<
>
Wird geladen...
Eine Deutschland-Lektion für Alt und Jung

70 Jahre FAZ – 70 Jahre Deutschland

08.01.2020

| Lesedauer: 4 Minuten
Der renommierte Historiker Peter Hoeres lässt uns teilhaben am unmittelbaren Entstehen einer maßgeblichen publizistischen Stimme. Gleichzeitig zeigt er auf anschauliche Weise, wie diese auf die politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Geschehnisse der deutschen Geschichte eingewirkt hat.

Um es vorweg zu nehmen: Dieses Buch ist ein großes, ein “opus magnum“ – allein schon quantitativ: 600 Seiten, 1.031 Gramm, 1.855 Fußnoten, über 400 Quellen, über 800 Namen. Dahinter stehen 6.279.029 im Volltextarchiv der FAZ zum Zeitpunkt der Fertigstellung des Buchmanuskripts digital verfügbare Artikel. Diese Zahlen lassen erahnen, was inhaltlich in diesem Werk des immer noch recht jungen Professors Dr. Peter Hoeres (48), Professor für Neueste Geschichte an der Universität Würzburg, steckt.

Möglich ist diese Fülle, weil Hoeres der erste Forscher ist, der im Rahmen eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Projekts exklusiven Zugang zu den Archivalien der FAZ inkl. Redaktionsprotokollen bekam und mit zahlreichen Zeitzeugen sprechen konnte. Es ist daraus keine quasi bestellte Geburtstagsschrift geworden, also keine Auftragsarbeit, die Hoeres hier leistete, sondern ein finanziell und ideell völlig unabhängiges Werk.

Hoeres analysiert die Geschichte der FAZ von ihrer Gründung 1949 bis heute. Er eruiert deren Vorgeschichte – namentlich die Bezugnahme der FAZ auf die „Frankfurter Zeitung“, die 1856 gegründet und 1943 auf Anordnung Hitlers verboten wurde, und die ursprünglich enge Verbindung mit der in Mainz erscheinenden „Allgemeinen Zeitung“. Dabei spart Hoeres weder die Übernahme von Journalisten der Jahre 1933 bis 1945, noch den Anzeigen-Boykott von VW, noch die anfänglich problematische Finanzverfassung der FAZ und die Geldgeber aus – etwa die Wirtschaftspolitische Gesellschaft von 1947 (Wipog) sowie Unternehmen wie Salamander und Bosch, die das Stammkapital zur Verfügung stellten. Die Schlüsselfigur in diesem Gründungsprozess war der 1900 geborene und 1982 verstorbene Erich Welter, ein „melancholischer Grandseigneur“, dessen Name als Gründungsherausgeber heute noch das FAZ-Impressum ziert.

VON DER IDEE, KONSERVATIV ZU SEIN
Programmatik des Konservatismus erwünscht
Hoeres‘ Werk ist kein affirmatives, sondern ein kritisch reflektierendes. Umso mehr ist man als Leser gewillt, Hoeres zu folgen, wenn er begründet, dass die FAZ ein Leitmedium war und ist, dass ihre Stimme Gewicht hat und dass sie neben „Le Monde“, „The Times“ und „Neuer Zürcher Zeitung“ zu den großen Zeitungen der Welt gehört. Aus der Geschichte der Bundesrepublik ist sie nicht wegzudenken, hat sie doch nicht nur berichtet und kommentiert, sondern so manche politische Entscheidung vorweggenommen oder gar initiiert. Insofern sind 70 Jahre FAZ zugleich 70 Jahre deutsche Geschichte. Und für ihre Leser ist die FAZ ohnehin ein „Distinktionsmerkmal“.

Gegenüber so manchem Mächtigen hat sich die FAZ markant und vor allem ordoliberal, anti-sozialistisch und kartellkritisch positioniert. Zum Beispiel förderte die FAZ Ludwig Erhard, was ihr den Namen „Brigade Erhard“ einbrachte; Adenauer und Kohl konnten bei aller politischen Nähe nicht immer etwas mit der FAZ anfangen.

„Agenda setting function“ nennt man das Wirken eines Meinungsbildners heute. Das galt für die FAZ immer: für Themen wie den Umgang mit der NS-Vergangenheit, die Auschwitz-Prozesse, die lange Phase des Kalten Krieges, das transatlantische Verhältnis, die 68er, die Zukunft Europas bzw. der Europäischen Union und des Euros, die Rolle des Islam, Literaturstreitereien, den Historikerstreit, die Kernenergie, die Wiedervereinigung, die Rechtschreibreform, die Bedeutung des digitalen Wandels und anderes mehr.

Die FAZ ist keine Zeitung wie jede andere. Sie hat keinen Chefredakteur, sondern mit einem vier- oder fünfköpfigen Herausgeberteam eine Kollegialverfassung, die allerdings nicht immer Homogenität und Konsens garantierte. Der gelegentlich erfolgte und von den anderen Herausgebern inszenierte Hinauswurf eines der Herausgeber (bislang immer Männer) belegt dies. Der „Fall“ Holger Steltzner, der im Frühjahr 2019 seinen Hut nehmen musste (wie 1970 Jürgen Tern und 2001 Hugo Müller-Vogg), ist jüngstes Beispiel dafür. Mit seinem erzwungenen Weggang hat die FAZ eine markante Stimme verloren.

Die FAZ ist keine Lagerzeitung, weshalb manchmal nicht zu Unrecht gesagt wird, die FAZ bestehe aus zwei Zeitungen: einem Politik-Buch und einem Feuilleton-Buch. Hoeres nennt das neben der Seriosität der gehobenen Sprache einen „durchgehenden politisch-weltanschaulichen Binnenpluralismus als Alleinstellungsmerkmal der FAZ“.

SUBVENTIONSJäGER WAREN ERFOLGREICH
Millionen für Tageszeitungen und Anzeigenblätter aus dem Bundeshaushalt
Hoeres reflektiert mit Blick nicht nur auf die FAZ auch den großen Wendepunkt, der die deutsche Zeitungskrise von 2001 traf. Auflagen und Anzeigen gingen zurück. Um die Jahrhundertwende hatte die FAZ eine Auflage von über 400.000 (entsprechend rund 1,5 Millionen Lesern), heute sind es rund 230.000. „Die inhaltliche und kaufmännische Neuerfindung des Zeitungsjournalismus ist noch nicht gelungen“, so resümiert Hoeres allgemein und insbesondere für die FAZ. Zuvor bereits hatten Fehlinvestitionen die FAZ belastet: etwa der Einstieg ins private Rundfunk- und Fernsehgeschäft oder der Versuch, die „Neue Zeit“ (vormals das Organ der Ost-CDU) zu übernehmen bzw. zu retten.

Besonders lesenswert und durchaus unterhaltsam wird Hoeres, wenn er herausragende Köpfe der FAZ beschreibt: Friedrich Siegburg, Dolf Sternberger, Joachim Fest, Marcel Reich-Ranicki, Frank Schirrmacher, Konrad Adam u.a.m. Hoeres weiß hier – zuverlässig recherchiert und ironisierend würzend – Anekdotisches zu berichten: über den unbeherrschten Führungsstil von Marcel Reich-Ranicki als Literaturchef (zu Konrad Adam wörtlich “Todfeind!“) oder über Frank Schirrmacher, den Hoeres „genialisch, getrieben sprunghaft, rücksichtslos überehrgeizig, hochstaplerisch“ charakterisiert und von dem Hoeres den Spitznamen „Caligula“ und „Nero“ kennt. Interessant auch die vielen Abwanderungen von FAZ-Leuten zu anderen Zeitungen (z.B. WELT, SZ, Spiegel, ZEIT, STERN) oder die Zuwanderung von Journalisten anderer Zeitungen zur FAZ! Sehr anschaulich stellt Hoeres auch die Leserbriefpraxis, die Karikaturen, die Bebilderung der FAZ sowie das Sport- und Reiseressort vor. Hier vermag Peter Hoeres auf lesenswerte Art nicht nur Geschichte zu berichten, sondern Geschichten zu erzählen.

Die Lektüre des Hoeres-Buches wird nie langweilig. Man hätte gut und gerne noch 200 Seiten mehr geschafft bzw. gerne dieses oder jenes Thema (etwa den Umgang der FAZ mit den Kirchen oder etwa mit dem „deutschen Papst“) dargestellt bekommen, darunter vor allem die Tatsache, dass die FAZ mindestens seit den 1960er Jahren in Sachen Bildungspolitik das Leitmedium ist. Ohne die FAZ wäre es wohl noch schlechter um die Bildungsnation Deutschland bestellt, wenn die FAZ nicht wäre, wenn es die führenden deutschen Bildungsjournalisten Kurt Reumann und heute Heike Schmoll nicht gegeben hätte bzw. gäbe. Solche Kapitel mögen vielleicht in einer erweiterten Auflage noch kommen. Das ist nicht als Defizit zu verstehen, denn nicht zu Unrecht schreibt Hoeres bereits im Vorwort: „Es werden also Kenner der FAZ in diesem Buch einiges vermissen, Namen, die für sie wichtig sind, und Artikel, an die sie sich erinnern …. Eine Totalgeschichte ist schon angesichts der Fülle an Material auch rein theoretisch sinnlos.“

LöWENTHAL-PREIS
TE-Autor Alexander Wendt ausgezeichnet
Jedenfalls darf man in diesem Sinne oder anderweitig noch einiges von Hoeres erwarten. Er gehört gottlob nicht zu den politisch korrekten Historikern; sondern er ist einer, der auch mal dem historisch hochkorrekten Historikerverband die Leviten liest, wenn letzterer wohlfeil „gegen rechts“ zu Felde zieht und ein Bündnis mit Merkels Grenzöffnung von 2015 eingeht. Kürzlich schrieb Hoeres zusammen mit Dominik Geppert von der Universität Potsdam in einer öffentlichen Stellungnahme zum Historikertag von 2019: „Antitotalitarismus war gestern. Antifaschismus ist (wieder) angesagt … Das zeigt die intellektuelle Sackgasse, in die man gerät, wenn man Fachkompetenz für politische Zwecke funktionalisieren möchte.“

Übrigens: Der Rezensent hat das Buch ganz (!) gelesen. Über Hoeres hinaus empfiehlt er der FAZ, sich bei der ehrlichen Darstellung der Lage in Deutschland nicht von der NZZ die Butter vom Brot nehmen zu lassen. Die NZZ „bringt“ die Themen (etwa Integrations- und Gewaltprobleme von Migranten), die man in der FAZ kaum dargestellt findet, geschweige denn in anderen Zeitungen oder gar bei den Öffentlich-Rechtlichen.


Peter Hoeres, Zeitung für Deutschland. Die Geschichte der FAZ. Benevento Verlag, 600 Seiten, 28,00 €.

Unterstuetzen-Formular

WENN IHNEN DIESER ARTIKEL GEFALLEN HAT, UNTERSTÜTZEN SIE TICHYS EINBLICK. SO MACHEN SIE UNABHÄNGIGEN JOURNALISMUS MÖGLICH.

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

14 Kommentare

  1. „Die FAZ ist keine Lagerzeitung“ Danke für den Witz. Hab herzlich gelacht. Wie kann es eigentlich sein, daß der „renommierte Historiker“ Peter Hoeres kein Wort über die FAZIT-Stiftung verliert, der die FAZ gehört? Oder hat er sie analysiert und Sie haben es nur „vergessen“ zu erwähnen? Deren Gesellschafter sind – Zitat: „Vertreter der Wirtschaft und ihnen nahestehende Professoren, die zum Teil Funktionen in Wirtschaftsverbänden innehaben und Mitglieder neoliberaler Netzwerke sind. Zwei Gesellschafter sind Mitglieder des Wirtschaftsforums der FDP.“ https://lobbypedia.de/wiki/FAZIT-STIFTUNG

    Sind Arbeitgeberverbände und neoliberale Netzwerke für Sie „kein Lager“? Ihr Ernst?

  2. Die FAZ -war durch Elternhaus bedingt- seit Schulzeit, Zivildienst, Studium, FA Ausbildungszeit, bis hin zur Selbstständigkeit fast das einzige was ich ernsthaft gelesen habe.
    War!
    Wann begann wohl der eigentliche manifeste „Eve´ of destruction“(unvergesslich-> Barry McGuire) bei der FAZ? Mit dem plötzlichen Tode Schirrmachers, dem Wegggang H.M-V ua., , Merkels Regentschaft 2005. dem Ypsilanti-Desaster 2008 ff.? Wer ist/sind/waren die Profiteure, die Puparos? Ist die nur noch schemenhafte FAZ auch so, va. durch die Frankfurter LinksGrünen, so infiziert worden wie anscheinend die sog. Öffentlich Rechtlichen -auf welches Recht bezugnehmend, etwa „Die Partei hat immer Recht“?- Rundfunk“Anstalten“?
    Für mich ist die FAZ leider zu einem „Haltungs“-MSM goebbelscher Methodik mutiert.

  3. Zeitungen sind ein Auslaufmodell….fast keiner in meinem Umfeld unter 30 liest noch mehr Zeitungen (übrigens auch keine Bücher mehr). Die FAZ konnte sich etwas länger halten als die Rundschau und andere….aber das Ende kommt…und kann auch über das Internet nicht aufgefangen werden. Andere werden übernehmen…die FAZ ist nur noch eine Frage der Zeit.

  4. FAZ..?, FAZ…? Da war doch mal was…, richtig, ich erinnere mich.
    Michael Althen z.B., durch und durch Cinephiler, hinreißend,
    leider viel zu früh gestorben. Andreas Kilb, ebenfalls dem Film
    verbunden, der schreibt wohl noch. Auch die von MRR ins Leben
    gerufene Frankfurter Anthologie mag noch ihr Wesen treiben –
    das alles weiß der heutige Leser aber natürlich viel besser.
    Ach ja, keinesfalls vergessen darf ich Andreas Platthaus. Über
    ihn und quasi mit ihm habe ich meine Begeisterung und große
    Liebe zum Comic, der 9. Kunst, nicht etwa entdeckt, aber doch
    sehr stark weiterentwickeln können und dürfen [heute heißt
    der Comic dooferweise „graphic novel“ – als wenn man sich
    der Liebe zu einer Form schämt]. That’s all.

  5. Der FAZ geht´s wie der SPD. Keiner mag sie mehr. Die einen haben ihre Stammwähler verloren, die anderen ihre Stammleser.

  6. Es gibt da eine auffällige Parallele: Je katastrophaler in den letzten Jahren die Merkel-Politik wurde, desto trostloser wurde die FAZ. Das sage ich als ehedem jahrzehntelanger Leser, für den diese Zeitung lange Zeit wie das tägliche, politische „Evangelium“ war. Heute schüttelt es mich zumeist, wenn ich mich noch einmal in die Spalten dieses heruntergekommenen Blattes verirre (von wenigen Ausnahmen – Hanfeld/Lübberding/gelegentlich auch Mihm – abgesehen). Und immer häufiger wende ich mich nach der Lektüre von TE hilflos ‚anklagend‘ an meine Frau mit der Frage: „Warum stehen solche Artikel nicht in der FAZ . . ?“

  7. Lieber Herr Kraus, ich schätze Sie sehr als Autoren, hier aber muss ich Kritik an Ihrer Kritik anbringen. Sie haben die FAZ sicherlich seit 50 Jahren abonniert, so wie ich früher, haben aber seit 20 Jahren die Abbestellung vergessen, was ich für mich nicht beklagen muss.

    Denn die FAZ – hat sie nicht früher auch den Brandt-Ostpolitik-Förderer Karl Korn als Herausgeber rausgeschmissen? – ist mit der Einführung des Euro um 2000 nicht mehr unabhängig gewesen, sondern wurde vollends auf das gespurt, was die hintergründigen Wirtschaftsfinanziers der Stiftung verbreiten wollen: Als Erstes wurde die ehemalige Finanzkompetenz auf dem Altar der Dauerhymnen auf den Euro geopfert, die schon im Anfangsstadium grotesk wider jede Fachkenntnis klangen (ähnlich denen der späteren Pleite-„Finanzial Times Deutschland“). Als Letztes schmiss man den Last man standing in Sachen Wirtschaftskometenz, Holger Steltzner raus.

    Beginnend mit den Irakkriegen und bis heute nicht endend, wurde man zum Sprachrohr der US-Wirtschaft und der Rüstungsindustrie samt dem von Trump so bezeichneten „Deep State“. Die FAZ schwenkte um in den reinrassigen Antirussland-Duktus des Letzten. Heute ist die FAZ eines der peinlichen „Antiblätter“ gegen Russland und einen Frieden mit dem größten Land der Erde.

    Schließlich wurde das ganze Blatt ab 2015 von einer Gutmenschexplosion im Feulleton hochgeschmissen und auf links gewendet. Man machte einen rausgeflogenen „Spiegel“-Chefredaktor über Nacht zum Chef aller Online-Aktivitäten. Das muss man sich einmal in Ruhe vorstellen: Von halbwegs konservativ auf stramm links in einer Sekunde. Heute ist die FAZ ein Merkel-höriges Linksblatt.

    Warum hole ich so weit aus: Wenn man die FAZ-Story zum roten Faden der Geschichte Deutschlands nimmt, ist man ebenso schief gewickelt wie die politische Bahn, die dieses Blatt gezogen hat.

    Erfreulicherweise zeigen die Auflage und die wirtschaftliche Entwicklung der Zeitung und Plattform in eine Richtung, die den Masochismus der Leser nicht mehr allzu lange strapazieren dürfte. Dann müssen Sie, lieber Herr Kraus und der Herr Hoeres sich nach einem anderen Magma umsehen, aus dem ein Geschichtsverlauf – hoffentlich treffender – destilliert werden könnte.

    • Dass sich die FAZ mehr und mehr dem Mainstream angepasst hat, streite ich nicht ab. An die NZZ (das neue „Westfernsehen“) kommt sie schon lange nicht mehr ran.

  8. Im Journalismus gilt: Nichts ist so alt wie die Zeitung von gestern. Die FAZ, zusammen mit der Welt, der Süddeutschen und WAZ gehörte sicher zur journalistischen Grundausstattung der alten Bundesrepublik. Das ist nicht zu bestreiten, so wenig wie die wirtschaftspolitische Kompetenz und Relevanz der FAZ bis weit in die 2000er Jahre hinein.
    Doch die alte Bundesrepublik existiert nicht mehr. Ihr Ende kam nicht schlagartig wie das der DDR, sondern schleichend, und keiner kann so grau sagen, wann es wirklich kam (1998 mit rotgrün? 2005 mit Merkel? 2008 mit der Bankenkrise? 2013 mit der Eurorettung?) aber inzwischen ist es Realität, das gilt auch für eine erzwestdeutsche Stadt wie Frankfurt am Main.
    Ich werde sicher nicht der einzige hier sein, der schreibt, dass die FAZ heute nicht mehr, weder im politischen noch wirtschaftlichen Teil aus dem linksliberalen Mainstream des deutschen Journalismus herausragt. Das Merkel-Beweihräuchern mag hier nicht so plump daherkommen wie bei der SZ oder Welt, aber es ist omnipräsent. Als sie beim Beginn von Pegida mit einem primitiven Sachsen- und Ossi-Bashing anfing, war für mich, der faz.net sonst in Berlin täglich aufrief, mit der FAZ Schluss. Seitdem lese ich sei praktisch nicht mehr, es steht auch nichts drin, was so nicht aus andere abdrucken.

    Natürlich hat auch die FAZ darunter zu leiden, wie alle Presseorgane dem Teufel der Umsonstkultur des Internets die Seele verkauft zu haben. Und wie viele versucht sie nun wieder, mit Bezahlschranken für vermeintlich interessante Beiträge wieder zum Geschäftsmodell der Druckära zurückzukehren, keine Information ohne Bezahlung.
    Das Geschäft läuft, wie man hört, eher mau. FAZ, Welt und andere früher in oder rechts der Mitte stehende Zeitungen, die heute linksliberal sind, profitieren von der einmaligen Situation in Deutschland, dass es hierzulande kein reichweiten- und markenstarkes rechtes und/oder konservatives Zeitungsmedium gibt. Die „neuen“ Medien wie TE, die Achse u.a. sind ein anderes Format. So muss der konservative oder rechte Leser morgens stets die linken Medien lesen (oder im Radio hören) und dabei Doppeldenk anwenden. Zerknirscht und weil ihm nichts anderes übrigbleibt, macht er das, aber zahlen tut er für den linken Kram nicht. Dort vor allem merken die nach links gerückten Medien, dass ihre Leser nicht weg, aber woanders sind. Auch ich zahle immer wieder mal 5 oder 10 € bei TE. Weil ich finde, dass es sich gehört. Für die FAZ von 1990 hätte ich auch noch 2 Mark pro Ausgabe gezahlt, oder was sie damals kostete. Die heutige nehme ich nicht mal geschenkt. Im ICE hätte ich sie heute umsonst haben können. Habe sie liegengelassen, und lieber online TE gelesen.

  9. 70 Jahre faz – …65 Jahre Deutschland + 5 Jahre BRDDR (Bunte Regenbogen-DDR).

  10. Ich habe die FAZ so lange gelesen, bis sie für mich nicht mehr lesbar war – schade um diese Zeitung, schade in dem Sinne da sie einst Zeitung mit professionellem Journalismus verkörperte! Mit der Lektüre „Gekaufte Journalisten“ von Udo Ulfkotte, einst Redakteur bei der FAZ, sind mir dann endgültig die Augen aufgegangen.

  11. Die FAZ hat seit über einem Jahrzehnt das Problem über Europa und Merkel nur un-kritisch zu berichten. Für mich hat es mit der unkritischen Berichterstattung über die „alternativlose“ Bankenrettung angefangen. Die Ergebnisse sieht man heute: noch mehr Milliarden versenkt, Reformstau, Siechtum und Negativzinsen.

    Das Epi-Zentrum liegt in mehrfacher Hinsicht in Frankfurt. Das Erwachen könnte sehr böse werden …

    • Qousque tandem SZ abutere patientia nostra – frage ich die Alpenprawda seit über einem Jahrzehnt, die ich vor fast 70 Jahren noch für voll genommen habe. Sowenig wie dieser TAZ-Historikermühe würde ich einer SZ-Historie Zeit widmen, geschweige denn Geld.

Einen Kommentar abschicken