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Interview

„Nur eine Minderheit äußert sich“

05.01.2022

| Lesedauer: 6 Minuten
Nur bei anonymen Wahlen offenbaren die Leute noch ihre wahren Präferenzen. Meinungsumfragen erfüllen ihren Zweck immer weniger, weil die Menschen kaum noch bereit sind, ihre Meinung in der Öffentlichkeit zu vertreten. Ein Gespräch mit dem Kommunikationsforscher Hans Mathias Kepplinger

Tichys Einblick: Herr Professor Kepplinger, in Umfragen zeigt sich ein erstaunliches Phänomen: Es gibt in Deutschland mittlerweile eine wachsende Zahl von Menschen, die Kernkraft beibehalten würden. In Umfragen zum Gendern spricht sich eine deutliche Mehrheit gegen das Gendern aus. Trotzdem spiegeln sich diese demoskopischen Mehrheiten in den Medien kaum und in der Politik so gut wie gar nicht wider. Warum können sich diese Mehrheiten nicht durchsetzen?

Hans Mathias Kepplinger: Wenn eine Umfrage für eine Meinung eine numerische Mehrheit ermittelt, dann heißt das nicht notwendigerweise, dass die öffentliche Meinung dem entspricht. Nehmen wir an, dass in einer Umfrage die Mehrheit für Kernenergie ist, aber nur eine Minderheit bereit ist, ihre Meinung öffentlich zu vertreten, wird sie nicht erkennbar.

Müsste in einer Demokratie nicht die Mehrheit den Ausschlag geben, unabhängig davon, wie viele ihre Ansicht auch in der Öffentlichkeit verfechten?

Bei Wahlen ist das der Fall, aber nicht in ihrem Vorfeld. Diese Vermutung wäre nur richtig, wenn die Mehrheit der Landbevölkerung, der Hauptschüler und der Arbeiter genauso bereit wären, ihre Meinung zu kontroversen Themen öffentlich zu vertreten wie die Mehrheit der Stadtbevölkerung, der Gymnasiasten und der Selbstständigen. Das sind sie aber nicht. Die Bereitschaft dazu hängt von der Bildung, vom Beruf und vom Wohnort ab. Deshalb sind die Meinungen der Stadtbewohner mit höherer Bildung in gehobenen Berufen öffentlich präsenter als die Meinungen anderer Menschen. Ein „Zeit“-Leser exponiert sich nicht nur eher als ein Leser der katholischen „Tagespost“, seine Sichtweise wird zudem von seiner Zeitung auch noch weiterverbreitet. Das stärkt sein Gefühl, recht zu haben.

Wie werden dann überhaupt aus Umfragemehrheiten auch gesellschaftlich und politisch relevante Mehrheiten?

Schweigende Mehrheiten und Minderheiten werden gesellschaftlich und politisch relevant, wenn hinreichend viele sich öffentlich exponieren, wenn sie ihre Sichtweise auch gegen Widerstände vertreten und begründen. Dazu braucht man einen langen Atem. Es hat Jahre gedauert, bis die Gegner der Kernenergie die ursprünglich positiven Meinungen im Journalismus und in der Bevölkerung gekippt hatten. Dabei können aktuelle Ereignisse helfen.

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Beim Kampf gegen die Kernenergie war 1979 der Reaktorunfall auf Three Mile Island ein solches Ereignis. Mit seiner Dramatisierung haben Aktivisten der Grünen und ihre journalistischen Weggefährten in Deutschland die Basis bereitet für die Darstellung der Reaktorkatastrophe bei Tschernobyl als Menetekel der Kernenergie. Das war in Frankreich nicht der Fall.

Einzelne Leute exponieren sich ja, ziehen allerdings sofort Angriffe auf sich.

Gesellschaftlich relevante Trendwenden werden von mutigen Außenseitern eingeleitet. Dabei müssen sie mit zwei Reaktionen rechnen: Sie werden totgeschwiegen oder skandalisiert. Weil die Vertreter der öffentlich dominierenden Meinung ahnen, dass sie ihre Meinungsmacht nur dem Eindruck verdanken, sie repräsentierten die Mehrheit. Bei den Außenseitern handelt es sich oft um junge Aktivisten und Journalisten, die sich die Bälle zuspielen. Mit Blick auf die Kernkraft werden es junge Journalisten sein, die nicht im Kampf gegen die Kernenergie sozialisiert wurden, sondern fassungslos vor dessen Folgen stehen.

Die Union hat die Wahlen spektakulär verloren. Dort sehen wir gerade die Debatte, ob sie sich wieder stärker dem traditionellen Bürgertum zuwenden oder sich noch stärker an den Grünen und an medialen Themen orientieren sollte. Kann sich die Partei in der Opposition noch regenerieren und sich damit wieder zum Sprachrohr für Mehrheiten machen?

Vermutlich kann sie sich eher in der Opposition regenerieren als in der Regierung. Die Union hat 2017 das schlechteste Wahlergebnis seit 1949 erzielt und Angela Merkel die folgende Legislaturperiode durchgewinkt. Bei der Wahl 2021 hat sie noch schlechter abgeschnitten und Armin Laschet zum Schuldigen erklärt – obwohl Merkel 2017 genauso viel verloren hatte wie er, fast neun Prozentpunkte. An dem Verhalten der Union nach dem Wahldebakel 2017 konnte man erkennen: Da ist keine politische Potenz, die einen Kampf um die Macht riskiert. Sie taumelt in den Niedergang.

In der Union geht die Anpassung an medial einflussreiche Narrative sehr viel weiter. Beispielsweise sprach auch der Kanzlerkandidat und Nochvorsitzende Armin Laschet davon, er führe den „Kampf gegen Rechts“ – und ließ sich dann trotzdem wegen seiner angeblich ungenügenden Abgrenzung durch die Arena treiben. Wie kommt es, dass eine frühere Regierungspartei eher einen Teil ihrer Wähler aufgibt – zu denen ja die demokratischen Rechten gehören –, als die Konfrontation mit dem linken Milieu zu riskieren?

Teile der Union haben sich den Schneid abkaufen lassen. Das wäre in den 1960ern, 70ern nicht möglich gewesen.

Die Macht linker Erklärungsmuster hängt eng mit der Dominanz linker Medien zusammen. Wie kam es eigentlich zu dem Übergewicht einer weltanschaulichen Richtung? Und wie kommt es, dass diese Dominanz immer noch wächst?

Die Mehrheit des gebildeten, städtischen und politisch interessierten Bürgertums ist traditionell linksliberal. Deshalb haben in größeren Städten vor allem linksliberale Zeitungen und Zeitschriften Erfolg. Diese Struktur bestand auch schon zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts, bis die NSDAP sie zerstörte.

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Nach dem Krieg, insbesondere in den 1960ern und 1970ern, haben aber die publizistische Linke und die sie tragenden Milieus ihre frühere, moralisch grundierte Deutungshoheit und Meinungsmacht wieder erreicht. Stationen auf diesem Weg waren die späte Thematisierung der Verbrechen im Dritten Reich, die Interpretation der Studentenunruhen als Rebellion gegen eine muffige Nachkriegszeit und die von entschiedener Ablehnung bis zu mildem Verständnis reichenden Berichte über die Baader-Meinhof-Bande. Die Krönung der Entwicklung zur moralisch grundierten Deutungshoheit und Meinungsmacht der linksliberalen Medien und der sie tragenden gesellschaftlichen Milieus war die Rede von Richard von Weizsäcker anlässlich des 40. Jahrestags des Kriegsendes 1985.

Seine Botschaft, die Deutschen seien 1945 befreit worden, ist mittlerweile politisch-medialer Konsens. Aber hatte er denn nicht auch faktisch recht?

Hier muss man zwei Aspekte unterscheiden: die Erlebniswelt der Überlebenden und die Sichtweise der Nachgeborenen. Die Bevölkerung in den zerbombten Städten hat das Ende des Krieges als Niederlage erlebt. Sie haben in Kellern und Baracken gehaust, gefroren und gehungert. Auch die Frauen und Kinder, deren Männer und Väter gefallen oder verschwunden waren oder jahrelang in Gefangenenlagern darbten, haben das Kriegsende als Niederlage erlebt. Der oberste Repräsentant des Staates stülpt dann Jahre später unter dem Beifall vieler Medien die Interpretation einer linksliberalen Elite über die Erlebnisse von Millionen und macht, schöner Nebeneffekt, die Deutschen zu Gefangenen des Nationalsozialismus.

Der Zusammenbruch des Sozialismus 1989 hätte eigentlich ein tiefer Einschnitt gewesen sein müssen – schließlich wurde die Diktatur in den Ostblockstaaten von der linken Öffentlichkeit im Westen milde betrachtet, die DDR galt nicht wenigen als das „bessere Deutschland“. Trotzdem änderte diese Zeitenwende nichts an der linken Dominanz. Warum?

Mit dem für alle offensichtlichen Scheitern des real existierenden Sozialismus hat die Linke ihre moralisch grundierte Deutungshoheit und Meinungsmacht verloren. Allerdings haben sie und die sie tragenden Milieus ihren früheren Einfluss auch wegen des Versagens der Rechtskonservativen schrittweise wiedererlangt. Der erste Schritt war die maßlose Skandalisierung der illegalen Spenden an Helmut Kohl – maßlos, wenn man die Reaktionen mit den Reaktionen auf anonyme Spenden zugunsten von Helmut Schmidt vergleicht, deren Spender auf Anweisung des Schatzmeisters der SPD nicht genannt werden durften.

„Die Linke hat lange für Toleranz gekämpft.
Seit einigen Jahren kämpfen Teile der Linken um Intoleranz“

Die Fälle sind nicht gleich, aber vergleichbar. Den Hintergrund der Skandalisierung Kohls bildete seine Rolle bei der deutschen Vereinigung, die prominente linke Politiker und Journalisten, welche einen Beitritt der DDR zur BRD nach Artikel 23 GG ablehnten, abgeschrieben hatten. Einflussreiche Vertreter dieser Positionen waren Günter Grass, Erich Böhme, Chefredakteur des „Spiegel“, und Jürgen Habermas als Gastautor der „Zeit“.

Der zweite Schritt auf dem Weg zurück zur moralisch grundierten Deutungshoheit und Meinungsmacht war 2015 die Migrationskrise. Damals ist es linken Medien und den sie tragenden Milieus gelungen, ein Bündnis zwischen linken Parteien und christlichen Kirchen zu schließen und die absehbaren politischen und gesellschaftlichen Folgen „den Rechten“ anzulasten.

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Der dritte Schritt war und ist der Kampf gegen rechts. Er richtete sich zunächst gegen die migrantenfeindlichen Ausschreitungen in den 1990ern, später gegen den rechtsradikalen Terror des NSU, dessen zehn Morde zum Bestandteil des öffentlichen Bewusstseins wurden, während die 33 Morde der linksradikalen Baader-Meinhof-Bande darin kaum noch eine Rolle spielen. Das hängt auch damit zusammen, dass es im Sprachgebrauch der meisten linken Politiker und Medien keine linksradikale Gewalt gibt. Urheber der wiederkehrenden Gewaltorgien in Berlin, Dresden und Leipzig sind nicht Linksradikale, sondern „Autonome“.

Gibt es die ideologischen Verhärtungen nicht auf beiden Seiten des Spektrums?

Verhärtungen würde ich nicht sagen – Zuspitzungen, Radikalisierungen. Allerdings werden rechte Zuspitzungen meist dramatisiert und kritisiert, linke Zuspitzungen dagegen oft bemäntelt oder gerechtfertigt. Beides ist falsch. Die Linke hat lange für Toleranz gekämpft. Seit einigen Jahren kämpfen Teile der Linken um Intoleranz. Sie boykottieren die Rede eines unliebsamen Gewerkschafters wie Rainer Wendt; sie sabotieren die Vorlesung eines unliebsamen Professors wie Bernd Lucke; sie skandalisieren konservative Schriftsteller wie Sibylle Lewitscharoff und Uwe Tellkamp, und sie beenden aus politischen Gründen die Zusammenarbeit mit einer Erfolgsautorin wie Monika Maron.

Viele, die Sie nennen – man könnte auch noch Sahra Wagenknecht hinzunehmen, der neuerdings von ihren eigenen Parteifreunden vorgeworfen wird, sie sei rechts –, haben eines gemeinsam: Sie sind Ostdeutsche. Wie kommt es, dass so viele, die Kritik an den aktuellen Verhältnissen üben und umgekehrt Attacken auf sich ziehen, ostdeutsch sozialisiert sind, obwohl Ostdeutsche weniger als ein Fünftel der Gesamtbevölkerung ausmachen?

Wer in der Bundesrepublik in den 1960er- und 1970er-Jahren politisch sozialisiert wurde, ist sensibilisiert für rechte Gefahren. Wer in diesem Milieu aufgewachsen ist und lebt, wittert übersensibel Gefahren von rechts, nimmt aber Gefahren von links in seinem Milieu kaum wahr. Der Fisch ist der Letzte, der das Wasser erkennt.

Sieht also jemand schärfer, der mit anderen Erfahrungen auf die Gesellschaft schaut als die Mehrheit?

Viele aus Ostdeutschland stammende Menschen sehen unsere Gesellschaft mit anderen Augen. Sie erkennen antidemokratische Entwicklungen, die Westdeutsche in ihrer eigenen Umgebung nicht wahrnehmen. Monika Maron und andere Autoren sind wichtig, weil sie wach und vom Zeitgeist unabhängig sind. Man muss ihre Ansichten nicht teilen, es lohnt sich aber, über ihre Sichtweisen und Argumente nachzudenken.

Nun sind und bleiben Ostdeutsche immer Minderheit, und es sind auch nur die Älteren, die noch die Diktatur erlebt haben. Wo sehen Sie heute in Gesamtdeutschland Gegenbewegungen zur politischen Korrektheit und zu der Bereitschaft, sich lauten Minderheiten zu unterwerfen?

Wie meist, sieht man die am ehesten im Journalismus. Dazu gehören Henryk M. Broder, Jan Fleischhauer, Axel Bojanowski, Susanne Gaschke und zahlreiche andere. Vermutlich gibt es viele jüngere Journalisten, die noch nicht so bekannt sind, dass sie mir spontan einfallen. In Politik und Gesellschaft gibt es keine linearen Entwicklungen. Das wird auch jetzt nicht geschehen. Da bin ich optimistisch.

Hans Mathias Kepplinger, Die Mechanismen der Skandalisierung. Warum man den Medien gerade dann nicht vertrauen kann, wenn es darauf ankommt. Olzog Edition, 244 Seiten, 26,90 €


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26 Kommentare

  1. Nein, es geht weniger um die meinungsstarken städtischen Milieus. Die CDU und Konservative haben es nicht verstanden, wie z.B. die SPD eine eigene Medienmacht aufzubauen, haben nicht mal das ZDF halten können. War die SPD bis vor Kurzem nur noch ein Medienimperium mit angeschlossener Partei für eine Funktionärskaste, hat sich über die letzten 20 Jahre eine ganz subtil gekaufte Allianz gebildet: Zahme, regierungsnahe NGO und Medien sind angesichts der ständig klammen Finanzlage auf korrumpierende Zahlungen angewiesen, sie erhalten die Leckerli für genehme Berichterstattung und Wohlverhalten.

  2. So ein System ist selbstreferentiell, so nennen das Soziologen.

  3. Der entscheidende Punkt ist, dass die CDU unter Merkel bürgerlich- konservative Positionen geräumt und damit die die Bundesrepublik tragende Macht- Balance zwischen Links/Mitte/Rechts zerstört hat.
    Damit hat Rot/Rot/Grün heute völlig freies Schussfeld, was sie aktuell gnadenlos ausnutzen, um den demokratischen Rechtsstaat in eine linke Diktatur umzubauen.

  4. Das ist ein Teil der Erklärung, lässt aber den zunehmenden Aspekt der wirtschaftlichen Verknüpfung außen vor. Wurden früher Zeitungen gemacht, um zu berichten, sind sie heute zunehmend ein Marketinginstrument, um gezielt die eigenen und die Interessen der Kunden zu verfolgen. Ein sehr schönes Beispiel ist Ströer. Neben der Plakatierung von Werbung, Online Anzeigen.., sind weitere Geschäftsfelder die Nachrichten bei t-online.de, watson oder freenet.de, welche das Geschäft unterstützen.
    Hier werden die Nachrichten im Sinne der eigenen Kunden gestaltet. Wenn die Bundesregierung die Impfungen vorantreiben will und wenn es hierfür einen dicken Werbetopf gibt, dann wird die Berichterstattung natürlich im Sinne der Bundesregierung gestaltet, um sich einen großen Batzen aus dem Werbetopf zu holen.
    Schaut man sich die Mehrheitsbeteiligungen bei Springer an, dann findet man dort eine Investorengruppe. Die möchte in erster Linie Nachrichten im Sinne ihrer Kunden.
    Die Berichterstattung war sicherlich schon immer von irgendwelchen Interessen getrieben, aber so professionell wurden noch nie die Nachrichten als Werbeinstrument genutzt wie heute.
    In den USA werden heute bereits ca. 75% der Nachrichten in dieser Weise gemacht und Deutschland hat in den letzten Jahren stark aufgeholt in diesem Geschäft.

  5. Wahlen sind aber auch so ziemlich der einzige Bereich, bei denen man Vorhersagen abgleichen kann mit repräsentativen Befunden (den Ergebnissen der Wahl). Und Unterschiede in den Ergebnissen können immer noch mit dem jeweiligen Erhebungszeitpunkt erklärt werden und den immer etwas schwankenden Bevölkerungsteilen, die nicht wählen/sich nicht äußern. Wenn R+V (nur ein Beispiel) die „Ängste der Deutschen“ in Zahlen fasst, kann niemand prüfen, ob die Bevölkerung wirklich so tickt.

  6. Ein wichtiges Interview. „Skandalisierung“ ist auch ein treffendes Schlagwort, um den aktuellen Zeitgeist zu beschreiben. Es galt zwar immer schon als ein Prinzip der Medienberichterstattung (und Politik): Bad News are Good News. Hässliche, empörende Dinge finden mehr Aufmerksamkeit und heizen das emotionale Klima an. Heute wird aber fast alles aufgebläht zum Grundsatzproblem –  nur nicht die vielzitierten „Einzelfälle“ im kriminellen Sektor – und wird mehr auf Minderheiten als auf Mehrheiten geschaut. Diese Tendenz hat sich aber wohl verstärkt.
    Und Herr Kepplinger verweist natürlich auf einen wichtigen, entscheidenden Punkt, wenn er erläutert, dass angeblich repräsentative Meinungsumfragen nicht wirklich repräsentativ sind, weil einzelne soziale Gruppen mal mehr, mal weniger bereit sind sich zu äußern, teilweise mit Bezahlung gearbeitet wird. Bei Telefonumfragen muss man auch damit leben, dass der Befragte nicht anonym ist. Der Anrufer hat seine Nummer, er sagt oft seinen Namen, wenn es klingelt. Rein theoretisch ist er identifizierbar.
    Schon allein der Boom der Online-Umfragen (bei denen sich naturgemäß nur Teile der Bevölkerung einbringen, die dann irgendwie gewichtet werden) verzerrt.
    Hinzu kommt, dass neben die klassischen seriösen Umfrageinstitute viele Firmen getreten sind, die weniger professionell wirken und erst in den letzten Jahren auftreten. Wenn die dann noch verschwommene Fragen stellen, kommt oft wenig Gescheites heraus. Was die Mainstream-Medien natürlich nicht hindert, jede kleine Umfrage als objektive Wahrheit weiterzuverbreiten, egal wie Ergebnisse zustande gekommen sind. Dass Journalisten sich oft nicht darum kümmern, wie Befragungsbefunde entstanden sind und ob sie überhaupt repräsentativ sind, ist das eigentliche Problem.
    Und der Charme vieler Befragungen liegt darin, dass die Ergebnisse in keiner Wiese nachprüfbar sind, wenn man mal von der Wahl-Sonntagsumfrage absieht. Wenn behauptet wird: X Prozent der Bevölkerung sehen das genau so und so, muss man es glauben.

  7. Meinungsumfragen – im Privatfrnsehen zahlt der Anrufer dafür!
    Somit werden Vernunftbegabte dort nicht anrufen 🙂
    Im Internet müssen persönliche Daten angegeben werden – somit machen Vernunftbegabte dort nicht mit.
    Auf der Straße – findet nur in Großstädten statt und dort bevorzugt da wo man passende Antworten erwartet.
    Bleiben somit maximal noch Telefonumfragen übrig.

  8. Die von Ihnen beschriebene Entwicklung der fehlenden Opposition ist richtig. Das korreliert m. E. damit, dass bestimmte und notwendige Eigenschaften wie Ehrlichkeit, Empathie, Verantwortung für die Bevölkerung und vor allem dem Land Deutschland, nicht mehr vorhanden sind. Es geht zu 90% um einen Job und um Kohle, um Versorgung und um Narzissmus.
    Mittelmaß sitzt seit Jahren mehrheitlich im Deutschen Bundestag.
    Wenn die Nichtwähler wenigstens einmal zu einer BTW bereit sind, die AFD zu wählen, hätten wir ganz schnell wieder eine Opposition.

  9. Das Comeback des Fürsorgestaates
    Das Comeback der Linken war die Weltfinanzkrise 2008/09. Der neue Narrativ für alle Lebenlagen war fortan: und der Kapitalismus kann es doch nicht! Der Staat gewährleistet die Wohlfahrt und das Geldvermögen seines Volkes mindestens, aber auch nicht zuletzt, in letzter Instanz. Fie Privatwirtschsft freier Bürger hat abgedankt. Nun bestimmen Beamte, was dem vulneravlen Vptgern zuträglich ist.

  10. der geneigte ARD +ZDF Seher sieht Skandalbilder von Spaziergängen und bleibt fern !
    Der Fußballfan sieht Skandalbilder von Hooligan und geht hin!
    Der Spaßfaktor siegt ,die Feigheit schaut TV mit der Empörung der gleichgeschalteten Medien.
    ZIVILCOURAGE—–kleingeschriebenes fremdwort !

  11. Wusste ich schon. Dies ist der Beweis, dass wir NICHT (mehr) in Freiheit leben. Der gewöhnliche Sterbliche (the everlasting man, Adam rishon) weiß es, seine Verführer wahren den Schein.

  12. Diese Stelle ist eine gute Gelegenheit für mich, Herrn Kepplinger zu danken für seine Bücher, die mir ermöglicht haben, die Herstellung der Öffenlichen Meinung begreifen zu können. Seine verschiedenen Bücher führten mich zu Walter Lippmann, Edward Bernays, Noam Chomsky und nicht zuletzt Jaques Ellul.
    Die Erkenntnis, welche Mühe sich kluge Leute machen, um mich zu verwirren und betrügen war oft schmerzhaft.
    Der Fluch der Erkenntnis ist, dass man merkt, wie unbedarft man vorher war.

  13. Es gibt schon eine Opposition, nur wird sie permanent todgeschwiegen und skandalisiert, das wirkt bei dieser Bevölkerung perfekt!

  14. Hervorragendes Interview! Nur eines scheint mir nicht ausreichend formuliert: Teile der Union haben sich den Schneid abkaufen lassen…“. Nicht nur die Teile, die gesamte Union hat keinen Schneid mehr, von ganz wenigen Ausnahmen,( Maaßen und Vaatz vielleicht), abgesehen. Diese Partei ist dem Untergang ( hoffentlich) geweiht.

  15. Die Überschrift: „Nur eine Minderheit äußert sich“ (in Meinungsumfragen) kann ich glauben aber der Rest des Artikels hat sich nicht mit dem „warum“ beschäftigt. Eine endlose Aneinanderreihung von irgendwas.
    Man wollte vielleicht suggerieren, dass die Mehrheit unbedingt (und ohne die Kosten zu hinterfragen) für Atomkraftwerke ist und sich nur nicht traut, es zu sagen.

  16. Nichts für ungut, aber den Ausdruck „Bürger“ nehme ich nicht für voll. Ich würde sagen der „durchschnittliche BRD-Trottel“. Vielleicht gilt einfach: Die Masse ist dumm und macht, was man ihr sagt?

  17. Abgesehen davon, dass die sogen Meinungsumfragen aus verschiedenen Gruenden als „objektiver Befund“ untauglich sind (Anzahl, Fragestellungen etc), haben die letzten Wahlen, 2017 und nun 2021, ein klares Bild vermittelt, das sich weitgehend mit dem Ergebnis der Umfragen deckt. Da werden regelmaessig Parteien gewaehlt, bei denen voellig klar war, fuer was sie stehen und was diese nach der Wahl anstellen. Es ist relativ egal, ob Gruen x oder Links y oder Gelb z Prozent erhaelt, oder Schwarz irgendetwas um die 20 %, es kommt immer Dasselbe heraus. Migration ist nur ein Beispiel, Energie, Klima, Euro oder corona weitere. Entweder sind die deutschen Wähler zu dumm, um zu erkennen, dass sie exakt ihre Metzger waehlen oder sie wollen es so. Wer fuer Kernkraft oder gegen Migration aus dem Archaikum ist, wer fuer Freiheit, Recht und die Interessen des Buerger dieses Landes ist, wählt nicht exakt die Parteien, die von 90 % gewaehlt wurden. Das passt schlicht nicht zusammen, auch wenn einem das Ergebnis nicht gefällt. Wer gegen Transformation, great reset, neue Weltordnung oder tribalistischen Globalismus, fuer Recht und Gesetz, Zivilisation und (deutsche) Kultur ist, wählt nicht exakt die Parteien, die genau diese Ziele verfolgen. Entweder erkennt er das kausale Problem nicht, weil sein IQ die 70 nicht überschreitet, er psychisch blockiert ist und an einer massiven Zwangsstoerung bei dem Begriff „rechts“ leidet, was mit irgendwelchen „Sensibilitaeten“ nichts zu tun hat, sondern mit einer deutschen Krankheit, oder er will es so, wie es laeuft. Wer das feudallinke „(Psycho) Spiel“ mit „rechts“ immer noch nicht verstanden hat, dem ist ohnehin nicht mehr zu helfen. Dass die Konditionierung oder besser Hirnwaesche inzwischen auch die Äußerungen bei Umfragen bestimmt, duerfen sich die „Linksliberalen“ und ihre zahlreichen konservativen Helfer als Verdienst zurechnen. Was es fuer Land und Gesellschaft bedeutet, duerfen wir als Zeitzeugen der Transformation und als deren „Versuchskaninchen“ gerade fasziniert beobachten.

  18. LINKS SIEGT PROPAGANDISTISCH

    aber eben nur da. Wer 1989 erlebt hat und sich dann als Westbürger in der ehemaligen „DDR“ umsah, der musste sofort sehen, dass (ohne die Lebensleistung der Leute aus dem Osten schmälern zu wollen, nicht zuletzt weil Viele damals auch für den Westen produziert haben) dass der Sozialismus geradewegs ins Elend führt.

    Im Hinblick auf wesentliche Technologien (z.B. IT) betrug der Abstand zu Ungunsten der „DDR“ (und der anderen „sozialistischen“ Länder) mindestens 10 Jahre, das Straßenbild der „DDR“ war aus meiner Sicht wie das eines Drittweltlandes. Der Osten war bankrott, politisch, vor allem aber wirtschaftlich. „Marode“ war in Bezug auf verfallene Bauten und die heruntergekommenen DDR-Betriebe ein gängiger Begriff damals, und er passte wie der Punkt aufs i.

    Und dennoch ist es diesem schon damals bankrotten und maroden sozialistischen System gelungen, sich propagandistisch wieder ganz schön breit zu machen, neue Technologien (die zu entwickeln der „Sozialismus“ selbst nicht in der Lage war) einzuspannen um seine untaugliche Philosophie zu multiplizieren.

    Es ist dem Linken zumindest medial gelungen, das normale bürgerlich-konservative Element, das allein in der Lage ist, eine funktionierende Gesellschaft zu generieren, in die rechte Ecke zu stellen und somit propagandistisch zu überwältigen. Man weiß wie es kam: im Zuge der sog. 68-er Bewegung galt der Sozialismus damals, vor allem in den südlichen Kulturen des Westens eine Zeit lang als „schick“.

    Die Geheimdienste des Ostens haben das wohl als Infiltrationsansatz genutzt und vor allem linke Studentengruppierungen (die propagandistisch an den Universitäten das große Wort führten) unterstütz und unterwandert. Resultat: Links wurde multipliziert, auch viele bürgerlich-konservative Studenten konnten sich dem kaum entziehen. Resultat: Links wurde propagandistisch multipliziert (vor allem auch von Lehrern).

    Ein Blick in unsere Mainstreammedien genügt, um festzustellen, wie stark diese Linksverkippung der Gesellschaft ist. Aber dieser propagandistische Sieg des Linken kann nicht von Dauer sein, denn er beruht nicht auf Substanz, er beruht auf einer propagandistischen Blase. Die jederzeit platzen kann und irgendwann auch platzen wird.

    Denn wie man im Vergleich beider Gesellschaftssysteme 1989 gesehen hat kann ein sozialistisches System niemals erfolgreich sein. Und auch wenn noch so viele Jugendliche linksgrün indoktriniert wurden, der Sozialismus wird immer an der Realität scheitern. Der Umstand, dass konservative Medien wie TE oder auch Gettr enorm Zuwachs haben, während linke Mainstreammedien stagnieren oder abbauen zeigt: es bewegt sich was.

    Auch gehen immer mehr Leute auf die Straße. Sie merken: mit diesem Land stimmt etwas nicht. Der rein propagandistische Sieg des Linken im Rahmen einer kulturellen Usurpation, er wird ein reines Strohfeuer sein. Es macht Spaß, als bürgerlich-konservativer Underdog am Stuhl des linken/linksgrünen Establishments zu sägen, denn Letzteres ist heruntergewirtschaftet und devital. Es erlebt gerade seine Götterdämmerung.

    Der Sozialismus ging wirtschaftlich und politisch schon 1990 unter. Auch wenn er propagandistisch im Moment noch dominiert, er wird sich nicht halten. Als Bürgerlich-Konservativer darf man es so sehen: die werden immer weniger und wir immer mehr!

  19. Nun, das Interview hat sicherlich einige gute Aspekte. Allerdings, zeigt es auch auf, dass der Deutsche Linke eigentlich schon immer über einer hohen Selbstüberschätzung gelitten hat.

    Dass beispielsweise die Themen um Atomkraft, Gender oder pro „Flüchtlinge“ in den Medien momentan so omnipräsent sind, liegt nicht daran, das eine selbsternannte städtische Bildungselite um die Meinungshoheit gekämpft und gewonnen hat, sondern schlicht und einfach daran, das jeder Horst und insbesonders die Wokeisten Journalismus studiert haben und die Redaktionsstuben gestürmt haben. Ein eher konservativer Journalist, hat in den „großen“ Medienhäuser keine Chance.

  20. Zitat: Meinungsumfragen erfüllen ihren Zweck immer weniger, weil die Menschen kaum noch bereit sind, ihre Meinung in der Öffentlichkeit zu vertreten.Zitat Ende
    Das kann nicht stimmen, denn wer sich die Wahlprognosen vor Landtags- vor der Bundestagswahl mit Kopfschütteln angesehen hat, nur weil die dort genannte Zahlen zu den einzelnen Parteien nicht mit der persönlichen Erwartung übereinstimmt, der ist dann nach der Wahl immer wieder ratlos, wie genau doch die Wahlvorhersagen zugetroffen haben. Da ist dann nicht mit dem Absturz einer Partei, +/ – wenige Prozente genau, mitten ins Ziel getroffen, ist dann zu sehen

    • Wir sollten sie Manipulationsmöglichkeiten (Wahlbetrug) im Kampf um die Deutungshoheit und die Pöstchen nicht vergessen.

  21. Ich bekenne mich zum Nichtwähler, weil dieses Parteiensystem, das Wahlsystem in Deutschland das Übel ist und nicht die Lösung! 

    • Das ist Ihr Recht.
      Allerdings müssen Sie Ihren Kindern und Enkelkindern erklären, warum Sie aufgegeben haben und sich nicht für das schlechtere aus den vielen Übeln entschieden haben.
      Nicht-Wählen ist nichts anderes, als den Kindern zu sagen, dass es Ihnen egal ist, wie sie später leben werden.

    • Ich habe diesen Fluchtweg in früheren Jahren für eine Dekade auch mal genutzt. Bin aber nach und nach zur Erkenntnis gekommen, dass dieser Weg auch unbefriedigend ist. Also bin ich wieder zur Wahl gegangen, auch wenn dies am Wahlabend immer wieder schmerzt.

    • Jede nicht abgegebene Stimme ist faktisch eine Stimme für den amtierenden Parteienfilz aus CDU, SPD, FDP, Grünen + Ex-SED. Auch wenn man sich einfach nicht traut (warum auch immer, noch haben wir ja geheime Wahlen), mal bei den Blauen das Kreuz zu setzen oder sich mit deren Wahlprogramm gar nicht anfreunden kann gäbe es immer noch genügend andere Möglichkeiten. Auf dem Wahlzettel zur letzten Bundestagswahl standen geschätzt um die 15- 20 Parteien zur Auswahl (ohne jetzt nachgezählt zu haben); da kann sich jeder Wahlberechtigte vorher informieren (im Zeiten des Internets ohne großen Aufwand bequem auf dem Sofa sitzend, wenigstens die paar Minuten für den den Wahlomat sollten wohl mal drin sein) und dann das für ihn persönlich kleinste Übel ankreuzen.
      Es ist eigentlich unglaublich, das fast 1/4 der wahlberechtigten Bevölkerung ihre persönliche Zukunft scheinbar so sch****egal ist, das sie es selbst bei so einer richtungsweisenden Bundestagswahl wie der letzten nicht fertiggebracht hat, ihre Stimme abzugeben. Hätten alle Nichtwähler abgestimmt, könnte es seit September ganz anders aussehen, denn wenigsten der Nichtwähler hätten ihre Stimme dann wohl einer der amtierenden Blockparteien gegeben.

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