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Schlappe für Altmaier?

Der geplante Kohleausstieg könnte teilweise verfassungswidrig sein

von Redaktion

27.02.2020

| Lesedauer: 2 Minuten
Ein Gutachten sieht zahlreiche Mängel im geplanten Kohleausstiegsgesetz der Bundesregierung. Die Betreiber von Steinkohlekraftwerken wollen mehr Entschädigung und Wirtschaftsminister Peter Altmaier sieht offenbar ein, dass sie gute Argumente haben.

Das Kohleausstiegsgesetz ist vom Bundeskabinett zwar schon beschlossen, aber der Streit dürfte jetzt erst richtig losgehen. Und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier droht dabei eine peinliche Schlappe. Ein Gutachten einer Energierechtskanzlei sieht in seinem Gesetzentwurf „zahlreiche konzeptionelle Mängel“, wie die Welt berichtet. Die Kritik richtet sich vor allem gegen die Benachteiligung von Steinkohlekraftwerken gegenüber Braunkohlekraftwerken. Das Gutachten der Energierechtskanzlei Rosin Büdenbender im Auftrag des Steinkohlekraftwerksbetreibers Steag macht Verstöße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, den Eigentums- und Vertrauensschutz geltend, weil Steinkohlekraftwerke nach 2026 ohne Entschädigung der Eigentümer stillgelegt werden sollen. Mit der Ankündigung von Altmaier, „die Kohleverstromung in Deutschland rechtssicher, wirtschaftlich vernünftig und sozial ausgewogen (zu) beenden“, dürfte es also nicht so einfach werden. Stattdessen drohen der Bundesregierung jahrelange Prozesse gegen die Kraftwerksbetreiber – wie beim Atomausstieg.

Das noch nicht veröffentlichte Gutachten, aus dem die Welt und das Handelsblatt zitieren, kritisiert grundsätzlich, dass die Bundesregierung mit dem Gesetzentwurf den Empfehlungen der von ihr selbst eingesetzten Kommission „Wachstum, Strukturwandel, Beschäftigung“ (KWSB) nicht entspricht. Die Kommission hatte zur „Verständigung mit den Kraftwerksbetreibern einschließlich eines Konsenses über Entschädigungsregelungen“ geraten.

Im Gegensatz zu den Betreibern von Braunkohlekraftwerken, denen milliardenschwere Entschädigungen vertraglich zugesichert werden, sind diese den Besitzern von Steinkohlekraftwerken nach dem Gesetzentwurf vorenthalten. Sie müssen sich stattdessen in einem Auktionsverfahren um Stilllegungsprämien bewerben. Betreiber, die am wenigsten fordern, erhalten den Zuschlag. Und das auch nur bis 2026. Wer danach noch nicht alle Kohlekraftwerke freiwillig stillgelegt hat, muss ab 1. Januar 2027 die Kraftwerke dann bis zum endgültigen Ende der Kohleverstromung 2038 entschädigungslos abschalten.  

Hinter dieser Ungleichbehandlung zu Gunsten der Braunkohle steht offensichtlich die Verknüpfung der Braunkohlekraftwerke mit dem Braunkohletagebau-Revieren, deren Strukturwandel die Bundesregierung und die Landesregierungen von NRW, Sachsen und Sachsen-Anhalt besonders „sozialverträglich“ machen wollen. Steinkohlekraftwerke dagegen verbrennen ohnehin seit dem Ende der deutschen Steinkohleförderung nur noch Importkohle.

Für Energieanwalt Büdenbender ist aber laut Handelsblatt nicht einzusehen, warum die Vorzüge des Auktionsverfahrens „auf der Zeitachse ab dem Jahr 2027 plötzlich verloren gehen“. Dafür gebe es „keine Sachgründe, sodass es nicht verwunderlich ist, dass sich der Gesetzentwurf noch nicht einmal um eine Begründung bemüht“.

Außerdem, so heißt es in dem Gutachten, führe die zeitliche Begrenzung der Entschädigung dazu, dass die Betreiber einen Anreiz hätten, gerade die effizienteren, modernen Kraftwerke früher als notwendig abzuschalten und die alten, ineffizienteren länger zu betreiben als notwendig wäre. Das sei klimapolitisch widersinnig.

Offenbar hat Altmaier eingesehen, dass die Betreiber von Steinkohlekraftwerken gute Argumente gegen seinen Gesetzentwurf in der Hand haben. Wie das Handelsblatt berichtet, hat er etwa 30 Manager und Vertreter von Verbänden der Energiewirtschaft am Donnerstag für 16 Uhr zu einem Gespräch eingeladen. 

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