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Bisher unausgesprochene Wahrheiten

Nord Stream war und ist ein feindlicher Akt gegen Polen und die Ukraine

21.08.2022

| Lesedauer: 4 Minuten
Soll Nord Stream 2 geöffnet werden? Das fordert neben der AfD und Akteuren der Linken jetzt auch FDP-Vize Wolfgang Kubicki. Der Historiker Gunnar Heinsohn widerspricht. Tomas Spahn sieht dagegen die Chance, Putins Worte zu testen. TE stellt die Debatte in einem Pro & Contra dar.

Im Jahr 1991 feiert Europa nach Auflösung der Sowjetunion Offenheit, freien Warenverkehr und Freundschaftsfeste mit den Menschen Russlands und all der neuen Republiken. Mit Helmut Kohl in Berlin und Boris Jelzin in Moskau regieren joviale Charaktere, die sich in Geschäfte nicht einmischen, sondern sie ermöglichen wollen. Schon 1992 wird die – 1999 fertig gestellte – Jamal-Gas-Pipeline auf den Weg gebracht. Russische Firmen als Lieferanten und vor allem ihre deutschen Kunden sind die großen Gewinner. Weißrussland und Polen verdienen als Transitländer tüchtig mit. Niemand posaunt dauernd herum, dass Jamal ein rein privatwirtschaftliches Unternehmen sei. Das ist selbstverständlich und deshalb überflüssig. Zugleich eröffnet Jelzin die Archive mit den Akten zum Genozid vom Frühjahr 1940 an der polnischen Militär- und Bildungselite in Katyn und anderen Todeslagern.

Bereits 1997 planen Gazprom mit EON Ruhrgas und Wintershall eine Geschäftsausweitung. Die deutschen Firmen wollen eine zusätzliche Leitung durch Polen und eine Erweiterung der Kapazitäten durch die Ukraine. Gazproms Chef Rem (= Revolution Engels Marx) Wjachirew zieht enthusiastisch mit. Polen und die Ukraine freuen sich auf vermehrte Gebühren.

Putin lässt Anhänger des Tschetschenentums nach Adressenlisten – wie 2022 im Kiew-Vorort Butscha – umbringen

1999 tritt Polen der Nato bei und gehört damit erstmals mit Gesamtdeutschland zum selben militärischen Bündnis. Doch Wladimir Putins Aufstieg zum Ministerpräsidenten Russlands führt noch im selben Jahr zur Entmachtung Jelzins. Schon 1998 verliert in Berlin Kohl die Macht an Gerhard Schröder. Putin beginnt umgehend seinen Genozid im – 1860 vom Zarenreich brutal unterworfenen – Tschetschenien. Die neue russische Verfassung erlaubt über Referenden Unabhängigkeit. Nur ein Prozent der Einwohner des kleinen Landes sind Russen. Jelzins Armee interveniert blutig, aber vergeblich. Putin jedoch lässt Anhänger des Tschetschenentums nach Adressenlisten – wie 2022 auch im Kiew-Vorort Butscha – umbringen. Männliche Jugendliche holt er noch vor dem Eintritt ins Kampfalter aus den Wohnungen und lässt sie ebenfalls ermorden. Es wird ein selten genau geplanter Völkermord. Typische Putin-Vorwände à la Vereinigung des Russentums oder Fernhalten des Westens fehlen gänzlich. Die Nato lässt ihm freie Hand. Schröder wird sein Freund.

2000 ist Putin russischer Präsident. Im selben Jahr schwört Gazproms Wjachirew öffentlich, dass er durch die Ukraine – und damit auch durch Polen – niemals mehr eine Pipeline bauen werde. Dennoch wird er 2001 gestürzt. Alexey Miller – mit Verbindungen zum organisierten Verbrechen – wird Chef und Ende 2005 Arbeitgeber Schröders.

Doch auch Putin kann das Zarenreich nur revitalisieren, solange er am Gas verdient. Sein imperialer Plan muss scheitern, wenn die deutschen Kunden seine blutige Entschlossenheit nicht mehr finanzieren können, weil Polen und die Ukraine nicht mitziehen. Es macht Putin nichts aus, dass nur Gerhard Schröder und sein Außenminister Joschka Fischer zu ihm überlaufen. Andere Europäer bleiben abseits oder protestieren sogar, aber nur die Kollaboration Berlins bringt ihm wirklich Geld. EON Ruhrgas et al. sollen mit profitablen Beteiligungen an der russischen Ölindustrie gelockt worden sein. Putin und Schröder sowie die Firmenchefs stellen das seit 2000 gerade nicht mehr geschäftliche Projekt in der Öffentlichkeit jetzt immer als rein privatwirtschaftliches Vorhaben hin. Nach der Fertigstellung von Nord Stream 1 und dem Berliner Machtwechsel im Jahr 2005 setzt Angela Merkel diese Tarnsprache für die deutsch-russische Operation gegen Polen und die Ukraine fort.

Deutschlands europäische Völkermorde begannen im September 1939 gegen Polen

Als Polens Außenminister Radek Sikorski 2006 den Putin-Schröder-Pakt mit dem Molotow-Ribbentrop-Pakt von 1939 vergleicht, ist man in Berlin indigniert. Die meisten Deutschen wissen zwar, dass ihr Land ab Juni 1941 mit dem Holocaust das tiefgreifendste Verbrechen der Geschichte begangen hat. Aber kaum jemand erinnert sich, dass Deutschlands europäische Völkermorde 22 Monate vorher im September 1939 gegen Polen beginnen. In der sogenannten Intelligenz-Aktion und danach in den AB-Aktionen werden die Hochschulabsolventen und übrigen Repräsentanten des Polentums ermordet, um die übrige Bevölkerung nach maximal vierjähriger Grundschule für deutsche Siedler als Sklaven dienen zu lassen.

Während Russen sogar noch bis in die ersten Putin-Jahre über ihre Massenmorde an Polen debattieren, bleibt Deutschland diesbezüglich stumm. Noch hat kein Kanzler oder Bundespräsident einen Polenbesuch mit den Worten begonnen: Wir stellen uns der Verantwortung für Auschwitz. Wir bekennen aber auch, dass Deutschland sich bereits mit dem antipolnischen Völkermord ab September 1939 aus der Zivilisation ausgeschlossen hat.

Die SPD setzt nach Merkels Abgang den Schröder-Putin-Pakt fort

2008 blockiert Angela Merkel den – auch von Putin abgelehnten – Nato-Beitritt der Ukraine. Doch 2018, Nord Stream 2 soll die Jamal-Pipeline überflüssig und damit Polen wehrloser machen, gibt es eine überraschende Kehrtwende bei der Sprachregelung. Merkel gesteht öffentlich, dass bei Nord Stream „natürlich auch politische Faktoren zu berücksichtigen sind“. 2020 kommt – nach vierjähriger Verheimlichung – heraus, dass Merkel den westlichen Gasbedarf für Nord Stream 2 nicht selbst berechnen ließ, sondern die weit überzogenen Zahlen aus Moskau still übernommen hat. Zusammen ergibt all das ein passables Geständnis zur Achsenpolitik gegen das Nato-Mitglied Polen und den Nato-Kandidaten Ukraine.

Gleichwohl plant die SPD nach Merkels Abgang eine Fortsetzung des Schröder-Putin-Pakts. Der neue Bundeskanzler Scholz besteht – gegen offene Vorhaltungen durch EU-Kollegen – noch am 17. Dezember 2021 darauf, dass Nord Stream 2 ein „rein privatwirtschaftliches Vorhaben“ sei. Im Juli 2022 schlägt Putin in Teheran die Aktivierung dieser Pipeline vor. Am 3. August 2022 fordert Gerhard Schröder – nach einem Moskau-Besuch – in Berlin ungeduldig das Anfahren von Nord Stream 2. Von seinem Altgenossen Scholz hätte jetzt kommen müssen: Gerhard, wir haben unsere Offensive gegen Warschau auf immer eingestellt. Stattdessen bekräftigt am 19. August Wolfgang Kubicki vom Scholz’schen Koalitionspartner FDP Schröders Forderung. Wiederum unterbleibt vom Bundeskanzler eine Beruhigung Polens oder der übrigen Europäer. Warschau wird deshalb auch nach Schröder und Merkel gegenüber dem westlichen Nachbarn seine Sorgen und Ängste nicht aufgeben können.


Gunnar Heinsohn (*1943; emer. Prof. Dr. phil; Dr. rer. pol.) hat von 1993 bis 2009 an der Universität Bremen Europas erstes Institut für vergleichende Völkermordforschung geleitet. 2011 hat er das Fach Kriegsdemographie am NATO Defense College (NDC) in Rom eingeführt und bis 2020 gelehrt.

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28 Kommentare

  1. ich verstehe die ganze Debatte nicht….niemand zwingt „uns“ mehr Gas abzunehmen als wir wollen (und bezahlen), wenn NS 1, warum auch immer, nicht funktioniert, dann eben NS 2 und wenn wir dann in Windenergie einmal schwimmen werden, wird es halt abgestellt…(Irgendwann wird ein Schiedsgericht eh entscheiden, das Gazprom entschädigt werden muß, die Lieferverträge sind bindend, die kanadischen und US Sanktionen auch).
    Die Polen wollen vorsätzlich kein russisches Gas (kaufen es lieber teurer aus Deutschland), die Ukrainer kaufen, Gas, Öl und sonstwas (was ist eigentlich mit Poroschenkos Schokofabriken?) und erhalten zusätzlich eine Transitentschädigung von Deutschland – der einzige logische Grund für die ganze Farce ist der politische Wille zur Energieverteuerung in Deutschland und nicht nur Bäckereien schließen jetzt schon….

  2. Erst die erpresserische Politik [Durchleitung des Gases wurde temorär gestoppt, um bessere Konditionen zu erzwingen] polnischer, weissrussischer und ukrainischer Regierungen machten den Bau von Nord Stream 1 nötig. Über Nord Stream 1 erhält Deutschland und mehr noch über Nord Stream 2 erhielte Deutschland soviel Erdgas, um sowohl den eigenen Bedarf zu decken als auch Gas in der gesamten EU verkaufen zu können. Das genau passt den Regierungen Polens, der Ukraine, der USA und des UK nicht. Deshalb will man uns maximal schädigen.

  3. Die Strategie Russlands in diesem Schachspiel ist gut. D wird das Spiel verlieren. Es hat sich selbst schachmatt gesetzt. Denn schnell lässt sich das Gas weder in der Industrie noch in den Privathaushalten ersetzen. Und wenn der Geldgeber D tot ist, ist auch die EU tot.

    Wer glaubt, dass N2 geöffnet werden sollte, glaubt an die Information, N1 würde liefern, wenn es denn könnte. Das sollten D und die EU gut überlegen.

  4. Bei der Krise in der Ukraine geht es nicht um die Ukraine. Es geht um Deutschland
    „Das Hauptinteresse der Vereinigten Staaten, wegen dem wir jahrhundertelang Kriege geführt haben – den Ersten, den Zweiten und den Kalten Krieg -, ist die Beziehung zwischen Deutschland und Russland, weil sie dort vereint die einzige Kraft sind, die uns bedrohen könnte. Und wir müssen sicherstellen, dass das nicht passiert.“ – George Friedman, Geschäftsführer von STRATFOR beim Chicago Council on Foreign Affairs
    http://www.antikrieg.com/aktuell/2022_08_21_beiderkrise.htm

  5. Eine zu moralisierende, von geschichtlichen Zwängen abgeleitete Sicht der Dinge ohne die Bereitschaft sich den praktischen politischen Realitäten zu stellen und die Interessen des eigenen Landes zentral in den Blick zu nehmen.

  6. Für mich liest sich das wie eine Krücke nach der anderen.
    Was Tschetschenien betrifft und wie hart die Russen mit dem islamischen Separatismusproblem umgegangen sind, sollte der Blick auf Frankreich doch sofort die Augen öffnen. Das Problem, was sich die Russen durch ihren harten Eingriff in Tschetschenien erspart haben, setzt Frankreich nun schon so massiv unter Druck, das die Franzosen in weiten Teilen ihres ehemals eigenen Landes nicht mehr Herr im Haus sind. Jetzt sollte man sich ehrlich überlegen, wer es im Interesse der Souveränität des eigenes Landes besser gemacht hat:
    Die Russen oder die Franzosen?
    Für mich ist die Antwort klar.

    Was Nordstream 2 betrifft und damit die Umleitung des Gastransfers an Polen und der Ukraine vorbei, so kann doch hier nicht von einer bewussten politischen Schwächung gesprochen werden, wenn man Durchleitungsgebühren sparen will. Die Lieferung von Gas von einem Lieferanten an den Empfänger ist das Resultat eines Geschäftes zwischen zwei Vertragspartnern, die natürlich über die Modalitäten der Lieferung selbst entscheiden können.
    Das ist in der Weltwirtschaft übliches Tagesgeschäft.
    Ich bin der letzte Mensch, der etwas gegen Polen und Ukrainer hat und ich unterstütze deren Recht auf Selbstbestimmung und Selbstverteidigung von morgens bis abends. Aber ein Anrecht darauf, finanziell an den Geschäften anderer beteiligt zu werden, gibt es nun mal nicht. Nirgendwo.

  7. Viele Kommentaren hier offenbaren, dass nach dem 1945 nicht alle Deutsche die Vergangenheit tatsächlich verstanden haben. Na ja, Amerikaner konnten nicht alle Deutsche zwingen KZ besuchen, anschauen und den Leichen zu den Graben tragen.
    An den Getriebenen nach 1945 wird gedacht. Dass es eine Folge von Annektieren des Territorien unter Vorwand des Schutz von da lebenden Deutschen war, ist für viele zu kompliziert.
    Daraus kommt wahrscheinlich die Liebe manchen zu Putin. Hitler wollte ein Deutsches Reich und genau das Gleiche will Putin – eine russische Welt, wie er es heute nennt. Eine alte Liebe also.

    • Sorry, aber ich habe niemanden ermordet, genau wie meine Eltern und was meine Großeltern getan haben, dafür möchte ich mich auch nicht ewig verantworten.
      Und wenn Sie in Geschichte genau aufgepasst hätten, wüssten Sie auch, welche Nation die meisten Opfer gebracht hat, um den Nazi Terror zu stoppen. Deren Opfer sind aber natürlich nichts wert, erst der US Befreier hat alles möglich gemacht.
      Langsam fällt aber ebenso auf, dass jede deutsche Eigenständigkeit, mancher Nation noch immer Dorn im Auge ist. Dann holt man schnell die Nazi Keule hervor, um uns ein schlechtes Gewissen einzureden. Und neuerdings ist man gleich auch noch Putin Freund, wenn man nicht spuren möchte.
      Dabei dürfte Russland den meisten Leuten ähnlich am Allerwertesten vorbei gehen, wie die Ukraine oder Polen. Die kümmern sich nämlich alle um ihre Belange, während Deutschland das nicht dürfen soll.
      Polen, Ungarn, die Ukraine sind doch seit Jahrzehnten Nutznießer dieser EUkratie – wir können das Rechnen gern mal anfangen.

      • Ungarn sorgt selbst gut für sich – auch hinsichtlich weiterer Energielieferungen aus Russland jenseits EU-Sanktionen. Auch von Waffenlieferungen in die Ukraine wollen sie nichts wissen – nicht mal über ihr Territorium sollen welche gebracht werden, obwohl ein gemeinsames Stück Grenze mit dem Selenskyjstaat besteht.
        Mir wäre lieb, wenn auch wir uns auf humanitäre Hilfe beschränkten. Alleine die Kosten für um die Million Menschen aus der Ukraine, die hier Asyl gefunden haben, sind exorbitant!
        Obwohl nur um 1/5 des Landes durch den Waffengang betroffen ist!
        Polen hingegen verzichtet auf direkte Belieferung von Gas aus Russland – lässt sich jedoch dann aus Deutschland welches zurück pumpen. Und weigert sich, diesen Winter aus Sympathie mit uns mit zu frieren!

    • Gute Beziehungen zwischen Deutschland und Polen bekommt man nicht von hinten durch die Brust ins Auge. Das geht nur mit offenem Dialog, echter Annäherung und verteidigungspolitischer Kooperation.
      Das Gerangel um die Gasversorgung und damit um Geld, ist eine Krücke, die nicht dahin führen wird, was manche eroffen. Man kann nicht alles mit Geld regeln. Handarbeit und direkte Kooperation sind da die viel bessere Lösung.

  8. NS2 war und ist die gerechte Notwehr gegen die ukrainische Erpressung:

    Stichwort Gasstreit 2009, als die Ukraine erst die Gasrechnung nicht bezahlte, um dann, nachdem Russland der Ukraine als Folge der Zahlungsverweigerung den Gashahn zugedreht und die Durchleitungsmenge in NS1 entsprechend reduziert hatte, einfach den Gasdurchleitungsvertrag mit Deutschland brach und das für Deutschland bestimmte Gas gestohlen hatte.

    Merkel eilte nach Kiev und „löste“ das Problem mit dem Scheckbuch, seitdem bezahlt der deutsche Steuerzahler weite Teile der ukrainischen Gasrechnung.

    Deshalb wurde NS2 geplant und gebaut.

    Und das ist nicht die einzige kriminelle Feindseligkeit der Ukraine gegen Deutschland. In Deutschland gestohlene Autos im milliardenwert werden über die Ukraine als Drehscheibe verteilt. Dank GPS kann man das heute sehr gut verfolgen, und die Ukraine verweigert jede Amtshilfe! Auch Polen zeigt aufreizend wenig Einsatz bei der Bekämpfung grenzüberschreitender Kriminalität.

    Und mit denen sollen wir solidarisch sein? Ukraine und Polen sind Feinde Deutschlands, und die Schuld liegt bei denen!

    • Wie schon der Name sagt, liegen Nord Stream 1 und 2 in der Ostsee.

      Der Gasstreit ging um Diebstahl aus alten und mittlerweile auch am Ende ihrer Lebensdauer befindlichen Pipelines. Die Ukraine hat nämlich fröhlich Transitgebühren kassiert, aber die Erneuerung der Pipelines versäumt. Die hatten ernsthaft die EU um Geld zur Sanierung der Leitungen gebettelt, was immerhin abgelehnt wurde.

      Folglich endet der Transit durch die Ukraine sowieso in absehbarer Zeit.

  9. Der Autor hat sich diesen Timothy Snyder-Duktus angeeignet, in der alles böse in Europa Deutschland und Russland zugeschoben wird – und so getan, als wenn Polen und die Ukraine reinste Engelchen wären.
    Was natürlich real etwas komplexer ist. Real hatte Moskau und Berlin gute Gründe, diese Staaten zu umgehen – den Polen hat schon im Kalten Krieg horrende Durchleitungsgebühren verlangt und die Ukraine hat sich später an für West-Europa vorgesehenen Gaslieferungen bedient. Dazu gilt bei beiden Staaten, dass sie eigentlich durchweg auf Amerika orientiert sind. Und amerikanische und deutsche Interessen sind keineswegs immer deckungsgleich.
    Und noch was – so ganz eigentlich sind deutsche Politiker nicht primär Polen und der Ukraine verantwortlich, sondern eigentlich der deutschen Bevölkerung. Auch wenn das heute schon fast als rechtsradikal so etwas zu sagen.

  10. Interessanter Geschichtsunterricht, aber kein Argument gegen Nordstream 2. Wir kaufen auch Öl aus Saudi Arabien. Die haben im Jemenkrieg, der immer noch andauert über 200.000 Menschen getötet. Keiner boykottiert das Land.
    Gas das wir nicht aus Russland kaufen, das kaufen unsere Konkurrenten auf dem Weltmarkt und Deutschland wird dann aufgrund der teuren Energie nicht mehr konkurrenzfähig sein.
    Das abwegigste Argument, das aber immer wieder zu hören ist, ist die Forderung, die Leitung durch andere Länder zu legen, damit die mitverdienen können. Das ist so abwegig wie der Gedanke zum Parkplatz vor dem eigenen Haus über das Nachbargrundstück zu fahren und dem Nachbar jedes Mal 10€ zu zahlen obwohl man sein Grundstück auch direkt anfahren könnte. Es bleibt auch abwegig, wenn der Großvater den Großvater des Nachbarn vor vielen Jahrzehnten mal übel verprügelt hat.

  11. „Nord Stream war und ist ein feindlicher Akt gegen Polen und die Ukraine“

    Wenn Länder ihre wirtschaftlichen Interessen vertreten ist dies ein feindlicher Akt? Man muss schon sehr, sehr neudeutsch sein um auf solche Ideen zu kommen. Russland und Deutschland dürfen also keine Geschäfte miteinander machen ohne Polen und der Ukraine gewaltig etwas abzugeben?

    Es ist wohl gleichsam ein Naturgesetz das Deutschland seine Geostrategischen Interessen nicht vertreten darf, denn dann würde es ja „einen feindlichen Akt gegen Polen und die Ukraine“ begehen. Was für ein Stuss! Was für ein erbarmungswürdiges Bücklingstum!

  12. Polen, zwischen dem Deutschen Reich und dem Zarenreich gleichsam eingeklemmt, hat mit beiden Nationen über viele Jahrhunderte schlechte Erfahrungen gesammelt. Da kann ich es den Polen nicht übel nehmen, dass sie ein klein wenig misstrauisch und insgesamt eher distanziert eingestellt sind.

  13. Eine Leitung nicht durch eine Gebiet hindurch, sondern um ein Gebiet herumzulegen ist ein feindlicher Akt? Das ist neu.

    Das erfordert ja zwingend, daß die Bewohner dieses Gebietes eine Anrecht auf die Beteiligung am Gewinn hätten, obwohl sie an der Sache gar nicht beteiligt sind.

    So gesehen war in der Tat bereits die direkt neben der Nordstream 2 parallel und recht geradlinig über den Meeresboden verlaufende Nordstream 1, laut Wikipedia eröffnet 2011, ein feindlicher Akt sämtlichen nichtbeteiligten Staaten gegenüber.

  14. „Noch hat kein Kanzler oder Bundespräsident einen Polenbesuch mit den Worten begonnen: Wir stellen uns der Verantwortung für Auschwitz. Wir bekennen aber auch, dass Deutschland sich bereits mit dem antipolnischen Völkermord ab September 1939 aus der Zivilisation ausgeschlossen hat.“
    Haben die Polen denn die Übergriffe und Vertreibungen der Deutschen aus den Polen nach dem 1. Weltkrieg zugesprochenen Gebieten jemals bedauert? Oder die grausamen Vertreibungen aus den „wiedergewonnenen Gebieten“ nach dem 2. Weltkrieg? Sehr zivilisiert war das nicht.
    Das hat Deutschland ja auch nicht gehindert, mit Polen Handel zu treiben – zu Recht. Die Moral ist das eine, der Handel das andere.
    Ich bin auch für Handel mit Rußland, obwohl die Rote Armee beim Einmarsch in Ostpreußen Teile meiner Familie (Zivilisten!) ermordet hat.

  15. Polen finde ich immer ein schwieriges Thema: Zwischen 1918 und 1938 hat Polen immerhin 4 Nachbarländer überfallen um sich deren an Polen grenzende Randgebiete einzuverleiben. Darunter Deutschland und die Sovietunion (polnisch sovietischer Krieg). Polen hat sich nicht gerade Freunde zu dieser Zeit gemacht. Das könnte man zwecks der „Ausgewogenheit“ auch einmal erwähnen, dass die Polen keineswegs Heilige waren. Zu dieser Zeit wurde mit Hurra wieder auf ein Groß Polnisches Reich spekuliert.
    Die geschilderte Nord Stream Geschichte hört sich an als wenn Deutschland die Planung der Energieleitung nicht als Bußgang für den Holocaust – ein Begriff, der speziell auf die 6 Millionen ermordeten Juden gemünzt ist, konzipiert hat.
    Der heutige polnische Groll gegenüber Russland ist sehr auffällig und und nicht gerade friedensfördernd. Die von Ihnen zitierte Äußerung Als Polens Außenminister Radek Sikorski 2006 den Putin-Schröder-Pakt mit dem Molotow-Ribbentrop-Pakt von 1939 vergleicht,“
    Laut Wikipedia garantierte der Pakt dem Deutschen Reich die sowjetische Neutralität für den vorbereiteten Angriff auf Polen und den Fall eines möglichen Kriegseintritts der Westmächte.
    Völlig an den Haaren herbeigezogener Vergleich. Eine üble Unterstellung um Deutschland wieder in die Büsser-Rolle zu zwingen.

  16. Ich bin dann wieder solidarisch mit den Polen, wenn sie uns die 1945 gestohlenen Gebiete zurückgeben, einschließlich von Danzig, wo Herr Heinsohn residiert.
    Natürlich werden sie das nicht tun. Also kann mir Polen gestohlen bleiben. Wann haben die je was für Deutschland gemacht, in den letzten 200 Jahren? Ihren Geburtenüberschuss exportiert, solange sie einen hatten.
    Natürlich – und daher rührt die Sympathie vieler TE-Leser (und der rechten Szene in Deutschland allgemein) für Polen – das Land ist nicht linksliberal. Aber lasst denen nur 20 weitere Jahre, dann sind sie, nicht nur in Warschau, da, wo wir heute sind.
    Quid pro quo. Sie haben Schlesien, und das muss für die nächsten 200 Jahre reichen.

  17. Waere eine neue Leitung durch die Nordsee nicht technisch einfacher und billiger? Warum sollte Deutschland auf eine oekonomische Loesung verzichten, um Polen die Durchleitungsgebuehr zukommen zu lassen? Warum sollen die Deutschen, die sich haben ueberreden lassen, ihre Oelheizungen durch Gasheizungen zu ersetzen fuer Polens und der Ukraine Durchleitungsgebuehren zahlen – und jetzt noch die Gasumlage? Wenn man Polen und die Ukraine unterstuetzen will, warum geschieht das nicht Verbraucherneutral durch Einsatz von Steuergeldern?

    • Die Ukraine wird von „uns“ seit 2014, wahrscheinlich auch schon vorher, mit Milliarden unterstützt – und Durchleitungsgebühren für Gas bekommen die zudem: https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Auslandshilfen_f%C3%BCr_die_Ukraine_seit_2014
      Auch machen hier bei uns um eine Million ukrainische Menschen, vielfach Familien einschließlich Vater, hier dauerhaft voll alimentiert ihre Sonntagsausflüge. Der Park ums Eck war heute übervoll. Für mich vollkommen unverständlich, da sich der Konflikt seit 2014 auf die Region Donbass beschränkt. Die Gefährdeten dort fliehen, wenn überhaupt, Richtung Russland?

  18. Staaten haben Interessen und keine Freunde und die besten Beispiele sind Polen und die Ukraine. Die überschlagen sich zur Zeit im Hinblick auf freundliche Akte uns gegenüber.
    Sh. Reparationszahlungsforderungen, unverschämte BotSchalter . . ..Deutschland muss seine Demutshaltung und den vorauseilenden Gehorsam und das Lieb-Kind-Machen endlich beenden.

  19. Ich schätze den Autor sehr, aber hier gibt es bedenkliche Defizite.

    „Nach der Fertigstellung von Nord Stream 1 und dem Berliner Machtwechsel im Jahr 2005“

    Es ist wahrlich kein Hexenwerk, mal beim Betreiber nachzugucken „Der Bau des ersten Pipelinestrangs begann im April 2010 und wurde im Juni 2011 beendet. Die Inbetriebnahme des ersten Pipelinestrangs erfolgte Mitte November 2011. Die Bauarbeiten für den zweiten Leitungsstrang, der parallel zum ersten verläuft, haben im Mai 2011 begonnen und wurden im April 2012 beendet. Die zweite Pipeline nahm ihren Betrieb im Oktober 2012 auf.“ (Quelle Nord Stream)

    “ dass Merkel den westlichen Gasbedarf für Nord Stream 2 nicht selbst berechnen ließ, sondern die weit überzogenen Zahlen aus Moskau still übernommen hat.“

    Da sind dann also die westlichen Anteilseigner von Nord Stream 2 auf Zahlen aus Moskau reingefallen?

    “ Die Europäische Union wird in Zukunft nicht weniger, sondern mehr Importgas brauchen als heute. Dies liegt an der rückläufigen Produktion in den Niederlanden und in Norwegen, auch England wird immer einfuhrabhängiger. Der erhöhte Bedarf gilt insbesondere für die Bundesrepublik. Der beschlossene Ausstieg aus Atomkraft (2022), Steinkohle (2018) und Braunkohle (2038) schafft Versorgungslücken, die nicht so rasch durch erneuerbare Energien ausgefüllt werden können. Zur Grundversorgung brauchen wir Gas – mehr Gas. Demnächst müssen in Europa jedes Jahr 120 bis 140 Milliarden Kubikmeter ersetzt werden. Das spricht für Nord Stream 2. Überdies auch für Flüssiggas, wenn es einmal preislich mithalten kann.“

    Sorry für die Quelle https://www.zeit.de/politik/deutschland/2019-02/nord-stream-fakten-hintergruende?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.google.com%2F

  20. Man nennt sie auch Moderne Wegelagerer, die Ukraine und wenn sie ihre Gasrechnung nicht bezahlen konnten, dann musste Deutschland einspringen, wir hängen ja auch an diesem Strang.
    Macht Nordsteam II auf, dann wird sich der Markt beruhigen.
    Der Vorschlag von Finnland ist auch nicht Schlecht, wäre mal eine Alternative.
    Und bitte, erspart mir das, es geht gegen Putin, nicht gegen die Bevölkerung, was sollen denn wir sagen, wir leiden darunter, nicht der Robert oder Schnattertrienchen.

  21. „Die meisten Deutschen wissen zwar, dass ihr Land ab Juni 1941 mit dem Holocaust das tiefgreifendste Verbrechen der Geschichte begangen hat.“
    Die wenigsten Deutschen wissen, daß die „Wannsee-Konferenz“ im Januar 1942 stattgefunden hat. Und was Polen betrifft, möge sich Prof. Heinsohn einmal mit den polnischen Ambitionen auf die urslawischen Gebiete bis zum Rhein kundig machen sowie die polnischen militärischen Planungen in der Zwischenkriegszeit internalisieren.

  22. Genauso, wie der Autor sicher der Ukraine die alleinige Freiheit zugesteht, sich ihre wirtschaftlichen (EU) oder militärischen (NATO) Partner auszusuchen, genauso darf sich D seine Supply Chain selber aussuchen.
    Und das die Ukraine kein risikofreier, stabiler Partner ist, weiss man spätestens seit der Doku von Oliver Stone (wenn man denn nicht schon 2013/14 den Schuss gehört hat):
    https://youtu.be/pKcmNGvaDUs

    • Anhand der Einschätzung von Herrn Heinsohn, der in Polen Professor war oder noch ist, sieht man wie sehr die Interessen innerhalb Europas auseinandergehen. Deutschland hat ganz andere Interessen als Polen und Osteuropa. Ganz andere Interessen als Frankreich und auch als die USA.
      Das ist ein weiterer Grund neben vielen anderen, warum die EU keine Zukunft haben kann.
      Wenn ein Land nicht nach seinen Interessen handelt, sondern nach irgendwelchen moralischen Kriterien, Ideologien oder den Interessen von anderen Mächten, dann wird es so lange übervorteilt bis es am Ende ein Übernahmekandidat ist.
      Das ist reine Logik.

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