet wurde. Die Tötung der Wehrlosesten und folglich am meisten des Schutzes Bedürftigen, der Kinder im Mutterleib, ist in den meisten Fällen ein Sieg des Hedonismus über die Humanität. Einen „Fortschritt“, den die öffentlich-rechtlichen Medien in der libertären westlichen Abtreibungsgesetzgebung und -praxis sehen, kann ich beim besten Willen nicht erkennen – der ist linke Ideologie…
Wer es für human hält, ein Kind zu gebären, der hält das für einen „Sieg über den Hedonismus“. Ist ja auch eine ziemliche Sauerei, weiß jeder, der mal dabei war; dass Frauen wild sind auf sowas, habe ich nie begriffen. Kann man/frau machen. Andere sagen: Ich will nicht noch mehr Menschen sehen auf Erden und ich will kein eigenes Kind der überbevölkerten Zukunft aussetzen. Kann frau/man auch machen. Konsequent wäre dann: Sterilisation – macht bloß keine/r. „Unwert“ ist ein Leben mit Behinderungen, Beeinträchtigungen natürlich nicht, aber eben beschwerlicher, eingeschränkter. Meine persönliche Beeinträchtigung: Das zunehmende Alter, das wird mich das Leben kosten … . Halleluja. Aber Hans Küng, leider dement, sagte mal: Das wird schon alles auf’s Feinste gerichtet sein, habt Gottvertrauen. So weit mir bekannt, lebt er noch, vegetiert, kann sich seit geraumer Zeit also nicht mehr äußern. Begriffe wie „libertinär“, „westlich“, „links“, „Ideologie“ helfen mir da auch nicht weiter. Vernunft und Augenmaß schon. Habe/n zwei Kinder, der Papst hat keins(?).