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Glosse

WDR extrabreit: Der ARD-Presseclub und sein Problem mit den „Problematischen“

von Redaktion

16.12.2022

| Lesedauer: 3 Minuten
Der ARD-Presseclub unterscheidet Medien und problematische Publikationen. Letztere kommen ihm nicht ins Haus. Sie könnten am Ende noch die schönste Kontroverse stören.

Sollte es demnächst zu etwa mehr weltanschaulicher Vielfalt im ARD-Pressclub kommen, steht der Verantwortliche dafür schon fest: ZEIT-Redakteur Holger Stark. In der Presseclub-Sendung am vergangenen Sonntag – es ging um die Reichsbürger und den angeblich in letzter Minute vereitelten Putsch – meinte der Journalist, „führende oder einflussreiche Konservative“ wie Hans-Georg Maaßen, Uwe Tellkamp und Roland Tichy müssten sich „klarer von rechts abgrenzen“ und „Stellung beziehen“. Worin die Nähe der Genannten zu Putschversuchsprinz Heinrich XIII und seinem Koch liegen sollte, führte Stark nicht weiter aus.

Seine Sätze, die der Sender dann auch auf eine sogenannte Social-Media-Kachel packte …

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… blieben nicht ohne Folgen. Denn in der Online-Diskussion wiesen etliche Teilnehmer darauf hin, dass Maaßen, Tellkamp und Tichy dazu aber in die Diskussionsrunde geladen werden müssten. Worauf das Social-Media-Team des Presseclubs erwiderte, Maaßen sei ja ohnehin kein Journalist (wie am Sonntag eingeladene frühere Piratenpartei-Politikerin Katharina Nocun), und die Publikationen von Tellkamp und Tichy finde man bei der ARD „problematisch“.

Das wiederum nahm TE zum Anlass, einige Fragen an den WDR zu richten, den Veranstalter des Presseclubs. Beispielsweise, wie der Sender den Begriff „problematisch“ definiere, auch und vor allem in Abgrenzung zu früheren Presseclub-Teilnehmern. Stephan Anpalagan etwa schreibt für die Linkspartei-Zeitung Neues Deutschland, bis 1990 Zentralorgan der SEDund die Plattform „Volksverpetzer“ – ein Medium, das noch Anfang 2020 Corona zu einer rechten Verschwörung erklärte, um später jeden, der Zweifel an der staatlichen Corona-Politik äußerte, in die rechtsradikale Ecke zu rücken. TE wollte auch wissen, wie die Festlegung, nur Journalisten von unproblematischen Medien einzuladen, zum Anspruch des Presseclubs passt, kontrovers zu sein.

Besonders kontrovers ging es jedenfalls bei der „Reichsbürger“-Ausgabe der Sendung nicht zu. Die Teilnehmer begleiteten die Ausführungen des jeweils anderen oft mit Nicken. Bestenfalls in Details blitzten einmal Differenzen auf, etwa, wenn Reinhard Müller von der FAZ meinte, die Gefahr der Reichsbürger-Verschwörer sollte nicht übertrieben werden, während Nocun erklärte, über das vom Verfassungsschutz auf 23.000 geschätzte Reichsbürgermilieu hinaus gebe es noch einen „großen Resonanzraum“, zu dessen Ausmaßen sie aber nichts Erhellendes beitragen konnte.

Apropos erhellend: Die Antwort des WDR fiel sehr kurz aus. Über die Sender-Definition von „problematisch“ erfährt die Öffentlichkeit nichts. Offenbar wird alles Sachdienliche dazu noch besser gehütet als der Termin der nächsten Putschistenverhaftung. Offen bleibt auch, wann Roland Tichy oder ein anderer Vertreter beziehungsweise eine Vertreterin von TE in den Club geladen wird, und sei es nur, um sich dort aufforderungsgemäß von Leuten zu distanzieren, mit denen sie nichts gemeinsam haben.

„Der Presseclub lädt Journalisten eines breiten politischen Meinungsspektrums ein“, so der WDR auf TE-Anfrage. „Laut unserer Statistik war Roland Tichy seit 1989 insgesamt 60 Mal im Presseclub zu Gast, zuletzt im März 2018.“ Für ein breites Meinungsspektrum, davon scheint der Sender jedenfalls auszugehen, reicht das bis heute. Und mehr davon würde nur die Kontroverse stören. Denn so nennt man es bei den Öffentlich-Rechtlichen nun mal, wenn vier Personen weitgehend identische Inhalte mit leichten Variationen vortragen.

Es fiel allerdings in der Antwort des Presseclub-Teams während der Online-Diskussion auch der etwas kryptische Satz: „Wir behalten das trotzdem im Blick.“ Sollten Sie also demnächst hören und sehen, wie im Presseclub jemand mit den Worten vorgestellt wird: „Und außerdem heute zu Gast: Herr XY vom problematischen Medium“, dann wissen Sie: Der WDR macht das ohnehin schon breite Presseclub-Spektrum so unvorstellbar breit wie in eigentlich schon überwundenen Zeiten.

Bleiben Sie dann ruhig. Gießen Sie sich wie die Journalisten ein Glas Wasser ein. Denn das eine Mal reicht dann vermutlich bis 2030.

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