Unter Blinden ist der Einäugige König, lautet ein deutsches Sprichwort. Mit diesen etwas despektierlichen Worten könnte man die Rolle Michail Gorbatschows charakterisieren, der von 1985 bis 1991 an der Spitze der Sowjetunion stand. Vergleicht man ihn mit seinen Vorgängern von Lenin bis Konstantin Tschernenko war Gorbatschow in der Tat ein Lichtblick im Kreml. Doch die in Deutschland vorherrschende Verehrung des Generalsekretärs der KPdSU übersieht, dass er das sowjetische sozialistische System nicht abschaffen, sondern reformieren wollte – damit es überlebt.
Geboren wurde Gorbatschow, den ein Feuermal auf der Stirn kennzeichnete, am 2. März 1931 im Nordkaukasus. Seine Eltern arbeiteten in einem Kolchos. Er selbst wurde in seiner Heimat nach einem Jura-Studium in Moskau hauptamtlicher Parteifunktionär. Nachdem er 1970 Erster Sekretär der KPdSU in der Region Stawropol geworden war, wurde er auch Mitglied des Obersten Sowjet und des Zentralkomitees (ZK).
Mit Unterstützung des KGB-Chefs und Politbüromitglieds Jurij Andropow wurde Gorbatschow 1978 ZK-Sekretär für Landwirtschaft. Kurz darauf zog er auch ins Politbüro ein. Nachdem die Sowjetunion jahrelang nur von greisenhaften Parteichefs gelenkt worden war, wurde er im März 1985 mit 54 Jahren zum Generalsekretär der KPdSU gewählt.
Im Gegensatz zu seinen Vorgängern wollte Gorbatschow nicht nur den Status quo verwalten. Zwar lobte er in seinen ersten öffentlichen Auftritten formelhaft den Marxismus-Leninismus, doch bald begann er mit einschneidenden Reformen: Bereits im Mai 1985 beschloss das ZK „Maßnahmen zur Überwindung der Trunksucht und des Alkoholismus“. Mit einer jahrelangen, aber letztlich erfolglos gebliebenen Kampagne versuchte er, dem übermäßigen Alkoholkonsum in der Sowjetunion entgegenzuwirken.
Im Oktober 1985 stellte Gorbatschow dann sein Programm zum Umbau („Perestroika“) der Wirtschaft vor. Die darnieder liegende Staatswirtschaft sollte durch Einführung marktwirtschaftlicher Elemente auf Trab gebracht werden. Einen Monat später traf er sich zum ersten Gipfel mit US-Präsident Ronald Reagan über Abrüstungsfragen, wenig später legte er einen Plan für den Abbau aller Atomwaffen vor. Im Februar 1986 verkündete Gorbatschow schließlich auf einem Parteitag eine neue Politik der Offenheit, wofür er den Begriff „Glasnost“ erfand.
Der Umgang mit der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl im April 1986 zeigte freilich, dass sich bis dahin außer der Rhetorik in der Sowjetunion nicht allzu viel geändert hatte. Erst zweieinhalb Wochen nach dem Unglück gab Gorbatschow die erste öffentliche Stellungnahme dazu ab. In dieser Zeit verbreitete sich die radioaktive Wolke über große Teile Europas.
Doch in der Folgezeit erwies sich Gorbatschow als Politiker mit Realitätssinn, der zur Lösung bestehender Probleme zu Veränderungen bereit war: Im Dezember 1986 durfte der Regimekritiker Andrei Sacharow aus der Verbannung zurückkehren. Ein Jahr später unterzeichnete er in Washington einen Vertrag über die Beseitigung aller Mittelstreckenraketen, die Anfang der 1980-er Jahre noch zu heftigen Spannungen zwischen der Nato und dem Warschauer Vertrag geführt hatten. Im Februar 1988 kündigte er den Abzug aller sowjetischen Truppen aus Afghanistan an, wo in einem zehnjährigen Krieg fast mehr als 25.000 Rotarmisten gefallen waren.
In dieser Zeit begann Gorbatschows zweite Karriere: als Held der Deutschen. Die Hoffnung auf ein Ende des Ost-West-Konfliktes und die Vereinbarkeit von Sozialismus und Demokratie brachte ihm sowohl in der DDR als auch in der Bundesrepublik große Sympathien ein. Diese wuchs noch, als er im Juli 1989 auf einer Gipfelkonferenz die sogenannte Breschnew-Doktrin widerrief und jedem sozialistischen Staat zugestand, selber über seine eigene Entwicklung bestimmen zu dürfen. Die Folge waren Reformen und Demonstrationen in allen Ostblockstaaten, was die dortigen Diktaturen in kurzer Zeit zusammenbrechen ließ.
Am Ende erging es Gorbatschow wie Goethes Hexenmeister: Die Kräfte, die er für eine Wiederbelebung des Sozialismus nutzen wollte, konnte er nicht mehr kontrollieren. Nachdem die Ostdeutschen bei den ersten freien Wahlen im März 1990 ein klares Votum für die Wiedervereinigung abgegeben hatten, stimmte er zähneknirschend dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik zu. Als notwendige Konsequenz musste er auch den Abzug der sowjetischen Truppen aus Deutschland akzeptieren, den er sich MIT umgerechnet mehr als 11 Milliarden Euro bezahlen ließ.
Doch nun zerfiel auch sein eigenes Reich im Zeitraffertempo: Die Republiken der Sowjetunion erklärten eine nach der anderen ihre Unabhängigkeit. Hatten sowjetische Militärs im Januar 1991 noch versucht, die Abspaltung Litauens gewaltsam zu verhindern, beendete Gorbatschow das Blutvergießen und stellte im März klar, dass es allen Republiken freistehe, die UdSSR auf verfassungsmäßigem Wege zu verlassen.
Um seinen Staat zu retten, wollte er im August 1991 einen Vertrag unterzeichnen, der eine Föderation unabhängiger Republiken vorsah. Um dies zu verhindern, putschten konservative Kräfte in Moskau und stellten ihn in seiner Urlaubsresidenz unter Hausarrest. Doch Gorbatschow war standhaft genug, seine Unterschrift unter die ihm vorgelegten Dokumente zur Machtübernahme zu verweigern. Der Putsch scheiterte schließlich, weil sich große Teile der Sicherheitskräfte auf die Seite des russischen Präsidenten Boris Jelzin stellten. Die UdSSR löste sich auf und Russland wurde ihr Rechtsnachfolger.
In seinem Heimatland wird Gorbatschow deshalb oft als Totengräber der Sowjetunion betrachtet. Für viele ist er der Verursacher der „größten geopolitischen Katastrophe des 20. Jahrhunderts“ – wie Wladimir Putin den Zusammenbruch der Sowjetunion 2005 nannte. Seine zaghaften Versuche für ein politisches Comeback, etwa bei den Präsidentschaftswahlen 1996, scheiterten kläglich. Die Kritiker übersehen dabei freilich, dass die Alternative zu Gorbatschows Politik nur der Einsatz von Gewalt gewesen wäre – so wie sie sein Nach-Nachfolger im Kreml derzeit auf brutalste Weise in der Ukraine praktiziert.
Die Deutschen haben Gorbatschow deshalb viel zu verdanken. Anders als beim Aufstand am 17. Juni 1953 blieben die sowjetischen Panzer in den Kasernen, als im Herbst 1989 in der DDR immer mehr Menschen auf die Straße gingen. Die etwa 500.000 in Ostdeutschland stationierten Rotarmisten stellten sich auch nicht der Wiedervereinigung entgegen. Sogar als Putin versuchte, im Dezember 1989 sowjetische Soldaten zum Schutz seiner KGB-Residentur in Dresden zu bekommen, blitzte er beim zuständigen Kommandeur ab – weil der keinen Befehl dazu hatte. „Moskau schweigt,“ erinnerte sich Putin später empört an die ihm erteilte Antwort.
Der Mann, der in Ostdeutschland keine Soldaten ausrücken lassen wollte, ist am 30. August in einem Moskauer Krankenhaus gestorben.
Der Autor ist Historiker. In einem Video hat er kürzlich das ehemalige Hauptquartier der Roten Armee in Ostdeutschland erforscht. Mehr Informationen auf www.hubertus-knabe.de
Das lag aber nicht an Gorbatschow, sondern an Jelzin und den Oligarchen/Kleptokraten. Russland dürfte eines der reichsten Länder dieser Erde sein – es kömmt darauf an, was man daraus macht. Mit Betonköpfen geht es eher nicht.
„Die Kritiker übersehen dabei freilich, dass die Alternative zu Gorbatschows Politik nur der Einsatz von Gewalt gewesen wäre – so wie sie sein Nach-Nachfolger im Kreml derzeit auf brutalste Weise in der Ukraine praktiziert.“
War da nicht noch einer dazwischen der den Ausverkauf Russlands gerne hingenommen hat und soweit mir in Erinnerung sogar mit Panzern für Ruhe gesorgt hat? Erst seit Putin übernommen hat ist Besserung für Russland eingekehrt und zwar in allen Belangen. Was der Mann die letzten Jahrzehnte aus Russland gemacht hat ist meiner Meinung nach bemerkenswert. So gut wie Schuldenfrei, Armut beseitigt, Wirtschaft stabilisiert, Korruption eingedämmt, etc.. Welches Land würde solche Sanktionen des Westens auch nur 3 Wochen standhalten? Den Russen geht es um vieles besser als in der Jelzin Ära. Es ist natürlich nicht alles Gold was glänzt keine Frage aber was dieser Mann geleistet hat ist nicht zu unterschätzen. Wir werden schon seit Jahren darauf eingeschwört wie böse Putin ist und jetzt kommen alles Früchte zu Tage. Der Krieg hat laut Westen am 24. Feb. angefangen nur leider ist dem nicht so. Wer das Leid und die Opfer im Donbass seit 2014 gesehen hat wird das verstehen. Ich will das nicht weiter ausführen Minsk 1 und 2 und die westlichen Reaktionen dazu bestätigten das, die Ukraine ist ein Spielball für einen Proxy Krieg der USA/NATO gegen Russland. Nur wird Russland dieses mal gewinnen.
Dank Gorbatschow konnte unsere nach dem Mauerbau zerrissene Familie wieder zusammen kommen. Ich werde ihm dafür immer dankbar sein und ihn verehren. Er hat nicht gegen sein eigenes Volk gehandelt. Er hat die durch Gewalt gesicherte Vorherrschaft der Sowjetunion über Osteuropa beendet. Danke, Michail Gorabtschow.
Bitte wie meinen? Sind Sie sich im Klaren darüber, was Sie damit vollumfänglich sagen?
Nur ein Beispiel, wieso es gut war, dass dieses marxistisch-leninistische Unsinnsexperiment, das nur floskelweise menschenfreundlich war, beendet wurde: Das Politbüro beabsichtigte mit der NVA und anderen befreundeten verbündeten sozialistischen Armeen in Polen einzumarschieren, um die Solidaritätsbewegung niederzuschlagen.
Zudem war die ideologisch verursachte anhaltende Ignoranz der wirtschaftlichen Realität nicht mehr aufrechtzuerhalten. Der ganze sozial-ökonomisch theoretische Unsinn war eben doch nur das: Unsinn. Die Realität aber echt und die war umbarmherzig — so wie sie es für uns wieder sein wird, weil einige Ahnungslose sich für die Wunderfuzzies und die Wirklichkeit für frei interpretierbar halten.
Die Rolle Gorbatschows gut beschrieben. So nach dem Motto: Mit Wodka Gorbatschow gegen die Trunksucht. Ob nicht womöglich Mathias Rust mit seinem Flug nach Moskau und seiner Landung auf dem Roten Platz mehr getan hat für den „Umbau“ als Michail Sergejewitsch selbst? Indem er die Schwäche der Russen offenbar werden ließ? Sagen wir es so: Er war ein Glücksfall in der „Gechichte“ der Deutschen – und ein Unglücksfall in der Geschichte der Russen. In beiden Fällen eher aus Versehen. Den menschlichen Eigenschaften dieses Mannes tut das keinen Abbruch, möge er in Frieden ruhen. Den Feinden Gorbis in Russland müssen wir aber ganz akut eine auf die Mütze geben – hoffentlich halten die Ukrainer durch, in ihrem eigene Interesse. Und nebenbei auch in unserem. Mit den Kreml-Russen ist nämlich nicht zu spaßen.
Gorbatschow war der Einzige,der im Interesse seines Volkes handelte.
Der Nomenklatura passte das nicht.Aber Das ist ja immer so bei einem Reset.
Die UdSSR war pleite,weil sie mehr verbrauchte als sie produzierte.
Es folgte Megainflation und Arbeitslosigkeit. Das haben sie dann Gorbatschow
In die Schuhe geschoben, aber angefangen hat alles am 7.November 1917.
Gorbatschow hat uns eine gewaltfreie Wende ermöglicht und die Führung der DDR deutlich als das vorgeführt, was sie trotz vielerlei anderslautenden Bekundungen z.Bsp. von seiten Egon Krenz‘ war: eine von der UdSSR abhängige Vasallenregierung, die keinen Rückhalt in der Bevölkerung hatte. Wenigstens hier war das Politbüro dann auch einsichtig. Die Geschicke der DDR im Großen wurden in Moskau, nicht in Ostberlin, entschieden. Trotz anderslautender offizieller Propaganda hat die UdSSR der DDR-Führung niemals vertraut. Ohne Gorbatschows Zustimmung hätte es kein gewaltfreies Ende der DDR gegeben.
Gorbatschow hat in seiner Amtszeit immer auf Frieden, Abrüstung und internationale Ordnung hingewirkt; welcher Politiker kann das heute von sich noch behaupten. Als charmanter, harter Verhandler erwarb er sich den Respekt von Reagan, Bush und Thatcher. Er hat die mißglückte Operation in Afghanistan wie es schon Andropow und andere wollten, einigermaßen glücklich beendet. Anders als das letzte us-amerikanische Marionettenregime hielt sich der moskaunahe Nadschibullah auch ohne Sowjethilfe noch drei Jahre.
Innenpolitisch lag eine Aufgabe vor ihm, die auch ein Herkules nicht hätte bewältigen können: Korruption, Veruntreuung und Schieberei auf allen Ebenen, mächtige lokale KP-Lords, die sich nicht in die Karten schauen ließen, Mangelwirtschaft in allen Bereichen, die unvorstellbaren Kosten für Tschernobyl, eine Wirschaft, die zu 40% nur für die Rüstung arbeitete und die üblichen russischen Querelen wie Schlendrian, „Schwund“ und mangelhafte Infrastruktur. Die Verelendung, die vielen Morde, die Turboprivatisierung, den vollständigen Zusammenbruch alles bisher sicher Geglaubten kann man ihm nur zu einem kleinen Teil anlasten. Der machtbewusstere Jelzin entmachtete Gorbatschow rasch und diese Dinge fanden in seiner Amtszeit statt. Gorbatschows Alternative wäre nur die harte Hand, also Einsatz der Armee gewesen und damit als Folge Bürgerkrieg, Chaos und vielleicht sogar ausländische Interventionen.
Mögen viele Interne heute Gorbatschow Planlosigkeit, Sprunghaftigkeit und Zögerlichkeit vorwerfen, so haben diese Eigenschaften wahrscheinlich den Ostblock und auch die UdSSR vor Krieg bewahrt.
Sie sprechen die Rolle Jelzins bei dem Geschehen an; sehe ich ganz ähnlich. Aber immerhin hat es Gorbatschow geschehen lassen. DAS ist vielleicht sein größtes Verdienst. Erinnere an den Putschversuch gegen G. und Jelzin, als der sich auf einen Panzer gestellt hat und das Ende des Putsches erklärt hat. Was für eine Szene! Und erst die Szene vor der Staatsduma! Jelzin sagt dem verdutzten G. am Rednerpult: LIES! Und der hat den Text Jelzins verlesen und damit das Ende der SU besiegelt. Er, der Präsident der SU. Dann der letzte. Auf Geheiß von Jelzin … . Das ist Drama nach William Shakespeare. Vom Feinsten. Und Putin beißt sich in den … . Täte er zumindest, wenn er einen längeren Hals hätte.
Die ganz großen Staatsmänner – und ihre größten Verräter
Mir fallen nur zwei Namen der
Größten ein: 1. Michail Gorbatschow und 2. Nelson Mandela. Danach kommt lange, lange niemand. Gorbatschow läutete im Dezember 1988 das Ende des Kalten Krieges ein, aber er konnte nicht wissen, dass dieses Läuten ausschließlich die Sowjetunion betraf – nicht aber den anderen Kontrahenten des Kalten Krieges, die USA. Im Gegenteil, der dumme Westen und die NATO feierten ihren Sieg über das „Reich des Bösen“, den Sieg des Kapitalismus über den Kommunismus, aber von einem gleichzeitigen Einläuten des Endes des Kalten Krieges im
Westen, in Washington, Brüssel und Berlin konnte keine Rede sein. Dort wurden Russland und die ehemaligen Satellitenstaaten zur Beute erklärt, die Raketen der NATO rückten stetig näher an den Lattenzaun Russlands. Die größten Gewinner der ersten Stunde waren wir Deutschen, aber das hat uns nicht davon abgehalten, die größten Verräter Gorbatschows zu werden. Dass wir heute Krieg in der Ukraine haben, ist nur eine weitere Folge unseres Verrats an Gorbatschow. Aber zum Glück haben wir ja Putin, mit dem wir mit Fingern zeigen können.
Die BBC wiederholt heute ein Interview mit Gorbatschow von 2014. Die Übersetzung mit Untertiteln ist zwar nicht die Größte, aber es lohnt sich trotzdem genau hinzuhören. Weder die russischen Eliten nach ihm, noch die westlichen Politiker haben es genug getan. Auch wenn es heute noch nicht danach aussieht, die Zukunft Russlands, und unsere europäische Nachbarschaft mit Russland, hängt von den geistigen Nachfolgern Gorbatschows ab.
Hm? Sagen wir mal so, im Rückblick. Die deutsche Wiedervereinigung war die erste NATO Osterweiterung. Die Russen, damals Sowjets, räumten kampflos das besetzte Gebiet. Westdeutschland wurde weiterhin von den Westalliierten beschützt.
Hm! Ich hätte auf Griechenland und die Türkei getippt. Vor allem, weil in letztgenannter, damals ein direktes Nachbarland der UdSSR, auch strat. Raketen standen.
Nach 2+4-Vertrag durfte die NATO keine Einrichtungen in den neuen Ländern aufbauen und unterhalten, nur dt. Truppen sollten sich dort aufhalten dürfen. Daran haben wir uns gehalten.
Eine EG-Mitgliedschaft war ebenso akzeptiert worden.
Eine Osterweiterung der NATO zu begrenzen oder zu unterbinden hatte man zu diesem Zeitpunkt gar nicht angestrebt, weil der Warschauer Pakt ja noch bestand. Wer hätte der NATO damals beitreten sollen? Jugoslawien? Österreich?
Ich unterstelle Gorbatschow guten Willen, und bin überzeugt, dass er sich niemals persönlich bereichern wollte. Aber das ist auch das Einzige, wodurch er sich von der heutigen europäischen Nomenklatura der „young global leaders“ unterscheidet. Seine tragische Figur sollte ein warnendes Menetekel sein für die Generation Kreißsaal, Hörsaal, Plenarsaal. Nicht anders verlief ja seine Karriere. Und sein Intellekt war einfach ein paar Nummern zu klein für die Aufgabe, die er sich angemaßt hatte. Anstatt ein morsches Gewölbe behutsam zu sanieren, riss er den Schlusstein heraus. Mit seiner Inkompetenz hatte er Europa die mühsam bewahrte Stabilität genommen. Rest in pacem.
Die sogenannte „Stabilität“ war durch den bevorstehenden, aus ideologischer Ignoranz heraus selbstverschuldeten wirtschaftlichen Kollaps bereits gefährdet. Für einen behutsame Sanierung hätte er gar nicht mehr die Zeit und die Mittel gehabt. Sein Intellekt war groß genug, das zu erkennen. Zumal er Zugang zu den Situationsberichten hatte, die seine Vorgänger beharrlich ignoriert hatten oder nicht beachten konnten, weil sie mit ihren zügigen Abgängen beschäftigt waren.
Requiescat in pace!
Rest in peace!
Danke für einen ausgewogenen Kurzbericht über Gorbatschow. Was ich heute auf Focus lesen musste, schüttelte mich, da dort nur die Handlungsnot der Russen und das Triumphieren des Westens benannt wurde. Wir merken doch, wie Baerbock als Vertreterin unseres Landes und eines diplomatischen Prozesses versagt. Umso dankbarer kann man sein um den offenen Blick von Gorbatschow. Man muss den Sozialismus nicht mögen, aber man sollte zulassen, wenn andere Länder hier ihre Lösung des Miteinanders sehen. Respekt vor einem anderen Volk ist meiner Ansicht nach die Grundlage von Konfliktlösung. Wir müssen erkennen – und das kritisierte Gorbatschow zu Recht – dass den Russen über drei Jahrzehnte nach ihm und über viele Jahrzehnte vor ihm kein Respekt entgegengebracht wurde. Vielleicht wäre die Welt heute friedlicher, wenn dem so gewesen wäre.
Warum das? Haben in anderen Ländern die Völker in solchen Belangen gegenüber ihren Großkopferten mehr zu sagen als bei uns?
Dort wo Völker die Möglichkeit hatten, repektiert zu werden, suchten sie vor Sozialismus und sowjetisch-russischer Dominanz das Weite.
„In Deutschland wurde er geliebt, in Russland verachtet“ – eine kleine Klarstellung, werter Herr Knabe: in Russland verachtet war er überwiegend von ungebildeten Menschen, den Konsumenten der Kreml-Propaganda – sowohl jetzt, als auch früher. Für den gebildeten, westlich – und demokratisch orientierten Teil der Russen (s.g. „Intelligenzija“) wurde Gorbatschow sehr geliebt und verehrt.
Man kann mal drüber nachdenken, warum die Überschrift stimmt.
Merkel war auch im Ausland beliebt und im Inland nicht mehr, nachdem die Folgen ansehbar waren.
Gorbatschow ist mit allem, das er versuchte zur Rettung der sowjetunion, gescheitert. Er war zögerlich, inkonsequent und ein Taktierer, der der Aufgabe nicht gewachsen war. Sein scheitern ist eine wesentliche Ursache der heutigen globalen politischen Probleme, die durchaus in einem neuen Weltkrieg enden könnten. Und was die deutsche Einheit betrifft: sie ist nie wirklich eingetreten. Die koloniale Übernahme des „Ostens“ durch die BRD hätte so nie geschehen dürfen. Er hat versagt.
Ihr Anfang (erster Satz) klang vielversprechend. Schnell schweifen Sie in platte Allgemeinheiten ab. Gorbatschow wollte die Sowjetunion wirtschaftlich retten, Devisen mussten her, Geldfressmaschinen (Afghanistan) beseitigt und harte Währung ins Land (mit den Ostblockstaaten und dem Rubel nicht möglich). Also wurden die Klötze am Bein der Sowjetunion (Ostblockstaaten) sich selbst überlassen, was diese wohlwollend annahmen. Die DDR wurde verkauft, laut Theo Weigel ein Schnäppchen. Gorbatschows Scheitern lag daran, dass es allein seine Ideen waren. Die Gesellschaft, das Volk, die Intelligenzija, die Partei waren dazu nicht fähig. Und es ist allgemein bekannt, wenn wer oben sich was ausdenkt, bleibt es beim Versuch, andere zu begeistern und mitziehen zu lassen. Zudem war innenpolitisch eh Zunder, weil zuviele Sowjetrepubliken unabhängig von Russland werden wollten. Damit war der Traum Gorbatschows erledigt.
In Zeiten, in denen es en vogue ist, alles Russische zu dämonisieren, ist die Erinnerung an diesen „guten Russen“ tatsächlich ein Lichtblick. Für die Politik war er wahrscheinlich zu gutmütig und zu gutgläubig. Wie mir ein befreundeter Geschäftsmann vor Jahren einmal sagte: Wenn ich mit einem Russen ein Geschäft abschließe, reicht ein Handschlag, und ich weiß: es gilt. Wenn ich mit einem US-Amerikaner ein Geschäft abschließe, kommt der mit mindestens drei Anwälten und einem 90-Seiten-Vertrag, und ich muss herausfinden, mit welcher Klausel ich über den Tisch gezogen werde.
GORBATSCHOW war ein Visionär, der als Gründer des Grünen Kreuz auch die Überbevölkerung der Erde als das zentrale Problem des 21.Jahrhunderts erkannt und thematisiert hat:
„Denn kurz gesagt, ist die ökologische Krise eine Bevölkerungskrise. Reduziert die Weltbevölkerung um 90 Prozent, und es sind nicht mehr genügend Menschen übrig, um einen nennenswerten ökologischen Schaden anzurichten.“
(Michael Gorbatschow)
Vokabeln wie „Visionär“ oder „seiner Zeit um hundert Jahre voraus“ um Politiker zu charakterisieren bedeutet für die regierten Bürger meist großes Unheil. „Der Weg ist das Ziel“ dieser Satz ist wohl nirgends so wichtig wie in der Politik. Die paradiesischen „Visionen“ werden nämlich in der Praxis nie erreicht werden oder beim Ihrem Erreichen nicht mehr die Bedeutung haben, die man ihnen früher zugemessen hat.
Tja… Da mehr als 90% der Weltbevölkerung etwas dagegen haben dürften, reduziert zu werden, würde ich den visionären Wert etwas geringer ansetzen. Den ökologischen Problemen könn(t)en wir durchaus Herr werden — nur eben nicht mit politischen Führungsriegen, die sich nur von Wahl zu Wahl oder Wahlumfrage zu Wahlumfrage hangeln, aber nicht wie durch die Lage und Vernunft geboten, handeln können oder wollen.
So viel Naivität, sich auf einen Handschlag mit den Amerikanern zu verlassen, dass es einem wehtut. Und man darf nicht vergessen, dass es wie im Zauberlehrling ging: einmal entfacht, entglitt im das Ganze. Hätte man alles schriftlich fixiert, gäbe es jetzt keinen Krieg in Europa. Die russischen Soldaten zogen sich gegen 5 Milliarden zurück, die Amis blieben. Für einen Staatsmann ein Armutszeugnis, auch wenn ich ihn damals sehr geliebt habe.
Nichts war so klar, wie dass es jetzt eine Artikel-Flut gibt, die uns alle darüber belehren soll, dass Gorbatschow eigentlich ein ganz schlimmer Finger war.
Nur real haben wir ihm trotzdem die Wiedereinigung zu verdanken und er hat auch erhebliche Anteile an der friedlichen Beendigung des Kalten Krieges – dessen Bedrohungen sich heute viele nicht mehr vorstellen können. Eine nukleare Eskalation hätte, auch wenn es nicht hören will, die Welt vernicfhten können. Und sie war damals nicht völlig irreal.
Dazu kommt, dass er eine erhebliche Rolle darin spielte, dass der Ostnblock sich überhaupt entwickelte. Die Perestroika war damals auch ein geistiger Leuchtstern in der ganzen Sowjet-Union. Auch das ist natürlich nicht mehr politisch korrekt – war aber so.
Wir und Osteuropa haben ihm was zu verdanken und für die Russen hat sich das nachfolgend eben so gar nicht gelohnt, auch weil Gorbatschow eben keine sonderlich kluge Politik gemacht hat.
Die freiheitlichen Ideen Gorbatschows haben die friedliche Revolution in der DDR erst möglich gemacht. Mit der deutschen Wiedervereinigung wurde, anders als von Gorbi vorhergesehen, auch der RGW gecancelt. Damit war das ganze ökonomische Fundament der Zusammenarbeit der sozialistischen Länder weggebrochen mit den bekannten Folgen.
Nur zur Erinnerung:
Zitate westdeutscher Politiker zur Wiedervereinigung
Gerhard Schröder im September 1989: „Eine auf Wiedervereinigung gerichtete Politik ist reaktionär und hochgradig gefährlich.“
Oskar Lafontaine am 18. Dezember 1989:„Wiedervereinigung? Welch historischer Schwachsinn!“
Johannes Rau am 18. November 1989: „Wiedervereinigung ist die Rückkehr zum Alten. Jetzt aber wird ein Zukunftsmodell gebraucht.“
Josef Fischer am 27. Juli 1989:
„Ein wiedervereinigtes Deutschland wäre für unsere Nachbarn nicht akzeptabel. Das Wiedervereinigungsgebot im Grundgesetz wäre in seiner Konsequenz ein Unglück für das deutsche Volk. Ich kann mir nicht vorstellen, welchen Vorteil die Deutschen von einer Wiedervereinigung hätten.“
Gregor Gysi, ehemaliger Vorsitzender der ehemaligen PDS (heute Die Linke) wollte die Vereinigung Deutschlands verhindern. Gysi sagte am 10. Dezember 1989 vor dem Vize-ZKSekretär der KPdSU Raffael Fjordorow, die Beseitigung der innerdeutschen Grenze „sei eine große Gefahr für die Stabilität auf dem europäischen Kontinent“. Gysi malte ein Schreckgespenst an die Wand: „ Man muss befürchten, dass das deutsche Monopolkapital nicht an der Oder/Neiße-Grenze haltmachen wird.“
Wir werden von Feinden des deutschen Volkes regiert.
Aber was solls, das Volk will es ja so.
Jetzt, wo überall die Gasrechnungen explodieren, während die Leute ihr gesamtes Geld schon an der Supermarktkasse benötgen, erleben die Grünen einen Höhenflug.
Während die Industrie die Pforten schließt und der ebenso bestechliche wie vergessliche Kanzler Geld an Terroristen verschenkt, wünschen sich die Deutschen nur eines: Mehr von dieser Politik.
An dieser Stelle sollte man daran erinnern, dass die GRÜNEN eine deutsche Wiedervereinigung abgelehnt bzw. sogar bekämpft haben.
Die GRÜNEN wollten zwei unabhängige deutsche Staaten, so wie übrigens auch die Franzosen.