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Giffey abgestraft

Berliner Parteispitzen verlieren ihre Wahlkreise

13.02.2023

| Lesedauer: 3 Minuten
Franziska Giffey und andere Parteispitzen werden von den Berliner Wählern abgestraft. Von allen Spitzenkandidaten kann nur einer seinen eigenen Wahlkreis gewinnen.

Wenn man auf einer Party nicht willkommen ist, dann sollte man nicht hingehen. Wird einem die Tür vor der Nase zugeschlagen, sollte man sich nicht durch den Hintereingang schleichen. Doch über den Hintereingang werden sich die Verlierer der Berlinwahl in das Landesparlament und vielleicht sogar in den Senat schleichen.
Die Spitzenkandidaten der Regierungsparteien von Berlin haben noch schlechter abgeschnitten als die eigenen Parteien.

Franziska Giffey begann ihre politische Karriere einst in Neukölln. Heinz Buschkowsky war dort ihr politischer Ziehvater, sie folgte ihm als Bürgermeister nach. Buschkowsky, ein SPD-Urgestein, unterstützte im Wahlkampf Stefanie Bung von der CDU. Im Gespräch mit Tichys Einblick wollte Buschkowsky von Giffey nichts mehr wissen: Sie sei nicht die Politikerin, die einst bei ihm gelernt habe. Das Ergebnis ist vernichtend: Giffey errang im Wahlkreis Neukölln 6 (vorläufig) nur noch rund 30 Prozent der Stimmen. Besser als das Berlinweite Ergebnis von 18 Prozent aller Stimmen aber eine massive Verschlechterung z u 2021 als sie 41 Prozent der Erststimmen erringen konnte. Den Wahlkreis gewann Olaf Schenk von der CDU mit 45 Prozent der abgegebenen Erststimmen. Das bittere für die SPD: Der Wahlkreis Neukölln 3 ist das drittstärkste Erststimmenergebnis der SPD.

Vom Wahlkreisverlierer zur Bürgermeisterin?

Giffeys Parteifreund, der Fraktionsvorsitzende der SPD im Abgeordnetenhaus, Raed Saleh, erfuhr auch eine Abfuhr von den Wählern. Im Wahlkreis Spandau 2 konnte Saleh 26 Prozent der Erststimmen einsammeln. Das ist sogar der fünftbeste Wahlkreis für die SPD. In der Vergangenheit hätte das sicher gereicht. Doch nun geht der Wahlkreis an Ersin Nas (CDU), der 34 Prozent der Erststimmen erringen konnte. Damit setzt sich Nas auch gegen die Spitzenkandidatin der Grünen, Betina Jarasch durch. Sie konnte nur 10 Prozent der Stimmen einholen, könnte aber bald Berlin regieren. Besonders peinlich: Bettina Jarasch kam in ihrem Wahlkreis nur auf den 4. Platz – mit 9,8% hinter CDU, SPD und AFD. Das zeigt: Vor Ort kennen die Wähler ihre Pappenheimer….

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Bausenator Andreas Geisel (SPD) war noch 2021 als Innensenator für die Wahlmanipulationen und das massive Versagen verantwortlich, die letzten Endes zur Neuwahl führten. Sanktioniert wurde er weder juristisch noch in der Partei. Nun verlor auch er seinen Direktwahlkreis Lichtenberg 6. Auch diesen Wahlkreis gewann die CDU, zweitplatziert der Kandidat der LINKE, erst auf dem dritten Platz folgt Geisel. Klaus Lederer ist Vorsitzender der Partei DIE LINKE in Berlin. Er verpasste schon 2021 das Direktmandat, unterlag um 0,1 Prozentpunkte knapp der Grünenpolitikerin Oda Hassepaß. Auch dieses Mal bleibt der Wahlkreis grün, der Unterschied in den Erststimmenergebnissen beträgt nun aber 3,2 Prozentpunkte.

Die Liste als Maßregelungsinstrument

Doch diese Politiker, die nicht einmal den eigenen Wahlkreis gewinnen können, müssen nicht um ihre Zukunft bangen. Die Spitzenkandidaten und Parteiprominenten werden trotzdem über die Landesliste in das Abgeordnetenhaus einziehen. Politiker die Wahlkreise verlieren, wird man so nicht einmal dann los, wenn sie verlieren. Man macht Wahlkampf in einem Wahlkreis und wenn das nicht klappt, sichert man sich über die Liste ab. Doch die Liste ist ein Druckmittel der Partei: Wer der Parteispitze missfällt, wird auf die hinteren Plätze verbannt und muss um den Einzug zittern. Die Machtbasis der Spitze wird mit den sicheren Plätzen vorne bedacht. Der einzelne Kandidat muss sich so keiner direkten Wahl durch den Bürger stellen, sondern mit den Funktionären gutstellen. Der Bürger muss dann die fernab entschiedene Liste schlucken – oder eben mit der Zweitstimme eine andere Partei wählen. Das passiert oft genug: Giffey erreicht in ihrem Bezirk in dieser Wahl 29 Prozent der Erststimmen – ihre SPD aber nur 25 Prozent.

Kein ausschließliches Problem von Linksgrün

Das Problem ist natürlich nicht nur bei Linksgrün zu verorten. Die Spitzenkandidatin der AfD in Berlin, Kerstin Brinker erreichte knapp 5 Prozent der Erststimmen in ihrem Wahlkreis in Steglitz Zehlendorf. Der Kreis ging mit mehr als 30 Prozent an eine Politikerin der CDU. Die FDP scheitert bei dieser Wahl an der Fünfprozenthürde, von einem Wahlkreissieg war sie weit entfernt. CDU Kandidat Kai Wegner immerhin konnte sein eigenes Direktmandat mit 47 Prozent der Erststimmen gewinnen.

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16 Kommentare

  1. Ist es an der Zeit, über die Regularien in unserer Demokratur mal richtig nachzudenken und angemessene Veränderungen zu veranlassen?! Dieses Gesicht ist Synonym für groteske Machtarroganz! Ihre Persönlichkeit ist in Wahrheit eigentlich ein Schrotthaufen: Wie kann man allen Ernstes wegen seiner Persönlichkeitsdefizite das Bundesministeramt niederlegen und im nächsten Atemzug sich um das Amt des Regierenden Bürgermeissters bewerben. Ein sehr hohes Amt, das dann wieder beschädigt wird, weil diese Frau Persönlichkeitsdefizite hat, die sich mit einem hohenAmt in unserer Gesellschaft nicht vereinbaren lassen. Man kann nur noch mit dem Kopf schütteln, wenn man hört, sie werde erneut für ein Bundesministeramt gehändelt! Haben wir keine anständigen Menschen mehr indiesem Land, die von >Ihrer Gesamtpersönlichkeit< geeignet sind, ein demokratisches Staatsamt auszufüllen? Armes Deutschland!

  2. Wer es immer noch nicht kapiert hat, nicht mehr der Wähler bestimmt die Richtung. Sondern Parteien, die glauben nur sie haben die Demokratie gepachtet. Von ihrem angeschwollenen Parteienfilz wird der Inhalt des Grundgesetz nur noch in ihrem ureigenen Sinn ausgelegt. Keiner der Väter des Grundgesetz konnte auch nur erahnen, was gierige Politiker in einer völlig veränderten Welt damit anrichten. Dieser Parteienfilz ist auch dafür verantwortlich, dass das Grundgesetz bisher, sogar trotz Wiedervereinigung, nicht überarbeitet wurde. Auch das damit selbst persönliche Eitelkeit und Vorteildenken heute auch immer mehr in der Politik zu hause und selbst politische Moral nur noch ein Auslaufmodell.

  3. Es ist doch egal, ob Frau Doktrix plag. oder die Grünin “Regierende“ Bürgermeister*in in einer failed City wird.
    Die Unterschiede sind marginal. Übrigens schwarz-grün muss ich in Baden-Württemberg erdulden, mit einer weichgespülten CDU. Stuttgart konkurriert mit Berlin….

  4. Da sind doch glatt Briefwahlunterlagen „liegen“ geblieben.
    450 Stimmen nicht ausgezählt – wackelt Mini-Vorsprung der SPD?13.04 Uhr: Durch einen „internen Fehler“ bei der Wahl in Berlin sind offenbar 450 Stimmen von Briefwählern nicht ausgezählt worden. Das berichtet der „Spiegel“. Die Stimmen sollen nun nachträglich ausgezählt werden. Dadurch könnte nun auch Platz 2 für die SPD wackeln – die Partei um Franziska Giffey hatte bei der Wahl den zweiten Platz mit nur 105 Stimmen Vorsprung vor den Grünen erreicht.“
    https://www.focus.de/politik/deutschland/berlin-wahl-2023-zwei-drittel-der-wahlberechtigten-sehen-regierungsauftrag-bei-cdu_id_183289878.html

  5. Niemand verliert gerne. Zur demokratischen Reife gehört es jedoch, eine Niederlage zu akzeptieren und gegebenenfalls die Konsequenzen zu ziehen.
    Ein Paradebeispiel für die Mißachtung des Wählers ist der baden-württembergische CDU-Vorsitzende und Schäuble-Schwiegersohn Strobl. Bei der letzten Landtagswahl verlor er seinen Wahlkreis und, da es in Baden-Württemberg keine Landeslisten gibt, auch sein Mandat. Er geriet offenbar in einen Panikzustand und verkaufte das Wenige, was die CDU an Prinzipien noch übrig hatte, für einen Schleuderpreis, um sich bei den Grünen ins Koalitionsbett schleichen zu können. Jetzt sitzt er neben Herrn Kretschmann auf dem Boden und wimmert, ab und zu ein wenig gestreichelt zu werden. Für jemanden wie Herrn Strobl habe ich nur Verachtung übrig. Im Gegensatz dazu ist meine Achtung für Frau Eisenmann, die ehemalige Kultusministerin Baden-Württembergs gestiegen. Mit ihrer Amtsführung war ich alles andere als einverstanden. Als ihr aber dasselbe Schicksal wie Herrn Strobl widerfuhr und sie Wahlkreis und Mandat verlor, zog sie die Konsequenzen und trat ab. Dafür zolle ich ihr Respekt.
    Daß ich Frau Giffey und Frau Jarasch ebenfalls Respekt zollen werde, dafür spricht im Moment nichts. Vermutlich haben die beiden Damen neben der Politik nichts anderes und können auch nichts anderes. Sie sind gekommen, um zu bleiben. Prozentzahl unerheblich.

  6. Die Berliner können wählen was sie wollen, RRG regiert.
    Wie in Russland, die Russen können wählen was sie wollen, Putin bleibt.

  7. Einmal mehr bestätigt sich, was ich schon lange sage. Das Verhältniswahlrecht mit seinen abgesicherten Listenplätzen ist in zweierlei hinsicht komplett undemokratisch. 1. kann der Wähler eine Person nicht rauswählen und 2. widerspricht dies der obersten Regel einer demokratischen Wahl „one man, one vote“.

  8. Na was sie schon alles verloren hat ist doch phänomenal, sogar ein graduierter Titel ist weg und da würde sich jeder Anständige in die Berge verziehen und nie mehr heraus kommen, was aber solche Leute anscheinend wenig stört, denn irren kann ja schließlich jeder und wäre es allgemein üblich dann hätte ja sie und viele andere Roßtäuscher recht, denn das ist normalerweise strafbewert und führt in der freien Wirtschaft, aber auch im Beamtentum zumindest zu schweren Konsequenzen, wenn man einem Mitarbeiter ähnliches nachweisen kann.

    In solchen betrügerischen Manipulationen ist sie wahrlich in der Politik kein Einzelfall und geht es dort nach einem Betrugsmanöver erst so richtig los, bedeuted es für andere der Abstieg, bis hinab in die Niederungen einer Zelle, was in erlauchten Kreisen auf Unverständnis führt, denn immerhin befindet man sich ja in elitären Kreisen, wo das Recht muß dann weichen, weil deren Tun einer höheren Sache dient und das gerechtfertigt ihre Sünden im Auftrag des Volkes, was ehedem davon nichts versteht.

    Demzufolge hat sich im Laufe der Jahrhunderte überhaupt nichts verändert, es wurde nur gewechselt und heute sitzt das ehemalige Proletariat auf den Stühlen der Feudalherren und winken genauso huldvoll dem Volk entgegen und Lug und Trug und Ausbeutung ist ebenso zuhause, wobei sie sich nur in der Methodik unterscheiden, damit es besser aussieht, während man sich früher auf Gottes Gnaden berufen hat und heute sind sie alle Freiheitskämpfer, zumindest in eigener Sache, das mit der Freiheit des Volkes kann man mittlerweile auch schon anzweifeln.

  9. Hätte diese Person nur ein Fünkchen Anstand, würde sie von allen Ämtern zurücktreten, aber das ist in der SPD ja nicht en vogue.

  10. Und mit welchem Recht will dann die Ampel weiter regieren? Die Berliner haben rassistisch gewählt (SPD, den Namen spare ich mir), sie hat wohl das Mäßigungsgebot vergessen, hatten wir doch schon vor ein paar Jahren gehabt, da ist auch eine Ansage fällig, zu mindestens aus den eigenen Reihen.

  11. O-Ton Buschkowsky am Ende des youtube Videos: „(…) wie doch mit einer gewissen Geschwindigkeit und mit Enthusiasmus daran gearbeitet wird, diese Stadt zu zerstören – da muss man schon Respekt haben.“ Wie wahr. Noch vernichtender kann ein Urteil nicht sein. Es gibt keine Steigerungsform mehr.

  12. Die RRG Versager werden ganz ungeniert weiter am leckeren Speck knabbern.
    Und darüber hinaus nichts bewerkstelligen.

    Die Zeit für Berlin läuft einfach ab!
    Der KippPunkt rückt näher.

  13. Das angelsächsische Mehrheitswahlrecht bietet in dieser Hinsicht einige Vorzüge, denn die Bedeutung des gewählten Abgeordneten in den Parlamenten ist groß, seine Verpflichtung und Präsenz in seinem Wahlkreis eng. Dagegen lädt unser System geradezu Mauscheleien in Hinterzimmern ein. Zusammen mit dem Einfluss mächtiger Lobbygruppen auf die Abgeordneten, schwächt das die Demokratie enorm. Und über ein Gegengewicht, wie die Volksbegehren in der Schweiz, verfügt Deutschland leider nicht.

  14. Peinlich und schäbig. Aber so kann man mit Zahlen jonglieren und auf die eindeutige Wählerstimmung pfeifen.
    Aber „solange Westdeutschland zahlt“ (ein Berliner Spruch der siebziger Jahre) gibt es keine Grenzen…“

  15. Die Frage sei erlaubt – wer hat denn so ein merkwürdiges Wahlsystem kreiiert und installiert. Waren es die Siegermächte um jahrelang einen Spass an der Hilflosigkeit nach den Wahlen zu haben. „The winner takes it all“. Dann gäbe es keine Ausreden und Schuldzuweisungen mehr. Butter bei die Fische ohne Ausreden. Jetzt haben wir die Malaise dass die Künaths und Eskens sich in blah blah ergehen können ohne Farbe für das Versagen der roten Socken zugeben zu müssen. Von den grünen Traumtänzern mal ganz zu schweigen. In Berlin läuft es anders…“The Loosers takes it all“….

    • „Die“ hatten sich damals für eine „repräsentative“ Demokratie entschieden und gegen ein Direktwahlsystem: (komisch bei dem britisch-amerikanischem Einfluß damals) man wollte dem deutschen Wähler, der ja Adolf mit Mehrheit gewählt hatte, nicht mehr über den Weg trauen, die Parteien sollten stattdessen das Volk , „den großen Lümmel“, ersetzen, außerdem: je geringer die Zahl der Verantwortlichen (Repräsentanten), desto leichter die Kontrolle.

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