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METZGERS ORDNUNGSRUF 23-2021

Der Fall Wirecard – Olaf Scholz: Angeblich ahnungslos, deshalb verantwortungslos?

08.06.2021

| Lesedauer: 3 Minuten
FDP, Grüne und Linke reklamieren die Verantwortung des Bundesfinanzministers. Doch Union und SPD decken wechselseitig ihre verantwortlichen Minister.

Heute tagt der neunköpfige Untersuchungsausschuss des Bundestags zum größten Bilanzbetrugs-Skandal in der Geschichte des Landes wohl zum letzten Mal, hört noch einmal Zeugen wie in unzähligen Sitzungen in den vergangenen sieben Monaten. Doch gestern bereits präsentierten die Vertreter der drei Oppositionsfraktionen, denen die Einsetzung dieses Ausschusses überhaupt zu verdanken war, ihre politische Bewertung. Von den drei Musketieren, so titulierten sich die Aufklärer im vergangenen Herbst selbstironisch auf Twitter, sind allerdings nur zwei übrig geblieben: Florian Toncar von der FDP und Fabio de Masi von der Linksfraktion. Der ursprüngliche Dritte im Bunde der Musketiere, Danyal Bayaz von den Grünen, ist aus dem Bundestag ausgeschieden, weil Winfried Kretschmann ihn zum Finanzminister in Baden-Württemberg berufen hat. Lisa Paus von den Grünen komplettiert jetzt das Trio.

KANZLERIN UND VIZEKANZLER
Der Fall Wirecard: Die Regierungsspitzen sind doch verstrickt
Die Bilanz der drei Abgeordneten fällt für die Regierung vernichtend aus. Der größte Börsen- und Finanzskandal der Nachkriegszeit sei durch „kollektives Aufsichtsversagen“ sowie durch ein „politisches Netzwerk“ ermöglicht worden. Nicht nur Politiker und Aufsichtsbehörden, sondern auch deutsche Medien, hätten alle Warnsignale ignoriert, weil sie sich den angeblichen „digitalen nationalen Champion“ nicht madig machen lassen wollten. Das Versagen der staatlichen Aufsichtsbehörden ist längst dokumentiert und politisch auch testiert, weil etwa der Präsident der dem Bundesfinanzminister unterstellten Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) abgelöst wurde. Auch der Chef der Abschlussprüferaufsicht (Apas) wurde freigestellt, als bekannt wurde, dass er noch kurz vor der der Pleite mit Aktien von Wirecard gehandelt hatte. Die Apas unterliegt der Rechtsaufsicht von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). Die politische Verantwortung des vor allem zuständigen Bundesfinanzministers sieht nur das Oppositions-Trio und die AfD, deren eigene Bewertung aber erst noch präsentiert werden muss. Die Koalitionsfraktionen dagegen sprechen Olaf Scholz von jeder Verantwortung frei. Die CDU schont im Entwurf des Abschlussberichts den SPD-Minister, die SPD wiederum den CDU-Wirtschaftsminister. Weil die Mehrheiten im Parlament so sind, wie sie sind, wird der Bundestag voraussichtlich am 25. Juni den Abschlussbericht mit dem politischen Freispruch für die verantwortlichen Minister auch so beschließen. In der Großen Koalition herrsche „ein ganz klares Waffenstillstandsabkommen“, bringt es der Linke de Masi auf den Punkt, „dass man die politische Verantwortung nicht benennt“. Oder platt formuliert: Haust du meinen Finanzminister nicht, dann schone ich im Gegenzug auch deinen Wirtschaftsminister.

Die Oppositionspolitiker räumen allerdings ein, dass die Rolle des SPD-Kanzlerkandidaten, „der sich immer weggeguckt habe“ (de Masi), nicht zweifelsfrei geklärt werden konnte. So war es auch in Hamburg, wo Scholz als damaliger Regierungschef in einen mehr als fragwürdigen Erlass einer Millionen-Steuernachforderung an die Warburg-Bank verwickelt war. Die Rücktrittsforderungen, die Felix Toncar von der FDP gestern stellte, adressierte er nicht an den Bundesfinanzminister, sondern an die beiden Staatsminister, die für die BaFin und die Antigeldwäscheeinheit des Zolls (FIU) zuständig sind. „Der Wirecard-Skandal war kein Naturereignis“, so Toncar, „sondern er war verhinderbar“, wenn Prüfer und Behörden früher auf die zahlreichen Verdachtshinweise eingestiegen wären. Die Wirtschaftsprüfer von EY, die jahrelang die Wirecard-Bilanzen testierten, obwohl Milliardensummen nur aus Scheingeschäften bestanden, werden vom ganzen Untersuchungsausschuss unisono harsch kritisiert. Das Prüfversagen hat EY bereits eine Reihe von lukrativen Aufträgen gekostet und wird auch noch hohe Schadenersatzforderungen von betrogenen Wirecard-Aktionären und kreditgebenden Banken nach sich ziehen. Auch die Geschichte vom allein verantwortlichen Betrüger Jan Marsalek, dem flüchtigen Ex-Vorstandsmitglied, lässt sich nach den Untersuchungen des Bundestagsausschusses nicht halten. Vorstand und Aufsichtsrat sind verantwortlich für den organisierten Betrug im Unternehmen.

Was hat die Aufklärungsarbeit im Untersuchungsausschuss letztlich erbracht? Ministerrücktritte sind ausgeblieben, weil die Regierungsmehrheit sie nicht wollte. Dafür wurde die staatliche Aufsicht personell und organisatorisch neu strukturiert. Und die Anwälte, die für die betrogenen Aktionäre und Investoren von Wirecard Schadensersatz erstreiten wollen, werden sich aus den Akten bedienen. Denn die juristische Aufarbeitung findet vor ordentlichen Gerichten statt.


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23 Kommentare

  1. besser:
    bar jeder Ahnung,
    deshalb
    bar jeder Verantwortung ?

  2. Was ist denn überhaupt ein „Untersuchungsausschuss des Bundestags“ wert ??? – eigentlich NICHTS – denn dieser „Ausschuss“ hat weder Kompetenz, noch Macht,- politisch zusammengesetzt aus Laien-Richtern der Parteien und man kann dort lügen oder an „nichts erinnern“, – das sich die Balken biegen.

  3. Die Chuzpe.. oder die Verzweiflung… den als Kandidaten aufzustellen … wird die SPD hoffentlich endgültig in die Belanglosigkeit katapultieren. Die SPD-Minister, allen voran der sich schlecht erinnernde Olaf Scholz, basteln garantiert schon an der Karriere-danach. Mal sehen, in welcher Stiftung o.ä. wir den wiedersehen.

  4. Für sehr lange Zeit war es dem Vorstand gelungen den eigenen Aufsichtsrat und die Wirtschaftsprüfer hinter die Fichte zu führen. Ob dabei nur Charisma, oder auch Schmiergeld eine Rolle spielten muss der Konkursverwalter und ein Gericht klären. Es ist ihm sogar gelungen die Münchener Staatsanwaltschaft davon zu überzeugen, dass Shortseller unwahre Geschichten über die Firma streuen würden. Auch der geschäftserfahrene Staatssekretär im BMF wurde getäuscht. Auch die kreditgebenden Banken, die nach dem KWG verpflichtet sind, sich ein eigenständiges Bild ihrer Risiken zu machen, haben sich, mutmaßlich mit grober Fahrlässigkeit, täuschen lassen. Auf dieser Grundlage, und bei Vorliegen von testierten Jahresabschlüssen, konnte keine Bafin, keine Börsenaufsicht, und schon gar kein Bundesfinanzminister “ mehr und besser “ wissen. Auch wenn durch den U-Ausschuss einige interessante Elemente des Betruges sichtbar wurden, die endgültige Klärung durch Gerichte, Verurteilung und Haftung von AR und WP, und die Mitschuld der kreditgebenden Banken, steht noch aus. Deshalb war der U-Ausschuss zu diesem Zeitpunkt ein unnötiges Spektakel von parlamentarischen Wichtigtuern und weitgehend inkompetenten Sensationsjournalisten.

  5. Wenn unsere Kleptokraten“elite“ sich doch nur selber die Taschen füllen würde… aber nein, sie verschenken auch noch unserer Geld mit vollen Händen. Und dann stellen sie sich hin und wollen (wieder)gewählt werden… und sind persönlich beleidigt, wenn man sie zum Teufel wünscht. Wie muss man eigentlich charakterlich strukturiert sein, um so ein Leben leben zu können?

  6. Merkwürdig ist, lieber Herr Metzger, dass es immer wieder dieselben sind, so wie beispielsweise Ernst & Young, die ordentlich Kohle machen mit Testaten, die offensichtlich gewünscht oder vielleicht auch bestellt sind.

    Es ist ein System, in und an dem alle verdienen, auf Deubel komm‘ raus. Die wahre Frage, die sich mir stellt, ist: Wie kann das nachhaltig gestoppt werden?

  7. Gelebte Demokratie 2021. Wenn es eines Tages nötig sein sollte, für dieses Land sich grade zu machen, wird´s keiner tun. Wieso auch, wenn die Führungsstruktur nur aus Versagern und Betrügern besteht. Das mit dem stinkenden Kopf stimmt nämlich. Illusionen über die drei Aufrechten sollte man sich auch nicht machen, Wären es ihre Pfeifen, würde sie sie genauso schonen.

  8. SPD und übernehmen von Verantwortung schließen sich per se aus.

  9. Ich habe jetzt lange und gründlich aufgepasst! Wer sich in Deutschland an Regeln, Normen und sowas unsinniges wie Gesetze hält, der ist selber schuld! Du musst LÜGEN, BETRÜGEN, TRICKSEN und FAKEN – dann wirst du was in diesem Land! Ehrlichre Arbeit, Redlichkeit und Tugend sind keine nützlichen Eigenschaften mehr. In Wirtschaft wie Politik kommst du nur noch als aalglatter Drecksack hoch – und springst auf denen rum, die ehrlich sind. Deshalb springe ich jetzt über meinen Schatten und genieße die Sonnenseite des Lebens! Nach mir die Sintflut! DEUTSCHLAND 2021. Keine Satire – das ist biterer Ernst….

  10. Wer wirklich auf „Ministerrücktritte“ gehofft hat, dem kann ich nur begegnen. Die ganze Wirecard Affäre war ein offen ausgetragenes Showgefecht für die Presse und die interessierten Bürger, wobei das Ergebnis schon vorher klar war.

  11. Was für ein ekliger Brei von Lügnern und Betrügern sich in Deutschland breit gemacht hat. Pfui Teufel.

    • Und das ist nur das, was sich nicht mehr vertuschen lässt… sondern der stinkende „Brei“, der schon aus der Kanalisation hochblubbert

  12. Herr Metzger, ich finde es schon mutig von Ihnen, FDP, Grüne und Linke als Opposition zu bezeichnen. Wenn ich mir die Reden der Vertreter dieser Parteien im Parlament anhöre, scheinen sie mir doch treue Anhänger von Lady de Winter zu sein, um in Ihrem Bild zu bleiben. Und warum erwähnen Sie eigentlich nicht den vierten Musketier, der, wenn ich mich recht erinnere, in dem Roman von Alexandre Dumas die Hauptrolle spielt?

    • Ole von Beust also auch mitinvolviert. Wäre interessant mal zu wissen, wie viel Geld der nette Herr von und zu für seine Lobbyarbeit erhalten hat. Die Chefin. Mir wird übel.

  13. Manchmal erinnern mich diese maskentragenden Politiker an Angeklagte, die im Rahmen einer Gerichtsverhandlung ihre Gesichter hinter Aktenordnern verstecken.

  14. Warum nur werden immer wieder die Ahnungslosen Kanzlerkandidaten in diesem Land. Wenn es um Verantwortung geht sind sie Unwissende und tragen natürlich keinerlei Veranwortung. Kleiner Nebeneffekt. Die D& O und auch die Vermögensschadenhaftpflichtversicherung hebt die Beiträge entsprechend an. Man gönnst sich ja sonst nichts. Danke an den Oberaufseher Olaf von der Waterkant.

  15. Was der Mann hier, in seiner gespielten Bescheidenheit, vom Stapel lässt ist wirklich verantwortungslos. So einer ist Bundesfinanzminister, Kanzlerkandidat und will den Leuten sagen was gut und richtig ist. Es geht doch wirklich immer noch schlimmer. Ist wohl doch echt auf den Hund gekommen, die selbsternannte „Elite“! In Abwandlung eines bekannten Zitats möchte man rufen, „ Ein Königreich für einen ehrlichen und fähigen Politiker (aus dieser „Garde“)!“

  16. Gegenüber dieser Regierung ist die Mafia ein Kindergarten, und über allen thront La Mama.

  17. Der Milliardenbetrug von Wirecard hätte verhindert werden können. Aber die Anleger werden wohl auf ihren Verlusten sitzen bleiben. Denn letztlich haben alle Verantwortlichen weggeschaut und sind ihrer Aufgabe nicht nachgekommen. Und Scholz als Politiker wusste ja eh von nichts, genauso wie Merkel, die bei ihrer Chinareise damals noch für Wirecard geworben hat.
    Marsalek jedenfalls geniesst derweil sein Luxusleben im fernen Ausland, wo weiß niemand genau. ?

  18. Nach so einer Mega-Pleite 3 mögliche Varianten:
    a) der (die) zuständige(n) Minister sind ahnungslos: Sie müssen zurücktreten, denn wer keine Ahnung von solchen Ereignissen hat, kann nicht weiter Minister spielen.
    b) der (die) zuständige(n) Minister wussten im Vorfeld Bescheid: Sie müssen zurücktreten, es hätte nie zu diesem Desaster kommen dürfen.
    c) alles egal, man wäscht sich gegenseitig rein.
    Die c)Republik ist die wahrscheinlichste Variante.

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