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Paradiesvogel, Papagei oder Einlappenkotinga?

Radikalismus unter dem Deckmantel der Ethik

von Gastautor

02.08.2023

| Lesedauer: 4 Minuten
Ich liebe die Werte und Grundgedanken der Aufklärung. Nicht minder liebe ich die Grundgedanken der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Auf den Werten und Ideen der Vernunftethik und Freiheit fußt mein Wertegefüge. Von Susannah Winter

Festzustellen bleibt, dass wir heute weder in Zeiten der Aufklärung noch in aufgeklärten Zeiten leben. Offensichtlich ist es nicht genug, während der schulpflichtigen Zeit mal ein paar Dinge über Aufklärung gelesen zu haben, um ein aufgeklärter Mensch zu sein, der aber gleichzeitig im Schulsystem doch nur auswendig lernt und wiederkäut und dabei selten einen selbständigen Gedanken fasst oder fassen darf. Wünschenswert wäre Lehre, die auf der sokratischen Methode aufbaut und den autonomen freien Geist fördert, das selbständige Denken. Aber unser System will zum Funktionieren erziehen.

So sei es denn

Die Demokratie der „Quoten“ (Gegenteil freier Wahl) und anderer Fragwürdigkeiten hinsichtlich der Legitimation ist in weit weniger edlem Zustand, als es uns von Schule über Presse bis Politik weisgemacht wird. Ähnliches gilt für den Rechtsstaat, der in den letzten Jahren zunehmend an Ideologie krankt. Alles weit, noch sehr weit weg von „failed states“, aber doch offensichtlich genug, um immer mehr Menschen abzustoßen, und vor allem präsent genug, um sich moralische Überlegenheitsphantasien nicht leisten zu können.

BIGOTT NACH BALI
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Anstatt jedoch in öffentlichem Diskurs Probleme zu benennen und Kritik gesellschaftlich zu ver- und bearbeiten statt ignorieren, haben sich vor allem die Schaltstellen der Demokratie entschlossen, die unschönen Defizite mit Glitzerstaub und Regenbogenlametta zu bestreuen und so zu tun, als gäbe es keine Probleme, als sei der heilige Gral der Wertegemeinschaft, das Ideal erreicht, die Arbeit getan. Wir leben offiziell im „besten Deutschland, das wir je hatten“, im Utopia, dem Wunderland der Werte und Ethik.

Und ausgerechnet unter dem Deckmantel der Ethik macht sich dieser Tage Radikalismus breit, vorrangig unter Kapitalismusgegnern und -kritikern: eine doch sehr kapitalismuskonforme Neufassung der Ablasszahlung.

Wer es sich leisten kann, der kauft sich Moral

Moralfindung ist in der Regel ein äußerst komplexer Vorgang, ist ebenso wie Aufklärung nie abgeschlossen und die Frage nach ihr schon gar nicht final zu beantworten. Der Prozess der individuellen und gesellschaftlichen Entwicklung von Moral ist überdies langwierig, schmerzhaft und mit Selbsterkenntnis verbunden. Eigentlich.

In Zeiten des Onlinehandels, der Streamingdienste, der Partnerbörsen gilt: Wenn ich es mir leisten kann und es haben will, dann will ich es jetzt. Auch Moral. Wahlweise glaubwürdige Moralsubstitute.

Ein Favorit unter den Bequemlichen, die den Schmerzen der Moralentwicklung aus dem Weg gehen und ihrer dennoch möglichst habhaft werden wollen, ist das Pappschild.

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Das Pappschild, einst ein stolzer Baum, sinnerfüllte Existenz, wird reduziert auf hohle Phrasen und verkürzte Rhetorik. Monstranz gewünschter, bestimmt gefühlter, selten aber überzeugend auftretender Moral. „Stoppt den Klimawandel!“, wird es zu schreien gezwungen. Wer wird angeschrien? Zu welchem Zweck? Mit welchem Erfolg? „Wir müssen etwas tun“, heißt hier übersetzt in der Regel: „Tut doch endlich was!“, ist also indirekt und unehrlich formuliert. Es ist das „Wir“, das sowieso nicht existiert, während das „Ihr“ das Wunder der Weltenrettung über Nacht vollbringen soll.

Der geneigte Pappschildhalter verabschiedet sich nach wilder, gut geplanter Wochenend-Revolution gegen niemanden in den Feierabend. Am nächsten Morgen geht es ins beheizte und mit Elektrizität versorgte Büro, in die Uni, in die Pädagogenjobs und den bequemen Alltag. Dagegen wäre nichts zu sagen. Jeder Mensch erfüllt eine wichtige Funktion.

Zumindest ab vom Pappschildhalten

Aber wer die Welt retten will, könnte darüber nachdenken, lieber Mathematik, Ingenieurwissenschaften, Maschinenbau, Physik und Chemie zu studieren. In die Berufe zu gehen, deren Entwicklung zuständig ist für das Schaffen und Umsetzen neuer technischer Methoden zur effizienteren und effektiveren Ressourcennutzung. Allerdings würde das Mühe kosten.

Auseinandersetzung mit Machbarkeiten und der Realität. Pfui Deibel! Denkbar wäre die schmerzhafte Einsicht, dass man sich für einen Beruf entschieden hat, der nicht geeignet ist, die Welt zu verändern. Und dies bei Berufswahl auch nicht in Erwägung gezogen hat. Die eigenen Kinder sollen werden, was „ihnen Spaß macht“, und nach diesen Kriterien hat man, so man konnte, auch den eigenen Weg gestaltet.

Hedonismus und Moral hatten es noch nie so miteinander. Auch diese Einsicht täte weh. Und wie geschrieben: Der Weg zu Ansätzen von Moral ist steinig und schmerzhaft. Und Überraschung: So schlimm ist auch eine Prise Hedonismus nicht. Jeder tut, was er kann. Das überdies gern zu tun, ist ein Privileg.

Das Dilemma der Privilegierten

WOHLSTANDSVERWAHRLOST UND IDEOLOGIEBLIND
Lieber heute als morgen fliegen
Und wie jedes Privileg erzeugt das Privileg des Wohlstands gerade in den Reihen der Privilegienbekämpfer und die mangelnde eigene Weltenrettungsfähigkeit dieser Tage ein schlechtes Gewissen. Irgendetwas muss man schließlich tun können gegen die Probleme, die man selbst gar nicht hat. Etwas, das die eigene Bequemlichkeit nicht gefährdet und dennoch der Welt ins Gesicht schreit, wie gut man es meint, welche märtyrerähnlichen Opfer man zu bringen bereit ist für das ultimativ Gute. All das lässt sich haben mit überschaubarem Zeitkontingent und vergleichsweise geringen Kosten in jeder Hinsicht.

Pappschilder in eine Kamera halten, die Welt anschreien, auf Politiker zeigen und fordern: „Ändert doch endlich etwas“. Was dieses Etwas ist, das außer dem geneigten Pappschildhalter offensichtlich niemand ändern möchte, obwohl es wohl einfach machbar wäre, sonst wäre Geschrei wenig hilfreich, erschließt sich wohl nur der Pappschildhalter-Community.

Erschwinglich Furore gemacht hat in den Wochen um die Fußball-WM, davor und danach auch die Regenbogenbinde, wahlweise im Flaggenformat. Und Pattex macht Rekordgewinne mit Menschen, die sich an Bildern oder der Infrastruktur festkleben. Die Revolution der Weltenretter ist günstig im Aufwand und billig in der Umsetzung. Die Reduktion der Demokratie auf Sex für und mit allen sowie auf Pappschilder reduziert zudem auch den öffentlichen Diskurs, den Pluralismus und die zu investierende Mühe. Da wird er monochrom, der Regenbogen.

Ablasszahlung

Also kaufen ein wenig Zeit, Geld für Elektroautos und Biomarmelade, Pappschild und Pattex heute das Gewissen rein. Hätte die katholische Kirche in Pattex investiert, sie würde sich doppelt die Hände reiben. Und bunt ist in der „Community“ auch schon lange nicht mehr viel. Wer es nicht glaubt, möge es mit sachlicher Kritik versuchen und erleben, wie schnell der moralische Regenbogenfan den öffentlichen Pranger errichtet.

JEDEN PENNY DREIMAL UMDREHEN
Nicht nur Autofahren, auch gute Ernährung wird zum Luxus – ÖRR bewirbt Supermarktaktion „Wahre Kosten“
Altertümlich mutet nicht nur die Ablasszahlung an, die Gewissensfreiheit durch Extraabgaben auf Fleisch und Öl, Quinoa und Elektrizität verspricht. Auch die Idee, den Klimawandel wegschreien zu können, hat viel von Trommeln für Regen. Der aufgeklärte Mensch dürfte gehofft haben, derartige Glaubenssätze hinter sich gelassen zu haben und mit ihnen das Errichten öffentlicher Pranger.

Zu meinem Glück widerspricht Zynismus nicht zwingend der Aufklärung. Wer schon am Naturrecht zweifelt, verzweifelt an Fragen menschlicher Intelligenz. Als Anhänger der Vernunftethik ist es in meinem persönlichen Fall bitter und zynisch genug, lieber dem ehrlich anmutenden Hedonismus das Wort reden zu wollen, bei derart verkürzter (Pappschild-)Moral.

Bleibt die Frage, ob der selbsternannte Paradiesvogel mit regenbogenfarbener Binde und buntem Pappschild nicht eher grauer Papagei oder gar ein Einlappenkotinga ist. Ein laut schreiender, farbloser Vogel, den man nie wegen seines Gesanges rühmen würde und bei dem man die Weltenrettung eher in einkehrender Stille vermutet.

Susannah Winter ist Autorin, Sängerin, Karikaturistin, aktuell nochmal späte Jurastudentin.

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23 Kommentare

  1. Oh wie wahr!!!
    Das Einzige was ich vermisse ist der Imperativ des „sapere aude“.
    Die formelhafte Zusammenfassung dessen was „Aufklärung“ bedeutet:
    „Habe den Mut selbst zu denken.“
    In meinen Worten: Wer selbst denkt kann irren. Wer n i c h t denkt (sondern niedrigsten Instinkten/Einflüsterungen folgt) hat schon verloren.
    (Die „Entbildung“ scheint weit fortgeschritten zu sein. Eine Mehrheit scheint inzwischen längst unter Aufklärung irgendwas mit „birds and bees“ zu verstehen.)
    Empfehle als so amüsante wie lehrreiche Leküre (auch in Richtung Aufklärung) Vince Eberts Büchlein „Lichtblick statt Blackout“. –
    Zu „Denken“ für Fortgeschrittene noch eine Empfehlung:
    Von Daniel Kahnemann (Nobelpreisträger), „Schnelles Denken, langsames Denken“. –

  2. Das Problem, die „Story“ das Narrativ ist ur-ur-uralt.
    In der Bibel zu finden.
    Das Gleichnis vom „Pharisäertum“.
    Wie oft machte ich hier ischon darauf aufmerksam.
    Ohne jegliche Resonanz.
    Alleine der Begriff scheint schon nicht mehr verstanden zu werden.
    Wir leben wieder in Zeiten eines gigantischen (westlichen) „swing-back“.
    In einer voraufklärerischen Zeit.
    Das „Religiöse“ das Dogma, der Glaube, der Hedonismus zählen.
    Und als „Krone“ alldessen NATÜRLICH SCHEINHEILIGKEIT.
    „Daran sollt ihr sie erkennen.“

  3. Ich stelle die frage Wer ist wirklich gebildet? Was ist Bildung?
    Heutzutage wird in Schulen doch vielfach das als richtig und als Realität gelehrt,
    was Ideologien und Phantasien entspricht.
    So Manches das sich selbst als gebildet bezeichnen hat doch nicht mal eine reale Vorstellung, wie schwer z.b. ein Stein einer bestimmten Größe ist und wie das ist, den dann selbst hoch zu heben.
    Über irgend ein Thaterstück Bescheid zu wissen ist ja z.B. auch viel wichtiger. oder?
    Bildung, was ist Bildung die tatsächlich lebensnotwendig ist
    Ob dies wohl veröffentlicht wird?

    • Bildung ist, von Allem wenigstens ein gewisses Grundrauschen zu wissen.
      Um dann, wenn es erforderlich wird, wenigstens angenähert zu wissen, worum es geht und sich dann nötigenfalls an „externen Sachverstand“ wenden zu können. Ganz egal, worum es in der Sachfrage geht, ob Maschinenbau, Theologie, Chemie, weiß der Geier.
      Hauptsache, es ist einigermaßen klar, an wen man sich mit welcher Frage zu wenden hat.

      Aber die Herrschraftkratur, die meint ja alles selbst besser zu wissen, da fragt dann die abgebrochene Geisteswissenschaftlerin den Theologen, wie ein Kernkraftwerk zu betreiben oder ein Krieg zu führen sei.

  4. Diese ganze LGBXY0815#-Ideologie ist ein Werkzeug der Globalisten, eine Ersatzidentität zur Abschaffung der nationalen Identitäten.

    Das Herdentier Mensch braucht das Gefühl der Zugehörigkeit zu einer Gruppe.

    Statt Franzose, Grieche Deutscher oder Italiener zu sein soll der Untertan der Zukunft sich einer globalen Genderidentität zuordnen.

    Es ist Teil der Praxis, immer mehr Macht von den Staaten an undemokratische Entitäten wie EU, UN, WHO, die von der Hochfinanz gesteuert werden.

    Das hat ein Vorbild in der Geschichte:
    Die Nationalsozialisten waren ebenfalls antinationale Globalisten.
    Sie wollten die Nation durch die Rasse ersetzen.
    Der Internationalsozialist von heute will die Nation durch LGBXY0815# ersetzen.
    Der Nationalsozialist damals hat die Nationalflagge durch die Hakenkreuzfahne ersetzt – dem Symbol der Ideologie.
    Der Internationalsozialist will die Nationalfahnen durch die Regenbogenfahne ersetzen – ebenfalls dem Symbol der Ideologie.

    Dahinter steht die Idee des Naturrechts (Rousseau).

    Sowohl der Rassismus als auch der Genderismus sind unwissenschaftliche Spekulationen über den Naturzustand des Menschen.

    Genderisten wie auch Rassisten unterstellen, daß den Menschen ihr Naturrecht vorenthalten wird.

    Für den Genderisten ist es die Gesellschaft, die dem Einzelnen das in seinen Augen widernatürliche Dogma der Heterosexualität oktroyiert und ihm so das vermeintlich naturgegebene Recht, aus dutzenden Geschlechteridentitäten frei zu wählen, vorenthält.

    Dem Rassisten steht „der ewige Jude“ im Weg, der durch finstere Machenschaften verhindert, daß der arische Herrenmensch den ihm vermeintlich zustehenden Platz an der Spitze einnehmen kann.

    Nationale wie auch internationale Sozialisten fordern daher den starken Staat, der das Naturrecht durchsetzt, also dem Herrenmenschen zu seiner Herrschaft oder dem Transmenschen zu seiner Geschlechtsumwandlung verhilft.

    Indem die Dogmen der Ideologie zur „Wissenschaft“ erklärt werden, wird die Demokratie ausgehebelt, denn über „wissenschaftliche Realität“ kann man schlecht abstimmen. Korrupte „Wissenschaftler“ werden so zu Wegbereitern der Diktatur.

    Der ganze unwürdige Zirkus dient der Kontrolle und ist reine Machtpolitik.

  5. Ich werde niemals den Film Die Zeitmaschine vergessen. Die Morlocks und die Eloi. Unsere Bevölkerung ist tief gespalten. Und der Spalt wird immer größer. Auf der einen Seite die arbeitende Bevölkerung, pragmatisch, gesunder Menschenverstand, versteht die Welt nicht mehr. Auf der anderen Seite Klimaschützer, die viel Geld ausgeben für E-Autos, Migrationsbefürworter ohne Grenze, Gendern und Vielfalt. Ein Diskurs findet kaum statt, zu unterschiedlich die Werte. Wir verstehen die Gegenseite nicht mehr. Ist eine schlimme Situation.

  6. Frau Winter schreibt: „Festzustellen bleibt, dass wir heute weder in Zeiten der Aufklärung noch in aufgeklärten Zeiten leben.“ Weit gefehlt!

    Wenn man einen Blick hinter das gängige Herrschaftswissen der Gegenwart in der BRD wirft, wird man schwerlich Winters Aussage nachvollziehen können. Einen guten Überblick, was anthropologische und soziologische Forschung (umgangssprachlich läuft jede Wissenschaft unter dem Begriff Aufklärung, die Verengung auf jede Form von Entmythologiesierung vom 17. bis 19. Jh. wäre mMn. eine Form von Bildungszumutung) seit Beginn der BRD verlautbaren ließ, hat Arnold Gehlen in seiner kaum zu empfehlenden Form der Indoktrination geleistet (z.B. Anthropol. Forschung, 1961). Zu Zeiten Kants wäre das Werk vermutlich unter „metaphorische Anfangsgründe der höheren Bildung“ angepriesen worden.

    Sinngemäß: Die US-Wissenschft hat „die Lehre vom Menschen“ (und damit die Verführbarkeit ganzer Kulturen, (Anm., was die Jesuiten schon Jahrhunderte lang praktizierten) „vollständig“ protokolliert und den anderen Wissenschaften (Anm. und damit implizit der Politik) zugänglich gemacht. Sein Lob ist unverkennbar, enthält sie denn auch so wichtige Analysen, was man nun unter Bewusstsein, Erfahrung, empirischer Wissenschaft, als Beispiele bedeutsamer Begriffe im menschlichen Handeln und Planen, zu verstehen hat.

    Dieser „Schmonzes“ ist heute leider weitverbreitetes Allgemeingut, und ich halte es für ziemlich vermessen zu behaupten, wir würden also nicht in „aufgeklärten Zeiten“ leben. Jeder Marketingmanager müste ebenfalls aufs Schärfste protestieren, und Merkel erst, die Vorzeigedemokratin der wiedervereinigten deutschen Gesellschaft.

    Immerhin schreibt Winter auch: Aber unser System will zum Funktionieren erziehen.

    Und was bezweckt Aufklärung? Etwas überspitzt gesagt, den Kategorischen Imperativ erwecken, zur („moralischen“) Pflichterfüllung erziehen. Eine metaphysik der Pflichterfüllung als Zweck des Lebens konnte auch Kant schon nicht mehr leisten, er verließ sich auf die gewachsenen Sitten. Eine detaillierte Analyse würde ergeben: Die deutsche Aufklärung bildete inhaltlich keinen Ersatz für die vom Thron gestoßene Metaphysik, auch wenn sie sich hehren Ideen zu verschrieben haben schien. Aber sie bieb auch nicht folgenlos. Stichwort Idealismus und Utopien. Damit wären wir wohl auch bereits bei den Parallelen zur Gegenwart.

    Gehlen war weder links noch rechts nach heutigen Maßstäben, obwohl die woke Jugend ihn wohl als Nazi bezeichnen müsste. Jedenfalls war er der bundesdeutsche Maßstab für ale, die in den Geisteswissenschaften reüssieren wollten (nach eigener Anschauung ging es in den Fächern Theaterwissenschaft oder Pädagogik noch Mitte der 70-er nicht ohne Gehlens Anthropologie). Später scheint Habermas die akademische Wortführerschaft der Staatsgläubigen übernommen zu haben, während heute Lang und Konsorten die Wortführerschaft auch ohne jede erkennbare Qualifikation anstreben.

    Frau Winter sollte die Denker nennen, auf die sich stützt, ansonsten muss ich ihre Qualifikation als Autorin in Frage stellen. Sie scheint mir mit den Fakten der „installierten“ Aufklärung von Kant, Hegel, Gehlen bis zu Habermas zu wenig vertraut zu sein. Als persönliche Meinung erscheinen mir Feststellungen der zitierten Art zu allgemein und wenig hilfreich.

    • Nicht übel, danke.
      Allerdings ist – zumindest für mich – das Kondensat der Aufklärung das berühmte „sapere aude“. Deutlich(!) weniger die (moralische) „Pflichterfüllung“. Die „ergibt sich“ – bestenfalls – aus dem Mut selbst zu denken. –

  7. „Ethik philosophiert über diverse Moralen und systematisiert diese aufgrund ihrer Begründungen und Prinzipien.“ Und damit geht es nicht um Ethik. Es geht nicht um das Betrachten, Erörtern und Abwägen unterschiedlicher Moralvorstellungen.
    Es geht um das Durchsetzen einer einzigen für alle verbindlichen Moral. Eine neue Moral für alle zu installieren, ist eine Machtfrage. Was hier praktiziert wird, ist Machtübernahme. Und viele Pappschildhochhalter lassen sich benutzen. Sie sind m. E. nicht in der Lage, Sachverhalte außerhalb der vorgegebenen Multiple-Choice-Antworten zu bewältigen. Neue Einsteins sind nicht in Sicht. Denn die müssten außerhalb von Boxen denken können. Dazu wird bei uns niemand mehr erzogen.

  8. Der Verlust der Aufklärung und die pseudoreligiöse Aufladung des Landes ekeln mich am allermeisten an. Denn der völlige Verlust der Vernunft zeigt, dass die vielgelobte „Bildung“ überhaupt nichts wert ist. Der finsterste Okkultismus, der noch moralisch daherkommt, verbreitet sich wie die Pest im Mittelalter, „wir verbrennen alle“ und „I want you panic“. Ich verstehe ja noch, dass man in früheren Zeiten viele Phänomene nicht erklären konnte, was Furcht auslöste, aber heute ??! Geht’s noch?? Für das Europa von Kant und Voltaire ist es eine Schande, was derzeit an irrationaler Blödheit zugelassen wird.

    • Ja, wir haben eher zu wenig Vernunft und Aufklärung, keineswegs zu viel. Vernunft als jene gute Mischung von Herz und Verstand.

  9. Die „Politische Korrektheit“ hat ab den 80ern bei uns die „Revolution“ abgelöst. Das lag u.a. daran, dass der Staat neue Lehrer nicht mehr einstellte und damit vielen Akademikern die Illusion raubte, den Rest ihres Lebens als staatlich gepäppelte Berufsrevoluzzer verbringen zu können. Da fand man sich plötzlich unweit vom Herzen des verhassten Kapitalismus wieder, etwa bei Versicherungen, lokalen Radiosendern, PR-und Werbeagenturen etc. Und noch schlimmer: Man verdiente auf einmal viel Geld, und man sah die Kritiker der „Umverteilung“ plötzlich in einem wärmeren Licht. Also suchte man nach einer billigeren Variante der edlen Gesinnung und fand sie in der „Political Correctness“. Die verlangt nur, auf dem Laufenden zu bleiben, um diejenigen, die die aktuellen Kosenamen für Minderheiten noch nicht mitgekriegt haben, als Nazis abmeiern zu können.
    Das ist, kurz gesagt, der Sockel, auf dem linke Moral heute steht.
    Eigentlich überflüssig zu erwähnen, woher ich das weiß: Ich war auch dabei…

  10. Sehr interessanter Artikel, Frau Winter.
    Man sollte noch berücksichtigen: viele sind Mitläufer oder bezahlte Hampelhirne.
    Die Drahtzieher im Hintergrund, die Ideologen und Profiteure stellen sich nicht vor die Kamera und halten ein Pappeschild hoch. Die Themensetzung und die öffentlichen Empörungsopern sind keine Spontanveranstaltung.

  11. Die Aufklärung war ein Elitenprojekt. Was wir jetzt erleben kann nicht anders erklärt werden als das Ergebnis dieses Projektes nach 200 Jahren des Versuchs der „Demokratisierung“ dieses Projektes. Die Massengesellschaft und die Atomisierung der Menschen sind Ergebnis, wie auch die Scuhe nach neuen Gewissheiten (Göttern) sicher kein gewolltes, aber doch das Ergebnis dieses Projektes, wie auch Kommunismus, Faschismus und Nationalsozialismus Ergebnis dieses Projektes waren. Einreißen ist leicht, neues Aufbauen dagegen schwer. Es ist alles einfach Geschichte, eine Geschichte von Pendelbewegungen, wenn man so will.

    • Kollektive Lösungen sind eher trotz Aufklärung entstanden. Aber wer versteht das schon, die Mehrheit jedenfalls nicht.

  12. und manchmal wehren sich bösen Menschen
    „Zu viel Kritik: Egidienkirche schließt queere AusstellungDie queere Ausstellung „Jesus liebt“ mit Bildern von Rosa von Praunheim in der Nürnberger Kirche St. Egidien polarisiert – so stark, dass die Verantwortlichen sie aufgrund der Reaktionen nach nur fünf Tagen zeitweilig schließen.“ https://www.br.de/nachrichten/kultur/zu-viel-kritik-st-egidien-kirche-schliesst-queere-ausstellung,Tl5OOjC
    „(K)eine queere Kunst in Kirche: Spießig oder dem Ort angemessen?Es sollte ein Zeichen zum Nürnberger CSD sein, dann aber stoppte die Egidienkirche eine Ausstellung mit freizügigen Bildern aus der queeren Welt. Einigen ging die erotische Schau in einer Kirche zu weit. Ist ein Gotteshaus der richtige Ort dafür?“
    https://www.br.de/nachrichten/kultur/k-eine-queere-kunst-in-kirche-spiessig-oder-dem-ort-angemessen,Tl77FZ5

  13. Die Mainstreammedien sind das zentrale Problem. Kritik an den Exponenten der beworbenen und geförderten Ideologie ist tabu. Alles, was aus der linksgrünen Ecke kommt, wird bejubelt, nötigenfalls verteidigt, bemäntelt, relativiert. Auch dann noch, wenn man sich für jeden erkennbar lächerlich macht. Mainstream-Journo ist ein merkwürdiger Job, aber diejenigen, die ihn machen, berauschen sich an ihrer Macht.

  14. Eine treffende Gegenwartsanalyse, wir sind in der Tat dabei, alle Errungenschaften der Aufklärung zu verspielen. Rot-grünes Denken ist gefährlich und ein Rückfall hinter die Aufklärung, sie wähnen sich allerdings im Besitz der Ideen des Wahren wie des Guten, deshalb ist Kritik an ihnen falsch und böse zugleich. Man sieht es schon an Begriffsschöpfungen wie Klimaleugner und Coronaleugner, die auf einer Metaebene mit Gottesleugner liegen. Mit Zweiflern kann dann im Brustton der Überzeugung der inquisitorisch kurze Prozess gemacht werden, eine argumentative Auseinandersetzung meint man sich – immanent dann konsequent – mit ihnen ersparen zu können. Für Rot-Grün gelten die zentralen Ideale der Aufklärung wie Selbstdenken und Selbstbestimmung nicht mehr, sie sind vielmehr zu überwinden, werden sogar kriminalisiert. Rot-Grüne zerstören nicht nur die Prosperität, Bildung, Kultur, ja auch die Zivilisation, sie führen letztlich in die Barbarei.

  15. Eine wunderbare Sicht auf die unsäglichen und selbsternannten Weltverbesserer. Danke, Frau Winter!
    Es ist eben der Fluch der Phrasendrescherei: Irgendwann verwechselt man das, was man immer und immer wieder daherplappert, mit der Wirklichkeit. Und möchte anerkannt und ernstgenommen werden – ein Teufelskreis…

  16. Nun ist das, was wir als Aufklärung bezeichnen, nicht zu ersten Mal im Zangengriff unter Beschuss geraten, wobei beide Seiten sich dazu argumentativ, auch nicht zum ersten Mal, der „Wissenschaft“ bedienen. Die einen stören sich an der Wissenschaftsglaeubigkeit, am Materialismus, am Fehlen metaphysischer Komponenten, werfen den Anhaengern wie weiland Adorno Ideologie vor, die anderen bedienen sich der „Wissenschaft“ fuer ihre Ideologie. Beiden Lagern ist eine Definition oder Vorstellung von Wissenschaft zu eigen, die mit der „eigentlichen“ Wissenschaft wenig bis nichts gemein hat. Aber sie muss nicht nur herhalten, sondern hat durch ihre diversen Vertreter maßgeblich zu ihrem umstrittenen bis schlechten Ruf beigetragen. Ob sie diesen wieder herstellen will und kann, ist unklar. Dem einen Lager muesste sie klarmachen, dass Wissenschaft weder rein materialistisch ist, den Geist henaiswenig negiert wie Emotionen und gewisse Bedürfnisse, noch behauptet, alles sei mechanisch konstruierbar, dem anderen muesste sie klarmachen, dass sich zuviele Vertreter ( Modellierer) als Wissenschaftler ausgeben, die eher halbwegs erfinderische „Prostituierte“ der Maechtigen als Wissenschaftler sind. Aktuell ist mit Wissenschaft wenig Staat zu machen und genauso ist die Vernunft wieder einmal unter die latent wirksamen archaischen Räder gekommen. Leider ohne harmlosere Befriedigungsangebote. So bleiben nur die sattsam bekannten Erloesungsalternativen, diverse Kompensationsmechanismen und der Ablasshandel fuer die Feudalen. Wenn alles auf seine Instrumentalisierbarkeit fuer die Maechtigen geprueft und ggf eingesetzt wird, kann die Ethik, zumal bei einem gewissen Verstaendnisspielraum, nicht aussen vor bleiben. „Richtig“ vertreten wird sie nur vom Rat unter Frau Buyx. Und Moral ist das, was jeder situativ darunter versteht. Rein persoenlich wuerde ich es bereits als entscheidenden Fortschritt erachten, wenn wir die Logik wieder entdecken würden, denn damit waere jede Ideologie beseitigt, ganz ohne Wissenschaft. Mehr ginge natuerlich immer. Als Studierende des Rechts wird die Autorin zur Kenntnis nehmen muessen, was man als Regime mit dem Recht anstellen kann, wenn man genug willige Helfer und Helferinnen hat.

  17. Wie Franz-Josef-Strauss schon sagte : 
    „grüne Ideologien entstehen nicht in den Quartieren der Arbeiterklasse. Sie gedeihen in den Luxusvillen der Schickeria“

    • Grüne Ideologen: Klima Hysterie, LGBTQ+ für Mikro- Minderheiten, und last not least Massenüberflutungen nach Germoney durch Menschen aus allen Armutsregionen des gesamten Planeten plus deren lebenslange Versorgung mit Unterkunft und Sozialhilfe.

      Wie soll das gehen, dass ein kleines Deutschland mit 80 Mio Menschen einen Riesenkontinent Afrika von über 1,5 Milliarden Menschen von deren Geburten Überschuss entlastet? Plus zusätzlich arabische Länder und Westasien entlasten.

      Folgen: französische Verhältnisse,und 60 Messerattacken tagtäglich in Buntland durch „ein Mann“ ( mit Migrationshintergrund), durch Menschen, die sich zuerst Messer und dann erst Schlüssel einstecken.

      Helmut Schmidt: „Multikulti ist eine Illusion, und ist etwas für Intellektuelle“

      Scholl Latour: “ wer Calcutta um die Hälfte seiner Uebervoelkerung entlasten will, hilft nicht Calcutta, sondern wird selbst Calcutta“

      Franz Josef Strauss: „grüne Ideologien entstehen nicht in Arbeitervierteln, sondern in den Luxusvillen der bestens versorgten Schickeria“

      Grün drängt der Vielzahl der normalen Heteros, die Ideologie der Bi, trans, queer+, . .auf ( Anerkennung und Verständnis ist okay, man muss aber nicht ständig den Normalos die bunte LGBTQ+ vor die Nase halten).

      Die Summe dieser chaotischen, weltfremden Ideologien machen Grüne für mich zu Menschen, die in einem Parallel Universum leben: wenn ich im TV deren Top- Leute sehe, wie Robert H, Annalena B, Ricarda L, Katrin G E,… und die Demos mit LGBTQ+ Buntfahne, Klima- Chaoten auf Strasse und Flugplätzen, …

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