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Postfaktische Medienlandschaft

Der Correctiv-Skandal: Desinformation und Mauschelei

13.02.2024

| Lesedauer: 2 Minuten
Desinformation als legitim zu betrachten, sobald sie der eigenen Haltung entspricht, und andererseits das, was bestimmten Akteuren missfällt, als Desinformation zu kennzeichnen, ist ein überaus besorgniserregender Trend.

Haben Sie sich schon eine Popcornmaschine angeschafft? Es könnte sich lohnen, denn die Enthüllungen um das „Rechercheportal“ Correctiv versprechen noch zahlreiche Stunden ereignisreichen Kinos. Vielleicht war es keine gute Idee, durch manipulative Berichterstattung eine nationale Massenpsychose auszulösen, und damit unweigerlich Aufmerksamkeit auf die eigenen Methoden und das journalistische Selbstverständnis zu lenken?

Sarkasmus beiseite: Wie die Berliner Zeitung nun berichtet, und durch eine Anfrage des AfD-Politikers Leif-Erik Holm bestätigt, traf sich der Geschäftsführer von Correctiv mehrfach sowohl mit Vertretern der gegenwärtigen als auch der ehemaligen Bundesregierung. Zum nichtöffentlichen „Gedankenaustausch“, unter anderem, um über „Desinformation“ zu sprechen. Ein Verhalten, welches das ohnehin angekratzte Vertrauen in die Medien als „Vierte Gewalt“ nachhaltig beschädigt. Die Bevölkerung erwartet von Journalisten zu Recht Unbestechlichkeit und Unabhängigkeit, bzw. dort, wo Letztere nur teilweise gegeben sein kann, zumindest Transparenz.

Nur acht Tage vor dem Treffen in Potsdam soll sich Correctiv-Geschäftsführerin Jeanette Gusko mit Bundeskanzler Olaf Scholz getroffen haben. Sie habe laut Bundesregierung „spontan“ am 17. November 2023 stattgefunden. Am 7. November 2023 fand eine Diskussionsrunde im Bundeskanzleramt statt, bei der Gusko ebenfalls teilnahm. In den letzten vier Jahren haben sich Regierungsvertreter und Correctiv demnach elfmal getroffen. Das berichtet NIUS.

Der Verdacht der Hofberichterstattung schmälert nicht nur die Glaubwürdigkeit von Correctiv und der deutschen Medien insgesamt, der Gesprächsschwerpunkt „Desinformation“ weist auf eine tiefgreifendere Problematik hin: Wie gehen wir mit einer Informationsgesellschaft um, in der jeder mit einem Social-Media-Konto „Medienschaffender“ ist?

Tatsächlich ist es eine drängende Frage, wie die Qualität von Informationen gesichert werden kann. Der Kontrollreflex, den regierende Politiker hier entwickeln mögen, ist verständlich. Ihm nachzugeben, ist indes kurzsichtig und kontraproduktiv. Denn aus dem Ansinnen, Information zu filtern, wird postwendend jenes, den Informationsfluss auf intransparente Weise zu steuern. Selbst wenn derartige Mauscheleien nicht immer ans Licht kommen: Werden sie bekannt, ist der Schaden immens, wenden sich immer mehr Bürger von etablierten Medien ab und suchen Alternativen.

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Zudem leidet unsere Gesellschaft unter zunehmender Polarisierung. Unterschiedliche Ansichten bewegen sich oft nicht mehr auf der Basis derselben Realität, sondern auf dem Boden unterschiedlicher Wirklichkeiten, die zum Teil auf einander entgegengesetzten „Faktenlagen“ beruhen. Ein Umstand, der sich im neudeutschen Wort „Bubble“ ausdrückt, der aber viel gravierender ist, als der Begriff vermuten lässt – eine Seifenblase kann man zum Zerplatzen bringen; wir haben es jedoch mittlerweile mit Betonwänden zu tun, die die Wahrnehmungswelten der Bürger voneinander trennen. Dem kann nur eine möglichst breite Darlegung der Fakten entgegenwirken – was freilich einer pointierten Einordnung im Nachgang keineswegs widerspricht.

Es ist vielsagend, dass die Protagonisten, die sich selbst als „Faktenfinder“, „Faktenchecker“ und eben als „Correctiv“ betrachten, geradezu das Gegenteil befördern: Erwünschte Ansichten, die Gegenstand von Kontroverse sind, werden als „Fakten“ dargestellt, und damit der Diskussion enthoben. Missliebige hingegen werden als „Fakenews“ definiert. Der Deutungsrahmen wird festgeschrieben – nicht durch Argumente, sondern durch den moralischen Appell, wie etwa die manipulierten NS-Parallelen der Potsdamer Correctiv-Veröffentlichung zeigen.

Angesichts der mittlerweile sieben eidesstattlichen Erklärungen, die dem Kern der vermeintlichen „Recherche“ – den angeblich geplanten massenhaften Ausweisungen – widersprechen, lässt sich die Frage stellen, inwieweit Fakten auch schlicht „erfunden“ werden. Desinformation als legitim zu betrachten, sobald sie der eigenen Haltung entspricht, und andererseits das, was bestimmten Akteuren missfällt, als Desinformation zu kennzeichnen, ist ein ganz besonders besorgniserregender Trend: Wir steuern auf eine postfaktische, rein weltanschaulich bestimmte Medienlandschaft zu, wenn wir derartige Entgleisungen tolerieren. Eine selbstkritische Kurskorrektur ist dringend vonnöten.

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