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Frühling zwischen Saudi-Arabien und Israel?

Kronprinz Muhammad bin Salman: Jeden Tag kommen wir uns näher

24.09.2023

| Lesedauer: 3 Minuten
Seit Jahren bedroht der Iran mit seinem Griff nach der A-Bombe den Nahen Osten und die westliche Welt. Jetzt wollen die USA und Israel dem iranischen Erzfeind Saudi-Arabien dabei helfen, eine eigene Uran-Anreicherungsanlage zu bauen. Der Herrscher von Saudi-Arabien MbS sagt über die Beziehungen mit Israel: Wir kommen uns jeden Tag näher.

Benyamin Netanyahu wird nicht als Super-Demokrat in die Geschichte eingehen. Aber in seinen inzwischen 13 Jahren als Ministerpräsident Israels mit Unterbrechungen hat er den Nahen Osten grundlegend verändert. Nicht zum Schlechteren. Drei Jahre, nachdem er mit Ex-US-Präsident Donald Trump und vier muslimischen Staaten die Abraham Accords in Washington unterzeichnet hat, sagt der Herrscher von Saudi-Arabien, Muhammad bin Salman, der sich gerne MbS nennen lässt, über die Beziehungen mit Israel unzweideutig: Wir kommen uns jeden Tag näher.

Der amerikanische Präsident Joe Biden will nächstes Jahr wiedergewählt werden und Netanyahu muss von der leidigen Justizreform und seinem Korruptions-Prozess ablenken, die ihm seit Monaten den politischen Alltag verfinstern. Da kamen beide auf eine Idee, die ebenso kühn wie wirkungsvoll sein kann. Der saudische Kronprinz spielt offensichtlich mit.

Seit Jahren bedroht der Iran mit seinem Griff nach der A-Bombe den Nahen Osten und die westliche Welt. Jetzt wollen die USA und Israel dem iranischen Erzfeind Saudi-Arabien dabei helfen, eine eigene Uran-Anreicherungsanlage zu bauen. Netanyahu – so ist aus seiner Umgebung zu vernehmen – hat Israels Nuklear-Experten bereits angewiesen, Riyad dabei unter die Arme zu greifen.

In einem Interview mit dem amerikanischen FOX-NEWS-Sender spricht MbS die nukleare Option ohne Umschweife an: „wenn andere sie bekommen, dann wir auch“. Er vergisst dabei nicht zu erwähnen, dass niemand daran denkt, die A-Bombe anzuwenden. Das würde einen Krieg mit der ganzen Welt auslösen. Niemand wolle ein zweites Hiroshima erleben, fügt er in Anspielung auf den nuklearen Angriff der USA auf Japan im Jahr 1945 hinzu.

Die Botschaft aus dem Umfeld der aktuellen UN-Generalversammlung hat ein Hauptziel: die auch für Riyad feindlichen Mullahs in Teheran. Sollte die Idee Wirklichkeit werden, würde es dem beabsichtigten Hegemonial-Anspruch des Iran in der muslimischen Welt einen deutlichen Dämpfer versetzen.

Wie wichtig MbS die Verteidigung seines Landes und die Vorherrschaft in der islamischen Welt sind, zeigt auch die Reihenfolge seiner Forderung für eine Annäherung an Israel. Erstens will er einen Verteidigungspakt mit den USA, zweitens signifikant mehr Waffen, drittens ein friedliches Nuklear-Programm auf dem Boden Saudi-Arabiens und viertens ein israelisches Entgegenkommen gegenüber den Palästinensern.

Auffallend ist die Reihenfolge der Forderungen des saudischen Kronprinzen, der das Regierungs-Zepter längst übernommen hat. Die Palästinenser stehen bei ihm an letzter Stelle und die Zwei-Staaten-Lösung kommt ihm nicht über die Lippen. Er spricht von „concessions“ und das kann vieles bedeuten.

Palästinenser-Führer Mahmoud Abbas hatte sich Ende August mit antisemitischen Äußerungen vor dem Revolutionsrat der eigenen Fatah-Partei selbst bei muslimischen Organisationen schwer geschadet. Der 87-Jährige behauptete, die Nazis hätten die Juden wegen „ihrer gesellschaftlichen Rolle als Geldleiher und Wucherer“ bekämpft und nicht allein deshalb, weil sie Juden gewesen seien.

Selbst Dutzende palästinensische Akademiker haben Abbas’ Rede scharf verurteilt. „Wir lehnen strikt jeden Versuch ab, Antisemitismus, Naziverbrechen gegen die Menschlichkeit oder Geschichtsrevisionismus im Hinblick auf den Holocaust zu verharmlosen, falsch darzustellen oder zu rechtfertigen“, heißt es in einem offenen Brief. Die Unterzeichner verurteilen darin „unmissverständlich die moralisch und politisch verwerflichen Äußerungen des Präsidenten“.

Der freundliche Empfang Netanyahus durch Biden dürfte mehr sein als eine atmosphärische Aufhellung der Beziehungen. „Bibi“, wie Biden seinen Gesprächspartner jetzt in New York freundlich nannte, war seit seinem neuerlichen Amtsantritt vor zehn Monaten in Ungnade gefallen. In Washington wird die rechts-nationale Koalition in Jerusalem offen kritisiert. Die angezettelte Justizreform ist auch bei den Freunden im US-Repräsentantenhaus ein Angriff auf die Gewaltenteilung und damit auf die Demokratie. Außerdem bereitet der überaus harte Kurs des Rechtsaußen-Koalitionspartners Itamar Ben Gvir gegen die Palästinenser auch den engsten politischen Unterstützern Jerusalems Kopfschmerzen.

Das Hochgefühl, das Netanyahu in diesen Tagen in den USA empfinden mag – Biden hat ihn noch dieses Jahr ins Weiße Haus eingeladen – wird ihn nach seiner Rückkehr auf den Boden der Tatsachen in seiner Koalitionsregierung herunterholen. Waffenlieferungen an ein arabisches Land, gar Nuklear-Anlagen an Riyad sowie Konzessionen an die Palästinenser stoßen in weiten Teilen Netanyahus sechster Regierung auf strikte Ablehnung.

Israel feiert in diesen Tagen das neue Jahr 5784, danach das Versöhnungsfest „Yom Kippur“ und anschließend verbringen traditionelle Juden eine Woche in der symbolträchtigen Laubhütte. Zeit genug, sich über die aus den USA mitgebrachte Kehrtwende in den Beziehungen zu Saudi-Arabien zu freuen. Die Nah-Ost-Realität kommt früh genug.

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8 Kommentare

  1. Nur eine Frage – woher nehmen sie die Antimaterie oder das nukleonische Material für die explosive Einleitung der Kernverschmelzung? Wenn sie bei ‚modern‘ an eine kinetische Zündung mittels Laser denken, so wind ein paar hundert Meter Gaslaser nicht unbedingt in eine Bombenhülle integrierbar – ganz abgesehen v.d. notwendigen Kraftwerken für deren Speisung.
    Stand der Technik ist immer noch die Zündladung mittels Spaltungs-Bombe. Alles andere ist Science Fiction.

  2. Die Richtung stimmt. Saudi Arabien ist der Ursprung des Islam. Was von dort kommt, gilt. Nicht was die Perser oder Türken aus dem Islam gemacht haben.
    Die rechten Hardliner in der israelischen Regierung sind überhaupt erst die Grundlage für eine funktionierende Kommunikation mit der arabischen Welt, denn die Araber halten uns im Westen nicht ohne Grund für bekloppt.
    Die verstehen uns gar nicht mit unserem überaus harten Linksdrift, der die Gesellschaft eher zerstört, als sie zu bereichern.
    Diese Diskrepanz zwischen linkem Gerechtigkeitsfimmel und der blanken Notwendigkeit, das eigene Volk durch ein Minimum an Konservativismus zu erhalten, schlägt derzeit in den USA, Deutschland und auch Israel hart durch.
    Es müssen sich alle ein wenig bewegen, damit man die goldene Mitte für den Friedensschluss bekommt. Das geht. Wenn der Pragmatismus einkehrt.
    Der Nahostkonflikt muss beendet werden. Das ist kein Dauerzustand.
    Das kann kein Dauerzustand sein, denn er schlägt mittlerweile auf die gesamte Welt durch.
    Was MbS‘ Ausführungen zur Atombombe betrifft:
    Da hat er schlicht recht. Der Mann ist ja auch kein Dschihadist.
    Und genau hier sollte sich der Westen nun endlich davon trennen, den Dschihadismus nicht nur andauernd zu relativieren, sondern ihn auch noch finanziell und politisch zu unterstützen.
    Das muss aufhören. Und erst dann wird Ruhe einkehren.

    Dennoch sollten die Saudis und die Israelis jetzt nicht unvorsichtig werden.
    Das ist ein gewagter Prozess, der von den Völkern mitgetragen werden muss.
    Ein Schritt nach dem anderen, wie beim Bergsteigen.
    Jeder Schritt muss genau geplant und abgesichert werden.
    Lieber zu langsam, als zu schnell. Wer den Berg hoch rennt, der wird eher abstürzen, als der, der ihn langsam und besonnen besteigt.

  3. Welch ein Wahnsinn, die Saudis sind die fundamentalsten Moslems, in deren Hände gehört keine Nukleartechnologie.

    • Das ist eine im Westen weit verbreitete Fehleinschätzung. Historisch, wie auch aktuell. Die Saudis sind damals erst nach und aufgrund der iranischen Revolution so weit in den Konservativismus gerutscht, um die Kontrolle nicht zu verlieren. Schuld daran waren also Khomeini und die europäische Linke, die die Revolution im Iran erst unterstütze und dann eiskalt abserviert worden ist.
      Was MbS betrifft, so ist der Mann jung und hat im Westen studiert.
      Hier bei uns begeht man immer wieder die selben Fehler:
      Nur weil sich hiesige Islamlobbygruppen besonders aus der Türkei nach außen eher liberal und zurückhaltend bei uns geben, heißt das nicht, dass sie es auch sind. Da ist die Taqiyya dazwischen, während im Hintergrund deren Geheimdienste werkeln.
      Die passen sich im Feindesland erst an, bis sie die Macht übernommen haben.
      Insbesondere die Amerikaner und selbst die CIA tun sich schwer damit, das richtig einzuordnen und lassen sich von den Muslimbrüdern immer noch an der Nase herumführen, obwohl die bei 9/11 eine entscheidende Rolle gespielt haben und in der Türkei nun das Ruder in der Hand haben.
      Die Sache mit Khashoggi war eine False Flag Operation, die man den Saudis angehängt hat. Genau wie auch der Putsch 2016 in der Türkei inszeniert war.
      Das will aber keiner hören.

      • Stimme da nicht zu. Der Wahabismus ist fundamental, und nur der Krieg in Afghanistan, wo die USA mit Pakistan Geldgeber suchten, hat die Saudis international diese Ideologie verbreiten lassen. Danach hat die USA zugeschaut, man wollte den Petrodollar nicht gefährden. Selbst Indonesien, wo ein eher toleranter Islam bestand, wird durch die Wahabiten seit Jahrzehnten radikalisiert.
        Iran ist bei weitem nicht so fundamental, und wird bei Wegfallen des äußerlichen Drucks sich stetig befreien. Bei den Türken ist es ähnlich, wir helfen aber nicht, in dem wir die DITIB etc auch noch den Hof machen.
        Israel und Saudi, maximal oberflächlicher Friede, die Hardliner in Saudi sind vorhanden, und auch MBS wird sich da keine Flanke geben – alles Schau.

      • Die islamische Welt funktioniert anders als unsere. Bei uns geht alles über NGOs, Pressure Groups und die Wirtschaft, in der islamischen Welt läuft alles Top – Down über die Chefetage.
        Da muss man nur schauen, wer gerade am Ruder ist.
        Wer hat über Jahrzehnte mit immer mehr Druck versucht in die EU zu kommen?
        Wer hat den IS im Irak unterstützt?
        Wer ist in Syrien einmarschiert und hat uns 2015 und folgend mit Millionen von „Syrern“ geflutet?
        Saudi Arabien? Nein, die Türkei.
        In der Türkei wie auch in Saudi Arabien folgte auf die Machtübernahme eine Säuberung. In Saudi Arabien in eine andere Richtung als in der Türkei. Das Problem der islamischen Welt ist fluide und springt von Nation zu Nation.
        Und noch mal zu Saudi Arabien und der Iranischen Revolution:
        Denken Sie an den Sturm auf Mekka 1979. Das kam von außen.
        Davor war Saudi Arabien weit freier als danach.
        Was Pakistan betrifft. Fragen Sie mal die Inder dazu.
        Ich könnte ewig und drei Tage hier weiter dazu ins Detail gehen, aber das macht hier in einer vergänglichen Kommentarspalte keinen Sinn.

  4. Der Plan eines „New Middle East“, den Netanyahu vorstellte, beinhaltet auch etwas, was in dem Artikel nicht erwähnt wird: die Schaffung eines „Korridors“ von Asien nach Europa. Ein Pendant zur chinesischen neuen „Seidenstraße? Netanyahu: „Now look at what happens when we make peace between Saudi Arabia and Israel. The whole Middle East changes. We tear down the walls of enmity. We bring the possibility of prosperity and peace to this entire region. But we do something else…we will build a new corridor of peace and prosperity that connects Asia through the UAE, Saudi Arabia, Jordan, Israel to Europe.“ (algemeiner.com, 22.09.23, „A new Middle East: Netanyahu touts Saudi Peace Efforts to cap off Israeli diplomatic Victories at UN“) Ein neuer Handelsweg von Indien nach Europa schwebt Israel und den USA also vor. Netanyahu hob die „leadership“ der USA hervor, natürlich. Dass Biden die Saudis mit einer Uran-Anreicherungsanlage ködern will, halte ich für Wahnsinn. Passt aber zu den Democrats bzw. Neocons. Öl ins Feuer gießen, wo immer möglich. Wer garantiert, dass die Saudis den Israelis auch morgen noch freundlich gesinnt sein werden?

    • Der Plan ist die Folge von einem anderen Plan, der ein größeres Staatsgebiet propagiert und weit hinein nach Syrien geht.

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