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Netanyahu in Israel wieder an der Macht

Netanyahu ist zurück: Ein Rechtsruck muss nicht immer schlecht sein

04.11.2022

| Lesedauer: 3 Minuten
Benjamin Netanyahu übernimmt wieder mit satter Mehrheit die Macht in Jerusalem. Der politische Gegner und große Teile der Medien auch in Israel beklagen einen Rechtsruck, sehen eine drohende Gefahr für die Demokratie im jungen Judenstaat. Aber Rechtsruck muss nicht unbedingt immer etwas Schlechtes bedeuten.

Wir erinnern uns: Frieden mit Ägypten hat der rechtsnationale Menachem Begin 1977 geschlossen. Erzfeind Anwar al-Sadat, ein Autokrat, der 1973 den Yom-Kippur anzettelte, pilgerte nach Jerusalem und drückte die Hand des einstigen Ex-Terroristen im israelischen Parlament, der sich zu einem durchaus erfolgreichen Ministerpräsidenten entwickelte. Keiner seiner linken Vorgänger, angefangen von David Ben Gurion bis Golda Meir, hat Vergleichbares bei der Aussöhnung mit den arabischen Nachbarn geschafft. Ohne den Frieden mit Ägypten hätte es auch 17 Jahre später keine diplomatischen Beziehungen mit Jordanien gegeben. 

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Es war der rechtsnationale Netanyahu, der mit Unterstützung des „First-America“-Präsidenten Donald Trump auf einen Schlag vier arabische Feindstaaten, einst Israelhasser, ins schmale Friedensnest geholt hat. Das ist erst gut zwei Jahre her und die Vereinbarungen blühen und gedeihen zum Wohle aller Beteiligten. Und dann ist da noch ein gewisser Recep Tayyip Erdoğan – sicherlich kein Linker –, der eine Dekade lang zum Lager der Israel-Vernichter gehört hat. Bis er einsehen musste, dass gegen Israel im östlichen Mittelmeerraum nichts geht, mit Israel aber fast alles. In diesem Jahr hat er den israelischen Staatspräsidenten Isaak Herzog mit allen Ehren empfangen, den türkischen Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu nach Jerusalem entsandt und ist kürzlich mit dem Noch-Verteidigungsminister Benny Gantz persönlich in Ankara vor die Kameras getreten. Die israelischen Politiker hätte er noch vor wenigen Jahren nicht mit der Beißzange angefasst.

Die Liste könnte auch auf Berlin erweitert werden. Dort gibt es inzwischen führende Politiker der Grünen-Partei, die sich zu respektablen Lobbyisten der europäischen Waffenindustrie gemausert haben. Was haben die Damen und Herren alle gemein? Die Realität hat sie auf den Boden der Tatsachen gebracht.

Zurück zu Israel, wo zwei Rechtsnationale den Ausschlag für die Rückkehr Netanyahus ins Ministerpräsidenten-Amt gegeben haben. Selbst in Israel wurden die beiden Herren, Itamar Ben Gvir und Bezalel Smotrich, jahrelang nicht ernst genommen. Ihr Wahlslogan „Wir zeigen ihnen, wer der Herr im Haus ist“, hat jetzt Früchte in Form von 14 Mandaten – bisher sechs – im israelischen Parlament getragen. Die beiden kennen Judäa und Samaria – besser bekannt als Westbank – sehr gut, weil sie dort ihr Leben verbringen. Mit ihrem Einzug demnächst in die Regierung, mit wichtigen Ministerämtern betraut, werden sie sich sehr schnell mit der Welt außerhalb von Nablus, Ramallah und Jenin anfreunden müssen. Sie werden den Weg aller erfolgreichen Wahlkämpfer gehen müssen: Guter Wahlkampf befähigt noch lange nicht zum guten Regieren. Die beste Schule in der Politik ist die Realität. Schon manch fähiger Boxer im Wahlkampf musste schneller, als er/sie es glauben konnte, die wuchtigen Handschuhe gegen feines Glacé eintauschen.

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Ben Gvir und Smotrich, beide gelernte Rechtsanwälte, 46 und 42 Jahre jung, haben sich bisher nicht als Intelligenz-Bestien einen Namen gemacht. Das ist in der Politik auch nicht immer eine Voraussetzung für Erfolg. Flexibilität und Lernfähigkeit sind weit wichtigere Eigenschaften. Vor allem, wenn man einer israelischen Regierung unter Netanyahu angehören und dort auch langfristig überleben will. Israel spielt inzwischen im großen politischen Konzert nicht nur im Nahen Osten mit. Die USA sind ein überlebenswichtiger Partner und die jüdischen Gemeinden zwischen New York und Los Angeles reden ein gewichtiges Wort mit. Dort muss man im feinen Zwirn auftreten können und die Sprache der Diplomatie beherrschen.

Israel ist mittendrin, gemeinsam mit Zypern, Griechenland und der Türkei, mitfinanziert durch Abu Dhabi und Dubai, zu einem „Big Player“ im internationalen Gas-Geschäft zu werden. Fahnenschwenken und lautstark Sprücheklopfen ist da wenig hilfreich. Im weltweiten Energie-Becken schwimmen kluge Wirtschaftshaie, die zubeißen, wenn Politiker mit Wolkenkuckucksheim-Ideen ankommen. 

Das bedeutet: Es gibt keinen Weg der Gewalt, nur Aussöhnung mit den arabischen Nachbarn am Verhandlungstisch, heißt die aktuelle Devise. Dafür muss man auch Waffen besitzen, stark sein, aber vor allem mental stark sein und überzeugend in mehreren Sprachen auftreten können. Und sie werden lernen müssen, dass alles was Recht ist, auch Recht sein muss. Netanyahus erneute Amtsübernahme wird vorerst eine Einschulung für die beiden rechtsnationalen Haudegen Ben Gvir und Smotrich sein. Ohne Zweifel: Zum Lernen bedarf es stets zwei Seiten – einen intelligenten Lehrer und lernwillige Schüler.

Der intelligente Lehrer ist bereits auf der Bühne und hat seine Fähigkeiten in den letzten 15 Jahren bewiesen. Die entscheidende Frage ist, ob die Schüler ihren Westjordanland-Staub abschütteln können und offen sind für die große Politik einer erfolgreichen Start-up-Nation. Die Vergangenheit zeigt, dass die Rechten auf der politischen Bühne nicht dümmer sind als die Linken. Bibi, pack’s an, es gibt viel zu tun.

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6 Kommentare

  1. King Bibi is back.
    Ich liebe diesen Mann. Er bringt Israel vorwärts. Keine Konzessionen gegenüber den Arabern mehr, mehr Siedlungen in Judäa und Samaria. So sieht gute israelische Politik aus.

  2. In deutschen, österreichischen Medien wird schon über Wirtschaftssanktionen palavert! Am Israel Chai, es kann nur besser werden, man bedenke, wie sich Lapid beim „Gasdeal“ von den USA und dem Libanon (Hisbollah) über den Tisch hat ziehen lassen. ???????????

  3. Ein sympathisches Plädoyer für „Rechte“ Politik.
    Deutschland (und die EU) braucht auch gute, rechte Politik. Damit ist rechte Politik im internationalen Sinn gemeint, kein Hitlerabklatsch, den die „Linken“ natürlich immer als Boogeyman an den Himmel malen – insb für deutsche Linke ist alles „rechts“ von ihnen selbst automatisch „Hitler“, heißt linksextrem ist eigentlich Mitte, alles was „erlaubt ist“. Diese medial geschürte, nationale Psychose funktioniert derart vermutlich auch nur in Deutschland mit seinem Hitler-Trauma. Aber alle Politik an Hitler (oder Klima) zu messen, zu orientieren führt nur in eine Sackgasse. Wären die psychotischen Thesen der „Linken“ richtig, dürfte es politisch eigentlich nur „die Grünen“ und Kommunisten geben, alle anderen wären irgendwie schon unter Hitler-Verdacht.
    Die Medien arbeiten offensichtlich international nach ähnlichen Strickmustern, was wenig überraschend sein sollte, da viele Sender, Zeitungen etc. zu großen internationalen Konzernen gehören. Demnach waren Orban und Trump auch „irgendwas mit Hitler“, als sie an die Macht gelangt waren, wir jetzt natürlich auch Frau Meloni mindestens eine Wiedergängerin Mussolinis ist. Bei den Schweden-Demokraten fehlt scheinbar noch das eigene historische Etikett, dann sind sie eben auch einfach „irgendwas mit Nazis“.
    Eigentlich ist dieses mediale Spiel derart primitiv und billig, dass es nur verwundern kann, wie lange es schon recht gut funktioniert.
    Linke Schnappatmung ist offensichtlich medial kultiviert und dient offensichtlich auch nur der taktischen Diffamierung, es ist mediales „mit Dreck werfen“, was zu 99,99% stets unberechtigt ist, weil natürlich weder Trump, Orban, Meloni oder die deutsche AfD „Nazis“ sind, nicht einmal ein kleines bisschen. Es sind legal gewählte Politiker, die einfach nicht nach der linken (Medien)Pfeife tanzen und sich Gott bewahre, eine eigene Meinung und Haltung erlauben, die „Allgmeine“ Meinung im Medientross zu kritisieren wagen.
    In diesem intellektuellen Bällebad ist man heute schon „Nazi“, wenn man Einwanderung regeln und ggf. begrenzen will, die CRT und Genderdingens kritisiert, 2 biologische Geschlechter als die Realität ansieht, den Medienrummel um die „Transblase“ eher abstoßend findet, den Klimawandel lieber mit Ingenieurskunst als Ideologie bekämpfen möchte, mit Atomkraft prima klarkommt, 1001 Soros-Ngo nicht mit Staatsmilliarden überschütten will usw usw
    All diese politische Positionen werden sofort und massiv als „Rechts“ diffamiert, wobei zwischen rechts, rechtsextrem und neonazi keinerlei Differenzierung erfolgt. Dabei sind alle skizzierten Positionen meilenweit von „Hitlerfaschismus“ entfernt, haben nicht das geringste damit zu tun, nicht einmal einen Hauch einer zulässigen historischen Analogie in sich. Damit machen die zahllosen, linken Hysteriker in Politik und Medien genau genommen nichts anderes, als laufend und ständig den Nationalsozialismus zu relativieren, ihn seiner historischen Einzigartigkeit im Unrecht und Grauen zu trivialisieren. Diese politischen und medialen Kräfte gleichen den verrückten, die ständig „Feuer, Feuer“ schreien, wo keines ist, nicht einmal eines droht. Das „wehret den Anfängen“ ist nur gespielte Hysterie, die offensichtlich nur den politischen Wettbewerber diffamieren, schädigen soll keinerlei historische Qualität besitzt.
    So führt das Deutschland der „Etablierten“ seit Merkel einen „Kampf gegen Rechts“, der offensichtlich primär gegen den neuen Wettbewerber AfD gerichtet ist. Da man sich inhaltlich, argumentativ nicht mit der AfD auseinandersetzen kann oder will, wird seit Jahren nur Blamegame betrieben, Nazi geplärrt. Dabei sollte es den Etablierten doch ein Kinderspiel sein, die AfD mit dem besseren Argument zu entzaubern, wenn sie tatsächlich „gute Politik“ im Angebot hätten. Diese wäre ja geradezu selbsterklärend besser, würde man deren Segnungen nur mal betonen.
    Dummerweise sieht die Realität im Herrschaftsgebieten „der Guten“ nicht selten sehr schlecht aus, nicht wegen irgendwelchen Naziverschwörungen, sondern schlicht wegen Unfähigkeit „der Guten“. Diese simple Erkenntnis hat zu Trump, Orban und Meloni etc geführt und wird auch in ein paar Tagen die Midterms in den USA wieder entscheiden. Vielleicht war es in Israel auch so.
    “Die Guten“ haben scheinbar einen fatalen Hang, schlechte Politik zu machen.
    Wir brauchen viel mehr „Rechte“ Politik – „linke“, woke, progressive, whatever gibt’s im Überfluss, an jeder Ecke, insb in der „westlichen Welt“, Nordamerika und Europa. Seit Jahren dominieren diese selbsternannte „guten“ das politische und mediale Geschäft, aber deren Resultate in der Realität, für ihre Bürger und Wähler sind nicht selten abenteuerlich schlecht.
    Von Finanzen über Kriminalität bis sozialen Frieden schneiden „die Guten“ oft bis immer schlecht ab, außer sie machen „rechte Politik“ (also rationale, vernuftgelenkte Politik) wie zb in Dänemark.
    International werden die (wieder „rechten“) USA viel beeinflussen, nur leider in Deutschland vermutlich am wenigstens oder am spätesten.
    Wir werden das „woke“ Problem natürlich selber lösen müssen, die „Guten“ werden ihre Privilegien niemals freiwillig herausgeben, warum auch? Wer hat, der hat.
    Vielleicht führt ein kalter, dunkler Winter in Deutschland zum einen oder anderen Aha-Effekt im Wahlvolk, daß wir ganz klar mehr „Rechte“, vernunftorientierte Politik brauchen, weniger Ideologie, weniger Welt/Klimarettung, mehr aufgeräumtes Zuhause.

  4. Linksruck und Rechtsruck gehören zur Demokratie. Der stetige politische Wechsel von links nach rechts und umgekehrt hält die Demokratie in der Balance.

    Wer das nicht möchte, ist wohl eher ein Anhänger der Gesinnungsdemokratie bzw. Halbdemokratie.

    Allerdings erleben wir in unseren Mainstreammedien derzeit oft eine Diffamierung von rechter und konservativer Politik als rechtsextreme Politik. Das ist Problem: Keine Toleranz für politisch Anderdenker. Zieht sich wie ein roter Faden auch durch die ganze Regenbogenpolitik….

  5. Deutschlands Staats- und Konzernmedien haben bereits den Zeigefinger gehoben, denn sie glauben zu wissen (besser als Israels Wähler), was für Israel gut ist .
    Ungarn hat im April „falsch“ gewählt
    Schweden hat im September „falsch“ gewählt
    Italien hat im September „falsch“ gewählt
    Israel hat jetzt „falsch“ gewählt
    Vielleicht wählen die US-Bürger in der nächsten Woche „falsch“
    Deutschlands Haltungsmedien wissen, was für andere Länder richtig ist.
    Netanyahu hat bereits 2016 gezeigt, dass er klüger als unser jetziger Bundespräsident ist. Netanyahu traf sich einen Monat vor der US-Wahl sowohl mit dem Präsidentschaftskandidaten Trump als auch mit der Präsidentschaftskandidatin Clinton. Steinmeier beschimpfte als Aussenminister den Kandidaten Trump und bekam danach als Präsident bis 2020 keine Audienz im Weißen Haus

  6. „Netanyahu ist zurück: Ein Rechtsruck muss nicht immer schlecht sein“
    Verstehe, es gibt „gute Rechtrucke“ und es gibt „schlechte Rechtsrucke“
    Rechtsrucke in Israel sind gut, Rechtsrucke in Deutschland sind schlecht.
    „schlechte Rechtsrucke“ sind antisemitisch.
    Die angeblichen „Rechtsrucke“ in Deutschland werden dann von der israelischen Meinung zum Dreck werfen benutzt. Was für eine chauvinistische Heuchlerei ! die auch für Israel schlimme Folgen haben könnte, wenn sich andere auf das gleiche Recht des „guten Rechtsrucks“ berufen.

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