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Arbeitszeiterfassung

SPD-Minister Hubertus Heil verpennt Gesetz und sorgt für Rechtsunsicherheit

08.12.2022

| Lesedauer: 2 Minuten
Flexible Arbeitszeiten: Die Welt richtet sich auf ein modernes Arbeitsleben ein. Deutschland und die EU greifen derweil auf die Stechuhr zurück – zur Krönung hat Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) das Gesetz dazu verpennt.

Vier Stunden zu Hause für einen festen Arbeitgeber arbeiten, danach noch als Selbstständiger für private Auftraggeber unterwegs sein? Als Experte in Stoßzeiten große Aufträge wegarbeiten und anfallende Überstunden später abfeiern? Die Welt richtet sich auf eine moderne Arbeitswelt ein, aber Deutschland und die EU marschieren zurück in die Ära vor der Digitalisierung: Stechuhr, 9 bis 5, jede Minute davor, jede Pause und jede Minute danach müssen erfasst werden, ausgedruckt und per Hand unterschrieben. Das Bürokratiemonster hat gesprochen.

[inner_post 1] Dass die EU seine Mitgliedsstaaten (noch) weiter in die Ära vor der Digitalisierung zurückschicken will, steht schon seit Jahren fest. TE berichtete mehrfach darüber. Trotzdem hat es der deutsche Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) geschafft, ein entsprechendes Gesetz zu verpennen. Für Arbeitgeber bedeutet das nun, dass nicht nur massiver, zusätzlicher Verwaltungsaufwand auf sie zukommt – dazu, wie dieser Aufwand konkret aussehen soll, besteht nun auch noch Rechtsunsicherheit.

2019 hat der Europäische Gerichtshof geurteilt, dass die Arbeitszeiterfassung wieder so aussehen muss wie in den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Im Koalitionsvertrag steht, dass Heil ein Gesetz vorbereiten soll, das die Rechtslage in Deutschland dem EU-Urteil anpasst. Doch statt eines solchen Gesetzes gab es nur Regelungen für einige Branchen, etwa die Gastronomie. Nun hat das Bundesarbeitsgericht entschieden: Obwohl es in Deutschland kein entsprechendes Gesetz gibt, sollen die Betriebe, die bisher auf Vertrauensarbeitszeit gesetzt haben, zurück in die 50er Jahre marschieren. Jetzt. Sofort. Ohne Übergangsfrist.

Wie das aussehen soll? Da müssen die Betriebe nun improvisieren. Das Erfurter Urteil sieht vor, dass die Arbeitgeber die Zeit ihrer Mitarbeiter erfassen sollen. Das können die Mitarbeiter auch selbst tun. Aber wie sie das machen sollen, ist unklar: tatsächlich per Stechuhr? Geht auch eine App? Oder sollen die Mitarbeiter es gleich wie in den 50er Jahren machen und handschriftlich darstellen, wann sie gearbeitet haben und wann oder wie lange sie auf dem Klo waren? All das ist – Stand jetzt – möglich. Wenn Millionen Arbeitnehmer nun ihre Arbeitszeit handschriftlich erfassen und einreichen, dürfte die Reform auf die Bürokratiemonster EU und deutscher Staat zurückschlagen und entsprechenden Aufwand verursachen.

Mittlerweile hat das Haus Heil umfassend reagiert: Es hat im Netz eine Stellungnahme veröffentlicht, dass die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts gelte. Gegenüber der Bild kündigt Heil einen „praxistauglichen Vorschlag“ an. Den werde es dann schon „voraussichtlich im ersten Quartal 2023“ geben. Das endet am 31. März. Es könnte noch Ausnahmen geben für Arbeitnehmer, deren Arbeitszeiten sich schwer definieren lassen. Zum Beispiel für Führungskräfte. Die Regelungen dazu müsste Heils Ministerium dann aber in den nächsten drei Monaten ausarbeiten.

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