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TICHYS LIEBLINGSBUCH DER WOCHE

Eine Zeitreise durch Deutschlands Wirtschaftspolitik

31.07.2024

| Lesedauer: 4 Minuten
Der Wohlstand einer Nation hängt wesentlich von der Wirtschaftspolitik ihrer Regierung ab und auch von den Lehrmeinungen, die sich hinter ihren Maßnahmen verbergen. Woher sie kommen, welchen Einfluss sie auf die Geschichte nahmen, welchen historischen Entwicklungen sie entstammen, erfährt man in Josef Schlarmanns verständlich und spannend zu lesendem Werk.

Die Angst wächst, dass aus Ludwig Erhards „Wohlstand für Alle“ künftig „Not für Alle“ oder „Wohlstand nur für Parteimitglieder und Beschäftigte von NGOs“ werden könnte. Immer neue Volten schlägt die Wirtschaftspolitik, verschlingt ungeheure Steuersummen, statt über gestiegene Steuereinnahmen Mittel für genuine Staatsausgaben bereitzustellen; trotz Rekordeinnahmen steigt die Verschuldung. Dabei wurde uns doch ein „grünes Wirtschaftswunder“ (Olaf Scholz) versprochen.

Aber was ist das, „Wirtschaftspolitik“? Welchen Beitrag kann sie leisten zum Wohlstand einer Nation?

Josef Schlarmann nimmt seine Leser mit auf eine Zeitreise durch Deutschlands Wirtschaftspolitik – von der Zeit des Absolutismus bis zur Klimapolitik von Angela Merkel. In einer großen historischen Gesamtschau verbindet er die wirtschaftspolitischen Prozesse mit den verschiedenen Phasen der deutschen Geschichte.

Die Zeitreise beginnt mit der Wirtschaftspolitik des Merkantilismus, mit der die absoluten Fürsten des 17. und 18. Jahrhunderts unter feudalen Bedingungen ihre Kasse anreichern wollten. Es waren die preußischen Reformer Stein und Hardenberg, welche die deutsche Wirtschaft von den Fesseln des Mittelalters befreiten, indem sie die Zünfte auf‌hoben und die Bauern befreiten.

So konnte Deutschland in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nach Beseitigung der Kleinstaaterei und mit einer liberalen Wirtschaftspolitik zu den erfolgreichen westlichen Nachbarn aufschließen. Diese erste Wohlstandsperiode endete jedoch dramatisch aufgrund von zwei Weltkriegen, in deren Verlauf die liberale Wirtschaftsordnung durch staatliche Kriegswirtschaftssysteme ersetzt wurde.

DIE ERFINDUNG DER SOZIALEN MARKTWIRTSCHAFT
Ludwig Erhard – Der Exot im Kanzleramt
Erst als Ludwig Erhard die Soziale Marktwirtschaft einführte, waren die Voraussetzungen für das zweite Wirtschaftswunder geschaffen. Erhard selbst wird als Vater des Wirtschaftswunders gefeiert, dabei wies er diese Zuschreibung zurück: Die Befreiung von staatlicher Planung, Lenkung und Preisfestsetzung sowie die Politik des stabilen Geldes und solider Finanzwirtschaft sei verantwortlich für den Erfolg – Wunder gibt es nicht in der Welt der Wirtschaft und braucht es auch nicht.

Sehr lange allerdings hat sich Deutschland nicht an diese Prinzipien gehalten. Zunächst versuchte sein Nachfolger Karl Schiller, Wachstum durch die „keynesianische Nachfragesteuerung“ zu verstetigen. Es war ein Irrweg, der in niedrigen Wachstumsraten bei hoher Arbeitslosigkeit, hoher Inflation und exorbitanter Verschuldung endete. Gegen Ende ihrer Zeit näherten sich bezeichnenderweise Erhard und Schiller in ihren Einschätzungen an und riefen gemeinsam zur Rückkehr zur Marktwirtschaft auf.

Seitdem bewegte sich die deutsche Wirtschaftspolitik zwischen den Polen Marktliberalismus und Staatsinterventionismus, dauert die Konsolidierung der Haushalte nach Schuldenexzessen immer noch länger und schwinden der Erfolg der Unternehmen und mit ihnen die Jobs.

Neuerdings nimmt die Wirtschaftspolitik unter Robert Habeck eine radikale Position ein: Der Staat will über Produkte und Prozesse entscheiden; nur noch innerhalb amtlicher Leitplanken dürfen Unternehmen noch wirken; auch dabei von immer neuen Regelungen beschränkt und in der Wahl behindert. Innovationen werden verordnet, nicht entwickelt.

Ausführlich und kritisch behandelt der Autor diese Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft in eine „sozialökologische Marktwirtschaft“, mit der zu Beginn des 21. Jahrhunderts eine neue Epoche der Wirtschaftspolitik begonnen haben soll. Kennzeichnend dafür sind insbesondere die Neuinterpretation des Begriffs „Wohlstand“ im Sinne von Klimaneutralität und die politische Bereitschaft, sie mit staatlichen Zwangsmitteln – komme, was wolle – durchzusetzen. Dabei ist „Klimaneutralität“ nicht etwa ein Ziel, sondern die Rechtfertigung für immer massivere Eingriffe des Staates, die zu der bekannten Interventionsspirale geführt haben, in der beispielsweise fossile Kraftwerke gleichzeitig abgeschaltet, im Notbetrieb weitergeführt und 60 neue gebaut werden sollen.

Hätte man das nicht alles billiger und einfacher haben können?

INTERVIEW
„Wie konnte die CDU das alles mitmachen?“
Auch Wirtschaftsgeschichte wiederholt sich nicht, und wenn doch, dann als schleichender Bankrott. Schlarmann beschreibt Wirtschaftspolitik anschaulich, nachvollziehbar und nüchtern. Er ist kein papierener Theoretiker. Von 2005 bis 2013 war er Bundesvorsitzender der Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT) der CDU/CSU und Mitglied des Bundesvorstands der CDU.

In dieser Zeit war er Mahner und Warner. Dass er sich nicht durchgesetzt hat, ist Deutschland zum Schaden geraten, denn unter Angela Merkel und der von ihr geführten CDU wurde Erhard entsorgt – so wie kurz nach Habecks Amtsantritt die Ludwig-Erhard-Büste aus dem Foyer des Ministeriums entsorgt wurde: Sie war eine Leihgabe, und der edle Spender erzürnt über eine Politik, die sich so kaltschnäuzig vom Erfolgsmodell der Wirtschaftspolitik abwandte.

Der Bundesvorstand der CDU habe unter Merkel nicht einmal über zentrale Weichenstellungen debattiert. „Die großen gesellschaftspolitischen Entscheidungen – Atomausstieg, Migration, Klimapolitik – waren gar keine Sitzungsthemen im Vorstand. Vor den Tagungen gab es Besprechungen im ganz kleinen Kreis um Merkel, dann tagte das Präsidium, und anschließend verkündeten der Generalsekretär oder Merkel selbst dem Vorstand, was das Präsidium beschlossen hatte“, schildert Schlarmann, der in seiner Zeit als MIT-Vorsitzender auch Mitglied des CDU-Bundesvorstandes war. „Zu 98 Prozent wurde das auch so hingenommen.“

Bis heute unverständlich ist Schlarmann, wieso die Union keinen Widerstand geleistet hat. „Das ist bis heute das große Rätsel für mich: Wie konnte die CDU das alles mitmachen? Ich kann das nur mit dem Herdentrieb erklären: Wenn die Führung in eine bestimmte Richtung marschiert, marschieren die meisten Abgeordneten hinterher, weil sie befürchten, sonst auf der Strecke zu bleiben.

Auch heute wird der Kurs der Wirtschaftspolitik von Parteien und Unternehmen sowie ihren Verbänden hingenommen. Es fehlt an Verständnis und Perspektive. Schlarmanns Buch liefert beides.

Josef Schlarmann, Die Magie vom Wohlstand. Eine Zeitreise durch Deutschlands Wirtschaftspolitik. Olzog Edition im Lau-Verlag, Hardcover mit Schutzumschlag und Lesebändchen, 568 Seiten, 35,00 €.


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11 Kommentare

  1. „Bis heute unverständlich ist Schlarmann, wieso die Union keinen Widerstand geleistet hat.“ Widerstand macht unbeliebt. Über Merkels Kanzleramtsminister Peter Altmaier hat mal irgend jemand gesagt: Wenigstens gute Laune kann er verbreiten! Darum ging es Merkel: ein freundliches Gesicht, wenig anecken, kleine Frühstücksrunde mit Steffen Seibert, Frau Hartmann und Altmaier (lass dicke Männer um mich sein) – wir sind gut gelaunt! Wenn Fukushima allen Angst einjagt, dann beschließen wir eben kurz vor einer wichtigen Landtagswahl die Abschaltung der Atomkraftwerke. Immer harmonisch auf der Welle der Sympathie segeln! Das sind typisch weibliche Charakterzüge – die CDU ist verweichweiblicht.

  2. Kurzfassung:

    Kapitalismus: Alle können wohlhabend werden, manche reich.

    Sozialismus: Alle werden gleich arm, die Nomenklatura reicher

    Nota bene:

    „Der Sozialismus —

    als die zu Ende gedachte Tyrannei der Geringsten und Dümmsten, der Oberflächlichen, der Neidischen und der Dreiviertels-Schauspieler — ist in der Tat die Schlussfolgerung der modernen Ideen und ihres latenten Anarchismus. In der lauen Luft des demokratischen Wohlbefindens erschlafft das Vermögen, zu Schlüssen oder gar zum Schluss zu kommen.“

    Nietzsche

  3. Ein geflügeltes Wort sagt: Sozialismus kann man wählen, aber er lässt sich nicht abwählen.
    Erst wenn alle Kassen leer sind, wird in den westlichen Ländern wahrscheinlich die Ernüchterung durch die Realität der bitteren Armut einkehren.
    Ob aber die Probleme, die unter dem Helfersyndrom der politischen Elite entstanden sind, sich friedlich lösen werden lassen, ist ungewiss.

  4. „Bis heute unverständlich ist Schlarmann, wieso die Union keinen Widerstand geleistet hat. „Das ist bis heute das große Rätsel für mich: Wie konnte die CDU das alles mitmachen? Ich kann das nur mit dem Herdentrieb erklären: Wenn die Führung in eine bestimmte Richtung marschiert, marschieren die meisten Abgeordneten hinterher, weil sie befürchten, sonst auf der Strecke zu bleiben.“

    Da wird es schwach. Was seit 1998 mit der Energiewende ins Nichts systematisch organisiert worden ist, hat die Union betrieben. Das ist nicht „unverständlich“ , sondern das hat System.
    Die politische Entwicklung aller seit 1998 regierender Parteien wird dadurch verständlich, dass man sich die großen Linien anschaut.
    Akteure außerhalb des politischen Systems haben Zielsetzungen, die sie mithilfe der Parteien in den USA, der NATO, der EU , der EZB und der jeweiligen Bundesregierung durchsetzen. Die sitzen einfach am längeren Hebel und hebeln Deutschland und Europa aus.
    Blackrock und weitere sind größer und mächtiger als jede Volkswirtschaft außer China und den USA.
    Die schaffen an. Der Blackrockknecht Merz wird ggf. von 2025 bis 2029 dieses Land weiter im Sinne der US-amerikanischen Kapitalanlagevehikel regieren.
    Deren Zielrichtung ist es nicht, dass es Mittelstand und Mittelschicht in Deutschland gut geht. Sondern deren Zielrichtung ist es, das Land ganz und gar auszuplündern und zu destabilisieren.
    United fruit regierte Mittel- und Südamerika. Blackrock hat sich Europa ausgeschaut.
    Die Union ist genau wie die Ampel dazu da, das deutsche Volk zu entmachten und zu verarmen.
    Die Nordstreamsprengung, die keiner aufklärt, ist ein Mosaiksteinchen im großen Bild.

  5. Der Sprung vom 2. Weltkrieg zu Habeck ist zu gross, viel zu gross.
    Denn was genau war in der Zwischenzeit? – Die Geschichte der EU.
    Und was ganz genau hat die getan und kennt keine andere Aufgabe als genau diese? Sie harmonisiert Recht.
    Es gibt absolut nichts, das ohne Katastrophen zu schnellerem Wohlstandsverlust führen könnte, als Recht zu harmonisieren. Denn zu was führt es? Zu Gleichheit, die in den Standards sich immer am schwächsten Glied orientieren muss. In der Wirtschaft Planwirtschaft genannt. Es gibt keinen Markt, weil es kein konkurrierendes Recht gibt.
    Heisst: Man bekommt für das gleiche Geld immer weniger.
    Oder anders: Ein Kartell, die EU ist das grösste Kartell der Erde.
    Das Paradebeispiel von harmonisiertem Recht ist der Euro. Der war mal gegenüber dem Schweizer Franken 1.70 wert – heute bei 0.95.

    Zudem ist es geradezu naiv zu glauben, Politiker seien die besseren Unternehmer als die selber. Wenn ich hier „liberal“ lese, hat man tatsächlich noch nie etwas von einer Freien Marktwirtschaft gehört. Die Schweiz hat sie, nur mit 5 anderen Staaten der Welt zusammen – die USA sind nicht dabei.

  6. Es heißt nicht grundlos, die Staatsgläubigkeit der Deutschen entspringe den Verwüstungen des Dreißigjährigen Krieges, woraus sich wiederum die Empfänglichkeit für sozialistisches Gedankengut speise.
    Die beispiellose wie auch totale Niederlage Deutschlands Mitte des 20. Jahrhunderts ist untrennbar mit der national-sozialistischen Ideologie verbunden.
    Muß die Vermutung zensiert werden, nach der die inter-national-sozialistischen Kräfte danach zu streben scheinen, jene Niederlage im 21. Jahrhundert zu überbieten?
    Beiden Fällen gemein ist eine passive Mehrheit wie eine kleine ideologisierte Gruppe, die medial überhöht ersteren den Takt vorgibt.
    Was Erhards Wirtschaftspolitik anbelangt: warum scheinen die Phasen menschlicher Vernunft in der Demokratie temporär derart in der Minderheit?

  7. Bis heute unverständlich ist Schlarmann, wieso die Union keinen Widerstand geleistet hat.“
    Mir nicht.

  8. > „Das ist bis heute das große Rätsel für mich: Wie konnte die CDU das alles mitmachen?

    Weil die CDU genauso korrupt wurde, wie die übrigen Altparteien?

  9. Wie konnte die CDU das alles mitmachen?….mitmachen?….die CDU bzw konservativen waren die treiber dieser politik. Man sollte mal den gedankegang zulassen das wir das scheitern des konservatismus erleben. Dann ergibt das alles einen sinn und oder lässt sich erklären. Ich kann mich noch gut erinnern als wir anfang der 1980 über die CDU bzw Kohl witzelten. Die konservativen die ja dem kapital zugewant sind würden für gewinne sogar ihre oma verkaufen – das land zugunsten des kapitals vernachlässigen/ruinieren oder gar den staat plündern. Bestätigt haben wir uns dann gefühlt als schwarze koffer und ein ehrenwort kamen! Dann kam der boss der bosse sprich Schröder SPD und dieser hat die arbeiter stark benachteildigt und das kapital bedient in form von billigen arbeitskräften (verrat an der sozialdemokratie). Merkel hat dann die steuern beim bürger nach und nach angehoben um via subventionen an die lobbys (ans kapital) zu verteilen. Und Scholz dachte er könne einfach so weiter machen aber das kartenhaus war schon kurz vor dem zusammenbruch. Merkel wusste ganz genau warum sie nicht nochmal kanzlerin werden wollte!

  10. Vielen Dank für den Buchtipp! Nur wer die Geschichte kennt, versteht was aktuell abläuft und kann die Zukunft erahnen! Ich grübel auch schon wie es nach der gescheiterten Energiewende weiter gehen wird und – was noch spannender ist – wem das Scheitern in die Schuhe geschoben wird.

  11. Mich wundern diskussionslose Entscheidungen in der CDU in der Merkel-Ära nicht im geringsten. Merkel hat all ihre Entscheidungen als Alternativlos deklariert. Was sollte da diskutiert werden? Das hat sich auch Präsidium und Partei gedacht. Und hat jemand Diskussionen zu den Themen gefordert? Presse, Fernsehen und Koalitionspartner SPD auch nicht.

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