<
>
Null Ouvert

Da Merz der Kompass fehlt, dreht er sich in alle Richtungen

von Gastautor

13.03.2025

| Lesedauer: 2 Minuten
Friedrich Merz handelt genau so wie Angela Merkel. Er wechselt – mal das Thema, mal die Richtung, mal den Partner. Er meint, dass man auf dem Weg zur Macht nicht prüde sein darf, und hält sich dran. Von Konrad Adam

Nachdem Friedrich Merz von seiner Freundin, der lieben Angela, um den Fraktionsvorsitz im Deutschen Bundestag gebracht worden war, machte er seinem Ärger öffentlich Luft. „Auf alles waren wir vorbereitet“, schimpfte er, „nur nicht auf den Machthunger eines Stasi-gehärteten Mädchens aus dem Osten.“ Wir, das waren die Mitglieder des damals sogenannten Anden-Pakts, eines Zusammenschlusses junger, ehrgeiziger CDU-Nachwuchspolitiker zu wechselseitigem Nutzen. Das Stasi-geschulte Mädchen war Angela Dorothea Merkel.

Frau Merkel hatte zwei Lehrherren, Erich Honecker und Helmut Kohl. Von beiden hatte sie dasselbe gelernt: dass man, um seinen Platz im ersten Rang zu behaupten, die Plätze neben sich mit Leuten besetzen sollte, die in den zweiten oder dritten Rang gehören, mit dicken Männern also, die des Nachts gut schlafen. „Du suchst Anhänger?“, hatte Nietzsche gefragt, und empfohlen: „Schreibe Nullen!“ Das hat sich Frau Merkel nicht zweimal sagen lassen und sechzehn Jahre lang befolgt.

[inner_post] Daraus sind so eindrucksvolle Nullen wie Peter Altmaier und Helge Braun hervorgegangen, aber auch Rüpel wie Roland Pofalla, Weinköniginnen wie Julia Klöckner, Nussknacker wie Annegret Kramp-Karrenbauer und Plagiatoren wie Annette Schavan oder der Freiherr von und zu Guttenberg: Sie fraßen ihrer Herr*in aus der Hand. Nur einer fehlte: Friedrich Merz. Er wollte nicht gefüttert werden, sondern selbst füttern.

Jetzt darf er. Und wie macht er das? Genauso wie Frau Merkel. Er wechselt – mal das Thema, mal die Richtung, mal den Partner. Er hat gemerkt, dass man auf dem Weg zur Macht nicht prüde sein darf, und hält sich dran. Frau Merkel war erst für, dann gegen die Atomkraft; erst für, dann gegen Putin; erst für die Wehrpflicht, dann dagegen, und so weiter. Es ist nicht leicht, die tausend Haken, die sie in ihren sechzehn Kanzlerjahren geschlagen hat, im Kopf zu behalten. Nötig ist es auch nicht, weil es auf Haken, Wechsel, Widersprüche gar nicht ankommt.

In der Diktatur, schrieb Konrad Heiden, der erste (und immer wieder lesenswerte) Hitler-Biograph, gibt es keinen Widerspruch zwischen Wort und Tat; es gibt nur Widersprüche in der Praxis selbst. „Die Diktatur handelt nicht anders als sie spricht, sie handelt heute anders als gestern und hier anders als dort.“ Sie hat kein Programm und keine Theorie. Deswegen ist es sinnlos, sie an Versprechen zur erinnern oder von Wortbruch zu reden, wenn sie das Gegenteil von dem tut, was sie angekündigt hat. Die Diktatur ist Praxis, Herrschaftspraxis und sonst nichts. Was sie tut, ist alternativlos, faktischer Zwang. Sich ihr gegenüber auf Anstand, Logik oder Konsequenz zu berufen, bringt nichts, „denn die Macht disputiert nicht“.

Merz auch nicht. Da ihm der Kompass fehlt, bewegt er sich in alle Richtungen. Er bezieht Stellungen, die er schnell wieder aufgibt – oder umgekehrt, ja nach Windrichtung. Parteien, die dasselbe wollen wie er, sind ihm verhasst; dafür verhandelt er mit denen, die er jahrelang bekämpft hatte, inzwischen ja auch mit den Grünen. Dass er auf diesem Weg den Stand der öffentlichen Schulden über die von ihm leichtfertig avisierte Marke von 900 Milliarden Euro hinaustreibt, ist ihm egal. Er ist ein Geschöpf der Parteiendemokratie, die ohne Richtung, Ziele und Programme auskommt. Am Ende wohl auch ohne Volk.


Dr. Konrad Adam ist Journalist, Publizist und ehemaliger Politiker der AfD. Er war Feuilletonredakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und Chefkorrespondent und Kolumnist der Tageszeitung Die Welt in Berlin.

[advertisement-block provider=“freigeist“ location=“posts“]

Unterstützen Sie unabhängigen Journalismus

Ihre Unterstützung hilft uns, weiterhin kritisch zu berichten.

Einmalig unterstützen

Monatlich unterstützen

Jährlich unterstützen

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

0 Kommentare

Einen Kommentar abschicken